Städtepartnerschaft mit Thiais: FDP/Kloss fühlt sich ausgegrenzt und erntet dafür scharfe Kritik

Weil er und die von ihm dominierte dreiköpfige Ratsgruppe „Liberal und klar“ nicht mit zur mehrtägigen Thiais-Programmbesprechung nach Straßburg fahren konnte, wittert Ratsherr Alexander Kloss (parteilos) eine bewusste, „unerträgliche“ Ausgrenzung einer unbequem gewordenen „Opposition“ beim Partnerschaftsaustausch mit dem französischen Vorort von Paris, wie er schreibt. Kloss mutmaßt, dass er und seine Mitstreiter in Ungnade bei der SPD/CDU-Gruppe sowie der Bürgermeisterin gefallen seien und sie deshalb nicht mitfahren dürften, wirft ihnen eine Zwei-Klassen-Mentalität im Stadtrat sowie Vetternwirtschaft und Günstlingspolitik vor. Das Echo der Angesprochenen ist deutlich.

Alexander Kloss wählt starke Wort für einen eigentlich Routine versprechenden Vorgang: das jährliche Treffen von Vertretern aus Einbeck und Thiais zur so genannten Programmbesprechung. Immer im Spätherbst bereiten sie das Programm des Austauschs für das folgende Jahr vor – in ihrer Freizeit wohlgemerkt. Alexander Kloss hat persönlich mehrmals in der Vergangenheit an diesen Treffen teilgenommen, damals war er noch Mitglied der SPD-Fraktion. Diesmal war er nicht dabei und ist sauer. Nach meinen Informationen hat es über das Thema auch in der Sitzung des Verwaltungsausschusses unmittelbar vor der Ratssitzung vergangene Woche mächtig Zoff gegeben.

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hat in der jüngsten Sitzung des Stadtrates über die Programmbesprechung kurz schriftlich berichtet: „Die im Rahmen der Partnerschaft Thiais-Einbeck im Jahr 2023 stattfindenden Begegnungen wurden vom 24. bis 26. November gemeinsam mit jeweils einer Delegation aus Thiais und Einbeck in Straßburg erarbeitet und das Protokoll hierzu unterzeichnet.“ Auf letzteres sowie auf den persönlichen Austausch legen besonders die Franzosen seit Generationen sehr großen Wert. Das weiß eigentlich auch jeder, der sich ein paar Jahre lang in Einbeck mit Kommunalpolitik beschäftigt. Daher verwundert Alexander Kloss‘ Vorschlag, die angeblich 7000 Euro teuren Treffen künftig einzusparen und per Videokonferenz stattfinden zu lassen. Das würden die Franzosen vermutlich als Affront verstehen.

Kloss‘ Kernvorwurf: Für das diesjährige Besprechungstreffen in Straßburg seien die sechs Plätze in der Delegation nach politischem Proporz im Stadtrat zusammengestellt worden. Die Reisegruppe habe aus vier Personen aus der SPD/CDU-Gruppe bestanden, einer Person aus der Gruppe Grüne+ und einer Person aus der Fraktion Bürgerliste GfE.

Alexander Kloss: „Statt dann, wie es eigentlich guter demokratischer Stil wäre, alle sechs Fraktionen und Gruppen des Rates mit jeweils einer Person einzubeziehen, wählte man bewusst eine Sitzverteilung nach politischem Proporz. Das ist kein faires Miteinander und außerdem ziemlich undemokratisch.“ Sein Appell sei leider unerhört verhallt. Kloss wäre es also lieber gewesen, wenn neben seiner Gruppe auch noch ein Vertreter der AfD-Fraktion mit zum Partnerschaftsaustausch gefahren wäre.

In seiner Mitteilung sind noch weitere demokratietheoretisch interessante Formulierungen enthalten. Nicht nur, dass es in einem Selbstverwaltungsgremium wie dem Stadtrat (der bekanntlich wegen nicht gesetzgeberischer Funktion kein klassisches Parlament mit Regierung und Opposition ist) keine „in weiten Teilen schwache bis nicht vorhandene Opposition“, wie er schreibt, geben kann. Kloss attackiert auch die Bürgermeisterin unübersehbar deutlich: Sie habe noch am ehesten die Möglichkeiten, die unterschiedlichen Meinungen zusammenzuführen, profitiere aber offenbar lieber „von dem fragwürdigen und fragilen Konstrukt aus SPD und CDU, das man auch getrost als gigantische Wählertäuschung bezeichnen darf“. Das darf man. Das muss deswegen aber nicht richtig sein.

Bemerkenswert ist, dass Kloss in seiner Rundmail an die Menschen, denen er ein ernsthaftes Interesse an seiner kommunalpolitischen Arbeit unterstellt, die jede seiner Verlautbarungen begleitet, diesmal eine Passage hinzufügt, die es nicht in die Presseinfo geschafft hat. Kloss weitet seinen Blick schon auf 2026 – das Jahr, für das er erst jüngst keine Fördermittel beantragen wollte: „Für die Zeit nach der nächsten Kommunal- und Bürgermeisterwahl bleibt nur die große Hoffnung, dass die dann Gewählten ihre Verantwortung nutzen, um an vielen Stellen Gerechtigkeit wiederherzustellen und den vor allem in den letzten 12 Monaten entstandenen finanziellen Schaden zu behandeln. Allein die Wiederherstellung des ramponierten Image von Stadtverwaltungsspitze und Ratspolitik wird eine Mammutaufgabe und nicht in einigen Monaten zu schaffen sein.“ Das liest sich schon fast wie eine Bewerbungsrede für eine Kandidatur bei der Bürgermeisterwahl 2026.

Kloss‘ Einschätzung zur Städtefreundschaft scheint sich zuletzt verändert zu haben. Auf seiner Website schreibt er aktuell: „Ich bin Träger der Goldenen Ehrenmedaille unserer französischen Partnerstadt für besondere Verdienste um die Freundschaft zwischen den beiden Städten und wurde außerdem von der Stadt Einbeck mit der Partnerschaftsmedaille ausgezeichnet. Viel wichtiger als diese Ehrungen sind mir jedoch die Begegnungen, die intensiven Gespräche, die gelebten Momente der Freundschaft und des gegenseitigen Respekts mit unseren Freunden aus den Partnerstädten.“

Ich habe die Bürgermeisterin und die Fraktionsvorsitzenden der an dem Treffen beteiligten Fraktionen um Stellungnahmen zu Kloss‘ Äußerungen und Vorwürfen gebeten. Hier die Antworten im O-Ton:

Bürgermeisterin

„Bestürzt, traurig und fassungslos habe ich die Pressemitteilung der Gruppe ‚Liberal und klar‘ zur Kenntnis genommen“, schreibt Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek in einer ausführlichen Stellungnahme. „Bestürzt weil neben einigem Richtigen so viel Unwahres geschrieben ist. Richtig ist: Die Städte Einbeck und Thiais pflegen seit über 60 Jahren eine intensive und herzliche Städtefreundschaft. Richtig ist auch, dass sich in der Regel im November Delegationen der beiden Stadträte wechselseitig in ihren Ländern empfangen, um die Austausche des kommenden Jahres zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern vorzubereiten – die so genannte Programmbesprechung. Verschwiegen wird, dass neben der Arbeit am Austauschprogramm des nächsten Jahres auch die langjährige Freundschaft zwischen den Mitgliedern beider Stadträte gepflegt wird und ein kulturelles Programm auf der Tagesordnung steht.

Falsch ist die Aussage, dass die Einbecker Delegation erstmals nach politischem Proporz besetzt wurde. Seit mindestens 2007 (soweit reichen die digitalen Protokolle im ALLRIS zurück) nahmen regelmäßig maximal 5 Ratsmitglieder neben amtierendem/r Bürgermeister bzw. Bürgermeisterin und maximal 3 weiteren Verwaltungsmitgliedern an den Programmbesprechungen teil – die Ratsmitglieder wurden dabei immer nach dem jeweiligen Proporz der jeweiligen Wahlperiode besetzt durch Benennung durch ihre jeweiligen Fraktionen oder Gruppen.

Das wurde Alexander Kloss auch durch die Verwaltung am 9.12.2022 so mitgeteilt. Im Übrigen hätte er es auch ohne diese Mitteilung wissen können, wurde er doch selbst von seiner damaligen Partei des Öfteren als Delegationsmitglied vorgeschlagen.

Traurig machen mich die in der Pressemitteilung daraus abgeleitete Schlussfolgerung einer vermeintlichen Ausgrenzung der Gruppe ‚Liberal und klar‘ und die Wortwahl des Gruppensprechers. Ab dieser Wahlperiode sind Mehrheitsverhältnisse im Rat bekanntlich sehr deutlich durch Bildung der Gruppe SPD/CDU. Deshalb hat die Verwaltung der Politik vorgeschlagen, die Anzahl der Ratsmitglieder der Einbecker Delegation auf sechs Ratsmitglieder zu erhöhen (plus Bürgermeisterin plus 1 Person aus der Verwaltung plus den Partnerschaftsbeauftragten für Thiais), um auch den kleineren (nicht allen!) Fraktionen oder Gruppen eine Teilnahme zu ermöglichen. Dieses Vorgehen wurde von allen Fraktionen oder Gruppen – außer der Gruppe ‚Liberal und klar‘ – so akzeptiert. Eine demokratische Mehrheitsentscheidung also. Weiterhin zeugt die Wortwahl des Gruppensprechers von Verbitterung und Enttäuschung eines Einzelnen über eine Mehrheitskonstellation im Rat, die nicht nach seinem Gusto ist, aber die Wählerinnen und Wähler im vergangenen Jahr so festgelegt haben. Wer sich dabei als Opfer stilisiert und glaubt, dabei Worte wie „Vetternwirtschaft“, „Günstlingspolitik“, „gigantische Wählertäuschung“ oder „zertrümmern“ verwenden zu müssen, bewegt sich meiner Ansicht nach mit hoher Geschwindigkeit an den Rand der demokratischen Gepflogenheiten und Umgangsformen.

Fassungslos macht mich schließlich der ‚Lösungsvorschlag‘. Ja, wir haben während der Pandemie alle die Vorzüge digitaler Kommunikationswege zu schätzen gelernt. Die Gruppe ‚Liberal und klar‘ fordert nun aber allen Ernstes, über Generationen gewachsene, persönliche Treffen einzustellen und durch eine Videokonferenz zu ersetzen. Zumindest der Gruppensprecher dürfte wissen, wie wichtig der französischen Delegation diese Programmbesprechung ist und wie sensibel dieses Thema in der Vergangenheit war und immer noch ist. Hier wird mit einer beispiellosen Gefühlskälte unter dem Deckmäntelchen der Gerechtigkeit und Transparenz gehandelt. Ich ziehe ein gesprochenes Wort an einem Tisch mit Blickkontakt zu allen Teilnehmenden einer Videokonferenz immer vor, wenn es sich um so ein wichtiges Thema wie den Erhalt einer Städtefreundschaft handelt.

Negiert wird durch die Gruppe ‚Liberal und klar‘ zudem der kulturelle Wert dieser Treffen: Wer einmal als Deutsche in der Nähe von Cherbourg am Strand der Landung der alliierten Truppen 1944 gestanden hat, wer einmal als Deutsche die Erhabenheit des Straßburger Münsters mit eigenen Augen sehen durfte oder wer gemeinsam mit unseren französischen Freunden das Brandenburger Tor durchschritten hat, den Grenzverlauf der Berliner Mauer abgegangen ist und ergriffen das Holocaust Memorial besucht hat, der weiß, dass eine Digitalkonferenz dies nie ersetzen kann, sondern dass nur Nähe, dass nur Freundschaft, dass nur persönliche Treffen den Frieden zwischen Menschen, Städten und Ländern sichern können.“

SPD

„Jahrelang war Alexander Kloss immer der Erste, der sich in die Mitfahrer-Listen eingetragen hat, wenn es um Treffen mit den Partnerstädten ging“, schreibt SPD-Fraktionsvorsitzender Dirk Heitmüller. „Jetzt sieht er sich einmal mehr in der Opferrolle. Zwei Drittel seines Antrages lamentiert er darüber, wie böse alle anderen zu ihm sind, um dann bockig zu fordern: ‚Wenn ich nicht mitdarf, soll gar keiner fahren.‘ Es zeigt einmal mehr, dass es ihm nicht um die Sache geht, sondern nur um seinen Vorteil. Es geht ihm auch nicht um harmonische Ratsarbeit, sondern vielmehr darum, wieder einmal zu versuchen, einen Keil zwischen Bürgermeisterin und der Mehrheitsgruppe im Rat zu treiben. Wie lange will die FDP dieses trotzige Verhalten noch stützen?“

CDU

„Wer in dieser Zeit die Notwendigkeit von intensiver deutsch-französischer und damit europäischer Partnerschaft und Freundschaft infrage stellt, handelt ohne jede Verantwortung“, schreibt CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Ebrecht. „Dass nun gerade Herr Kloss als derjenige Ratsherr, der an den allermeisten dieser Austausche teilgenommen hat, seinen Unmut just zu dem Zeitpunkt entwickelt, an dem er mal nicht mitfahren konnte, bedarf keines weiteren Kommentars. Dass zudem die Sorge um städtische Finanzen als Grund herhalten muss, wirkt dabei ebenso durchsichtig wie scheinheilig. Der Zusammenhalt und die Partnerschaft in Europa gehört intensiviert und gestärkt, das gilt auch und besonders für die jahrzehntelange Freundschaft zu unserer französischen Partnerstadt.“

Ein Kommentar zu „Städtepartnerschaft mit Thiais: FDP/Kloss fühlt sich ausgegrenzt und erntet dafür scharfe Kritik

  1. Nur die allerdümmsten Bäcker lassen ihren kreativen Sauerteig verderben und wundern sich dann, wenn ihre ehemaligen Kunden danach beim Discounter oder im Naturkostladen ihren Grundbedarf decken.

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