Stadtrat entscheidet über Strabs-Zukunft weiterhin nicht

Der Einbecker Stadtrat hat der schon lange währenden Diskussion über die Straßenausbaubeiträge in seiner jüngsten Sitzung am Mittwoch ein weiteres Kapitel hinzugefügt, aber noch immer nicht eine von vielen erhoffte Entscheidung getroffen. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU haben jedoch betont, dass es noch vor der Kommunalwahl eine Aussage über Abschaffung oder Beibehalten der Strabs, der Straßenausbaubeitragsatzung, geben soll. Der Weg soll nun eine Sondersitzung des Finanzausschusses am 12. Juli sein, der wahrscheinlich eine Sondersitzung des Stadtrates folgen wird.

Die Multifunktionshalle, in der sich der Stadtrat erstmals und wieder in Präsenzform traf, soll am 14. Juli offiziell eingeweiht werden.

Vor allem die Aktiven der Bürgerinitiative, die vor der Sitzung mit Transparenten und Schildern protestiert hatten, dürften mit der neuerliche Vertagung nicht zufrieden sein. BI-Sprecherin Anja Linneweber überreichte in der Ratssitzung einen Ordner mit 1190 Unterschriften, die sich für eine Abschaffung der Strabs aussprechen. „Deutlicher kann ein Signal der Bürger für die Politik in Einbeck nicht sein“, sagte Linneweber, die in dem Votum ein klares Signal ihrer Initiative sieht. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Ratsvorsitzender Frank Doods (SPD) nahmen die Unterschriften entgegen.

1190 Unterschriften im Ordner: BI-Sprecherin Anja Linneweber (r.) überreichte den Protest an Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Ratsvorsitzenden Frank Doods.

Nachdem bereits vor der Sitzung erste Gerüchte über eine Sonder-Finanzausschusssitzung kursierten, kündigte CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Ebrecht das Treffen zu Beginn der Ratssitzung offiziell als fraktionsübergreifende Verständigung an und zog gleichzeitig den inhaltlich nie ausformulierten Antrag seiner CDU-Fraktion zum Thema zurück. Alle Fraktionen hätten sich jetzt auf den 12. Juli verständigt, sagte Ebrecht. Es sei nun mal nicht alles so holzschnittartig einfach. Dr. Reinhard Binder (FDP) sah seine Fraktion dabei jedoch übergangen, er höre vom 12. Juli das erste Mal.

Auf der Tagesordnung stand die Strabs im Stadtrat am Mittwoch dennoch, denn der Antrag der Gelb-Grünen-Gruppe auf Abschaffung der Beiträge blieb und sollte zunächst in den Finanzausschuss überwiesen werden. Dafür fand sich jedoch am Ende keine Mehrheit. Den Grund dafür erläuterten Rolf Hojnatzki (SPD) und Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE): Wenn man die Strabs abschaffen wolle, müsse das sofort geschehen und nicht wie im FDP/Grünen-Antrag gefordert erst zum 1. Januar 2023. Bis dahin laufende Straßenausbaubeiträge noch einzuziehen sei unredlich, meinte Pfefferkorn und „vom Populismus initiiert“, wie es Hojnatzki ausdrückte.

Dietmar Bartels (Grüne) befürchtet, dass das Thema „über die Wahl geschleppt“ wird. Seit zwei Jahren werde schon diskutiert, und da könne er nicht glauben, dass es nun in zwei Wochen eine Antwort geben soll. Die Strabs habe sich inzwischen zu einem Stillstand für Einbeck entwickelt, weil durch die Probleme mit ihr keine neuen Projekte mehr angegangen würden. Eine Steuererhöhung anstatt der Beiträge sei durchaus gerechtfertigt, meinte Bartels, stattdessen gebe es für eine Klientelpolitik, bestimmte Leute möglichst wenig zu belasten, eine „mühselige Rechnerei“, kritisierte er.

Udo Harenkamp (parteilos) erinnerte an seinen Dringlichkeitsantrag zum Thema Strabs für die Finanzausschuss-Sitzung am 18. Mai. Der sei damals abgeschmettert worden – „und heute kann es Ihnen nicht schnell genug gehen“, kritisierte er die großen Ratsfraktionen. „Wir wären heute schon vier Wochen weiter, wenn sie meinem Antrag zugestimmt hätten.“

Dirk Ebrecht (CDU) wies das vehement zurück. „Es will niemand schieben und aussitzen bis nach der Wahl“, sagte der Fraktionschef der Christdemokraten. „Wir können die Strabs aber erst abschaffen, wenn wir wissen, wie wir es bezahlen.“ Und da es noch keine einfache Antwort gebe, die auch rechtssicher sei, müsse man noch eine Schleife drehen. „Es wird eine Entscheidung geben“, sagte Ebrecht, „aber ob die allen gefallen wird, weiß ich nicht.“

„Es wird keine gerechte Lösung geben“, meint Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE). Beim Finanzausschuss am 18. Mai hätten noch nicht alle Informationen und Zahlen auf dem Tisch gelegen, sagte der Ausschussvorsitzende in Richtung Harenkamp. Jetzt liegen die am 18. Mai angeforderten Zahlen vor.

Albert Eggers (CDU) ist skeptisch, ob es in wenigen Wochen eine Lösung geben könne. „Wir fangen am 12. Juli mit der Lösung an“, sagte er. „Es wird dort nicht zum goldenen Wurf kommen“. Es hätten zwar 43 Prozent der Kommunen in Niedersachsen die Strabs abgeschafft, aber keiner habe eine Lösung, wie das fehlende Geld aufgebracht werden solle. Wenn es durch Kredite ausgeglichen werden solle, bekomme Einbeck keine Haushaltsgenehmigung von der Kommunalaufsicht mehr, prognostizierte Eggers.

„Mit welcher Lösung bezahlen wir den niedrigsten Preis“, formulierte Heidrun Hoffmann-Taufall (CDU) die ihrer Ansicht nach entscheidende Frage. Gemeinsam müsse man an einer gerechten Lösung arbeiten und die Bürger mit einbeziehen, damit es nicht in Einbeck zu einer „schlechten Stimmung“ komme, wie sie sagte.

Willi Teutsch (CDU) sprach sich in einer persönlichen Erklärung für die Strabs-Abschaffung aus. „Straßen dienen der Allgemeinheit, nicht den Anliegern.“ Es sei „ein Unding“, für den Straßenausbau Beiträge der Anlieger heranzuziehen. Gerade bei denkmalgeschützten Häusern leisteten die Eigentümer durch den höheren Aufwand ihren Beitrag zur Sozialbindung des Eigentums, sagte Teutsch, der am 12. September nicht wieder kandidiert.

SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki legte in seinem Wortbeitrag der FDP/Grünen-Gruppe nahe, den Antrag zurück zu ziehen und sich in den Fraktionenkonsens einzubringen. Der Antrag könne heute ohnehin nicht beschlossen werden, weil es Gelb-Grün verabsäumt habe, ihn vorher beispielsweise im Verwaltungsausschuss beraten zu lassen. „Das haben Sie wohl so nicht vor Augen gehabt, Frau Villmar-Doebeling“, wandte sich Hojnatzki persönlich an seine Ratskollegin von der FDP. Diese hatte den Antrag im Rat vorgestellt und an die großen Parteien appelliert, die Strabs endlich abzuschaffen. Die sei ungerecht und unsozial, gefragt sei eine Lösung für die Bürger, sagte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP).

„Heute bezahlen wir – morgen ihr!“, „Denkt an die nächste Wahl“ und „Der Rat sollte die Interessen der Bürger vertreten“ – mit diesen und anderen Transparenten protestierte die Bürgerinitiative für eine Strabs-Abschaffung.
Protest gegen die Strabs vor der Tür der neuen Multifunktionshalle am Kohnser Weg.

Demonstrationen: SPD attackiert Ratsherrn Kloss

In Sachen Neonazi-Demos in der Einbecker Innenstadt: Mit einer gemeinsamen Pressemitteilung von SPD-Ortsverein und SPD-Ratsfraktion haben die Sozialdemokraten heute Ratsherrn Alexander Kloss (parteilos) attackiert, der bis zum Sommer ihr Mitglied und Fraktionsmitglied und einst auch Bewerber für die Bürgermeister-Kandidatur der SPD war. Die SPD nennt ihn zwar in ihrem Text nicht namentlich, aber Ratsherr Alexander Kloss hatte in den vergangenen Tagen mit einem von ihm selbst öffentlich gemachten Brief an Kreis- und Stadtverwaltung gefordert, „mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln diese Veranstaltung zu unterbinden“, wie er schreibt. Gemeint ist eine Demonstration der Rechten am heutigen Sonnabend.

Da würden falsche Hoffnungen geweckt, das Demonstrationsrecht gelte leider auch für Gegner des Grundgesetzes, erklärt die SPD-Spitze. Es sei kontraproduktiv, „wenn jetzt ein Mitglied des Rates meint, er müsse Verwaltung und Politik zum Handeln auffordern. Wider besseren Wissens wird in der Öffentlichkeit der Eindruck von Untätigkeit erweckt.“ Das Gegenteil sei der Fall: Sowohl das Bündnis „Einbeck ist bunt“ als auch die Stadtverwaltung seien seit geraumer Zeit aktiv, schreibt die SPD. „Deshalb sollten solche Alleingänge unterbleiben. Sie führen nicht nur zur Politikverdrossenheit, weil sie falsche unerfüllbare Hoffnungen wecken. Sie gefährden den Erfolg der Maßnahmen und können im schlimmsten Fall zur Entsolidarisierung im Kampf gegen den Faschismus führen.“

Die Rechtsradikalen seien darin geschult, alle Auflagen, insbesondere zum Schutz gegen die Corona-Pandemie, einzuhalten und damit einem Veranstaltungsverbot entgegen zu wirken, schreibt die SPD in ihrer Pressemitteilung. „Solche Veranstaltungen pauschal zu verbieten wäre nicht nur rechtswidrig. Eine gewonnene Klage vor den Verwaltungsgerichten würde diesen Gruppen auch noch in die Hände spielen, weil sie sich ihren Anhängern als Märtyrer präsentieren könnten.“

Screenshot des Live-Streams von „Einbeck ist bunt“ am 14. November mit dem SPD-Vorsitzenden Marcus Seidel (l.).

Für die Einbecker SPD hatten vergangene Woche der Ortsvereinsvorsitzende Marcus Seidel, der Fraktionsvorsitzende Rolf Hojnatzki und der Geschäftsführer der Kreistagsfraktion, Peter Traupe, die Einbecker in einer Pressemitteilung aufgefordert, aus Gründen des Infektionsschutzes der Gegen-Veranstaltung zur Demo der Rechten fernzubleiben. „Wir bitten aber stattdessen, Solidarität via Facebook kundzutun. Die Veranstaltung des Bündnisses wird per Livestream auf Facebook übertragen und kann dort verfolgt werden. Liken und kommentieren Sie bitte fleißig.“

Wie die Polizei am Abend mitteilte, hat die Partei „Die Rechte – Landesverband Niedersachsen“ heute eine Versammlung zum Thema „Kein Verbot für schwarz, weiß, rot“ auf dem Hallenplan durchgeführt. Noch vor Beginn der Versammlung wurden durch Versammlungsteilnehmer zwei Reichsflaggen entrollt und geschwenkt. Sie wurden durch eingesetzte Polizeibeamte sichergestellt und Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Laut Polizei haben sich die sieben Versammlungsteilnehmer nach Ende ihrer Demo später gemeinsam zu Fuß vom Hallenplan entfernt, ohne sich an bestehende Vorschriften der Corona-Verordnung zu halten. Aus diesem Grund seien die Personalien der Gruppe festgestellt und entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden, teilt die Polizei mit.

Unter dem Motto „Einbeck bleibt bunt“ haben ebenfalls sieben Vertreter des Bündnisses „Einbeck ist bunt“ einen stillen Gegenprotest mit Transparenten auf dem Marktplatz durchgeführt, berichtet die Polizei. Dabei sei den Infektionsschutzbestimmungen umfänglich Rechnung getragen worden.

Während der noch laufenden Versammlung der Partei „Die Rechte“ erhielt die Polizei nach eigenen Angaben Kenntnis von einer vermummten Personengruppe des linken Spektrums, die angeblich an der Wohnanschrift eines Versammlungsteilnehmers Transparente zeigen und Schriftzüge auf die Fahrbahn sprühen. Beim Eintreffen der Polizeikräfte vor Ort konnte niemand mehr angetroffen werden, jedoch seien verschiedene Schriftzüge gegen rechtes Gedankengut auf die Straße gesprüht worden, schreibt die Polizei. Durch Ermittlungsbeamte der Polizei wurden Spuren gesichert und ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet. Kurze Zeit später traf die Polizei mehrere Pkw und 16 Personen des linken Spektrums am P+R-Parkplatz am Bahnhof in Einbeck an. Darunter seien vier Personen mit entsprechenden Farbanhaftungen an der Bekleidung gewesen, schreibt die Polizei. Sie seien dringend tatverdächtig, für die Sachbeschädigung verantwortlich zu sein. Beweismittel wurden sichergestellt und weitere Spuren gesichert. Darüber habe diese Gruppe durch ihren gemeinsamen Aufenthalt auf dem P+R-Parkplatz gegen die Bestimmungen der Corona-Verordnung verstoßen. Weitere 15 Ordnungswidrigkeitenverfahren wurden eingeleitet.

Gegen 16 Uhr habe ein ehemaliger Versammlungsteilnehmer der Partei „Die Rechte“ eine Spontanversammlung in der Grimsehlstraße vor der dortigen Apotheke angemeldet. Nach einem erfolgten Koordinierungsgespräch hielten die sieben Teilnehmer unter Einhaltung der Infektionsschutzbestimmungen ihre rund halbstündige Versammlung unter dem Motto „Gegen Polizeigewalt und -willkür“ ab, berichtet die Polizei.

„Insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Covid-19-Infektionszahlen stand neben der konsequenten Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen der Gesundheitsschutz in einem besonderen Fokus“, bilanzierte Einsatzleiter Niklas Fuchs.

„Politisch motiviertes Attentat“: Bürgermeisterin verurteilt Anschlag

Einbecks Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hat den Anschlag auf das Wohnhaus einer 41-Jährigen in der Einbecker Innenstadt scharf verurteilt. Die Attacke sei „ein politisch motiviertes Attentat“, machte sie deutlich und sprach von einer Zäsur, die Konsequenzen haben müsse. Der Fall schlug bereits hohe, auch mediale Welle, sogar die „New York Times“ berichtete.

„Ich – und damit spreche ich nicht nur für mich persönlich, sondern auch für Rat und Verwaltung der Stadt und die gesamte Stadtgesellschaft – lehne Hassverbrechen und Gewalt in jeglicher Form ab“, teilte die Rathauschefin heute in einer Presseinformation mit. Gottlob sei es bei reinen Sachschäden geblieben, und die Polizei habe durch ihr schnelles und beherztes Eingreifen des dringend Tatverdächtigen habhaft werden können, sagte Michalek.

Sie erwarte von den Strafverfolgungsbehörden, den Fall als das zu verstehen, was er sei: Kein eskalierter Dumme-Jungen-Streich, sondern „ein politisch motiviertes Attentat“. Für die sich seit einigen Monaten permanent verschärfenden Spannungen zwischen rechter und linker Szene in Einbeck sei dieser Vorfall eine Zäsur. Diese müsse zum Anlass genommen werden, mit aller Härte des Rechtsstaats das staatliche Gewaltmonopol zu verdeutlichen, forderte die Bürgermeisterin.

Zuvor hatte bereits Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Tat scharf verurteilt. „Die Polizei wird die Umstände dieser Tat sehr genau untersuchen und prüfen, welche Tatbestände dadurch erfüllt worden sind. Wir dulden in Niedersachsen keinen Extremismus – egal wo er herkommt.“ Laut Pistorius haben zwei aus rechtsextremistischen Kreisen polizeibekannte Personen – von denen eine von der Polizei als „Gefährder Rechts“ bewertet wird – den Briefkasten am privaten Wohnhaus der Frau zur Explosion gebracht. Einer der Täter sei dabei offenbar schwer an der Hand verletzt worden, erklärte der Innenminister. „Nach den vorliegenden Informationen wollten diese beiden Rechtsextremisten eine in der Region für ihr Engagement gegen rechts bekannte Frau damit einschüchtern und bedrohen. Sie wollten offensichtlich Angst und Schrecken verbreiten.“ Nach der vorläufigen Festnahme der Personen wurde die gemeinsame Wohnung der beiden Tatverdächtigen durchsucht. Es konnten diverse Beweismittel ­– unter anderem Waffen – beschlagnahmt werden, die jetzt ausgewertet werden. Der Minister hat über den Fall am Donnerstag den Innenausschuss des Niedersächsischen Landtages über die bislang bekannten Hintergründe informiert.

In den frühen Morgenstunden des vergangenen Mittwoch (10. Juni) war es zu einer Attacke auf das Wohnhaus einer 41-jährigen Einbeckerin gekommen. Laut Polizei wurde mit Pyrotechnik ein Briefkasten gesprengt. Nach derzeitigem Ermittlungsstand geht die Polizei von einer politisch motivierten Tat aus. Sie erhöhte die sichtbare und spürbare Präsenz der Beamten in der Stadt.

„Wir sind schockiert über diese Tat“, erklärt der Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen, Dr. Dietmar Sedlaczek. Einer der mutmaßlichen Täter soll im vergangenen Jahr bei einer provokativen Aktion in der KZ-Gedenkstätte beteiligt gewesen sein. Der Anschlag auf die Frau stehe in Zusammenhang mit zahlreichen weiteren Vorfällen, die darauf abzielten, die Bevölkerung einzuschüchtern. „Der Anschlag sollte Leib und Leben eines konkreten Menschen gefährden, damit ist eine neue Dimension erreicht“, erklärte Sedlaczek. Die Tat mache klar, welche Gefahr von der rechtsextremen Szene in Südniedersachsen ausgehe.

Die 41-Jährige engagiert sich nach den Worten ihren Rechtsbeistands aktiv gegen die in Einbeck ansässige Neonaziszene. Der Göttinger Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, der die Betroffene vertritt, sieht in dem Anschlag eine neue Dimension der Gewalt von Neonazis in Einbeck und betont: „Das Ausmaß der angerichteten Zerstörung zeigt, wie gefährlich der Sprengsatz offensichtlich gewesen ist. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn sich ein Mensch hinter der Tür befunden hätte.“ Nach seiner Darstellung war die Sprengwirkung so stark, dass Trümmer des Briefkastens mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert wurden.

Auf die mutmaßlichen Täter kam die Polizei, weil sich offenbar einer bei der Tat verletzt hat und Blutspuren direkt zu einem Haus geführt haben sollen, in dem Mitglieder der Einbecker Neonaziszene wohnen.

Die Ermittlungen zu der Tat dauern an. „Ich verurteile derartige Handlungen aus dem rechtsextremistischen Spektrum scharf“, erklärte Polizeipräsident Uwe Lührig. „Das lässt sich der Rechtsstaat nicht gefallen. Ich bin sehr froh, dass die Polizei Einbeck sehr schnell reagiert hat und schon in der Nacht Tatverdächtige stellen konnte. Das ist ein wichtiges Signal.“

Nachtrag 15.06.2020: Der SPD-Kreistagsabgeordnete und Co-Vorsitzende der Einbecker Kernstadt-SPD, Peter Traupe, hat in einer Stellungnahme die Reaktion der Bürgermeisterin auf den Anschlag scharf kritisiert.

Vor den Demonstrationen

Treffen Vorbereitungen für den 14. September (v.l.): Thomas Papenberg und Niklas Fuchs von der Polizei sowie Thomas Eggers von der Stadt Einbeck.

Einbeck bereitet sich auf den 14. September vor. Zwei Demonstrationen sind angemeldet: Ein „Spaziergang“ durch Einbeck unter dem Motto „Einbeck bleibt sauber“, angemeldet von einer Privatperson, und als Gegenveranstaltung „Zeichen setzen gegen Rechtsextremismus und Hass, den braunen Dreck von der Straße fegen“, zu der „Einbeck ist bunt“ und ein breites Bündnis von Unterstützern aufrufen. Nach Kooperationsgesprächen mit den jeweils Anmeldenden und deren Zustimmungen sind die Strecken klar, beide wurden nicht so genehmigt wie sie angemeldet worden waren. Thomas Eggers, Sachgebietsleiter für Sicherheit und Ordnung im Einbecker Rathaus, sowie die Polizei-Einsatzleiter Thomas Papenberg (Einbeck) und Niklas Fuchs (Northeim) kündigten an, das an dem Sonnabend ab 10.30 Uhr in der gesamten Innenstadt mit Beeinträchtigungen zu rechnen sei, für den Straßenverkehr ebenso wie für Fußgänger. Ziel und Aufgabe der Behörden sei, die Versammlungsfreiheit für beide Demos sicherzustellen. Dafür werde Polizei „in angemessener Stärke“ aus der gesamten Polizeiinspektion Northeim und auch aus der Polizeibereitschaft vor Ort sein. Weil beide Demonstrationen durch die Innenstadt ziehen wollen, sei es „logistisch und taktisch eine große Herausforderung“, die Gruppierungen auseinander zu halten. Die Polizei wird auch mit so genannten, deutlich erkennbaren Konfliktmanagern in zweistelliger Zahl vor Ort sein.

Mehrere Straßensperrungen und Halteverbote wird es am Sonnabend (14. September) im Verlauf der Routen geben, zum Teil bereits ab 13. September. Gesperrt werden Teile des P&R-Parkplatzes und der öffentliche Parkplatz am Köppenweg. Dort sollen beide Demos starten, allerdings nicht gleichzeitig. Von den Haltverboten betroffen sind der Möncheplatz (ab 12 Uhr), das Rosental (ab 13 Uhr), Altendorfer Straße (ab 13 Uhr), Hullerser Straße (ab 13 Uhr) und das Tiedexer Tor (ab 11 Uhr). Alle Verkehrsteilnehmer werden gebeten, die Sperrungen und Haltverbote zu beachten und sich vorsorglich auf diese einzustellen. Die Altendorfer und Hullerser Straße werden gesperrt sein, der Verkehr wird dann von der Kreuzung Hullerser Tor über Walkemühlenweg, Am Dreckmorgen, Reinserturmweg, Bismarckstraße zum Altendorfer Tor umgeleitet.

Betroffen von den Demonstrationszügen sind laut Stadt Einbeck die folgende Straßen und Plätze: Altendorfer Straße – Bäckerwall – Ball-Ricco-Straße – Dr.-Friedrich-Uhde-Straße – Hullerser Straße – Köppenweg – Lange Brücke – Langer Wall – Marktplatz – Marktstraße – Maschenstraße – Möncheplatz – Neuer Markt – Ostertor – Rabbethgestraße – Rosental – Teichenweg – Tiedexer Straße – Tiedexer Tor.

In der Sitzung des Stadtrates am Mittwoch hatte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek zur Teilnahme an der Demo des Bündnisses „Einbeck ist bunt“ am 14. September aufgerufen. Und sich erneut unzweideutig positioniert. „Wir möchten an diesem Tag zeigen, dass Einbeck eine Stadt ist, in der mehr als 30.000 Menschen unterschiedlicher Religion, Herkunft und Tradition in einer Gemeinschaft und in gegenseitigem Respekt in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung zusammenleben“, sagte die Bürgermeisterin. „Wir bekennen uns zu den dieser Grundordnung zu Grunde liegenden Werten wie Verständnis, Toleranz und Offenheit im alltäglichen Umgang. Wir verurteilen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Diffamierung und Gewalt jedweder Art. Wir lassen es nicht zu, dass Menschen aus unserer Gemeinschaft aufgrund ethnischer Herkunft, religiösem Bekenntnis oder politischer Überzeugung ausgegrenzt oder diffamiert werden. Wir treten ein für ein weltoffenes und tolerantes Einbeck. Ein Klima von Hass, Gewalt oder Ausgrenzung darf es in Einbeck nicht geben.“

Eine Ausstellung, die auch am 14. September während einer Führung zu sehen sein wird, eröffnet am 10. September im Alten Rathaus: Zu sehen ist „Schwestern, vergesst uns nicht“ von der KZ-Gedenkstätte Moringen mit Kohlezeichnungen von Hedwig Regnart, die 1936/37 im Frauen-KZ Moringen inhaftiert gewesen ist. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hat die Schirmherrschaft übernommen. Bei der Ausstellungseröffnung am 10. September um 16 Uhr wird Dr. Dietmar Sedlaczek, der Leiter der Gedenkstätte Moringen, in die Ausstellung einführen.

Gegen die beiden Stimmen der AfD-Ratsherren Udo Harenkamp und Dirk Küpper hat der Einbecker Stadtrat am Mittwoch einstimmig eine Resolution verabschiedet, die Grüne und SPD in einem Dringlichkeitsantrag unter dem Titel „Hilfe für Bootsflüchtlinge – für eine humanitäre und menschenwürdige Behandlung von Schutzsuchenden in Seenot“ vorgelegt hatten. Die Stadt Einbeck sei auch weiterhin bereit, ihren Teil zu einer verantwortungsbewussten Flüchtlingspolitik zu leisten, heißt es im Text. Einbeck schließt sich mit der Resolution mehr als 50 weiteren Städten an, die ihre Städte sozusagen zu sicheren Häfen erklärt haben.