„Politisch motiviertes Attentat“: Bürgermeisterin verurteilt Anschlag

Einbecks Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hat den Anschlag auf das Wohnhaus einer 41-Jährigen in der Einbecker Innenstadt scharf verurteilt. Die Attacke sei „ein politisch motiviertes Attentat“, machte sie deutlich und sprach von einer Zäsur, die Konsequenzen haben müsse. Der Fall schlug bereits hohe, auch mediale Welle, sogar die „New York Times“ berichtete.

„Ich – und damit spreche ich nicht nur für mich persönlich, sondern auch für Rat und Verwaltung der Stadt und die gesamte Stadtgesellschaft – lehne Hassverbrechen und Gewalt in jeglicher Form ab“, teilte die Rathauschefin heute in einer Presseinformation mit. Gottlob sei es bei reinen Sachschäden geblieben, und die Polizei habe durch ihr schnelles und beherztes Eingreifen des dringend Tatverdächtigen habhaft werden können, sagte Michalek.

Sie erwarte von den Strafverfolgungsbehörden, den Fall als das zu verstehen, was er sei: Kein eskalierter Dumme-Jungen-Streich, sondern „ein politisch motiviertes Attentat“. Für die sich seit einigen Monaten permanent verschärfenden Spannungen zwischen rechter und linker Szene in Einbeck sei dieser Vorfall eine Zäsur. Diese müsse zum Anlass genommen werden, mit aller Härte des Rechtsstaats das staatliche Gewaltmonopol zu verdeutlichen, forderte die Bürgermeisterin.

Zuvor hatte bereits Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Tat scharf verurteilt. „Die Polizei wird die Umstände dieser Tat sehr genau untersuchen und prüfen, welche Tatbestände dadurch erfüllt worden sind. Wir dulden in Niedersachsen keinen Extremismus – egal wo er herkommt.“ Laut Pistorius haben zwei aus rechtsextremistischen Kreisen polizeibekannte Personen – von denen eine von der Polizei als „Gefährder Rechts“ bewertet wird – den Briefkasten am privaten Wohnhaus der Frau zur Explosion gebracht. Einer der Täter sei dabei offenbar schwer an der Hand verletzt worden, erklärte der Innenminister. „Nach den vorliegenden Informationen wollten diese beiden Rechtsextremisten eine in der Region für ihr Engagement gegen rechts bekannte Frau damit einschüchtern und bedrohen. Sie wollten offensichtlich Angst und Schrecken verbreiten.“ Nach der vorläufigen Festnahme der Personen wurde die gemeinsame Wohnung der beiden Tatverdächtigen durchsucht. Es konnten diverse Beweismittel ­– unter anderem Waffen – beschlagnahmt werden, die jetzt ausgewertet werden. Der Minister hat über den Fall am Donnerstag den Innenausschuss des Niedersächsischen Landtages über die bislang bekannten Hintergründe informiert.

In den frühen Morgenstunden des vergangenen Mittwoch (10. Juni) war es zu einer Attacke auf das Wohnhaus einer 41-jährigen Einbeckerin gekommen. Laut Polizei wurde mit Pyrotechnik ein Briefkasten gesprengt. Nach derzeitigem Ermittlungsstand geht die Polizei von einer politisch motivierten Tat aus. Sie erhöhte die sichtbare und spürbare Präsenz der Beamten in der Stadt.

„Wir sind schockiert über diese Tat“, erklärt der Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen, Dr. Dietmar Sedlaczek. Einer der mutmaßlichen Täter soll im vergangenen Jahr bei einer provokativen Aktion in der KZ-Gedenkstätte beteiligt gewesen sein. Der Anschlag auf die Frau stehe in Zusammenhang mit zahlreichen weiteren Vorfällen, die darauf abzielten, die Bevölkerung einzuschüchtern. „Der Anschlag sollte Leib und Leben eines konkreten Menschen gefährden, damit ist eine neue Dimension erreicht“, erklärte Sedlaczek. Die Tat mache klar, welche Gefahr von der rechtsextremen Szene in Südniedersachsen ausgehe.

Die 41-Jährige engagiert sich nach den Worten ihren Rechtsbeistands aktiv gegen die in Einbeck ansässige Neonaziszene. Der Göttinger Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, der die Betroffene vertritt, sieht in dem Anschlag eine neue Dimension der Gewalt von Neonazis in Einbeck und betont: „Das Ausmaß der angerichteten Zerstörung zeigt, wie gefährlich der Sprengsatz offensichtlich gewesen ist. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn sich ein Mensch hinter der Tür befunden hätte.“ Nach seiner Darstellung war die Sprengwirkung so stark, dass Trümmer des Briefkastens mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert wurden.

Auf die mutmaßlichen Täter kam die Polizei, weil sich offenbar einer bei der Tat verletzt hat und Blutspuren direkt zu einem Haus geführt haben sollen, in dem Mitglieder der Einbecker Neonaziszene wohnen.

Die Ermittlungen zu der Tat dauern an. „Ich verurteile derartige Handlungen aus dem rechtsextremistischen Spektrum scharf“, erklärte Polizeipräsident Uwe Lührig. „Das lässt sich der Rechtsstaat nicht gefallen. Ich bin sehr froh, dass die Polizei Einbeck sehr schnell reagiert hat und schon in der Nacht Tatverdächtige stellen konnte. Das ist ein wichtiges Signal.“

Nachtrag 15.06.2020: Der SPD-Kreistagsabgeordnete und Co-Vorsitzende der Einbecker Kernstadt-SPD, Peter Traupe, hat in einer Stellungnahme die Reaktion der Bürgermeisterin auf den Anschlag scharf kritisiert.