Finanzausschuss einstimmig für Strabs-Abschaffung noch in diesem Jahr

Die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) in Einbeck soll abgeschafft und dafür die Grundsteuer B um 20 Prozentpunkte erhöht werden. Das ist im Kern der Inhalt der Beschlussempfehlung, die der Finanzausschuss in einer Sondersitzung in der Rathaushalle am Montag einstimmig gegeben hat. Abschließend entscheidet der Einbecker Stadtrat ebenfalls in einer Sondersitzung und noch vor der Kommunalwahl am 12. September, da waren sich alle einig. „Zeitnah“ soll das geschehen, ein genauer Termin dieser Sitzung ist bislang nicht bekannt. Mit dem Ratsbeschluss könnte dann eine jahrelange öffentliche Diskussion über das Thema Strabs zu Ende gehen.

Manche Dinge müssen reifen vor einer Entscheidung. Manche Probleme werden gerne ausgesessen und mit der Erklärung begründet, man habe noch nicht alle Informationen (alle Informationen hat man nie). Eine bevorstehende Kommunalwahl ist da durchaus ein guter Beschleuniger. Das wurde in den vergangenen Wochen mehr als deutlich. Denn was seit Jahren hin und her debattiert wurde, führte jetzt wenige Wochen vor der Wahl zu einem feinteiligen Beschluss. Die Komplexität soll wahrscheinlich den Wählern zeigen, dass man es sich nicht leicht gemacht hat.

Der Finanzausschuss hat am Montag einstimmig beschlossen, zum 30. November dieses Jahres die Strabs abzuschaffen. Zum 1. Januar 2022 soll die Grundsteuer B um 20 Prozentpunkte auf dann 420 Prozent angehoben werden. Die Verwaltung wurde mit dem Finanzausschuss-Beschluss schließlich beauftragt, ab dem Haushalt 2022 einen Rücklagenposten für Straßenausbau und investive Straßensanierungen zu bilden, in das die Grundsteuererhöhung fließen soll, denn nur guthabenbasiert (und nicht kreditfinanziert) soll es Straßenausbau in Einbeck künftig geben. Und die Grundsteuererhöhung soll nicht im allgemeinen Haushalt untergehen, sondern gezielt für Straßenbau eingesetzt werden, daher der Rücklagenposten.

Der Termin des Strabs-Endes hängt übrigens an dem am 25. November dieses Jahres auslaufenden Zukunftsvertrag, der die Stadt Einbeck seit Jahren bindet, auf keine Einnahmen freiwillig verzichten zu dürfen. Mit einem Beschluss noch in diesem Sommer verpflichtet der Finanzausschuss (und in der Folge der Stadtrat) den kommenden, neu gewählten Stadtrat, ohne Strabs zu leben. Die neue Wahlperiode beginnt am 1. November. Wenigstens haben sich die Kommunalpolitiker in Einbeck nicht wie ihre Kollegen in Dassel vor einer Entscheidung vor der Wahl gedrückt, denn in der Sollingstadt soll über die Strabs erst der nächste gewählte Rat entscheiden.

Mit einem entsprechenden Ratsbeschluss dürfte es dann auch dazu kommen, dass für den laufenden (bzw. momentan mangels Steine stockenden) Umbau des Neustädter Kirchplatzes mit seinen umliegenden Straßen keine Straßenausbaubeiträge mehr für Anlieger fällig werden, denn abgerechnet wird das Projekt vor dem 1. Dezember nicht mehr; es soll erst 2022 abgeschlossen werden. Fördermittel für bestehende laufende Projekt sind durch die Strabs-Abschaffung laut Kämmerer Christian Rohner nicht gefährdet.

Die CDU wehrte sich bis zur letzten Minute gegen die Strabs-Abschaffung. Um ihr letztlich dann doch zuzustimmen. Finanzausschuss-Vorsitzender Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste) hatte schon fast zur Schlussabstimmung aufgerufen, da brachte CDU-Mann Albert Eggers noch den Antrag zur Abstimmung ein, vor einer Entscheidung eine Bürgerbefragung zu dem Thema anzustreben. Dafür war jedoch nur die CDU. Alle anderen wollten das Dauer-Thema endlich vom Tisch haben.

In der Diskussion wurden im Wesentlichen die mittlerweile bekannten Argumente ausgetauscht. Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste) legte den letztlich im Wesentlichen so beschlossenen Kompromissvorschlag mit den Worten vor, dass man keine gerechte Lösung werde finden können. Eine Strabs für nur wenige sei jedoch immer ungerecht, weil Straßenausbau auf dem Rücken weniger Anlieger ausgetragen werde. „Helfen würde eine Kostenübernahme durch das Land, gerade im ländlichen Bereich“, sagte Pfefferkorn. „Wenn man Bevölkerung in der Fläche will, wenn ganze Landstriche nicht ausbluten sollen, dann muss man in Hannover handeln. Was können die Einwohner unserer Dörfer dazu, wenn an einem Straßenstück eben nur zehn Haushalte wohnen, statt 100 in der Stadt.“ Die Hoffnung, Geld vom Land zu bekommen und mit einer Resolution zu fordern, wie das Dr. Reinhard Binder (FDP) ins Spiel gebracht hatte, zerstreute Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Die Resolution könne man sich sparen, in Niedersachsen sei hier anders als in anderen Bundesländern vom Land keine finanzielle Hilfe zu erwarten.

Pfefferkorn mahnte darüber hinaus mehr Ausgabendisziplin an. „Wenn wir Beträge von 40.000 Euro für ein neues Logo, 50.000 Euro für Infostelen oder etliche Hundertausend Euro Nachschuss für unsere Multifunktionshalle irgendwo herzaubern“, meinte Pfefferkorn, dann werde man auch die Kompensation der Strabs schaffen.

Für die CDU erklärte Ulrich Vollmer, dass eine Beibehaltung der Strabs die gerechteste Lösung sei, denn die Grundsteuererhöhung bedeute für die meisten Hauseigentümer Mehrkosten, obwohl vor ihrer Haustür die Straße gar nicht ausgebaut werde. „Die meisten würden mit der Strabs nie belastet“, ergänzte Albert Eggers (CDU). Und die Erhöhung der Grundsteuer B auf 420 Prozent reiche im Grunde nicht aus. Die Verwaltung hatte in ihren Beratungsunterlagen eine Erhöhung auf 435 Prozent genannt, nur diese Höhe würde den Einnahmeausfall ohne Strabs in Höhe von circa 400.000 Euro pro Jahr auch ausgleichen. Da aber diese Höhe nicht durchsetzbar gewesen wäre, hatte Kämmerer Christian Rohner ein guthabenbasiertes Modell ins Spiel gebracht. Bei diesem wird Geld in eine Rücklage gegeben und angespart und dann gezielt für Straßenbau ausgegeben – und eben auch nicht mehr. „Wenn wir kein Geld haben, dann bauen wir nicht“, brachte es Marcus Seidel (SPD) auf den Punkt. Gegen kreditfinanzierte Bauprojekte hatte sich auch vehement Albert Eggers (CDU) ausgesprochen. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hatte das „charmante Modell“ ihres Kämmerers gelobt, nach dem 30 Prozent der Mehreinnahmen durch die Steuererhöhung oder maximal 400.000 Euro pro Jahr in dieses Straßenbau-Guthaben gehen werden.

Würde jedes Jahr eine Straße ausgebaut werden, wäre bei etwa 800 Straßen die Wahrscheinlichkeit bei 0,13 Prozent, dass die eigene Straße beitragspflichtig ausgebaut wird, hatte die Verwaltung vorgerechnet. Betroffen von der Steuererhöhung seien rund 11.000 Grundsteuerfälle bzw. durch die Weitergabe an Mieter rund 17.000 Haushalte, die mit wenigen Euro pro Jahr belastet werden. Aus der dauerhaften Zahlung der erhöhten Grundsteuer kann formal kein Anspruch auf die Sanierung der eigenen Straße abgeleitet werden, merkte Rohner an.

„Das Projekt ZOB war und ist für uns ein Schlüsselerlebnis“, sagte Marcus Seidel. Die SPD habe nicht damit gerechnet, dass für den Ausbau eines Busbahnhofs Straßenausbaubeiträge fällig werden könnten. „Nicht nur, dass Anlieger in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes für die Beiträge herangezogen werden sollen, sondern auch alle übrigen Immobilienbesitzer im kompletten Verlauf der Beverstraße – das hat uns ebenfalls überrascht“, erinnerte Seidel. „Das mag zwar alles juristisch geprüft und satzungsmäßig wasserdicht sein, es ist jedoch auch für uns Ratsmitglieder schwer nachvollziehbar und den betroffenen Anliegern gegenüber kaum vermittelbar.“

„Der ZOB hat gezeigt, wie verquer Straßenausbau sein kann“, ergänzte Rolf Hojnatzki (SPD). Deshalb habe seine Fraktion mit der Mehrheit den Busbahnhof-Ausbau gestoppt. Die Suche nach Alternativen zur Strabs habe sich schwierig gestaltet, erklärte Marcus Seidel (SPD) – und dabei seien weder der Dringlichkeitsantrag von Udo Harenkamp (parteilos) noch der Ratsantrag der Grün-Gelben-Gruppe hilfreich gewesen. „Ersterer, weil er argumentativ wirr und von erschreckender Ahnungslosigkeit geprägt ist, und beide, weil sie den wichtigsten Aspekt komplett aussparen: wie sollen die bereits laufenden Projekte ausfinanziert werden und wie sollen Straßenausbauprojekte bzw. Straßensanierungen in der Zukunft finanziert werden.“ Udo Harenkamp und auch Dr. Reinhard Binder (FDP) verwahrten sich gegen die Unterstellungen des Sozialdemokraten, Binder verlangte eine Entschuldigung (die es nicht gab, weil er gar nicht gemeint gewesen sei). Harenkamp erklärte, er habe sich beim Kämmerer sehr wohl kundig gemacht. Seidel sagte, die jüngsten Antworten auf mehrere Fragen seiner Fraktion seien bei der Entscheidungsfindung wesentlich gewesen.

„Strabs abschaffen“ fordern die gelben Banner an vielen Häusern. Symbolfoto

Stadtrat entscheidet über Strabs-Zukunft weiterhin nicht

Der Einbecker Stadtrat hat der schon lange währenden Diskussion über die Straßenausbaubeiträge in seiner jüngsten Sitzung am Mittwoch ein weiteres Kapitel hinzugefügt, aber noch immer nicht eine von vielen erhoffte Entscheidung getroffen. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU haben jedoch betont, dass es noch vor der Kommunalwahl eine Aussage über Abschaffung oder Beibehalten der Strabs, der Straßenausbaubeitragsatzung, geben soll. Der Weg soll nun eine Sondersitzung des Finanzausschusses am 12. Juli sein, der wahrscheinlich eine Sondersitzung des Stadtrates folgen wird.

Die Multifunktionshalle, in der sich der Stadtrat erstmals und wieder in Präsenzform traf, soll am 14. Juli offiziell eingeweiht werden.

Vor allem die Aktiven der Bürgerinitiative, die vor der Sitzung mit Transparenten und Schildern protestiert hatten, dürften mit der neuerliche Vertagung nicht zufrieden sein. BI-Sprecherin Anja Linneweber überreichte in der Ratssitzung einen Ordner mit 1190 Unterschriften, die sich für eine Abschaffung der Strabs aussprechen. „Deutlicher kann ein Signal der Bürger für die Politik in Einbeck nicht sein“, sagte Linneweber, die in dem Votum ein klares Signal ihrer Initiative sieht. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Ratsvorsitzender Frank Doods (SPD) nahmen die Unterschriften entgegen.

1190 Unterschriften im Ordner: BI-Sprecherin Anja Linneweber (r.) überreichte den Protest an Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Ratsvorsitzenden Frank Doods.

Nachdem bereits vor der Sitzung erste Gerüchte über eine Sonder-Finanzausschusssitzung kursierten, kündigte CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Ebrecht das Treffen zu Beginn der Ratssitzung offiziell als fraktionsübergreifende Verständigung an und zog gleichzeitig den inhaltlich nie ausformulierten Antrag seiner CDU-Fraktion zum Thema zurück. Alle Fraktionen hätten sich jetzt auf den 12. Juli verständigt, sagte Ebrecht. Es sei nun mal nicht alles so holzschnittartig einfach. Dr. Reinhard Binder (FDP) sah seine Fraktion dabei jedoch übergangen, er höre vom 12. Juli das erste Mal.

Auf der Tagesordnung stand die Strabs im Stadtrat am Mittwoch dennoch, denn der Antrag der Gelb-Grünen-Gruppe auf Abschaffung der Beiträge blieb und sollte zunächst in den Finanzausschuss überwiesen werden. Dafür fand sich jedoch am Ende keine Mehrheit. Den Grund dafür erläuterten Rolf Hojnatzki (SPD) und Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE): Wenn man die Strabs abschaffen wolle, müsse das sofort geschehen und nicht wie im FDP/Grünen-Antrag gefordert erst zum 1. Januar 2023. Bis dahin laufende Straßenausbaubeiträge noch einzuziehen sei unredlich, meinte Pfefferkorn und „vom Populismus initiiert“, wie es Hojnatzki ausdrückte.

Dietmar Bartels (Grüne) befürchtet, dass das Thema „über die Wahl geschleppt“ wird. Seit zwei Jahren werde schon diskutiert, und da könne er nicht glauben, dass es nun in zwei Wochen eine Antwort geben soll. Die Strabs habe sich inzwischen zu einem Stillstand für Einbeck entwickelt, weil durch die Probleme mit ihr keine neuen Projekte mehr angegangen würden. Eine Steuererhöhung anstatt der Beiträge sei durchaus gerechtfertigt, meinte Bartels, stattdessen gebe es für eine Klientelpolitik, bestimmte Leute möglichst wenig zu belasten, eine „mühselige Rechnerei“, kritisierte er.

Udo Harenkamp (parteilos) erinnerte an seinen Dringlichkeitsantrag zum Thema Strabs für die Finanzausschuss-Sitzung am 18. Mai. Der sei damals abgeschmettert worden – „und heute kann es Ihnen nicht schnell genug gehen“, kritisierte er die großen Ratsfraktionen. „Wir wären heute schon vier Wochen weiter, wenn sie meinem Antrag zugestimmt hätten.“

Dirk Ebrecht (CDU) wies das vehement zurück. „Es will niemand schieben und aussitzen bis nach der Wahl“, sagte der Fraktionschef der Christdemokraten. „Wir können die Strabs aber erst abschaffen, wenn wir wissen, wie wir es bezahlen.“ Und da es noch keine einfache Antwort gebe, die auch rechtssicher sei, müsse man noch eine Schleife drehen. „Es wird eine Entscheidung geben“, sagte Ebrecht, „aber ob die allen gefallen wird, weiß ich nicht.“

„Es wird keine gerechte Lösung geben“, meint Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE). Beim Finanzausschuss am 18. Mai hätten noch nicht alle Informationen und Zahlen auf dem Tisch gelegen, sagte der Ausschussvorsitzende in Richtung Harenkamp. Jetzt liegen die am 18. Mai angeforderten Zahlen vor.

Albert Eggers (CDU) ist skeptisch, ob es in wenigen Wochen eine Lösung geben könne. „Wir fangen am 12. Juli mit der Lösung an“, sagte er. „Es wird dort nicht zum goldenen Wurf kommen“. Es hätten zwar 43 Prozent der Kommunen in Niedersachsen die Strabs abgeschafft, aber keiner habe eine Lösung, wie das fehlende Geld aufgebracht werden solle. Wenn es durch Kredite ausgeglichen werden solle, bekomme Einbeck keine Haushaltsgenehmigung von der Kommunalaufsicht mehr, prognostizierte Eggers.

„Mit welcher Lösung bezahlen wir den niedrigsten Preis“, formulierte Heidrun Hoffmann-Taufall (CDU) die ihrer Ansicht nach entscheidende Frage. Gemeinsam müsse man an einer gerechten Lösung arbeiten und die Bürger mit einbeziehen, damit es nicht in Einbeck zu einer „schlechten Stimmung“ komme, wie sie sagte.

Willi Teutsch (CDU) sprach sich in einer persönlichen Erklärung für die Strabs-Abschaffung aus. „Straßen dienen der Allgemeinheit, nicht den Anliegern.“ Es sei „ein Unding“, für den Straßenausbau Beiträge der Anlieger heranzuziehen. Gerade bei denkmalgeschützten Häusern leisteten die Eigentümer durch den höheren Aufwand ihren Beitrag zur Sozialbindung des Eigentums, sagte Teutsch, der am 12. September nicht wieder kandidiert.

SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki legte in seinem Wortbeitrag der FDP/Grünen-Gruppe nahe, den Antrag zurück zu ziehen und sich in den Fraktionenkonsens einzubringen. Der Antrag könne heute ohnehin nicht beschlossen werden, weil es Gelb-Grün verabsäumt habe, ihn vorher beispielsweise im Verwaltungsausschuss beraten zu lassen. „Das haben Sie wohl so nicht vor Augen gehabt, Frau Villmar-Doebeling“, wandte sich Hojnatzki persönlich an seine Ratskollegin von der FDP. Diese hatte den Antrag im Rat vorgestellt und an die großen Parteien appelliert, die Strabs endlich abzuschaffen. Die sei ungerecht und unsozial, gefragt sei eine Lösung für die Bürger, sagte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP).

„Heute bezahlen wir – morgen ihr!“, „Denkt an die nächste Wahl“ und „Der Rat sollte die Interessen der Bürger vertreten“ – mit diesen und anderen Transparenten protestierte die Bürgerinitiative für eine Strabs-Abschaffung.
Protest gegen die Strabs vor der Tür der neuen Multifunktionshalle am Kohnser Weg.

Keine Strabs-Eile

Keine Eile bei der Strabs-Abschaffung: Erwartungsgemäß hat ein Dringlichkeitsantrag des Ratsherrn Udo Harenkamp (parteilos) gestern in der Finanzausschuss-Sitzung keine Zustimmung gefunden, auf die Tagesordnung gesetzt zu werden, nach welchem dann sofort über die Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) befunden worden wäre.

Symbolfoto Strabs in der Tiedexer Straße. Archivfoto

Vertreter von SPD und FDP haben stattdessen zunächst Arbeitsaufträge an die Verwaltung erteilt, bevor sie sich mit dem Thema Abschaffung der Satzung weiter und möglicherweise abschließend beschäftigen wollen. Bereits im Stadtentwicklungsausschuss, wo der ZOB-Umbau wegen der Strabs jüngst auf Eis gelegt worden war, hatte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek angedeutet, dass für die Beurteilung einer Strabs-Abschaffung notwendige Finanzdaten noch nicht zur Finanzausschuss-Sitzung würden vorliegen können.

Kämmerer Christian Rohner stellte diese Zahlen nun für die nächsten Wochen bis Mitte Juni in Aussicht. Ob es eine Sondersitzung des Finanzausschusses geben soll, ob damit bereits der nächste reguläre Sitzungstermin des Stadtrates am 23. Juni für einen Strabs-Beschluss erreicht werden kann, blieb zunächst offen. Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) jedenfalls wünschte sich eine Entscheidung vor der Sommerpause. Am 12. September wird der Stadtrat neu gewählt.

SPD-Finanzexperte Marcus Seidel hat die Verwaltung gebeten zusammenzustellen, welche Auswirkungen eine Abschaffung der Strabs auf laufende und geplante Projekte in Einbeck haben würde, sowohl auf die eigenen Finanzmittel als auch auf gewährte Fördermittel. Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) schloss sich dem an und möchte außerdem wissen, ob es auch unter Umständen Auswirkungen auf bereits abgeschlossene Projekte haben könne. Ferner wünscht sie sich zu wissen, in welcher Höhe das Honorar für den Strabs-Fachanwalt künftig frei würde, das ja dann nicht mehr benötigt würde.

Die Bürgerinitiative „Einbecker gegen Strabs“ hat unterdessen mitgeteilt, innerhalb kurzer Zeit trotz Corona-Beschränkungen mehr als 500 Unterschriften gesammelt zu haben. Die BI freue sich riesig über die breite Unterstützung aus der Bevölkerung, teilte Sprecherin Anja Linneweber in einer Pressemitteilung mit. Vor nicht allzu langer Zeit habe man in Einbeck gedacht, dass das Projekt Tiedexer Straße eine Ausnahme und die Belastungen der Anlieger „Einzelschicksale“ seien, heißt es von der BI. Kurz danach seien jedoch mit dem Neustädter Kirchplatz, der Hullerser Straße und der Verlegung des ZOB die nächsten Projekte „um die Ecke gekommen“, schreibt die BI. Mittlerweile sei den Bürgern in Einbeck ferner aufgefallen, dass das Thema eine ungeheure Rechtsunsicherheit berge. Was gestern noch stimmte, darauf könne sich morgen schon niemand mehr verlassen, meint die BI: „Es hat ja einen Grund, warum die Stadt Einbeck sich immer wieder von einem Fachanwalt aus Hannover beraten lässt. Das finanziert die Stadt mit unseren Steuergeldern.“

Es ergebe keinen Sinn, warum für die Verlegung eines Busbahnhofes von der einen Straßenseite auf die andere Straßenausbaubeiträge erhoben werden sollen, meint die Bürgerinitiative. Die rechtliche Argumentation eines „individuell zurechenbaren Vorteils für die Anlieger“ ist aus Sicht der BI den Bürgern überhaupt nicht vermittelbar. Die Frage „Wann ist Deine Straße dran?“ werde mittlerweile sehr ernst genommen und müsse sich wohl jeder in Einbeck inzwischen stellen. Mal laute die Aussage aus dem Rathaus „Archäologische Kosten werden nicht über die Strabs auf die Bürger umgelegt“ und Tage später müssten Bürger selbstverständlich auch für archäologische Kosten aufkommen, schreibt die BI. Interessanter Weise seien diese archäologischen Kosten nie geplant worden, da man „ja gar nicht abschätzen kann, was für Kosten entstehen“. Diese Aussage habe man den Anlieger der Tiedexer Straße serviert. „Das wird ein Fass ohne Boden“, erklärte BI-Sprecherin Margharet Feldgiebel: „Die Tiedexer Straße gehört zu den ältesten Straßen Einbecks und wurde noch nie archäologisch untersucht. Diese immensen Kosten, die einzelne Bürger treffen können, sind den Einbecker Bürgern nicht vermittelbar, hat uns ein Ratsherr vor einigen Tagen gesagt. Aber welche Alternative haben wir in der Finanzierung?“

Es gebe bei solchen Bauvorhaben keine gesicherte und verlässliche Kostenplanung, kritisiert die BI. Und darin liege vor allem die Tücke der Strabs-Satzung, die die Bürger unzureichend über Endkosten aufkläre. Anja Linneweber und Margharet Feldgiebel: „Es müssen alle Rechnungen am Ende addiert werden, und erst dann kann es einen verlässlichen Kostenüberblick geben. So kann es passieren, dass die Beiträge am Ende einer Baumaßnahme noch förmlich explodieren. Der erste Gebührenbescheid wird hinfällig und von einem noch höheren Endbescheid übertroffen. Auch die Verträge mit z.B. Architekten und Planungsbüros werden an das Bauvolumen gekoppelt. Je teurer das Projekt wird, umso mehr verdient der Planer“.

Die Bürgerinitiative wird nach eigener Darstellung bei ihrer weiterhin laufenden Unterschriftensammelaktion zur Abschaffung der Strabs aus unterschiedlichsten Bereichen unterstützt. Listen liegen aus in Geschäften, Restaurants und bei Ärzten. Ob Versicherungsagentur, Friseur oder Apotheke – allen sei bewusst geworden, dass es so nicht mehr weitergehen könne und man gemeinsam etwas unternehmen müsse.

In diesen Geschäften liegen die Unterschriftenlisten aus: Fotogen Einbeck, Tiedexer Str. 4-6, Lindenhof Naturkost, Tiedexer Str. 5, Einbecker Kaffeerösterei, Marktplatz 25, Sattler Optik und Hörgeräte, Marktstr. 26, Ristorante Italia, Altendorfer Str. 48, Trattoria La Piazza, Möncheplatz 6, Ilme-Apotheke, Grimsehlstr. 2, Friseurteam Lassig, Rosental 3, Feldgiebel & Kleinhans Versicherungsservice GmbH Einbeck, Bismarckstr. 1 A, Reichhardts Blumenecke, Stadtgrabenstr. 20, Motorradbekleidung Hornung, Hullerser Straße 40, Weinhaus Jörns, Inh. Heiko Jörns e.K., Saalfeldstr. 1, Chirurgische Praxis Einbeck -Dipl.-Med. Rüdiger Blume, Tiedexer Tor 2, Kieferorthopädische Praxis Dr. Sarah Batschkus, Tiedexer Tor 2, LVM Versicherung Wartmann-Versicherungsagentur, Tiedexer Tor 2, Süßes Kaufhaus, Marktstraße 18, Schuh-Mann, Marktstr. 16.

Strabs bremst den Busbahnhof

Die Zeit für Wahlgeschenke ist gekommen. Vier Monate vor der Stadtratswahl möchte offensichtlich keine Fraktion in Einbeck mehr an der umstrittenen Straßenausbaubeitragssatzung, kurz Strabs, auf Dauer festhalten. An der Strabs, die in Einbeck erst im vergangenen Jahr nach heftigsten Diskussionen geändert und abgesenkt worden war. Schon damals forderten einige die komplette Abschaffung, allen voran Grüne und FDP. CDU und SPD wollten davon noch nichts wissen. Doch je ungemütlicher die Debatten bei nahezu jedem Infrastrukturprojekt der Stadtentwicklung werden, desto weniger verspüren die großen Fraktionen offenbar die Neigung, mit diesem Gegenwind in den Wahlkampf zu gehen.

Deutlich wird: Wer am 12. September gewählt werden will, wird die Strabs zumindest mittelfristig abschaffen müssen, und das ist spätestens demjenigen klar geworden, der gestern an der Fortsetzung der technisch bedingt unterbrochenen Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses teilgenommen hat. Wer am 12. September gewählt werden will – und diese Konsequenz vergessen die meisten leider – muss dann aber bitte auch noch vor dem Wahltag sagen, woher das öffentliche Steuergeld denn kommen soll, wenn bei Baumaßnahmen die Strabs-Spritze der Anlieger wegfällt. Welche Projekte kann sich die Stadt Einbeck dadurch deutlich später oder gar nicht mehr leisten? Auf diese Frage ist eine ehrliche Antwort gefragt. Denn Bauprojekte wie der Neustädter Kirchplatz oder der ZOB-Umbau werden ja nicht billiger, wenn es keine Strabs mehr gibt. Das Geld kommt dann nur aus einer anderen Kasse mit Steuergeld. Und es kommt auch keine gute Fee von irgendwo, die das fehlende Geld herbei zaubert. Wenn es dadurch über kurz oder lang zur Erhöhung beispielsweise der Grundsteuer kommen sollte, ist das eine klassische Umverteilung. Das kann man machen. Aber dann sollte das der Wähler auch rechtzeitig wissen.

Der Stadtentwicklungsausschuss hat gestern auch beim vierten Anlauf außer vollmundigen, positiven (einige sagen gerne zukunftsorientierten) Absichtserklärungen keine abschließende Entscheidung zum Umbau des ZOB und des Bahnhofsvorplatzes getroffen. Das Gremium hat lediglich einen technischen Beschluss gefasst, welcher dem Stadtrat empfiehlt, das Projekt im „Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzeptes (IEK) des Netzwerkes der Stadt Einbeck“ fortzuschreiben, was später einmal für Förderanträge wichtig ist.

Das eigentliche Projekt jedoch liegt auf Eis, weil inzwischen erkennbar alle Fraktionen keine Mit-Finanzierung mehr über die Strabs wünschen. Die Verwaltung ist nun einstimmig beauftragt worden, den ZOB-Umbau neu ohne Strabs-Bestandteile zu rechnen. Dem Finanzausschuss soll außerdem eine Abschaffung der Strabs vorgelegt werden. Dafür müssten Auswirkungen auf den Haushalt errechnet werden. Ob dies bereits bis zur nächsten Sitzung am kommenden Dienstag geschehen kann, ist zunächst offen und eher unwahrscheinlich. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erteilte dem ob der wenigen Tage Vorlauf bereits eine dezente Absage, der parteilose Ratsherr Udo Harenkamp schob indes wenige Minuten nach Sitzungsende einen Dringlichkeitsantrag für den Finanzausschuss am 18. Mai nach, der die sofortige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Einbeck fordert.

Zur gestrigen Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses hatte die Verwaltung der Politik eine veränderte Kostenrechnung für das 2,5-Millionen-Euro-Projekt präsentiert. War bislang das Teilstück der Beverstraße ohne Strabs-Beteiligung gerechnet worden, soll es nun doch Strabs-pflichtig werden. Rund 222.000 Euro sollen für die anliegenden Grundstücke fällig werden. Die Stadtverwaltung hatte für die Neuberechnung einmal mehr die Expertise des Fachanwalts und Strabs-Experten Dr. Christian von Waldthausen (Hannover) eingeholt. Unter dem Strich sollen die Projektteile ZOB und Bahnhofsvorplatz über eine Sondersatzung später abgerechnet werden. Im besten Juristendeutsch heißt es in der Vorlage, dass die öffentlichen Einrichtungen ZOB und Bahnhofsvorplatz einen „atypischen Fall“ darstellen, „bei dem die Einrichtungen in einem stärkeren Maß von der Allgemeinheit in Anspruch genommen werden als von den Anliegern“. Wer hätte das bei einem Busbahnhof ahnen können…

„Das kann niemand draußen mehr nachvollziehen“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki. „Das Ergebnis ist untragbar, nicht vermittelbar und nicht umsetzbar.“

Rolf Hojnatzki (SPD).

„Die Anwendung der Satzung hat den Verständnishorizont der Bürger verlassen“, kritisierte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP). Die Strabs sei ein „Bürokratiemonster“, das im Rathaus offenbar ohne einen Fachanwalt gar nicht mehr aufklärbar sei.

„Die Strabs verhindert die Weiterentwicklung der Stadt“, sagte Grünen-Fraktionschef Dietmar Bartels. „Wir ecken an allen Enden an.“

Dietmar Bartels (Grüne).

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Sachgebietsleiter Thomas Kreykenbohm machten in der Sitzung deutlich, dass ohne Beschlüsse auch bis Ende Mai nicht wie geplant die notwendigen Förderanträge gestellt werden könnten. Das werde das Projekt um mindestens ein Jahr verschieben. Michalek an die Ausschussmitglieder: „Das muss Ihnen klar sein.“ Förderanträge könne die Stadt nur auf der Grundlage geltenden Rechts stellen, und aktuell sei die Maßnahme nun mal strabspflichtig.

Eine Verschiebung des Projekts sah Rolf Hojnatzki (SPD) nicht als problematisch an. „Wir haben ja einen ZOB.“

Bahnhofsvorplatz in Einbeck an der Beverstraße (links).

Ratsherr Harenkamp wünscht sich Kulturförderfonds

Eine gleichberechtigte Förderung der Kultur in Einbeck in Zeiten der Corona-Pandemie mit Hilfe eines Förderfonds der Stadt Einbeck wünscht sich der parteilose Ratsherr Udo Harenkamp (Opperhausen). Einen entsprechenden Antrag hat der ehemalige AfD-Mann, der aus der Partei inzwischen ausgeschieden ist, für die nächste Sitzung des Finanzausschusses gestellt. In der geht es um den Haushalt 2021 der Stadt Einbeck. Harenkamps Ziel ist nach eigener Aussage, die einseitige Förderung des Trägervereins der Mendelssohn-Musikschule (MMS) zu beenden.

Die Förderung war bereits in der jüngsten Kulturausschuss-Sitzung in die Kritik geraten und von der SPD in Frage gestellt worden. Seitdem ist die Debatte um die städtische Unterstützung der einst städtischen Musikschule in der ehemaligen Stukenbrok-Villa wieder öffentlich in mehreren Wortmeldungen aufgeflammt. Jetzt rächt sich, dass die bereits vor Jahren geführte Diskussion über eine potenzielle Ungleichbehandlung verschiedener Einbecker Musikschulen nicht zu einem Ergebnis gebracht wurde, sondern eher irgendwann im Sande verlief. Öffentlich jedenfalls. Erst durch die intensive Nachfrage von Dirk Heitmüller (SPD) im Kulturausschuss war bekannt geworden, dass die Mendelssohn-Musikschule zusätzliche 40.000 Euro Fördermittel erhalten soll – und dass dieses Geld auf kurzem Dienstweg in den Etatentwurf gelangt war. Die Stadt Einbeck ist Mitglied im Trägerverein der Schule und sitzt mit im dortigen Vorstand. Im Kulturausschuss konnte die SPD sich damit noch nicht durchsetzen, das Geld zu streichen. Ob dies im Finanzausschuss weiter so bleibt, ist allerdings offen.

Ratsherr Udo Harenkamp kritisiert die Sonderrolle der Mendelssohn-Musikschule, „während weitere Kulturschaffende in Zeiten des Lockdown mit dem Rücken an der Wand stehen und existenzielle Not leiden“, wie er in seinem Antrag für den Finanzausschuss schreibt. Die Stadt Einbeck soll deshalb zur kulturellen Förderung einen Fonds einrichten, der kulturelle Vereine, Stiftungen und private Kulturschaffende durch Antrag gleichberechtigt mit Mitteln aus dem Haushalt unterstützt, lautet sein Vorschlag. Die Fördersumme im Kulturförderfonds soll nach Harenkamps Idee 100.000 Euro nicht übersteigen.

Die einseitige Förderung sei eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber weiteren Musikschulen und Kulturschaffenden, meint Harenkamp. Gerade in der Zeit des Corona-Lockdown sei es umso wichtiger, alle Kulturschaffenden in Einbeck gleichberechtigt zu unterstützen. „Wenn in der schwierigen Zeit, die alle Betroffenen jetzt durchleben, nicht durch Fördermaßnahmen die Unterstützung des kulturellen Lebens erfolgt, ist es absehbar, dass die Kultur in der Stadt Einbeck Schaden nimmt“, schreibt Ratsherr Harenkamp.

Der Trägerverein der Mendelssohn-Musikschule (MMS) habe es nicht geschafft, durch Mitgliedsbeiträge und Stundensätze die eigenen Kosten deckend zu gestalten, kritisiert Harenkamp. Bis vor wenigen Jahren habe die Stadt Einbeck die Musikschule mit einem Betrag von 70.000 Euro pro Jahr unterstützt. Während der Schule die Räumlichkeiten der ehemaligen Stukenbrok-Villa nebst Nebenkosten kostenfrei zur Verfügung gestellt würden, müssten andere Kulturschaffende für städtische Räumlichkeiten Mietbeiträge zahlen und erhielten keine solche Förderung. Als die Stadt die Trägerschaft der MMS an den privaten Trägerverein abgegeben habe, sei vereinbart worden, dass dieser für die darauffolgenden zehn Jahre noch eine jährliche Förderung von 70.000 Euro erhalte – zusätzlich zur kostenlosen Nutzung des Gebäudes, Pflege der Außenanlagen, Nebenkostenbezuschussung und Instrumentennutzung. Die MMS habe es in den vergangenen Jahren offenbar nicht geschafft, auf eigenen Beinen zu stehen, kritisiert Ratsherr Harenkamp.

Der Wegweiser zur Mendelssohn-Musikschule in der ehemaligen Stukenbrok-Villa am Ostertor trägt noch das Stadtwappen.

Nachtrag 17.02.2021: Der vorgeschlagene Kulturförderfonds wurde mehrheitlich im Finanzausschuss abgelehnt. Ein solcher Fonds würde den Streit ums Geld nur auf eine andere Ebene verlagern, meinte Dr. Reinhard Binder (FDP). Auch der SPD wären konkrete Anträge lieber statt Geld für einen Förderfonds, sagte Rolf Hojnatzki (SPD). Der 40.000-Euro-Antrag der Mendelssohn-Musikschule fand keinen Eingang in den Haushalt, dort sind nun nur 20.000 Euro einkalkuliert. Und auch diese Summe wurde von Vertretern mehrerer Fraktionen kritisch gesehen. Sie sei eher eine „symbolische Hilfe“ (Albert Eggers, CDU). Leider habe es die Mendelssohn-Musikschule immer noch nicht geschafft, wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen, ergänzte Karsten Armbrecht (CDU). Wie der 40.000-Euro-Zuschuss-Antrag im Haushaltsentwurf zustande gekommen ist, thematisierte mit einigen Andeutungen Rolf Hojnatzki (SPD). Er könne ja den Bedarf für die MMS verstehen, aber warum der nachgereichte Antrag ein anderes, früheres Datum trage, das sei schon „sehr merkwürdig“. Und dass der Zuschuss direkt im Etatentwurf stand, folge wohl dem Grundsatz der Verwaltung, nach Ende des Zukunftsvertrages alle Schleusen zu öffnen für freiwillige Leistungen.

Stadtrat beschließt einstimmig Resolution gegen politischen Extremismus

Zwei Wochen nach dem Sprengstoffanschlag von mutmaßlich rechtsextremistischen Tätern auf das Wohnhaus einer 41-Jährigen in der Einbecker Innenstadt, bei dem inzwischen die Terrorismusexperten der Generalstaatsanwaltschaft Celle ermitteln, hat der Einbecker Stadtrat am Mittwoch einstimmig eine Resolution „Gegen politischen Extremismus – für Toleranz und friedliche gegenseitige Wertschätzung in Einbeck“ beschlossen. „Wir können nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen“, begründete Dirk Ebrecht (CDU) den zuvor zwischen den Fraktionen abgestimmten gemeinsamen Resolutionstext, den er im Namen aller Fraktionen als Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung brachte.

Die Zuschauer konnten die Sitzung des Stadtrates von der Tribüne aus verfolgen.

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hatte zunächst noch einmal ihre Verurteilung des Anschlags wiederholt. Die Tonalität der zahlreichen Versammlungen seit September vergangenen Jahres habe sich verschärft, führte sie weiter aus – auch bei denjenigen, die eigentlich einen sollte, Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassimus und Gewalt abzulehnen und zu verurteilen, und für die rechtsextremistisches Gedankengut nicht akzeptabel sei. „Wir fangen an, uns gegenseitig auszugrenzen, das stimmt mich äußerst nachdenklich“, sagte Michalek. „Wir dürfen uns in unserer Ablehnung des Rechtsextremismus nicht auseinander dividieren lassen“, appellierte die Bürgermeisterin. Es gebe eine Vielzahl von Protestformen gegen Rechtsextremismus, die man gegenseitig respektieren sollte. Ihre sei es beispielsweise nicht, schwarz vermummt mit ausgestrecktem Mittelfinger durch die Straßen zu laufen. Sie verurteile das nicht, aber sie selbst setze lieber auf bunte Farben oder weiße Rosen. Hass sei die destruktivste Kraft der Menschheit. Hass gründe sich nicht auf dem Willen, eine bessere Zukunft zu schaffen. Man dürfe nichts ausblenden, dürfe auf keinem Auge blind sein. „Gewalt, aus welcher Ecke und gegen wen auch immer, in Worten wie in Taten, dürfen wir niemals dulden“, sagte Michalek. In einem Rechtsstaat gebe es keinen Raum für „Gewalt mit gutem Gewissen“, weder von Rechtsaußen noch von Linksaußen.

Die Bürgermeisterin antwortete auch auf eine Anfrage von Alexander Kloss (SPD), der „einen Imageschaden für das touristische Einbeck“ durch die diversen Demos sieht, und wissen wollte, ob die Stadt keine Demo-Standorte außerhalb der Altstadt zuweisen und regelmäßige Platzverweise gegen Pöbler aussprechen könne. „Wenn es so leicht wäre“, sagte Michalek. Sie sei selbst einmal mit der Polizei auf Streife gegangen, dabei seien in der Marktstraße gegen einige der dort Angetroffenen auch Platzverweise ausgesprochen worden, eine 24/7-Überwachung per Streife sei aber nicht möglich. Und bei Demo-Anmeldungen denjenigen einen Platz zuzuweisen sei „ein schöner Traum“. Die Versammlungsfreiheit erlaube nun einmal, dass der Anmelder den Ort selbst bestimmen könne. Nur bei nicht mehr zu beherrschender Sicherheitslage könne dieser Platz verwehrt werden.

Udo Harenkamp (AfD), der die Resolution am Ende auch mit beschlossen hat, war zuvor mit seinem eigenen Dringlichkeitsantrag an der breiten Mehrheit im Stadtrat gescheitert. Er lehne Extremismus und Gewalt von jeglicher Seite ab, Einbeck müsse man von Extremisten frei halten, sagte er, die Stadt dürfe nicht zum „Schlachtfeld von Extremisten“ werden. Harenkamp unterstellte der Gruppe „Einbeck ist bunt“, dass sie linksextremistisch unterwandert sei. „Diese Entwicklung ist besorgniserregend“, sagte Harenkamp. „Das ziehe ich mir nicht aus der Nase, schauen sie in die sozialen Netzwerke.“ Der AfD-Ratsherr kritisierte außerdem, dass die Bürgermeisterin und die Ratsmehrheit im vergangenen Jahr die mutmaßlich ebenfalls von Extremisten unterwanderte Bewegung „Fridays for future“ durch einen Sitz im Unweltausschuss des Stadtrates hoffähig gemacht habe.

Marcus Seidel (SPD) konterte unmissverständlich deutlich: „Ein AfDler ohne Hetze ist wie Einbeck ohne Fachwerk.“ Schlicht nicht vorstellbar eben. Harenkamp selber posiere bei Facebook in seinem Profil mit einem Gewehr in der Hand und dem #KeinMillimeternachLinks. Seidel: „Eine klarere Bildsprache kann es nicht geben.“ Harenkamp relativere und verharmlose den rechtsextremistischen Anschlag, wenn er von einem „Bölleranschlag“ schreibe und unterstelle, dass der Anschlag die logische Folge einer Auseinandersetzung zwischen Links und Rechts sei. Er erwecke den Eindruck, dass das Opfer selbst Schuld sei. Und Harenkamp bezeichne in seiner Rede im Stadtrat die Frau, der der Anschlag galt, als eine linksextremistische, verfassungsfeindliche Person. „Sind Sie eigentlich noch ganz bei Trost?“ Diese Täter-Opfer-Umkehr sei ein Mittel, das die AfD pflege. Harenkamp müsse erklären, wenn er angeblich gegen alle Extremisten sei, warum er dann noch in der AfD sei, stehe diese Partei in Niedersachsen doch unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. „Sie selber, die AfD, sie sind die Verfassungsfeinde“, sagte Seidel. „Sie und ihre Spießgesellen spalten mit Fremdenhass und mit ihrer Propaganda diese Gesellschaft. Mit ihren Reden und Schriften legen sie Hand an das Fundament für rechtsextreme Gewalt“, rief der SPD-Politiker. „Sie sind kein Biedermann, Sie sind Brandstifter, Sie sollten sich schämen.“

Der Resolutionstext im Wortlaut:

In Einbeck ist das friedliche Miteinander in Gefahr! Seit einigen Wochen bereits wird unsere friedliche Atmosphäre, unser von Respekt und Toleranz sowie der von Achtung und Wertschätzung geprägte tägliche Umgang auf eine harte Probe gestellt.

So haben viele Mitbürgerinnen und Mitbürger mit einem Gefühl der Ohnmacht ansehen oder auch miterleben müssen, wie sich politisch motivierte Aktionen und Kundgebungen zu einem eskalierenden Karussell von Demonstrationen und schließlich über Hetze bis hin zu Gewalt steigerten. Die initial von rechtsextremistischen Kreisen ausgehenden Hass- und Hetztirade haben mittlerweile auch linksradikale Strukturen als Gegenbewegung auf den Plan gerufen.

Ein unfassbarer und durch nichts zu relativierender negativer Höhepunkt bildete ein mit Explosivmitteln verübter, rechtsextremistischer Anschlag aus der vorvergangenen Woche. Diese irrsinnige Attacke hat unsere Stadt bundesweit und auch in Teilen der Welt eine extrem negative Aufmerksamkeit eingebracht. Vor allem aber bedroht diese Entwicklung unser friedliches und demokratisches Miteinander, unsere respektvolle Toleranz gegenüber anderen Meinungen und in der Konsequenz auch Gesundheit und Leben.

Wir werden diese Form der Auseinandersetzung über unterschiedliche Weltanschauungen nicht länger hinnehmen! Wir treten entschlossen für ein friedliches und demokratisches Miteinander in unserer Stadt ein! Jede Form von politischem Extremismus und von politisch motivierter Gewalt hat in Einbeck nichts zu suchen!

Deshalb fordern wir von allen Bündnissen, Vereinen, Zusammenschlüssen, Parteien etc., die friedliche Auseinandersetzung zu suchen ohne Anwendung von Gewalt und menschenverachtendem Verhalten.

Wir setzen auf mündige Bürgerinnen und Bürger, deren Werte sich auf Friedfertigkeit, demokratische Toleranz, Achtung und Respekt gegenüber dem Nächsten und gegenüber der Allgemeinheit gründen. Diese Werte geben unserer bürgerlichen Gesellschaft seine wahre Kraft. Diese Werte begründen und stärken unsere Demokratie und schützen damit auch den Einzelnen in seiner Weltanschauung und Würde. Diese Werte schützen unseren gesellschaftlichen Frieden.

Gegen politischen Extremismus – für Toleranz und gegenseitige Wertschätzung in Einbeck!

Einstimmig beschlossene Resolution des Stadtrates Einbeck vom 24. Juni 2020

Strabs mit 80 Prozent

Die angeblich so notwendige Sondersitzung des Finanzausschusses und des Bauausschusses war heute nach noch nicht einmal 30 Minuten erledigt. Dann war der politische Kompromiss bei der Straßenausbaubeitragssatzung gefunden und begründet, hatten die beiden Fachausschüsse mit deutlicher Mehrheit dem am Mittwoch tagenden Stadtrat empfohlen, die Strabs zu ändern und die Beitragsgrundlage auf 80 Prozent zu senken. Mögliche Zuschüsse sollen vorher abgezogen werden können. Nur FDP und Grüne kämpften weiter wacker gegen die Strabs, stimmten gegen den Konsensbeschluss und betonten einmal mehr, dass sie eine komplette Abschaffung besser gefunden hätten. Kämmerin Brigitte Hankel gab vor der Abstimmung zu Protokoll, dass mit der Absenkung von 100 auf 80 Prozent für den städtischen Haushalt ein Risiko entsteht, das möglicherweise dazu führen könnte, dass auf Jahre keine Straße mehr grundsaniert werde und das Problem auf die nächste Generation verschoben werde. Wer sich die Beispielrechnung für die ja gar nicht mehr aktuell auf der Tagesordnung stehende Tiedexer Straße ansieht mit den verschiedenen Varianten (zwischen 95 und 65 Prozent), die die Verwaltung ausgerechnet hatte, der sieht, dass mit dem Konsens die Anlieger rund 135.000 Euro sparen (und insgesamt immer noch 540.000 Euro aufbringen müssten). Es hätten durchaus auch 235.000 Euro sein können (bei 65 Prozent), die die Anlieger sparen könnten. Aber dazu konnte sich die Mehrheit nicht durchringen, sondern votierte für den Mittelweg. Immer im Hinterkopf, dass bei einer stärkeren Absenkung das fehlende Geld im städtischen Haushalt an anderer Stelle eingespart werden müsste.

Nachtrag 12.03.2020: Der Stadtrat hat die Empfehlung der Fachausschüsse nahezu mit dem gleichen Abstimmungsergebnis bestätigt, damit ist die Strabs abschließend wie oben ausgeführt geändert. Gegen die Änderung stimmten Dietmar Bartels und Manfred Helmke (beide Grüne) sowie Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) und Udo Harenkamp (AfD), es gab zwei Enthaltungen (Dr. Reinhard Binder, FDP, und Heinz-Hermann Wolper, CDU). SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki räumte ein, dass der gefundene Kompromiss nicht allen Wünschen gerecht werden könne. Gerechtigkeit sei bei Gebühren und Beiträgen sowieso nahezu unmöglich. Drei Viertel der Bevölkerung werde nie Anliegerbeiträge nach der Strabs zahlen müssen. Populistisch aber seien Forderungen nach Abschaffung der Strabs, denn dadurch würden die Probleme einer Finanzierung ja nicht beseitigt. Ohne Strabs müssten die Steuern oder würden die Schulden steigen. Er schließe sich den Ausführungen zur Begründung der Satzungsänderung dem SPD-Fraktionschef an, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Ebrecht in seltener Einigkeit. Man habe nach langer Debatte und mit hohem Beratungsaufwand das erreicht, was im Moment möglich sei. Eine Abschaffung der Strabs wie in Northeim sei ein „Irrweg“, sagte Ebrecht, denn dort steige jetzt zum Ausgleich unter anderem die Hundesteuer. Als „Wahlgeschenke einer ganz großen Koalition“ bezeichnete Dietmar Bartels (Grüne) die Strabs-Änderung, die mehr als 500.000 Euro koste, „Geld, das wir nicht haben.“ Die Ungerechtigkeiten würden nicht beseitigt. Die Vorschläge der Grünen nach wiederkehrenden Beiträgen als Ersatz seien kaputt geredet worden. „Wir sollten uns nicht kaputt sparen“, warnte Bartels. Steuern anheben oder Neuverschuldung seien Möglichkeiten, um doch noch Straßenerneuerung zu finanzieren. Der Kompromiss sei ein Entgegenkommen, eine gerechte Strabs könne es nicht geben, sagte Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE). „Leisten können wir es uns nicht.“ Im Gegenzug für eine Strabs-Abschaffung die Grundsteuer zu erhöhen wäre aktuell fahrlässig, sagte Pfefferkorn, stehe doch die Bemessung dieser Steuer gerade noch auf dem Prüfstand vor dem Bundesverfassungsgericht. Er habe sich durch die Landesgesetzänderung mehr Entlastung durch das Land erhofft, eine echte Erleichterung sei aber ausgeblieben. Udo Harenkamp (AfD) kritisierte, dass das Land die Kommunen mit den Problemen allein lasse, er stimme deswegen dagegen, um ein Zeichen nach Hannover zu senden. Die beschlossene Änderung nehme nur die Spitzen für die betroffenen Anlieger, kritisierte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP). Das Geld für die Strabs fehle den Hauseigentümern zur Sanierung ihrer Häuser. Keine Strabs zu haben wie in Northeim oder Bad Gandersheim werde jetzt zum Standortvorteil für diese Kommunen, Einbeck habe das Nachsehen, meinte die Freidemokratin.

Tiedexer Straße: Anlieger wollen Antworten

Fachwerkmeile Tiedexer Straße.

Die Anlieger der Tiedexer Straße fürchten, dass ihnen die Zeit wegläuft. Dass sie nur vertröstet werden – und am Ende doch für den Ausbau der Straße bezahlen müssen. Sie wollen Anworten auf Fragen, welche allerdings die Fraktionen des Stadtrates in Einbeck zurzeit vor allem intensiv hinter den Kulissen diskutieren. Die Kompromiss-Suche läuft auf Hochtouren. Einen Antrag, die Straßenausbau-Beitragssatzung (Strabs) abzuschaffen, hat die Gelb-Grüne-Gruppe selbst zunächst wieder zurück gestellt bis zur gemeinsamen Sitzung von Bau- und Finanzausschuss am 6. Juni. Einblick in den Diskussionsstand haben Vertreter der Ratsfraktionen in der Einwohnerfragestunde des Finanzausschusses gestern gegeben. Jamaika-Plus hatte den Ausbau der Tiedexer Straße bekanntlich in die Finanzplanung für 2020 geschoben und sich damit für eine Lösungssuche ein wenig Luft verschafft. Bis zum Sommer freilich will man „durch“ sein, beginnen doch im September die konkreten Haushaltsberatungen für 2020.

Dirk Ebrecht (CDU) bat die Anlieger um ein wenig Zeit bis zu konkreten Aussagen, man sei mitten in den Gesprächen. „Wir werden sie einbinden“, versprach er den Anlieger-Vertretern. Einfach die Strabs abzuschaffen sei nicht die Lösung, Ziel müsse eine gerechte und rechtssichere Lösung sein. Die zudem nicht nur für die Tiedexer Straße gelte. Ebrecht brachte eine Bürgerbefragung ins Spiel, um sich ein Meinungsbild in der Bevölkerung zu besorgen. Entscheiden jedoch müsse am Ende der gewählte Stadtrat.

Rolf Hojnatzki (SPD) warnte vor einer solchen Bürgerbefragung, denn möglicherweise sei ein für die Tiedexer Straße negatives Ergebnis dabei zu erwarten. Die SPD stehe zu dem, was sie immer gesagt habe: Die Anlieger müssten sozial adäquate Beiträge bezahlen. Eine Abschaffung der Strabs sei keine finanzierbare Lösung für den städtischen Haushalt. Und weil es nicht finanzierbar sei, müsse der Ausbau der Tiedexer Straße insgesamt verschoben werden. Er sei gespannt auf die angekündigte rechtssichere Lösung, sagte Hojnatzki.

Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) betonte noch einmal, dass die Debatte wichtig sei und die Finanzierung auf andere Füße gestellt werden müsse. Über Gerechtigkeit könne man bei komplexen Systemen und systemischen Fragen immer philosophieren und streiten.

Udo Harenkamp (AfD) erklärte, die Strabs könne wegen des geltenden Zukunftsvertrages nicht abgeschafft werden.

Fachbereichsleiter Joachim Mertens kündigte an, bei der gemeinsamen Fachausschuss-Sitzung am 6. Juni werde für die Stadt Einbeck auch ein Fachanwalt aus Hannover dabei sein, der Erfahrung und Überblick bei der Thematik Straßenausbaubeiträge habe.

Stadtwald: Wirtschaftlicher, aber nicht verkaufen

Bäume im Einbecker Stadtwald. Archivfoto

Der Einbecker Stadtwald wird nicht verkauft. Das hat einstimmig der Finanzausschuss beschlossen. AfD-Ratsherr Udo Harenkamp hatte einen entsprechenden Antrag gestellt, konnte als nur beratendes Ausschussmitglied im Finanzausschuss am Ende nicht für seinen eigenen Antrag stimmen. Harenkamp hatte in der Debatte für seinen Vorstoß geworben. „Die Politik“ wage sich nicht heran an einen Verkauf, der finanzielle Spielräume für Projekte wie den Neustädter Kirchplatz oder die Tiedexer Straße eröffnen könnte, sondern erhöhe lieber die Steuern, um mit einem Teil dieser Erhöhung auch den defizitären Wald weiter zu subventionieren. Der Stadtwald im kommunalen Eigentum sei „ein Luxus, den sich die Stadt nicht leisten kann“, sagte der AfD-Ratsherr aus Opperhausen.

Die anderen Fraktionen blieben bei ihrem bereits in der jüngsten Stadtrat-Sitzung angedeuteten Nein. Harenkamp stelle die richtigen Fragen, komme aber zu den falschen Schlüssen, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht. Und dass sich „die Politik“ nicht an das Thema heran traue, stimme nicht, schon an vielen Stellschrauben habe man in den vergangenen Jahren gedreht. Und das werde man auch in Zukunft, bei bevorstehenden Pensionsregelungen könne man noch einmal in die Speichen greifen. Ebrecht warnte davor, aktuelle Projekte mit dem Wald zu verknüpfen. Auch die Einbecker Vorväter hätten das nicht getan, sondern den Stadtwald in den vergangenen 500 Jahren nicht verkauft. „Bei einem Verkauf verballern wir das Geld“, riet auch Eunice Schenitzki (SPD) davon ab, den Stadtwald zu veräußern. In zwei bis drei Jahren ändere sich zudem die personelle Situation, deutete sie an, dann seien Verbesserungen möglich. Der Wald, betonte Schenitzki, sei allerdings kein Wirtschaftsbetrieb. Ulrich Vollmer (CDU) sprach sich auch gegen einen Verkauf des „Tafelsilber“ aus, appellierte aber schon daran, sich ein Beispiel an privaten Genossenschaften zu nehmen, die einen Wald wirtschaftlicher führen würden. Betriebswirtschaftlich sei der Stadtwald nicht akzeptabel, sagte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP). Berücksichtigen müsse man bei Wald aber auch immer emotionale und psychologische Faktoren. Ein Verkauf sei ein „Strohfeuer“, lehnte auch Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE) ab.

Fachbereichsleiter Joachim Mertens (Stadtentwicklung und Bauen), zu dessen Fachbereich der Stadtwald seit Jahresbeginn gehört, teilte mit, dass die Forstleistungen in diesem Jahr erstmals öffentlich ausgeschrieben worden seien, mit durchaus ordentlichen Ergebnissen. Die Stadtverwaltung hatte in ihren Beratungsunterlagen von einem Verkauf der 540 Hektar Stadtwald abgeraten. Die Stadtforst sei am Gemeinwohl orientiert und erfülle verschiedene Funktionen: Naturschutz, Erholung und Sport beispielsweise. In der Forst gelten dementsprechend abgestufte Klassen: Wirtschaftswald, Märchenwald, Ruhewald, Naturgebiet Kirschenberg. Kommunen dürften ihr Vermögen laut Kommunalverfassung nur dann veräußern, wenn sie es in absehbarer Zeit nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigen, schreibt die Verwaltung. Die Stadtforst mit ihren sämtlichen Einrichtungen (Grundstücke, Aufwuchs, Gebäude, bewegliches Vermögen) habe aktuell einen Gesamtwert von rund zehn Millionen Euro. Bei einem Bilanzwert der Stadt Einbeck von etwa 130 Millionen Euro habe die Stadtforst hieran einen Anteil von circa sieben Prozent. Ein Verkauf würde zu einem deutlichen Einschnitt in die Bilanz der Stadt führen und sei nur zum vollen Wert zulässig. Andernfalls entstünde ein Buchverlust, der das Jahresergebnis belasten würde, haben die Finanzexperten im Rathaus abgeraten.

Wenn es Shakespeare in den Finanzausschuss schafft…

Die Fakten waren schnell ausgetauscht. Zwei Stunden Sitzungsdauer wären dafür nicht notwendig gewesen. Und ein Extratreffen imgrunde auch nicht. Denn ebenso schnell wurde in der Sondersitzung des Finanzausschusses zu der Ende Januar erlassenen teilweisen Haushaltssperre überdeutlich, dass es eine unterschiedliche Interpretation von Haushaltsplanung in Einbeck gibt. Die Trennlinie läuft haarscharf dabei zwischen der SPD-Fraktion auf der einen Seite und den Jamaika-Plus-Fraktionen (CDU, FDP, Grüne, GfE/Bürgerliste) sowie der Verwaltung im Rathaus auf der anderen Seite. Ganz neu freilich ist diese Trennlinie in der Einbecker Kommunalpolitik nicht: Bei der Debatte über die Zukunftsstrategie der Stadt Einbeck war sie schon einmal sichtbar geworden, hatte sich die SPD monatelang isoliert und war erst ganz zum Schluss mit mühsam gewahrtem Gesicht und viel Diplomatie gerade noch eingeschert. Mehrmals wurde die Stategie am Donnerstag im Finanzausschuss auch zitiert: von SPD-Ratsmitgliedern, sobald es darum ging zu kritisieren, zu spät oder gar nicht an Informationen aus dem Rathaus zu kommen, das sei nicht die in der Strategie immer so propagierte Wertschätzung. Dabei mischt sich immer öfter und kaum noch versteckt ein Unterton bei führenden Sozialdemokraten in die Wortbeiträge, es sowieso besser zu können, jede Haushaltszahl nachts auswendig parat und das Haushaltrecht quasi inhaliert zu haben. Als Einziger.

Das war der Hintergrund, vor dem die Debatte in der Sondersitzung des Finanzausschusses stattfand. Die Rathaus-Spitze mit Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, Kämmerin Brigitte Hankel und Finanz-Fachbereichsleiter Dr. Florian Schröder verteidigten ihre erlassene Teil-Haushaltssperre. Die Kämmerin schilderte die Situation heute und Ende Januar, es gehe „das ganze Jahr rauf und runter“ bei der Steuerplanung von Einnahmen. Etwa 1000 Messbescheide erhalte die Stadt Einbeck pro Jahr, und auch wenn man mit den Firmen, dem Finanzamt und den Steuerberatern der Firmen, vor allem denen der Top Ten der Gewerbesteuerzahler, in regelmäßigem Kontakt sei, erhalte man zeitweise unterschiedliche Angaben, was die Planung von Steuereinnahmen nicht gerade erleichtere. Dem Zwei-Millionen-Euro-Einbruch bei der Gewerbesteuer, der die Notbremse ausgelöst hat, stehen laut Hankel inzwischen erwartete Mehrerträge gegenüber, die das ausgleichen könnten. Ob es letztlich so komme, könne man freilich heute Anfang März noch nicht sagen, sagte die Kämmerin. Der wegen einer mehrere Monate nicht besetzten Personalstelle beim Landkreis noch nicht genehmigte Haushalt 2019 werde indes voraussichtlich nächste Woche genehmigt sein.

Das wollte Rolf Hojnatzki (SPD) so alles nicht durchgehen lassen. Er sagte, er habe ein Angebot zum Gespräch aus dem Rathaus erwartet, als die Haushaltssperre erlassen worden sei. Das habe es leider nicht gegeben, erst zur von der SPD beantragten Sondersitzung habe es „erstmals vollumfängliche Informationen“ gegeben, Ende Januar sei das nur rudimentär gewesen, und ohne den finanziellen Hintergrund zu erläutern. Die Haushaltssperre sei zweifellos ein von der Verwaltung nutzbares Instrument. „Aber wer darf mitreden, wie es weitergehen soll“, fragte Hojnatzki. Die Bürger erwarteten eine Aussage darüber, wie die Politik bei dem Thema denke und handeln wolle. Die SPD habe bewusst den Anstoß gegeben und eine faktische Lösung des Problems vorgeschlagen. Der Antrag der Sozialdemokraten allerdings, einen Nachtragshaushalt zu beschließen, wurde mit 6:5-Stimmen im Finanzausschuss abgelehnt.

In seltener Einigkeit unterstützte Marcus Seidel (SPD) die Kritik von AfD-Ratsherr Udo Harenkamp ausdrücklich, der in der Sitzung noch einmal bemängelte, dass Finanzausschussmitglieder aus den Medien von der Haushaltssperre hätten erfahren müssen, wenn sie keinen Fraktionsvorsitzenden haben (wie bei der AfD, die nur noch zwei Einzel-Ratsherren hat). Die Einladung zum Verwaltungsausschuss mit entsprechenden Informationen, die Bürgermeisterin-Stellvertreter Dr. Florian Schröder zur Verteidigung als gegebene ausreichende Information angeführt hatte, ließ Seidel nicht gelten. Das sei ein „interessanter Ansatz“, dass gewählte Ratsmitglieder in solchen Fällen Informationen erfragen müssten, eine schlichte Einladung reiche ihm nicht aus. Seidel ärgerte sich zudem darüber, dass offenbar unterschiedliche Informationen an die Presse und an die Ratsmitglieder gegeben worden seien und Irritationen ausgelöst hätten.

Dirk Ebrecht (CDU) konterte seinem Fraktionsvorsitzenden-Kollegen, alle anderen hätten sich bei der Verwaltung informiert, als die Fraktionsvorsitzendenrunde über die Haushaltssperre informiert worden war, und hätten auch die E-Mail an die eigenen Fraktionsmitglieder weitergeleitet. Rolf Hojnatzki hätte ja mal in der Verwaltung anrufen können, wenn er Informationsbedarf habe, es habe aber keine direkte Reaktion auf die Entscheidung gegeben, auch nicht von der SPD. „Die künstliche Aufregung ist nicht zu verstehen“, sagte Ebrecht zum Agieren der SPD in den vergangenen Tagen, es wirke eher „wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen“, das sei aber nicht die Aufgabe von Politik, er bitte doch zur Sachlichkeit zurückzukehren.

Eine Nachfrage von Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) machte eine Diskrepanz deutlich zwischen der Information, wie sie die Verwaltung für die Sondersitzung vorgelegt habe und der Pressemitteilung über die Teil-Haushaltssperre Ende Januar, sagte Villmar-Doebeling. Denn wie man jetzt erfahre, könne die Umgestaltung des Neustädter Kirchplatzes ja doch weiter geplant und fortgesetzt werden, in der Mitteilung aus dem Rathaus zur Haushaltssperre habe das noch anders geklungen und sei mindestens missverständlich formuliert gewesen, sagte die FDP-Politikerin. Kämmerin Brigitte Hankel hatte zuvor erklärt, die Planung für den Neustädter Kirchplatz laufe weiter, der Abriss des ehemaligen Gemeindehauses und die archäologischen Grabungen könnten 2019 stattfinden, allein die Straßenbaumaßnahmen würden durch die Auswirkungen der Sperre erst 2020 stattfinden. Dass das alles so einfach haushalterisch gehe und auch mit den Fördermitteln in Einklang zu bringen sei, zweifelte Rolf Hojnatzki (SPD) an und erneuerte die Kritik der SPD an der zuletzt mit Jamaika-Plus-Mehrheit im Haushalt beschlossenen großen Lösung: „Sie fangen mit einer Maßnahme an, die nicht ausfinanziert ist.“

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hatte ihren Shakespeare parat, sogar zunächst im Original: „Much Ado About Nothing“, auf Deutsch: Viel Lärm um nichts. Das veranstalte die SPD hier. Die Verwaltung habe im Januar reagieren müssen, als das Gewerbesteueraufkommen einbrach, „das ist meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit“, sagte Michalek unmissverständlich. Es sei aber vieles im Fluss seit Ende Januar. Das Instrument der Haushaltssperre habe man bewusst gewählt, um nicht möglicherweise mehrere aufwändige und teure Nachtragshaushalte erarbeiten zu müssen. Sie habe informiert sobald verlässliche Informationen vorgelegen hatten. Vorzeitig und rechtzeitig seien die Fraktionschefs in Kenntnis gesetzt worden. Dabei habe sie nicht den Eindruck gehabt, dass bei jenen noch Fragen offen geblieben seien: „Jeder, der fragt, bekommt eine Antwort.“ Und wo sie früher vielleicht in diesem Moment tief durchgeatmet hat, scheint Sabine Michalek in letzter Zeit zunehmend Gefallen zu finden an der politisch-pointierten Positionierung und auch an einer kontroversen Auseinandersetzung. In Wahrheit gehe es der SPD doch um etwas anderes, platzte es aus der Bürgermeisterin geradezu heraus. Seit sechs Jahren schon diskutiere man quasi eine Sache „auf der Meta-Ebene“ immer mit: das mangelnde Vertrauen einiger im Stadtrat gegenüber der Verwaltung. Sie habe sich inzwischen damit abgefunden, das im Rest der Legislaturperiode nicht mehr ändern zu können, sagte Michalek und nahm SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki und seine Fraktionsmitglieder direkt ins Visier: „Ich weiß, dass sie sich jemanden anderen hier wünschen.“ Die Bürger hätten aber nun mal sie zur Bürgermeisterin gewählt.

Rolf Hojantzki wollte die Anwürfe nicht komplett auf sich sitzen lassen, auch „wenn ich auf ihre Vorhaltungen nicht tiefer eingehen will“, wie er der Rathauschefin entgegnete. „Informationspolitik ist nicht die Stärke dieser Verwaltungsspitze“, sagte der SPD-Fraktionschef. Der Wahlkampf für die nächste Bürgermeisterwahl 2021 – er scheint immer schneller näher zu kommen.

Haushaltssperre: SPD spricht von 3,5 Millionen Euro

Ist alles noch viel schlimmer? Fast zwei Wochen lang war es überraschend politisch ruhig nach der Mitteilung aus dem Rathaus, man habe eine teilweise Haushaltssperre erlassen müssen, weil die Gewerbesteuereinnahmen einbrechen werden. Einzig AfD-Ratsherr Udo Harenkamp (Opperhausen) hatte sich darüber geärgert, davon aus den Medien erfahren zu müssen, und seinen Antrag auf Verkauf des Stadtwaldes wieder ins Spiel gebracht, er habe den damals im Herbst nicht ohne Grund gestellt, sondern um der Stadt wieder ein wenig finanziell Luft zu verschaffen, erklärte er; SPD und CDU hatten die Idee bislang kategorisch abgelehnt. Vergangene Woche im wie üblich nicht-öffentlich tagenden Verwaltungsausschuss waren die Probleme natürlich Thema. Es habe Nachfragen zu einer Mitteilungsvorlage gegeben, hieß es anschließend lapidar, Beschlüsse zur erlassenen Teil-Haushaltssperre, die vor allem das seit Jahren debattierte Projekt Neustädter Kirchplatz trifft, wurden keine gefasst. Heute hat sich erstmals seit der teilweisen Haushaltssperre die größte Stadtratsfraktion öffentlich zu dem Thema eingelassen – und brachte dabei eine Summe ins Spiel, die in dieser Höhe und Deutlichkeit bislang aus dem Rathaus nicht zu hören war. „Auch für eine Stadt wie Einbeck sind 3,5 Millionen Euro keine Kleinigkeit“, betonte der finanzpolitische Sprecher der SPD und stellvertretende Bürgermeister, Marcus Seidel, in der Presseinformation der Sozialdemokraten. Die SPD fordert eine öffentliche Debatte über den bekannt gewordenen Ausfall von Gewerbesteuer in Millionenhöhe. „Es muss schnell und ohne Tabus über eine Lösung für das Haushaltsproblem gesprochen werden“, erklärte Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki. Das „Prinzip Hoffnung“ werde dem Ernst der Lage nicht gerecht. Deshalb habe die SPD eine außerordentliche Sitzung des Ausschusses für Finanzen und Rechnungsprüfung beantragt, regulär ist eine Sitzung erst am 26. März terminiert. „Nur so können rechtzeitig bis zur nächsten Ratssitzung die erforderlichen Schritte beraten werden“, machte Hojnatzki deutlich. Der Stadtrat tagt regulär das nächste Mal am 3. April – es ist die erste Sitzung in diesem Jahr. Es sei schade, dass die stillgelegten Maßnahmen und Projekte nur verkündet, nicht aber mit dem Rat abgestimmt wurden, kritisierte Marcus Seidel. Formal sei das zwar nicht nötig. „Aber nach dem aus der Strategiedebatte bekundeten Ziel einer offenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit sieht das hier nicht aus“, erklärte Seidel. Erst auf Nachfrage der SPD sei überhaupt die vollständige Liste der Maßnahmen im Bürgerinformationssystem Allris veröffentlicht worden, hieß es (Haushaltssperre_Massnahmen_). Unklar sei, nach welchen Kriterien hier verfahren worden sei und was dies nun konkret für den Neustädter Kirchplatz bedeute. „Weder an dieser Stelle noch bei den Brandschutzmaßnahmen in den Schulen können wir uns einen Stillstand leisten, bekräftigten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Eunice Schenitzki und Klaus-Reiner Schütte in der heute veröffentlichten Pressemitteilung der SPD. Die Öffentlichkeit habe einen Anspruch darauf zu erfahren, wie es weitergehen soll und darauf, dass Auswege aus dem Stillstand gesucht werden.

Nachtrag 16.02.2019: Die SPD-Stadtratsfaktion hat zu der beantragten Sondersitzung des Finanzausschusses bereits einen umfangreichen Fragenkatalog vorgelegt (PM SPD fragt beim Thema Finanzen nach 19-02-15). Einen Termin für die Sitzung gibt es bis dato nicht. Unter anderem wollen die Sozialdemokraten detailliert wissen, wie die Sperrliste zustande gekommen ist. „Es ist völlig unklar, wie die Bürgermeisterin die zu sperrenden Maßnahmen ausgewählt hat“, erklärte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki. Der Rat habe die Möglichkeit, mit der Verabschiedung eines Nachtragshaushaltsplanes die Konsequenzen zu ziehen und die Finanzierung wieder herzustellen und damit den Stillstand abzuwenden und die Schwerpunkte neu zu setzen. Die SPD fragt außerdem, wie sich die Kosten bei den laufenden anderen Projekten entwickeln. „Bestehen weitere Haushaltsrisiken?“, fragen die Sozialdemokraten in ihren sechs Fragen: „Wir haben immer vor dem Risiko der dramatischen Kostensteigerung bei Bauprojekten gewarnt. Die aktuelle Haushaltsplanung enthält keine Reserven. Jede kleine Kostensteigerung oder ein Einnahmeausfall stellt die Finanzierung in Frage. Deshalb muss jetzt die Einschätzung der Kämmerei ohne Einschränkungen offengelegt werden“, fordert Hojnatzki. Eine Antwort aus dem Rathaus steht noch aus.

Nachtrag 19.02.2019: Die von der SPD beantragte Finanzausschuss-Sondersitzung findet am Donnerstag, 7. März, um 17 Uhr im Neuen Rathaus statt. Auf diesen Termin sei die Fraktion bei der Routineterminrecherche im Ratsinformationssystem gestoßen, erklärte heute Fraktionschef Rolf Hojnatzki. Ungewöhnlich sei, dass die Bürgermeisterin den Antragsteller nicht über den Termin informiert habe, sobald dieser feststehe. „Nachdem auf unseren Antrag hin keine Reaktion kam, hatte ich die Bürgermeisterin mit der Übersendung des Fragenkatalogs am 13.02.2019 darum gebeten, aber bis heute keine Antwort erhalten“, erklärte Hojnatzki. Deshalb habe sich die SPD-Fraktion auf Nachfrage der Presse aufgerufen gesehen, sich selbst zu informieren.

Nachtrag 22.02.2019: Zusammen mit der Tagesordnung für die Finanzausschuss-Sondersitzung am 7. März hat die Stadtverwaltung erste Antworten auf die SPD-Fragen veröffentlicht (Vorlage Finanzausschuss Antworten der Verwaltung auf SPD-Fragen). Interessant ist dabei die Antwort auf die Frage nach dem Haushaltsrisiko: „Die laufend vorzunehmenden Anpassungen von Vorausleistungen sowie die laufend vorzunehmenden Abrechnungen bei den Gewerbesteuern sind ein ständiges Haushaltsrisiko.“ Deutlich wird das unter anderem dadurch, dass – wie die Haushaltsexperten im Rathaus schreiben – der im Januar 2019 festgestellte Ausfall von Gewerbesteuervorausleistungen in Höhe von rund zwei Millionen Euro durch zu erwartende Netto-Mehrerträge im Finanzausgleich nach aktuellem Stand innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung vollständig ausgeglichen werden kann, gleichzeitig aber werde mit einem größeren Ausfall im niedrigen siebenstelligen Bereich in Folge von zu erwartenden Abrechnungen gerechnet, das sei die Differenz zwischen den genannten zwei Millionen Euro und der „bereits öffentlich diskutierten Zahl 3,5 Millionen Euro“. Mit anderen Worten: Fest stehen die Zahlen erst, wenn der Haushalt mit dem Jahresabschluss abgerechnet wird. Weitere Auskünfte soll es in der Finanzausschuss-Sondersitzung geben. Im Zusammenhang mit der Sitzung verweisen die Rathausexperten in einer Mitteilungsvorlage übrigens auf die Rechtslage beim Steuergeheimnis. Wie bereits hier geschrieben, dürfte es damit als sicher gelten, dass es zumindest aus dem Rathaus keinerlei offizielle Informationen über die betroffenen Steuerzahler-Unternehmen geben wird. Ob Politik darüber spekulieren wird, bleibt abzuwarten.

Nachtrag 03.03.2019: Erneut hat die Tagesordnung der Finanzausschuss-Sondersitzung eine Aktualisierung erfahren. Das Rathaus hat auf einen am 27. Februar eingereichten SPD-Antrag (AntragSPD-Fraktion 19-02-27), als Konsequenz auf den Gewerbesteuereinbruch einen Nachtragshaushalt zu beschließen, ausführlich geantwortet. Die Verwaltung lehnt einen Nachtragshaushalt ab. Die Haushaltssperre wirke, einen Nachtragsetat sieht das Rathaus zurzeit nicht als notwendig an, zumal bereits in wenigen Wochen die Planungen für das Haushaltsjahr 2020 beginnen, für das dann die Politik im Rahmen der Etathoheit wieder entsprechende Vorgaben machen könne. Im Übrigen, so verdeutlicht die Verwaltung in ihrer Stellungnahme zum SPD-Antrag, sei durch die Haushaltssperre kein „Stillstand“ eingetreten, wie ihn die Sozialdemokraten sehen, da nur Maßnahmen gesperrt worden seien, die wegen personeller Engpässe ohnehin nicht hätten begonnen werden können oder die aus baufachlicher Sicht einen Aufschub erlauben. Auch beim Projekt Neustädter Kirchplatz sei durch die Sperre kein „Stillstand“ eingetreten, da lediglich ein Teil Geldes für 2019 gesperrt worden sei und ohnehin noch aus 2018 ein so genannter Haushaltsrest in Höhe von 500.000 Euro zusätzlich zur Verfügung stehe. Aktuell werden nach Angaben aus dem Rathaus die begonnenen Planungen (Anpassung der Ausführungsplanung an die mit der Haushaltsplanung 2019 beschlossenen Maßnahmen) weitergeführt, mit den ersten baulichen Maßnahmen (z.B. Abriss der Gebäude) könne begonnen werden, heißt es. Dadurch sei auch die Förderung der Maßnahme nicht gefährdet. Besonders diese letzten Aussagen dürften noch für eine muntere Debatte sorgen, klingen sie doch mit einem mal gänzlich anders als in der ursprünglichen Nachricht aus dem Rathaus zur Teil-Haushaltssperre, nach der „insbesondere die geplante Neugestaltung des Neustädter Kirchplatzes“ betroffen sei. Mindestens erklärungsbedürftig ist ferner zumindest für Haushaltslaien, warum denn 573.000 Euro im Haushalt gesperrt werden, wenn 500.000 Euro „Haushaltsrest“ doch vorhanden sind.

AfD-Ratsherr fordert Verkauf des Stadtwaldes

Auf der Hube im Stadtwald. Archivfoto

AfD-Ratsherr Udo Harenkamp (Opperhausen) möchte den Einbecker Stadtwald verkaufen. Er kündigte heute einen entsprechenden Antrag zum Haushaltsentwurf 2019 an. „Ich fordere die Fraktionen im Stadtrat Einbeck auf, nicht nur den Mut zu einer Steuererhöhung und Neuverschuldung zu zeigen, sondern auch den Mut zu der unbequemen Entscheidung, eine Liegenschaft zu veräußern, die die Stadt Einbeck seit Jahrzehnten belastet“, schreibt Harenkamp in einer Mitteilung. Mit dem Verkauf des Stadtwaldes sei eine Neuverschuldung der Stadt unnötig, eine Steuererhöhung abwendbar und Startkapital für den Ausbau des Neustädter Kirchplatz zum Teil vorhanden, rechnet der AfD-Ratsherr vor, ohne Zahlen zu nennen.

Der Wald schreibe seit Jahren Verluste. Der Grund dafür sei nicht zwingend eine mangelnde Bewirtschaftung, sondern laut Harenkamp eine zu hohe Erwartung der Politik bei den Holzeinschlägen und bei den aus dem Holzverkauf resultierenden Erträgen. Harenkamp: „Ein weiteres hohes Defizit bei der gleichzeitigen Gefahr der Übernutzung ist durch die politischen Gremien nicht mehr länger verantwortbar.“ Einbeck müsse jede Ausgabe genauer betrachten und abwägen, ob eine Liegenschaft, die nur Verluste produziere, künftig noch verantwortbar sei. „Dem Bürger und den Unternehmen der Stadt Einbeck ist nicht zuzumuten, durch eine Steuererhöhung die Insolvenzverschleppung des Stadtwaldes fortzusetzen“, schreibt Harenkamp in seiner Mitteilung.

Der Verwaltungsausschuss des Stadtrates hat laut Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek gestern den Beschluss des Finanzausschusses von Dienstag bestätigt, das noch aus den Jahren 2013, 2016 und 2017 stammende Defizit der Forst in Höhe von rund 70.000 Euro zu übernehmen. Erst seit 2018 ist die Stadtforst haushalterisch wieder im städtischen Etat geführt und nicht mehr im Kommunalen Bauhof.

Nachtrag 10.11.2018: In seiner öffentlichen Facebook-Gruppe verlinkt Harenkamp diesen Artikel und kommentiert: „Die Zahlen dazu werden in der Ratssitzung genannt !!“ Auf seiner öffentlichen Facebook-Seite hingegen rechnet Harenkamp an anderer Stelle offenbar als Teil seines Antragstextes unter dem gleichen Datum vom 08.11.18 vor: „Ich beantrage 540 ha des Einbecker Stadtwald zu veräußern und ein unabhängiges Wertgutachten in Auftrag zu geben. Zur Zeit sind die Nachfragen nach Waldflächen trotz der Katastrophe als sehr gut anzusehen. Höchstpreise werden bei hoher Nachfrage und wenig Waldfläche zwischen 10.000 €/ha bis zu 13.000 € /ha gehandelt, welches bei einer vorsichtigen Berechnung eines Verkauferlöses eine Einnahme von ca. 5,4 Millionen Euro und darüber hinaus generiert. Mit einem höheren Erlös kann aber realistisch betrachtet gerechnet werden, welches sich am Bestand und den Holzarten orientiert.“

Nachtrag 06.12.2018: Der Stadtrat hat den Antrag gestern einmütig in den Umweltausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Vertreter von SPD und CDU machten dabei jedoch bereits deutlich, dass es einen Verkauf des Stadtwaldes mit ihren Fraktionen nicht geben werde. FDP-Fraktionschef Dr. Reinhard Binder nannte es eine „richtige Fragestellung“, über die man reden müsse. Harenkamp sei „auf der richtigen Spur“, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht, jedoch ziehe er die falschen Schlüsse. Man müsse den Stadtwald, der regelmäßig sechsstellige Defizite erwirtschafte, nochmal unter die Lupe nehmen. Bei der Stadtforst handele es sich nicht in erster Linie um einen wirtschaftlichen Betrieb, sondern er diene auch der Erholung, dem Sport, dem Naturschutz und damit Zielen, die am Gemeinwohl orientiert seien, machte die Stadtverwaltung in einer Stellungnahme deutlich. Die Stadtforst mit ihren sämtlichen Einrichtungen (Grundstücke, Aufwuchs, Gebäude, bewegliches Vermögen, etc.) habe aktuell einen Gesamtwert von rund zehn Millionen Euro, das seien sieben Prozent des Bilanzwertes der gesamten Stadt Einbeck (rund 130 Millionen Euro). Ein Verkauf würde daher zu einem deutlichen Einschnitt in die Bilanz der Stadt führen, hieß es aus dem Rathaus.

Gebühren rauf, Steuern lieber nicht

In seiner nächsten Sitzung (5. September) wird sich der Einbecker Stadtrat vor allem mit Geld beschäftigen. Was in einer Sitzung, in der traditionell der Haushalt des kommenden Jahres von der Bürgermeisterin eingebracht, also vorgestellt wird, nicht gänzlich ungewöhnlich ist. Aber auch fast alle anderen Tagesordnungspunkte der öffentlichen Sitzung (und vermutlich auch einige des nicht-öffentlichen Teils) drehen sich um Finanzen. Angefangen vom Hochwasser-Katastrophenfonds, den AfD-Ratsherr Udo Harenkamp fordert, um die Folgen von Hochwasser für die Bürger abfedern zu können, geht es in der Tagesordnung weiter mit einem FDP-Antrag, der zu Förderanträgen für die Tiedexer Straße auffordert. Dabei wird es spannend zu beobachten sein, wie die offenkundig unterschiedlichen Lesarten oder gar Antworten aus Hannover auf eine Frage des FDP-Landtagsabgeordneten Christian Grascha zu sehen sein werden. Denn während Grascha nach der ihm vorliegenden Antwort Fördermöglichkeiten sieht, hat die Stadt Einbeck in parallelen Fragen in Hannover als Auskunft erhalten, dass es keine Möglichkeiten gibt.

Viel spannender jedoch dürften die Diskussion über Steuererhöhungen und Gebührenerhöhungen sein. Während der zuständige Bauausschuss bereits einstimmig die drastische Erhöhung von Straßenreinigungsgebühren empfohlen hat, vor allem die in der Fußgängerzone, und zwar ohne groß inhaltlich zu debattieren und beispielsweise den Sinn oder Unsinn von fünfmaliger Reinigung zu hinterfragen, weil gesetzliche Vorschriften zur Erhöhung zwingen, hat der Finanzausschuss einstimmig nicht empfohlen, die Steuern zu erhöhen, wie das Kämmerin Brigitte Hankel der Politik dringend angeraten hatte, wolle Einbeck noch seine Aufgaben erfüllen und nach Ende des Zukunftsvertrages nicht wieder dort stehen, wo es vor dem Zukunftsvertrag stand – ohne Geld und weiterhin mit drückenden Schulden. Sie wisse selbst natürlich, dass Steuererhöhungen niemals gut ankommen und politisch schwer zu verkaufen seien. „Ich bin gespannt auf unsere Haushaltsberatungen“, sagte Hankel im jüngsten Finanzausschuss nach der Ablehnung der Erhöhung durch die Politik. Denn das Geld sei nicht einfach dadurch einzusparen, eine Investition zu streichen. Eine nicht erfolgende Erhöhung von Grundsteuer B und Gewerbesteuer habe Auswirkungen auf vieles. Die Grundsteuer B soll nach Vorschlag des Rathauses erstmals seit 2009 um 10 Prozentpunkte erhöht werden, die Gewerbesteuer erstmals seit 1993 (!) um 20 Prozentpunkte. Insgesamt könnte man mit rund 700.000 Euro Mehreinnahmen dadurch rechnen.

Man müsse sich genau anschauen, was eine Steuererhöhung bringe und was sie koste, beispielsweise die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Einbeck, erklärte Dirk Ebrecht (CDU), der dafür plädierte, sich gemeinsam nochmal lieber die Ausgabeseite anzuschauen. Eine Erhöhung zum aktuellen Zeitpunkt sei falsch, sagte Rolf Hojnatzki (SPD), der das Thema als Teil der künftigen Finanzstrategie sieht. Und auch Grüne (Manfred Helmke: „In der Hochkonjunktur die Steuern erhöhen? Nein.“) und GfE (Udo Mattern: „Wir wollen den Druck weiter zu sparen“) lehnten die Steuererhöhung im Finanzausschuss ab.

Es soll nun aber nicht alles teurer werden oder so bleiben wie es ist, der Stadtrat wird sich in nächster Sitzung auch mit einer Preissenkung beschäftigen. Es soll die „Satzung über die Höhe der Ausgleichsbeiträge für nicht herzustellende Kraftfahrzeugeinstellplätze (Ablösesatzung)“ angepasst werden – und zwar nach unten! Wenn für ein Bauvorhaben die notwendigen Pkw-Stellplätze nicht hergestellt werden können, kann man sich als Bauherr freikaufen. 2000 Euro kostet das bislang pro Stellplatz. In Zukunft sollen in der City 1850 Euro fällig werden, 1500 Euro in der restlichen Kernstadt und 1250 Euro auf dem Dorf. Mit deutlichen Mindereinnahmen rechnet das Rathaus nicht und bleibt bei einem Haushaltsansatz von 10.000 Euro. Die Ablösebeträge seien in den vergangenen Jahren äußerst selten vorgekommen.

Nachtrag 06.09.2018: Der Hochwasserschutz-Antrag von AfD-Ratsherr Udo Harenkamp wurde von der Tagesordnung der Sitzung genommen, da der Ratsherr gestern entschuldigt nicht anwesend war und daher keine Erklärung seines Katastrophenfonds-Vorstoßes durch ihn selbst erfolgen konnte. Auch der Versuch einer Erläuterung der Antragsabsicht durch Dr. Reinhard Binder (FDP) konnte eine Absetzung nicht verhindern.

Beschlossen hat der Stadtrat die Erhöhung der Winterdienst- und Straßenreinigungsgebühren in der Höhe wie vorgeschlagen. Auf eine Anregung von Dr. Reinhard Binder (FDP) zu überlegen, ob eine private Reinigungsfirma nicht preisgünstiger als der Bauhof sein könnte, erläuterte Bauhof-Chef Dirk Löwe die der Erhöhung zugrunde liegende Kalkulation und Wirtschaftlichkeitsberechnung. Marcus Seidel (SPD), der Vorsitzende des Bauhof-Ausschusses, fühlte sich durch den Binder-Vorschlag dazu veranlasst zu betonen, dass die Erhöhung gesetzliche Notwendigkeit habe und man die Gebühren nicht gedankenlos erhöhe. Seidel bezweifelte auch, dass eine Privatfirma günstiger wäre, denn diese müsse u.a. einen höheren Mehrwertsteuersatz berechnen und die Reinigungsleistung müsse teuer europaweit ausgeschrieben werden. Es sei eben nicht immer, auch wenn das gerne von vielen behauptet werde, der Bauhof schuld.

Die geplante Erhöhung von Grundsteuer B und Gewerbesteuer wurde einstimmig vertagt. Darüber dürfe man nicht losgelöst diskutieren, sondern müsse sorgsam und zurückhaltend vorgehen, habe doch eine Erhöhung eine Wirkung nach außen, sagte Rolf Hojnatzki (SPD) – und fand dafür lobende Worte von Dirk Ebrecht (CDU). Man werde darüber in den Haushaltsberatungen diskutieren.

Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen beschlossen wurde die neue Ablösesatzung für Kfz-Stellplätze. Heidrun Hoffmann-Taufall (CDU) gab zu Protokoll, sie könne die Senkung nicht mittragen, wenn gleichzeitig die Grundsteuer erhöht werden solle. Das habe nichts miteinander zu tun, sagte Rolf Hojnatzki (SPD), man sei hier gesetzlich gezwungen, anzupassen. Dr. Reinhard Binder (FDP) schlug vor, das Thema auch zu vertagen wie die Steuererhöhung, was sich nicht durchsetzte.

AfD-Fraktion im Stadtrat platzt

Die zweiköpfige Fraktion der „Alternative für Deutschland“ (AfD) im Einbecker Stadtrat wird es künftig nicht mehr geben. Wie Ratsherr Udo Harenkamp (Opperhausen) auf meine Anfrage erklärte, habe er der Bürgermeisterin nach der Sitzung des Stadtrates am vergangenen Mittwoch seinen Rücktritt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD-Fraktion und seinen Austritt aus der Fraktion mitgeteilt. Auch sein Fraktionskollege Dirk Küpper, der für die AfD auch im Kreistag sitzt,  sei informiert. Seine Entscheidung sei „eine persönliche Notwendigkeit“, über Details möchte Harenkamp öffentlich nicht sprechen, es habe Differenzen innerhalb der Fraktion gegeben. Er werde sein Mandat aber behalten und „nach dem Programm der AfD weiter fortführen“, wie Harenkamp mitteilte. Harenkamp will Mitglied der AfD bleiben. Er weist Vorwürfe des AfD-Kreisverbandes zurück, er habe „der AfD im Kreis Northeim erneut Schaden zugefügt“, wie es in einer Mitteilung des Kreisverbandes heißt. Harenkamp plant, beim kommenden Kreisparteitag der AfD am 23. März 2018 die Mitglieder über Details zu seinem Rückzug zu informieren. Die Missbilligung des Kreisvorstandes verstehe er in keinster Weise. Der AfD-Kreisvorstand kritisiert, dass er erst kurzfristig von den Problemen erfahren habe und damit nicht mehr vor dem Schritt vermittelnd eingreifen konnte.

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek bestätigte mir heute die ihr gegenüber am vergangenen Mittwoch schriftlich gemachte Erklärung Harenkamps. Im Rathaus werden zurzeit die Auswirkungen geprüft.

Eine Stellungnahme bei AfD-Ratsherr Dirk Küpper ist angefragt. AfD-Ratsherr Dirk Küpper mochte sich auf meine Anfrage nicht öffentlich zu dem Thema äußern, vom Kreisverband sei alles gesagt. (Aktualisiert: 21.03.2018, 19:15 Uhr)

Nachtrag 27.03.2018: Beim Kreisparteitag am Freitag gab es Streit. Udo Harenkamp erwägt ebenso wie AfD-Kreistagsmitglied Manfred Schön (Nörten-Hardenberg) rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung eines Chat-Protokolls einer WhatsApp-Gruppe. Schön kündigte seinen Austritt aus der AfD-Kreistagsfraktion an, möchte aber wie Harenkamp seinen Sitz behalten und sein Mandat im Northeimer Kreistag im Sinne der AfD fortführen. Der Kreisvorstand bedauert den Schritt und spricht von einem nicht mehr vorhandenen Vertrauensverhältnis.

Kindergarten im Eilverfahren

Der Fachausschuss für Jugend, Familie und Soziales kann sich kurz fassen, wenn er am nächsten Mittwoch den Tagesordnungspunkt 7 aufruft (7.3., 17 Uhr, Haus der Jugend). Denn zu entscheiden hat er über den notwendig gewordenen Kindergartenneubau in Vogelbeck, der zu einem Nachtragshaushalt 2017 geführt und für hohe politische Wellen gesorgt hatte, imgrunde nur noch pro forma. Der Finanzrahmen für das 1,5 Millionen-Euro-Projekt ist gesteckt, und damit auch die Art der Ausführung des Neubaus. Die Beratungsfolge ist ungewöhnlich. Aber es muss schnell gehen. Die Bauarbeiten sollen bald ausgeschrieben werden. Der Finanzausschuss hat sich (ebenso wie der Verwaltungsausschuss) bereits dazu entschlossen, den bislang vorgesehenen städtischen Eigenanteil bei der Sanierung des Alten Rathauses (146.700 Euro) zunächst beim Kindergarten-Neubau in Vogelbeck einzusetzen. Weil der Kindergarten 300.000 Euro teurer wird als ursprünglich mit 1,2 Millionen Euro kalkuliert. Und weil das Förderprogramm für das Alte Rathaus  höchstwahrscheinlich 2018 ohnehin nicht zum Tragen komme dürfte. Rund 180.000 Euro der Mehrkosten werden übrigens vom Land kommen, weil die aktualisierte Planung nicht mehr nur einen Kindergarten, sondern auch eine Krippe vorsieht.

Kämmerin Brigitte Hankel nannte das Vorgehen eine Art Zwischenfinanzierung. Wobei sie im Finanzausschuss sagte, dass damit das Rathaus-Sanierungsprojekt nicht gefährdet werde, da sie für 2017 mit einem guten Jahresergebnis und Steuermehreinnahmen rechne, durch die die „Zwischenfinanzierung“ wahrscheinlich gar nicht zum Zuge kommen werde. Richtig glücklich waren die Politiker im Finanzausschuss nicht. Bei mehr Transparenz der Verwaltung hätte man beim Nachtragshaushalt bereits eine andere Summe einsetzen können, wenn das Geld ohnehin aus Steuermehreinnahmen kommen werde, sagte Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE). „Im Ergebnis nicht glücklich“ war auch Albert Eggers (CDU), es sei nicht gut, dass man hier so nachbessern müsse. Kritik an der Kostensteigerung kam von Udo Harenkamp (AfD), man solle doch im ursprünglichen Budget bleiben. Angesichts aller Umstände und der aktualisierten, erweiterten Planung seien die jetzt ermittelten 1,5 Millionen Euro für den Kindergartenneubau „eigentlich eine Punktlandung“, bat Bauamtsleiter Frithjof Look um Verständnis. Keine Kritik kam von der SPD: Vogelbeck bekomme mit dem Neubau eine vollwertige, zeitgemäße Kindertagesstätte, die durch einen auch für die Dorfgemeinschaft nutzbaren Raum gleichsam eine Chance für die Ortschaft sei, sagte Rolf Hojnatzki (SPD). Abschließend entscheidet der Stadtrat am 14. März über das Projekt. Danach soll’s dann schnell losgehen.

Nachtrag 08.03.2018: Die Planungen für den Kindergarten hat Jan Albrecht vom Architektenbüro Albrecht + Weisser (Northeim) im Jugendausschuss vorgestellt; die Pläne sind hier auch online zu finden. Im Sommer 2019 soll das Gebäude für Krippe und Kindergarten stehen und bezogen sein. Der Ausschuss für Jugend, Familie und Soziales hat dem Vorgehen inklusive Dorfgemeinschaftsnutzung erwartungsgemäß ohne große Diskussion einstimmig zugestimmt.

Nachtrag 15.03.2018: Der Stadtrat hat gestern Abend bei seiner Sitzung den Planungen einstimmig bei fünf Enthaltungen zugestimmt und damit den Bau endgültig auf den Weg gebracht.

Nirgendwo bleibt’s mehr dunkel

Straßenlaternen auf dem Marktplatz. Foto: Stadtwerke

In den Ortschaften der ehemaligen Gemeinde Kreiensen bleibt es nachts nicht mehr dunkel. Der Einbecker Stadtrat hat mit großer Mehrheit beschlossen, die bisherige Nachtabschaltung zum Juli 2017 dort aufzuheben. Dann werden einheitlich in allen 46 Ortschaften der Stadt Einbeck nachts die Straßenlaternen leuchten. Dagegen stimmten Beatrix Tappe-Rostalski (CDU) aus Opperhausen, Reinhard Brinckmann (Bürgerliste) aus Billerbeck und Udo Harenkamp (AfD) aus Opperhausen, Dietmar Bartels (Grüne) aus Einbeck enthielt sich. Mit dem Beschluss endet eine lange, zweijährige Diskussion über das Für und Wider von nachts dunklen oder erleuchteten Straßen. „Das hat länger gedauert als ich gedacht hätte“, sagte Klaus-Reiner Schütte (SPD) aus Greene. Neun Ortschaften hatten sich für eine Nachtabschaltung ausgesprochen, 22 dagegen. Bis zum Schluss versuchten Ratsmitglieder, den Beschlussvorschlag noch zu verändern: Beatrix Tappe-Rostalski (CDU) aus Opperhausen schlug vor, doch erst die Abschaltung abzuschaffen, wenn die Laternen komplett auf die neue LED-Technik umgerüstet sind. Dietmar Bartels (Grüne) fragte, warum alle Ortschaften einheitlich durchleuchten müssten. Unterschiedliche Schaltungen seien nur in verschiedenen Schaltkreisen möglich, sagte Bauamtsleiter Frithjof Look, das sei nicht so einfach, noch dazu teuer. „Ich kann davor nur warnen.“ Im Bauausschuss habe es außerdem einen einstimmigen Beschluss gegeben, einheitlich zu verfahren. Ohne Berücksichtigung des Einsparpotenzials durch die neue LED-Technik erwartet die Stadt Einbeck Mehrkosten von zunächst 45.000 Euro. Dieser Betrag reduziert sich mit jeder Umstellung der Straßenbeleuchtung in den Ortschaften. 2017 werden Salzderhelden sowie die Ortschaften Ippensen, Garlebsen und Olxheim von den Stadtwerken komplett auf die LED-Lampen umgestellt.