Provisorische Dauer-Toiletten-Baustelle

Von Bauarbeiten auf dem Hallenplan in Einbeck ist mir nichts bekannt – und das seit knapp einer Woche in einer Ecke des Alten Rathauses in bester Innenstadtlage stehende leuchtend blaue Baustellen-WC hat auch nichts mit Erdarbeiten fleißiger Bauarbeier zu tun, die auch nur mal austreten wollen. Die barrierefreie, große Toilette für Menschen mit individuellen Beeinträchtigungen, wie das Behinderten-WC wahrscheinlich korrekt genannt werden muss, ist eine vom Seniorenrat und Behindertenbeauftragten mühsam und hartnäckig erstrittene Übergangslösung, bis es dauerhaft in Marktplatznähe ein WC beispielsweise für Rollstuhlfahrer gibt. Es ist mir ein Bedürfnis, dieses hier noch einmal zu schildern, nachdem ich nach einem schlichten Foto-Posting „Schick, oder?“ auf meinem privaten Profil bei Facebook am vergangenen Donnerstag nicht nur Kopfschütteln, sondern fast ausschließlich fassungsloses Staunen ob dieser optisch so sehr eleganten Lösung erfahren habe… Fakt ist: Ein barrierefreies WC in Nähe des Marktplatzes ist wichtig und notwendig, längst überflüssig eigentlich. Ich finde es nach wie vor einen sehr schlechten bürokratischen Witz, dass nicht das vorhandene Marktbeschicker-WC im rechten Rathausturm als barrierefreies WC für alle genutzt werden darf. Und: Muss das Provisorium (das jährlich 2500 Euro kostet) dermaßen hässlich sein und an einer so prominent sichtbaren Stelle aufgestellt werden? Gut, immerhin steht das wie nach Baustelle aussehende Dixi-Klo nicht mitten auf dem Einbecker Marktplatz… Dennoch: Gibt es keine Lösung, das Plastik-WC beispielsweise auf den Rathausinnenhof zu stellen (wo es weniger im Blickpunkt ist) und den Weg dorthin auszuschildern? Oder lässt es sich wenigstens mit einfachsten Mitteln optisch verschönern, wenn es denn schon an dem Platz auf dem Hallenplan unverändert stehen bleiben muss? Hier könnten Street-Art-Künstler mal schnell und flexibel aktiv werden – legal versteht sich, nachdem das Einverständnis vorliegt. Der Seniorenrat hat in der jüngsten Sozialausschuss-Sitzung angekündigt, das neue WC-Provisorium mit einem so genannten Euroschlüssel zugänglich machen zu wollen, damit auch nur der betroffene Personenkreis diese Toilette nutzt (und andere keinen Schabernack treiben können). Vernünftig!

Und schließlich: Wenn ich mir die Unterlagen für die nächste Sitzung des Bauausschusses (12. April, 17 Uhr, Sitzungssaal Altes Rathaus) so durchlese, beschleicht mich der Verdacht, dass die Übergangstoilette ein Dauer-WC werden könnte. Zumindest eines für länger als für nur ein Jahr. Denn in der Prioritätenliste der Fördergelder für das Programm „Kleine Städte und Gemeinden“ 2017 ist die Sanierung des Alten Rathauses (zu der dann ein dauerhaftes Behinderten-WC gehören wird) ist das Rathausgebäude ziemlich weit nach unten gerutscht… und enthalten ist vor allem die Sanierung des Kellers – die aber nur Sinn macht, wenn man auch bereits eine Nutzung im Auge hat, was ich bislang nicht entdecke.

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Toi, toi, toi

Hartnäckig bleiben Seniorenrat und Behindertenbeauftragter am Thema dran. Gut so. Sie sehen ein dringendes Bedürfnis. Und möchten die Argumente, die gegen ihr Vorhaben ins Feld geführt werden, nicht akzeptieren. Aus, wie ich finde, durchaus nachvollziehbaren Gründen, die ich hier schon einmal genannt hatte. „Von allen Fraktionen haben wir wohlwollende Zustimmung, aber es passiert nichts“, sagte der Vorsitzende des Einbecker Seniorenrats, Hein-Peter Balshüsemann gestern in der Sitzung des Sozialausschusses. Wer eine „Magistrale der Baukultur“ haben möchte, der müsse im unmittelbaren Umfeld des Alten Rathauses auch eine barrierefreie Behinderten-Toilette vorhalten, argumentierte er. Warum man das vorhandene WC für Marktbeschicker im Alten Rathaus, das gerade einmal zehn Stunden pro Woche während des Wochenmarktes genutzt werde, nicht als Behinderten-Toilette mitnutzen darf, kann der Seniorenrat nicht verstehen, die Begründung des Landkreises als Lebensmittelüberwacher nicht akzeptieren. Mir geht’s genauso. Der Fachausschuss hat gestern zumindest einer Zwischenlösung einstimmig den Weg geebnet: Am Rathaus soll für rund 2500 Euro Miete pro Jahr eine spezielle, große, barrierefreie Dixi-Toilette für Menschen mit individuellen Beeinträchtigungen aufgestellt werden, wo genau wurde dabei nicht festgelegt, ab wann das WC dort stehen soll ebenso wenig. Der Seniorenrat erklärte sich damit einverstanden, wenn weiter auch nach einer dauerhaften Lösung gesucht werde, sagte Balshüsemann. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erklärte, dass in dem Gebäudenutzungskonzept, das für die anstehende Sanierung des Alten Rathauses erarbeitet worden sei, eine Behinderten-Toilette enthalten sei. Vor Mai 2016 lasse sich allerdings nicht sagen, ob und wann die Stadt Einbeck auf beantragte Fördermittel zugreifen könne. Auch bei den Neuplanungen von ZOB und Neustädter Kirchplatz sei eine WC-Anlage für Menschen mit Handicap obligatorisch.

Nachtrag 11.03.2016: Nach langwieriger Diskussion und mehrfachen hartnäckigen Nachfragen des Seniorenrates in diversen Runden und Ausschuss-Sitzungen hat laut Stadtverwaltung der Lieferant der Toilettenanlage den 23. März als Aufstellungstermin eingeplant. Am Tag zuvor steht das Thema nochmal auf der Tagesordnung des Ausschusses für Jugend, Familie und Soziales. Das Geld ist im Haushalt 2016 eingeplant.

Ein dringendes Bedürfnis

Toilettenanlage.

Toilettenanlage.

Die Angelegenheit ist delikat. Es geht um Lebensmittel. Und um Barrierefreiheit für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen. Die gut erreichbare Toilette für Marktbeschicker im Turm des Alten Rathauses soll, so ein Vorschlag des Behindertenbeauftragten Herbert Klein und der GfE-Ratsfrau Dr. Ursula Beckendorf, zu einem WC umgebaut werden, das auch Behinderte benutzen dürfen; denn andere barrierefreie Toiletten in der City sind Mangelware. Doch das darf so nicht sein. Sagt zumindest der Landkreis Northeim als Lebensmittel-Hygiene-Behörde. Die Personaltoilette im Rathausturm müsse eine solche ausschließlich für die Beschicker des Wochenmarktes bleiben: „Eine Vermischung mit anderen Personenkreisen kann von hier aus nicht toleriert werden.“ Um Verbraucher vor Lebensmittelinfektionen zu schützen, müssten saubere, separate Toilettenanlagen zur Verfügung gestellt werden, um mindestens während der Marktzeit eine Übertragung von Infektionserregern zu verhindern. Die Angelegenheit sei damit aus fachlicher Sicht „abschließend geklärt“, lässt der oberste Verbraucherschützer im Kreishaus ausrichten.

Gut, dass die Kreisverwaltung eine Diskussion nicht einfach so für beendet erklären kann. „Ich nehme das zur Kenntnis, aber gebe nicht auf“, sagte GfE-Ratsfrau Dr. Ursula Beckendorf gestern im zuständigen Fachausschuss des Stadtrates. Der einigte sich einstimmig darauf, die Stadtverwaltung prüfen zu lassen, ob nicht das Marktbeschicker-WC zu einer barrierefreien Toilette umgebaut werden könnte (und was das kostet) und gleichzeitig für die Marktbeschicker eine andere WC-Lösung zu suchen. Bei anstehenden Planungen für den neuen ZOB, den Garten der Generationen im Stiftsgarten, den Möncheplatz und den Neustädter Kirchplatz soll ferner berücksichtigt werden, eventuell hier zentrale und gut erreichbare barrierefreie WC-Anlagen zu bauen. Das aktuell einzige öffentliche barrierefreie WC in der Innenstadt in der Maschenstraße soll außerdem dauerhaft geöffnet werden, entschied der Fachausschuss einstimmig.

Lebensmittelsicherheit ist ein hohes Gut – und ich möchte als Kunde sichergehen, dass ich auf dem Wochenmarkt gesunde, frische und nicht infizierte Lebensmittel kaufen kann. Nicht zuletzt deshalb ist mir ja die jüngste Hundekot-Aktion am Eulenspiegelbrunnen so dermaßen über die Hutschnur gegangen! Aber: Eine hundertprozentige Sicherheit kann es, gerade bei mobilen Händlern wie auf einem Wochenmarkt, nicht geben, ohne dass ich da jemanden unter Generalverdacht stellen möchte. Da schützt auch eine separate Toilette ausschließlich für diese Händler nichts. Zum einen wird niemand von den Händlern gezwungen, diese zu benutzen. Zum anderen kann es doch auch so sein, dass Händler A sich erst auf dem separaten WC infiziert, weil Händler B dort beim Geschäft oder beim Händewaschen seine Keime verbreitet. Der einzige Vorteil, den ich als Laie erkenne, wäre in einem solchen Infektionsfall, dass man den potenziellen Personenkreis, aus dem die Infektion stammen kann, rascher eingrenzen kann, wenn es sich ausschließlich um eine Personaltoilette für Wochenmarkt-Beschicker handelt.

Gut, dass Behindertenbeauftragter Herbert Klein gemeinsam mit dem Einbecker Seniorenrat und GfE-Ratsfrau Beckendorf aber hier nicht locker lässt und geklärt wissen möchte: Auf welche eindeutige Rechtsgrundlage bezieht sich die Landkreis-Ablehnung, die Toilette für Marktbeschicker und Behinderte zu nutzen? Und: „Aufgrund einer telefonischen Recherche lässt o.a. Entscheidung die Vermutung zu, dass in diesem Fall personenbezogene Argumente den Ausschlag gegeben haben.“ Mit anderen Worten? Der Landkreis lehnt ab, weil die beantragende Person nicht passt? Das wäre unglaublich und eine gewagte, zu belegende Behautung.

Die Position der Antragsteller schwächt, dass der Landkreis Northeim aktuell erklärt, auch in Alfeld, Göttingen, Duderstadt, Hann.Münden, Holzminden und Hildesheim seien separate Toiletten für Marktbeschicker vorhanden, entsprechende andere Behauptungen seien falsch. Behindertenbeauftragter und Seniorenrat hatten nach ihrer Telefonumfrage erklärt, nur Einbeck und Northeim hielten separate Marktbeschicker-WC vor, die anderen Städte nicht. Wer hat nun Recht? Wer nicht sauber recherchiert, dem werden auch die besten Argumente verwässert.

Nachtrag 29.05.2015: Auf Antrag des Seniorenrates hat der Verwaltungsausschuss den Fachausschuss-Beschluss in dieser Woche nicht nur bestätigt, sondern noch einmal explizit festgeschrieben, dass bei allen Baumaßnahmen auf öffentlichen Plätzen (Neustädter Kirchplatz, Möncheplatz, ZOB/Bahnhof-Umgestaltung) barrierefreie Toilettenanlagen einzuplanen sind. Das berichtete Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek.