Ein dringendes Bedürfnis

Toilettenanlage.
Toilettenanlage.

Die Angelegenheit ist delikat. Es geht um Lebensmittel. Und um Barrierefreiheit für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen. Die gut erreichbare Toilette für Marktbeschicker im Turm des Alten Rathauses soll, so ein Vorschlag des Behindertenbeauftragten Herbert Klein und der GfE-Ratsfrau Dr. Ursula Beckendorf, zu einem WC umgebaut werden, das auch Behinderte benutzen dürfen; denn andere barrierefreie Toiletten in der City sind Mangelware. Doch das darf so nicht sein. Sagt zumindest der Landkreis Northeim als Lebensmittel-Hygiene-Behörde. Die Personaltoilette im Rathausturm müsse eine solche ausschließlich für die Beschicker des Wochenmarktes bleiben: „Eine Vermischung mit anderen Personenkreisen kann von hier aus nicht toleriert werden.“ Um Verbraucher vor Lebensmittelinfektionen zu schützen, müssten saubere, separate Toilettenanlagen zur Verfügung gestellt werden, um mindestens während der Marktzeit eine Übertragung von Infektionserregern zu verhindern. Die Angelegenheit sei damit aus fachlicher Sicht „abschließend geklärt“, lässt der oberste Verbraucherschützer im Kreishaus ausrichten.

Gut, dass die Kreisverwaltung eine Diskussion nicht einfach so für beendet erklären kann. „Ich nehme das zur Kenntnis, aber gebe nicht auf“, sagte GfE-Ratsfrau Dr. Ursula Beckendorf gestern im zuständigen Fachausschuss des Stadtrates. Der einigte sich einstimmig darauf, die Stadtverwaltung prüfen zu lassen, ob nicht das Marktbeschicker-WC zu einer barrierefreien Toilette umgebaut werden könnte (und was das kostet) und gleichzeitig für die Marktbeschicker eine andere WC-Lösung zu suchen. Bei anstehenden Planungen für den neuen ZOB, den Garten der Generationen im Stiftsgarten, den Möncheplatz und den Neustädter Kirchplatz soll ferner berücksichtigt werden, eventuell hier zentrale und gut erreichbare barrierefreie WC-Anlagen zu bauen. Das aktuell einzige öffentliche barrierefreie WC in der Innenstadt in der Maschenstraße soll außerdem dauerhaft geöffnet werden, entschied der Fachausschuss einstimmig.

Lebensmittelsicherheit ist ein hohes Gut – und ich möchte als Kunde sichergehen, dass ich auf dem Wochenmarkt gesunde, frische und nicht infizierte Lebensmittel kaufen kann. Nicht zuletzt deshalb ist mir ja die jüngste Hundekot-Aktion am Eulenspiegelbrunnen so dermaßen über die Hutschnur gegangen! Aber: Eine hundertprozentige Sicherheit kann es, gerade bei mobilen Händlern wie auf einem Wochenmarkt, nicht geben, ohne dass ich da jemanden unter Generalverdacht stellen möchte. Da schützt auch eine separate Toilette ausschließlich für diese Händler nichts. Zum einen wird niemand von den Händlern gezwungen, diese zu benutzen. Zum anderen kann es doch auch so sein, dass Händler A sich erst auf dem separaten WC infiziert, weil Händler B dort beim Geschäft oder beim Händewaschen seine Keime verbreitet. Der einzige Vorteil, den ich als Laie erkenne, wäre in einem solchen Infektionsfall, dass man den potenziellen Personenkreis, aus dem die Infektion stammen kann, rascher eingrenzen kann, wenn es sich ausschließlich um eine Personaltoilette für Wochenmarkt-Beschicker handelt.

Gut, dass Behindertenbeauftragter Herbert Klein gemeinsam mit dem Einbecker Seniorenrat und GfE-Ratsfrau Beckendorf aber hier nicht locker lässt und geklärt wissen möchte: Auf welche eindeutige Rechtsgrundlage bezieht sich die Landkreis-Ablehnung, die Toilette für Marktbeschicker und Behinderte zu nutzen? Und: „Aufgrund einer telefonischen Recherche lässt o.a. Entscheidung die Vermutung zu, dass in diesem Fall personenbezogene Argumente den Ausschlag gegeben haben.“ Mit anderen Worten? Der Landkreis lehnt ab, weil die beantragende Person nicht passt? Das wäre unglaublich und eine gewagte, zu belegende Behautung.

Die Position der Antragsteller schwächt, dass der Landkreis Northeim aktuell erklärt, auch in Alfeld, Göttingen, Duderstadt, Hann.Münden, Holzminden und Hildesheim seien separate Toiletten für Marktbeschicker vorhanden, entsprechende andere Behauptungen seien falsch. Behindertenbeauftragter und Seniorenrat hatten nach ihrer Telefonumfrage erklärt, nur Einbeck und Northeim hielten separate Marktbeschicker-WC vor, die anderen Städte nicht. Wer hat nun Recht? Wer nicht sauber recherchiert, dem werden auch die besten Argumente verwässert.

Nachtrag 29.05.2015: Auf Antrag des Seniorenrates hat der Verwaltungsausschuss den Fachausschuss-Beschluss in dieser Woche nicht nur bestätigt, sondern noch einmal explizit festgeschrieben, dass bei allen Baumaßnahmen auf öffentlichen Plätzen (Neustädter Kirchplatz, Möncheplatz, ZOB/Bahnhof-Umgestaltung) barrierefreie Toilettenanlagen einzuplanen sind. Das berichtete Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek.

Ein Kommentar zu „Ein dringendes Bedürfnis

  1. Planen tun die meisten Ämter viel, nur bei der Umsetzung hapert es. Wäre schön mal wirklich einen Gehandicapten bei einer Begehung und bei der Planung mit einzubeziehen. Dann wäre einiges bestimmt besser geplant. Es fängt ja schon meist bei den Spiegeln im WC an….

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