Wortlos sprachlos

Das war aus mehrerlei Gründen eine bemerkenswerte Sitzung des Fachausschusses für Tourismus und Wirtschaftsförderung in dieser Woche. Ursprünglich war die Tagesordnung bereits für Anfang Mai angesetzt, damals schnurrte das Treffen binnen weniger Tage von einem Präsenz- zu einem Online-Treffen bis hin zur kompletten Absage. Pandemiebedingt. Nun, zwei Monate später, standen bei der im Alten Rathaus stattfindenden Sitzung exakt die gleichen Punkte wieder auf der Tagesordnung. Hatten sich in den acht Wochen keine aktuellen weiteren Themen ergeben? Ausnahmslos Mitteilungsvorlagen waren (nicht zum ersten Mal) auf der Agenda einer Ausschusssitzung vermerkt. Nahezu wortlos wurden diese, darunter Touristischer Marketingplan 2022 und Jahresberichte 2021 aus dem Bereich Kulturring und Tourismus, zur Kenntnis genommen. Klar, vieles ist ja auch schon lange her. Und es war ohnehin Corona. Die neue Smart-City-Koordinatorin Rebecca Spaunhorst berichtete dann engagiert über ihr Projekt – und erntete Schweigen. Wenigstens über die vorgelegte Neuerung, künftig Themenjahre in Einbeck einzuführen, hätte man ja mal sprechen können. Aber offenbar ist diese politisch Konsens. Und keine Diskussion mehr notwendig.

Nach dem Vorbild des Cestnik-Jahres 2021 und vor allem des Blaudruckjahres 2022 soll bis 2027 jedes Einbecker Jahr ein Thema und Motto erhalten: 2023 ist das Bockbier, 2024 zum zehnten Geburtstag des PS-Speichers die Mobilität, 2025 ein von der Stadtgesellschaft mit öffentlicher Beteiligung selbst gewähltes Thema, 2026 das Fachwerk und 2027 der Tag der Niedersachsen, für den die Bewerbung bekanntlich eingereicht ist. Jedes Themenjahr, das Einbeck Tourismus und Einbeck Marketing gemeinsam ausrufen, soll eine vergleichbare Struktur von Veranstaltungen und Aktionen haben, die mit dem Neujahrsempfang startet und mit dem Weihnachtsdorf endet.

„Die zukünftige Grundstruktur der nächsten fünf Jahre soll in einem festgelegten Rahmen dafür sorgen die Kräfte in Einbeck zu bündeln, Synergien zu nutzen und die gesamte Stadtgesellschaft in die Umsetzung einzubeziehen“, heißt es in dem achtseitigen Papier dazu. „Dabei sollen nicht nur die Stadt Einbeck und Einbeck Marketing, sondern gerade die große Vielfalt an Kulturschaffenden, Vereinen und Verbänden an einem Strang ziehen und gemeinsam in den nächsten Jahren die identitätsstiftenden Merkmale Einbecks in der Innen- und Außenwahrnehmung hervorheben.“ Das ist diesem Konzept zu wünschen, dass viele mitmachen, nicht nur wenige laute.

Und so stellte sich nach einer dürren knappen Dreiviertelstunde bei der beobachtenden Öffentlichkeit die Vermutung ein, dass vielleicht die wirklich wichtigen Dinge im nicht-öffentlichen Sitzungsteil besprochen werden (was nach meinen Informationen nicht so war). Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, dass ein Ausschuss für die Themen Tourismus und Wirtschaftsförderung in Einbeck aktuell inhaltlich nichts zu besprechen hat. Dass es keine Nachfragen zu den umfangreichen Unterlagen gibt, in denen eine Menge Arbeit steckt und die zu Fragen verleiten müssten. Nur mal ein paar Beispiele: Wie läuft denn das aktuelle Tourismusjahr, kommen (wieder) Gäste in die Stadt? Die aktuelle Lage der Hotellerie und Gastronomie inklusive eventueller kommunalpolitischer Hilfestellungen könnte Thema sein, im Bereich Wirtschaftsförderung die Verträglichkeit eines neuen Optikers im Außenbereich. Oder ist das die neue politische Diskussionskultur? Achso, falls die Verweigerung an der wieder mal sehr schlechten Akustik trotz neuer Mikrofonanlage in der Rathaushalle gelegen haben sollte, in der Debatten keinen Spaß machen, meine herzliche Bitte: Endlich mal das Problem lösen! Bevor es richtig peinlich wird. Teuer ist es ja schon.

Bauausschuss schwer verständlich

Als Fachausschuss-Vorsitzender Willi Teutsch (CDU) nach fast drei Stunden die Sitzung des Ratsausschusses für Bauen und Umwelt mit dem Schwerpunktthema Hochwasserschutz schloss, war seine Bilanz eindeutig: Das Sitzungsgeld hätten sich die Ratsmitglieder an diesem frühen Abend dieses Mal verdient. Diese Meinung dürfte er freilich ziemlich exklusiv haben, im Publikum jedenfalls hatte sich da längst Ernüchterung breit gemacht. Das Interesse an der Bauausschuss-Sitzung war groß, die Ratshaushalle auch bei Abstandsregeln gut gefüllt, alle Stühle waren besetzt.

Gut besucht, vor allem von Vardeilsern, war die Bauausschuss-Sitzung im Rathaus.

Warum das Treffen des Bauausschusses keine Sternstunde war?

  • Die Sitzung war in mehrfacher Hinsicht schlecht vorbereitet. Das große Thema Hochwasserschutz stand auf der Tagesordnung, konkret der Hochwasserschutz nach mehreren Starkregenereignissen mit entsprechenden Folgen im vergangenen Jahr in Vardeilsen. Doch es fand vorab kein gemeinsamer Ortstermin statt, wie es durchaus üblich ist in den Ratsgremien. Vor Ort hätten einige Details viel anschaulicher geschildert werden können. So blieb nur der Fachvortrag des beauftragten Ingenieurbüros. Jetzt will sich der Bauausschuss in den nächsten zwei Wochen erneut zu dem Thema treffen. Vor Ort in Vardeilsen. Man habe ja nun mit der Sitzung „einen ersten Kontakt mit der Situation in Vardeilsen“ gehabt, jetzt wolle man sich zum besseren Verständnis alles nochmal vor Ort ansehen, meinte Ausschuss-Vorsitzender Willi Teutsch. Das ist imgrunde die weniger effektive Reihenfolge.
  • Die Akustik in der Rathaushalle ist bei Wortbeiträgen schlecht. Immer schon. Nun in Zeiten der Corona-Pandemie gilt eine Abstand-Sitzordnung, wodurch im Tischviereck die Kommunikation ohne Mikrofon-Unterstützung nicht leichter wird. Und in den Zuschauerreihen sind sprechende Ratspolitiker oft gar nicht oder nur mit großer Anstrengung zu verstehen, wenn sie in eine andere Richtung reden oder eher gemütlich artikulieren. Bei dieser Bauausschuss-Sitzung pendelte man zwischen leisen Wortbeiträgen ohne Mikro und halligen Worten, bei denen die Mikroanlage übersteuert und zu laut war. Das alles drei Stunden lang konzentriert zu ertragen, war eine der größten Herausforderungen. Und eine der überflüssigsten: Es mag ja unbequem sein und eine Veränderung bedeuten, aber ein Rednerpult (das sogar aufgebaut war) darf ruhig mit vernünftig gepegeltem Mikro von den Ratsmitgliedern genutzt werden, wenn diese wollen, dass ihre Worte bei allen Zuschauern auch verstanden werden. Richtig verstanden.
  • Ausschuss-Vorsitzender Willi Teutsch (CDU) gefällt sich – nicht zum ersten Mal – in der Rolle des kommentierenden Moderators, der oftmals die Rolle eines neutralen Sitzungsleiters verlässt, ohne die Sitzungsleitung formal an seinen Stellvertreter abzugeben, wenn er sich selbst Wort melden möchte. Negativer Höhepunkt der vor aller Ohren ausgetragene Meinungsaustausch mit Baudirektor Joachim Mertens, warum denn kein Vertreter des Leineverbandes zu der Sitzung eingeladen worden sei. Er, Teutsch, habe doch mit dem Leineverband schon vorher gesprochen.
  • Es kommt schon mal vor, aber in diesem Fall war es besonders misslich: Die Bauausschuss-Sitzung war eine Sitzung ohne einen einzigen Beschluss. Die Hochwassersituation und den Schutz gegen das Wasser im Allgemeinen hörten sich die Ausschussmitglieder ebenso lediglich an wie sie die konkrete Situation in Vardeilsen nach den Starkregen aus 2019 lediglich zur Kenntnis nahmen. Damit passiert erstmal nichts. Und die Unterlagen hätte sich auch jeder in Ruhe zuhause durchlesen können. Außer Spesen nichts gewesen also.

Es bleiben am Ende mehr Fragen als Antworten. Braucht Vardeilsen wirklich für einen Betrag im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich ein 5000 Kubikmeter großes neues Rückhaltebecken gegen Hochwasserereignisse? Oder wäre es nicht besser (und billiger), vor dem Bau von teuren Dämmen der Ursache intensiver auf den Grund zu gehen und dann vielleicht eher die Ursprungssituation einer inzwischen verfüllten natürlichen Mulde wieder herzustellen, die sogar viel größer wäre als 5000 Kubikmeter? Der Ausschuss verständigte sich darauf, dass die Verwaltung die damalige Baugenehmigung für diese einstige Mulde und die erfolgten Aufschüttungen nochmal überprüfen soll und auch alle anderen Baugenehmigungen in Vardeilsen mit Blick auf Hochwasser fördernde Bauten ansehen soll.

Der Vertreter des beauftragen Ingenieurbüros (stehend) trug im Bauausschuss vor.