Bürgerspital: Hilft der Schutzschirm?

Die medizinische Versorgung bleibt trotz Insolvenzantrag zunächst gewährleistet.

Lange Zeit war es still geworden um das Krankenhaus. Das ist selten ein gutes Zeichen. Wenn man so gar nichts hört. Einzig die öffentlich gewordene Nachricht, dass die Fußballer des Einbecker Bürgerspitals Deutscher Krankenhausmeister 2017 geworden sind, ließ zuletzt positiv aufhorchen. Seit heute ist auch klar, warum es so still war: Die Verantwortlichen haben offenbar alle Energie genutzt, hinter den Kulissen eine Insolvenz zu vermeiden. Seit etwa sechs Wochen ist die Kanzlei Eckert dabei, berät. Doch ihnen ist die Zeit weggelaufen. Heute um 10 Uhr hat die Klinik einen Insolvenzantrag gestellt, die Zahlungsunfähigkeit drohte, das Göttinger Amtsgericht hat eine vorläufige Eigenverwaltung im so genannten Schutzschirmverfahren angeordnet. Dadurch bleibt Geschäftsführer Birger Kirstein im Amt, in dem er erst seit wenigen Monaten ist, es gibt einen beaufsichtigenden Sachwalter. Das ist Rechtsanwalt Manuel Sack (Brinkmann & Partner, Hannover). Im jetzt laufenden Sanierungsprozess beraten die generalbevollmächtigten Rechtsanwälte Dr. Rainer Eckert und Markus Kohlstedt aus Hannover. Nach dem Pressegespräch heute am Mittag sind die 335 Mitarbeiter in einer Versammlung über den heutigen Schritt informiert worden. Die Stimmung soll gefasst gewesen sein, heißt es, was viele auch auf die seit Jahren währende Hängepartie zurückführen. Weitere Versammlungen sollen in der kommenden Woche folgen. Ziel ist es, in den nächsten drei Monaten, so lange werden Lohn und Gehalt über das Insolvenzgeld gedeckt, einen Investor oder neue Gesellschafter zu finden. Wichtig ist den Verantwortlichen zu betonen, dass der Betrieb in Klinik, Küche und Sozialstation unverändert weiterläuft, die medizinische Versorgung (auch im Notfall und am Wochenende beispielsweise) gewährleistet sei.

„Für die Stadt Einbeck ist der Schritt des Krankenhauses nachvollziehbar“, sagte mir heute Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Der Geschäftsführer habe bereits in dieser Woche im Verwaltungsausschuss über die Situation berichtet. „Wir haben offen und ehrlich miteinander gerungen.“ Oberstes Ziel bleibe der Erhalt des Standortes und der Arbeitsplätze, mit der Insolvenz im Schutzschirmverfahren sei die Versorgung weiter gesichert und die Zeit geschaffen, die notwendigen Gespräche zu führen und Veränderungen vorzunehmen. Michalek: „Ich hoffe, dass das Vertrauen bei den Patienten und den Zuweisern weiterhin erhalten bleibt. Jetzt sind die Tarifpartner gefordert, eine schnelle Einigung zu erzielen.“ Die Bürgermeisterin machte klar, dass die Politik deutlich signalisiert habe, über die bereits geleistete finanzielle Unterstützung hinaus in Höhe von insgesamt 2,5 Millionen Euro kein weiteres Geld zu geben. Die Stadt stehe aber unverändert zu den Neubauplänen der Klinik, sagte Michalek heute.

In der Tat werden in den nächsten Wochen mehrere Punkte entscheidend sein: Ob es gelingt, die Patienten am Hause zu halten bzw. wieder für die Klinik zu gewinnen. Ob es gelingt, die Mitarbeiter im Haus zu halten; sie haben in den vergangenen Jahren viel mitgemacht, da ist irgendwann auch die größte Loyalität an ihrer Belastungsgrenze. Ob es gelingt, neue Geldgeber ins Boot zu holen. Der vor Monaten relativ offen ausgetragene Streit unter Gesellschaftern dürfte dabei nicht unbedingt hilfreich sein. Und vor allem ob es gelingt, die Tarifsituation rasch zu klären. Man sei bereits in Gesprächen über einen neuen Zukunftssicherungsvertrag mit der Gewerkschaft Verdi, erklärte Birger Kirstein – was diese anders sieht. „Wir haben den Gesprächskontakt nie abreißen lassen“, blickt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp (Göttingen) auf die wechselnden Bürgerspital-Geschäftsführer in der Vergangenheit zurück. „Es sind jedoch seit 2015 bis heute von der Arbeitgeberseite die Voraussetzungen für die Aufnahme von Tarifverhandlungen nicht erfüllt worden“, macht sie deutlich. Es gebe zurzeit keine Verhandlungen über einen Notlagentarifvertrag, es fehlten nach wie vor die dafür notwendigen Gutachten und Maßnahmenpläne, kritisiert Niekamp. Überrascht sei Verdi nicht, gleichwohl sei die Entwicklung bitter und tragisch. Umso mehr, da der ganz überwiegende Teil der Beschäftigten auch nach der ersten Insolvenz im Herbst 2012 dem Haus nicht nur die Treue gehalten habe, sondern durch einen Sanierungstarifvertrag mit einem Verzicht von insgesamt rund 3,6 Millionen Euro die Weiterführung des Unternehmens überhaupt erst gesichert hatte, schilderte Niekamp. „Das Unternehmen hatte unter der Verantwortung  des damaligen medizinischen Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler und dem Beiratsvorsitzenden Jochen Beyes die Jahre seit 2012 leider nicht genutzt, sein Haus  richtig aufzustellen und rational und professionell zu führen.“ Durch die Führung des Hauses auch gegenüber den Mitarbeitern wie auch gegenüber den Gewerkschaften sei viel Vertrauen verspielt worden, meint Julia Niekamp. Seit Frühjahr 2017 habe Verdi tarifvertragliche Ansprüche, darunter die Jahressonderzahlung 2016, die das Krankenhaus ohne Rechtsgrundlage den Beschäftigten seit November 2016 vorenthalten habe, vor dem Göttinger Arbeitsgericht eingeklagt. Die Ansprüche der Beschäftigten seien in diesen Verfahren bestätigt worden, so Niekamp. Über das Insolvenzverfahren sei Verdi heute Nachmittag telefonisch von der Geschäftsführung informiert worden.

Die Ärzte-Gewerkschaft ist nicht vom Einbecker Bürgerspital über den Insolvenzantrag informiert worden, sondern habe erst durch eine Presseanfrage davon erfahren, erklärte der Vorsitzende des Marburger Bundes Niedersachsen, Hans Martin Wollenberg (Hannover), heute. Es war meine Anfrage. „Im Einbecker Bürgerspital geht ein schmerzhafter Klärungsprozess zu Ende“, sagte Wollenberg. „Besonders bitter ist das für die Mitarbeitenden, die lange im Haus tätig waren. Die Entwicklung kommt leider nicht unerwartet. Der ständige Wechsel in der Geschäftsführung hat Bände gesprochen. Wir haben Verständnis dafür, dass jeder sich eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung wünscht. Die Versorgung der Bevölkerung sehen wir dennoch nicht gefährdet.“ In der Öffentlichkeit habe sich die Klinik als erfolgreiches Paradebeispiel präsentiert, das schwarze Zahlen schreibe. Doch das sei ja offenbar falsch. Wollenberg: „Die Klinik-Geschäftsführung sicherte auf Kosten der Mitarbeitenden die Liquidität des Hauses: Ohne rechtliche Grundlage behält das Einbecker Bürgerspital seit Mai 2016 inzwischen monatlich 10,8 Prozent des Monatsgehaltes seiner Ärzte ein. Das Arbeitsgericht Göttingen hat mehrfach bestätigt, dass das Einbecker Bürgerspital zur Zahlung der vollen Gehälter verpflichtet ist. Der Arbeitgeber weigert sich, diese rechtmäßigen Arbeitnehmer-Forderungen anzuerkennen.“ Der Vorsitzende des Marburger Bundes: „Wir haben schon vor langer Zeit eine Darstellung der wirtschaftlichen Lage und ein zukunftsfähiges Konzept eingefordert. Beides wurde noch immer nicht vorgelegt. Auch zur Rückkehr in den Kommunalen Arbeitgeberverband warten wir nach wie vor auf eine Positionierung.“

Als Gründe für die drohende Zahlungsunfähigkeit spätestens im Herbst nannte Bürgerspital-Geschäftsführer Birger Kirstein heute unter anderem seit April ausbleibende Patienten und damit fehlende Einnahmen für das Haus: Wegen einer defekten Druckluftanlage habe man den OP zeitweilig schließen, Operationen absagen müssen. Die geplante Eröffnung eines Herz-Linkskatheter-Messplatzes habe man wegen Brandschutzauflagen von Juli auf September verschoben, auch die damit zu erzielenden Einnahmen fehlen bislang.

Am Ende bleibt die Frage: Hilft der Schutzschirm (noch)? Oder hat er schon zu viele Löcher? Vielleicht spendiert ja jemand auch einen neuen.

Sachwalter Manuel Sack (l.), Bürgerspital-Geschäftsführer Birger Kirstein und Rechtsanwalt Markus Kohlstedt.

Bürgerspital: Rochade zu dritt

Rudolf Kruse, Jochen Beyes, Daniel Frische (v.l.). Foto: Einbecker Bürgerspital

Überraschende Rochade im Einbecker Bürgerspital: Wie die Klinik soeben mitteilte, vollziehen sich an der Krankenhaus-Spitze mehrere Personalwechsel. Rudolf Kruse (66), erst seit Februar in der Geschäftsführung tätig, ist heute vom Beirat zu seinem neuen Vorsitzenden gewählt worden. Damit folgt Kruse Jochen Beyes an der Spitze des Aufsichtsgremiums. Ob Beyes weiterhin Mitglied des Beirates bleibt, blieb zunächst offen. Wie das Bürgerspital per Pressemitteilung (2017-04-13_Kruse neuer Beiratsvorsitzender) informierte, wird Daniel Frische (42) in die Geschäftsführung eintreten und diese offenbar allein innehaben. Frische war erst kürzlich in den Beirat berufen worden. Zuletzt und bis dato online hatte die Klinik in öffentlicher Stellenausschreibung einen kaufmännischen Geschäftsführer zum nächstmöglichen Zeitpunkt gesucht. Zur Begründung der Geschäftsführer-Personalie hieß es, der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler habe dem Beirat mitgeteilt, sich zukünftig aus der Geschäftsführung zurückzuziehen. Der derzeitige Umfang der Gesamtgeschäftsführung, insbesondere des kaufmännischen Bereiches, sei für ihn künftig ohne eine Einschränkung der ärztlichen Pflichten nicht zu bewerkstelligen. „Das Einbecker Bürgerspital hat eine Zukunft, denn es ist für die Region Einbeck und Dassel unverzichtbar“, lässt sich der neue Beiratsvorsitzende Rudolf Kruse zitieren. Ihm seien in kurzer Zeit das Krankenhaus und die Menschen, die hier arbeiten, ans Herz gewachsen. „Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind unser wichtigstes Gut und mir ist es wichtig, dass wir gemeinsam die Zukunft des Krankenhauses gestalten.“ Ob und wie damit die Gehalts- und Tarifauseinandersetzungen gemeint sind, blieb zunächst offen.

Nachtrag 13.04.2017, 17:14 Uhr: Wie das Mitglied der Stadt Einbeck im Beirat, Dr. Florian Schröder, erklärend kommentierte, ist Jochen Beyes aus dem Beirat ausgeschieden.

Bürgerspital: Neuer Geschäftsführer, neues Beiratsmitglied

Neu im Einbecker Bürgerspital: Frische (l.) und Kruse. Foto: EBS

Neu im Einbecker Bürgerspital: Daniel Frische (l.) im Beirat und Rudolf Kruse in der Geschäftsführung. Foto: EBS

Die zurzeit seit Mitte Oktober vakante Position des kaufmännischen Geschäftsführers im Einbeck Bürgerspital wird in wenigen Tagen wieder besetzt – aber offenbar zunächst nur vorübergehend: Wie das Krankenhaus heute mitteilte, tritt Rudolf Kruse zum 1. Februar seinen Job als Interims-Geschäftsführer der Einbecker Bürgerspital gGmbH an. Der 66-jährige Diplom-Kaufmann ist seit mehr als 40 Jahren als Vorstand und Geschäftsführer von Krankenhäusern tätig, unter anderem im Universitätsklinikum Jena, im Eichsfeld-Klinikum und im Christlichen Krankenhaus Eisenach. Kruse wird das Bürgerspital als kaufmännischer Geschäftsführer bis zum Sommer 2017 leiten, heißt es in einer Pressemitteilung. Mitgesellschafter und Beiratsmitglied Michael Heraeus wird darin zitiert: „Gesellschafter und Beirat des Bürgerspitals freuen sich, dass es gelungen ist, mit Herrn Kruse einen außerordentlich erfahrenen und gut vernetzten Krankenhaus-Experten zu gewinnen, der bis zur endgültigen Neubesetzung der Funktion des kaufmännischen Geschäftsführers – und bei Bedarf auch darüber hinaus – zur Verfügung steht. Herrn Kruse für das Bürgerspital gewonnen zu haben, zeugt davon, dass das Einbecker Modell auch in seinem vierten Jahr auf einem guten Weg ist und optimistisch in die Zukunft blicken kann.“

Ebenfalls mit Wirkung zum 1. Februar wird Daniel Frische fünftes Mitglied im Beirat des Bürgerspitals. Auch Frische bringe eine breite Erfahrung und Expertise in der Organisation und im Management von Krankenhäusern mit, heißt es in der Pressemitteilung. Jochen Beyes, Vorsitzender des Beirats, wird mit den Worten zitiert: „Herrn Frische als Mitglied des ehrenamtlich tätigen Beirats gewonnen zu haben, ist ein Glücksfall. Er bringt nicht nur die notwendige medizinische und wirtschaftliche Expertise mit, sondern mit ihm kann zugleich der Generationswechsel im Beirat des Bürgerspitals eingeleitet werden.“ Der 41-jährige gebürtige Northeimer und Wahlgöttinger war in den vergangenen Jahren in verschiedenen Geschäftsführungspositionen bei einem privaten sowie kirchlichem Träger aktiv, zuletzt im Helios-Konzern in Kronach/Franken. In diesen Funktionen habe er sowohl Erfahrungen im operativen Management von Krankenhäusern als auch in der strategischen Weiterentwicklung und im Krisenmanagement sammeln können, heißt es. Daniel Frische hat als ausgebildeter Krankenpfleger vor und neben seinem Studium einige Jahre in der Krankenpflege gearbeitet und bringe dadurch Erfahrungen von der Basis und dem Management von Krankenhäusern zusammen.

Kein Vergleich

Hans-Martin Kuhlmann (56), seit 1. Januar neuer kaufmännischer Geschäftsführer der Einbecker Bürgerspital GmbH.

Hans-Martin Kuhlmann. Archivfoto.

Der ehemalige Geschäftsführer des Einbecker Bürgerspitals, Hans-Martin Kuhlmann, wehrt sich gegen die Darstellung des Krankenhauses, warum er die Klinik Ende 2015 verlassen hat. Kuhlmann, der heute in Hamburg arbeitet, war vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 kaufmännischer Geschäftsführer in Einbeck. Beirat-Vorsitzender Jochen Beyes hatte gesagt, Kuhlmann habe seine Vertragspflichten grob verletzt. Das sei nicht richtig, sagte der Ex-Geschäftsführer und erklärte dazu jetzt: „Ich habe am 15. Juni 2015 von mir aus gekündigt und diese Kündigung mehreren Gesellschaftern persönlich übergeben. Die Aussage, man habe sich deshalb letztlich bei der Trennung auf einen Vergleich geeinigt, ist nicht richtig.“ Der Diplom-Volkswirt gilt als erfahrener Klinik-Manager, vor Einbeck war Kuhlmann Geschäftsführer in Flensburg und Mölln-Ratzeburg.

Bürgerspital-Beirat besetzt

Schnell hat das Einbecker Bürgerspital (EBS) Ersatz für den zuletzt auf nur noch zwei Mitglieder geschrumpften Beirat gefunden. Wie das Krankenhaus heute mitteilte (2016-11-29_prof-dr-med-ulrich-tebbe-und-michael-heraeus-neue-ebs-beiratsmitglieder), sind der Herzspezialist Prof. Dr. med. Ulrich Tebbe (66) aus Detmold und der Unternehmer Michael Heraeus (74) aus Einbeck-Drüber zu neuen Mitgliedern des Beirates berufen worden. Der gebürtige Holzmindener Tebbe, der 25 Jahre lang Kardiologie-Chefarzt in Ostwestfalen war, soll seinen Medizin-Fachverstand einbringen. Er stellt sich morgen (30. November) im Rahmen der Herzwochen mit einem Vortrag in Einbeck vor (18 Uhr, PS-Speicher). Der vielseitig unternehmerisch tätige Michael Heraeus soll der Klinik wichtige strategische Impulse geben. Beirat-Vorsitzender Jochen Beyes will auch künftig seine Expertise als Finanzexperte einbringen. Und schließlich soll Rathaus-Jurist Dr. Florian Schröder im Aufsichtsgremium weiterhin seine juristischen Kenntnisse beisteuern. „Damit sind in unserem Beirat sämtliche für das EBS relevanten Kompetenzen vertreten“, wird Jochen Beyes in der Pressemitteilung zitiert.

Die Berufung des profilierten Professors Ulrich Tebbe passt zu Plänen des Bürgerspitals, einen Links-Herz-Katheter in Betrieb zu nehmen. Die Umbaumaßnahmen haben bereits begonnen, das Einbecker Krankenhaus will sich nach eigener Darstellung damit ein weiteres Standbein schaffen, das neben der Patientenversorgung das Bürgerspital auch wirtschaftlich nachhaltig stärken soll. Der Links-Herz-Katheter entspreche im Übrigen einer Empfehlung des vom Betriebsrat und von der Gewerkschaft Verdi im Frühjahr 2016 in Auftrag gegebenen Gutachtens zur wirtschaftlichen Situation des Krankenhauses, teilte das Bürgerspital mit.

Vertrauen verspielt

Hans Martin Wollenberg. Foto: MB

Hans Martin Wollenberg. Foto: MB

Der Marburger Bund (MB), die Gewerkschaft der angestellten Ärzte, hat den Druck auf das Einbecker Bürgerspital noch einmal erhöht. „Unser Vertrauen ist erschüttert“, erklärte der niedersächsische MB-Vorsitzende Hans Martin Wollenberg heute in einer ausführlichen Pressemitteilung (2016-11-21-pm-einbecker-buergerspital-vertrauen-verspielt). „Die verbliebene Klinik-Geschäftsführung sichert auf Kosten der Mitarbeitenden die Liquidität des Hauses – bei den Ärzten gar unter Umgehung bestehender Tarifverträge.“ Eine rechtliche Grundlage, Teile des Gehalts einzubehalten, gebe es seit Auslaufen des Sanierungstarifvertrags Ende April nicht mehr. Die Konsolidierung des Krankenhauses in Einbeck sei zu wesentlichen Teilen auf dem Rücken der Beschäftigten erzielt worden. Ein zukunftsfähiges Konzept, das die räumliche Nähe von vier weiteren Krankenhäusern berücksichtigt, habe der medizinische Geschäftsführer noch immer nicht vorgelegt, kritisiert der Marburger Bund. Im Einbecker Bürgerspital habe der Vertreter der Gesellschafter inzwischen die Mitgesellschafter ausgebotet, kritisiert Wollenberg das Verhalten des einstigen Truehänders Jochen Beyes scharf: „Mit Herrn Beyes ist erneut jemand am Ruder, der im persönlichen Umgang mit Gewerkschaften bewiesen hat, dass er diese nicht als Vertragspartner betrachtet.“ Mit der Beurlaubung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer sei ein Kaufmann, der auch bei den Beschäftigten als Hoffnungsträger gegolten haben, kaltgestellt worden. Dieses Gebaren decke sich mit den Erfahrungen, die der Marburger Bund in der Vergangenheit mit den Verantwortlichen am Einbecker Bürgerspital habe sammeln müssen.

Bürgerspital: Streit zwischen Gesellschafter-Gruppen

Christian von der Lühe (Mainz), juristischer Gesellschaftrecht-Berater, Beiratsvorsitzender Jochen Beyes (Einbeck), medizinischer Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. Olaf Städtler und Gesellschafter Michael Heraeus (Drüber).

Christian von der Lühe (Mainz), juristischer Gesellschaftsrecht-Berater, Beiratsvorsitzender Jochen Beyes (Einbeck), medizinischer Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. Olaf Städtler und Gesellschafter Michael Heraeus (Drüber).

Das Tischtuch zwischen vier namhaften Einbecker Familien auf der einen Seite und anderen Bürgerfamilien als Gesellschafter sowie dem medizinischen Geschäftsführer des Einbecker Krankenhauses auf der anderen Seite ist zerschnitten. Es gibt, so viel ist nach einer ansonsten wenig Neues bringenden Pressekonferenz am Montag jedenfalls klar, jetzt offenen Streit zwischen den zwei Gruppen im Bürgerspital. Medizinische Geschäftsführung und fünf Gesellschafter der gGmbH haben sich gegen den unter anderem von der Gewerkschaft Verdi und anderen Klinik-Gesellschaftern öffentlich erhobenen Vorwurf gewehrt, sie hätten die übrigen Anteilseigner kalt entmachtet, um „durchregieren“ zu können. Der Gesellschaftsvertrag des Bürgerspitals lässt es offenbar zu, dass im Sommer die Anteile bei der gGmbH selbst gebündelt wurden, ohne dass sich die Gesellschafter dagegen wehren konnten. Das Kapital der neun Gesellschafter des nach der Insolvenz 2013 neu gestarteten Bürgerspitals ist dabei unverändert im Unternehmen. Lediglich die komplizierte Konstruktion der über eine GbR und deren Treuhänder Jochen Beyes in den vergangenen Jahren verwalteten Gesellschafter-Anteile sei aufgelöst und die Führungsstruktur gestrafft worden, erläuterte heute Gesellschaftsrecht-Berater Christian von der Lühe (Mainz): „Keiner verliert hier Geld“. Gründe für den Rücktritt von Jochen Beyes als Treuhänder der GbR Anfang Juni dieses Jahres seien unterschiedliche Auffassungen über Geschäftspolitik und Strategie der Klinik gewesen, die gerade wieder schwarze Zahlen schreibt. Im Wesentlichen geht es, wie hier schon berichtet, um Meinungsverschiedenenheiten zwischen den beiden Gesellschafter-Gruppen, wie und in welcher Höhe die rund 350 Mitarbeiter der Klinik beteiligt werden sollen, die lange während der Sanierungsphase auf Teile ihres Gehalts verzichtet haben und das bis heute tun. Der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler berichtete heute von einer aktuell angebotenen Zahlung von 20 Prozent des Weihnachtsgeldes und einer 2,4-prozentigen Gehaltssteigerung; die Gewerkschaft Verdi habe leider bislang nicht auf dieses Angebot reagiert. Ungewöhnlich: Die Arbeitgeberseite zitierte heute aus einem Brief der Arbeitnehmervertretung vom 20. Oktober 2016 die Aufforderung an die Gewerkschaft Verdi, die Gehaltsverhandlungen wieder aufzunehmen. Betriebsratschef Berthold Kabelitz war selbst nicht bei der Pressekonferenz dabei.

Unternehmer Michael Heraeus (r.) vertritt nach eigenen Angaben fünf von neun Gesellschaftern.

Unternehmer Michael Heraeus (r.) vertritt nach eigenen Angaben fünf von neun Gesellschaftern.

„Wir bleiben Gesellschafter, glauben an das Krankenhaus und wehren uns gegen Einfluss von außen“, sagte Unternehmer Michael Heraeus, der nach eigenen Angaben fünf der neun Gesellschafter vertritt. Unterschiedliche Meinungen im Gesellschafterkreis kläre man normalerweise unter sich, das Krankenhaus stehe aber unter ständiger Beobachtung. Die Verunsicherung sei durch die Gewerkschaft Verdi entstanden, die den Streit öffentlich gemacht habe (pm_kh_einbeck-wer-lenkt-die-geschicke-des-krankenhauses), sagte Beiratsvorsitzender Jochen Beyes. „Wir lassen uns aber nicht beeinflussen.“ Geplant ist, interessierten Bürgern und Investoren sowie Mitarbeitern durch ein Beteiligungsmodell eine direkte Beteiligung am Einbecker Bürgerspital zu ermöglichen. Es soll eine breite Beteiligung geben, die dem Namen „Bürgerspital“ gerecht werde, sagte Heraeus, in welcher Form und Größenordnung ist aber noch offen. Nach dem aktuellen öffentlichen Streit scheint mir das aber ungewisser als zuvor.

Zu den Gründen der Beurlaubung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer sagte Jochen Beyes heute lediglich: „Es sind uns Dinge auf den Tisch gelegt worden, die geprüft und bewertet werden müssen.“ Das sei für ein Aufsichtsgremium wie den Beirat völlig normal. Dass dieser Beirat jüngst auf die Mindestgröße von drei Mitgliedern reduziert und damit halbiert und um externen Fachverstand reduziert worden sei, bestätigte Beyes heute. Konflikte zwischen den Gesellschaftern seien in den Beirat hineingetragen worden, nannte er zur Begründung. Interessant und neu war heute ein Aussage Beyes‘, warum der Vorgänger von Hauke Heißmeyer, Hans-Martin Kuhlmann, als Bürgerspital-Geschäftsführer zum Ende vergangenen Jahres gehen musste. Der habe „seine Vertragspflichten grob verletzt“, sagte Beyes. Man habe ihm menschlich nahe gestanden, habe sich letztlich bei der Trennung auf einen Vergleich geeinigt. Die Personalie Heißmeyer „werden wir genauso fair lösen“, sagte Beyes.

Einige fragen sich vielleicht, warum dieses Thema so ausführlich in einem Politikblog zur Sprache kommt, ist das Bürgerspital doch eine privatwirtschaftliche GmbH, die auch nur wenige Offenlegungspflichten kennt (was die Transparenz manchmal nicht einfacher macht). Die Antwort ist einfach: Zum einen handelt es sich um eine gGmbH, eine gemeinnützige, also nicht auf Gewinnstreben ausgerichtete Unternehmung einer Einrichtung der so genannten Daseinsvorsorge, eines Krankenhauses. Zum anderen ist die Stadt Einbeck nach der Insolvenz mit massivem auch finanziellem Einsatz (und damit Steuergeld) den privaten Gesellschaftern zur Seite gesprungen. Außerdem würde allein das Land Niedersachsen (auch das mit Steuergeld) den weiterhin geplanten Neubau der Klinik finanzieren. Im Oktober-Treffen des Krankenhaus-Planungsausschusses war das Einbecker Bürgerspital kein Thema. Es sei diesmal nicht besprochen worden, es gebe eine spezielle eigene Sitzung für das Einbecker Krankenhaus, sagte heute Beiratsvorsitzender Jochen Beyes. Diese sei auch schon terminiert gewesen, aber kurzfristig verschoben worden, das sei vor der Heißmeyer-Personalie geschehen. Der Zusammenhang zwischen Geschäftsführer-Freistellung und Sitzung des Planungsausschusses, wie in Verdi unterstellt habe, sei konstruiert, sagte Beyes, da seien zwei Ereignisse unglücklich zusammengefallen, sagte Städtler. Nach meinen Informationen liegt ein anderer Grund vor: Das Krankenhaus soll bei den Planungen nachbessern müssen.

Zoff um das Krankenhaus

Operation Bürgerspital.

Operation Bürgerspital. Symbolfoto

Zoff um das Einbecker Krankenhaus: Der seit der Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers auch öffentlich bekannter gewordene Streit im Einbecker Bürgerspital steuert offenbar auf einen Höhepunkt zu – und nicht unbedingt auf einen positiven. Die aus mehreren namhaften Einbecker Familien bestehende Initiativgemeinschaft, die 2013 finanziell mitgeholfen hatte, die Klinik nach der Insolvenz wieder auf die Beine zu bringen, ist entmachtet worden und hat keinen Einfluss mehr. Das erklärte Walter Schmalzried heute im Namen der Initativgemeinschaft auf meine Anfrage. Er bestätigt damit Informationen der Gewerkschaft Verdi, die sich gestern am späten Abend in einer Pressemitteilung ähnlich geäußert hatte (pm_kh_einbeck-wer-lenkt-die-geschicke-des-krankenhauses), von einer kalten Entmachtung und „durchregieren“ ist dort die Rede. Bereits seit Mitte August ist der Chefarzt und medizinische Geschäftsführer des Bürgerspitals, Dr. med. Olaf Städtler, alleiniger Gesellschafter der gGmbH, nachdem er zusammen mit dem früheren Treuhänder und dem Wieder-Beiratsvorsitzenden Jochen Beyes die Anteile der Einbecker Familien eingezogen hatte. Davon sei die Initiativgemeinschaft überrascht worden, sagte Schmalzried dazu. „Die Gründe dafür kennen wir bis heute nicht, wir können den Schritt auch nicht nachvollziehen“, sagt der Modehaus-Kaufmann. Schmalzried war zunächst selbst als Beiratsvorsitzender vorgesehen, nachdem Beyes hingeworfen hatte. Um eine Belastung der Klinik zu vermeiden haben die Mehrheitsgesellschafter, die Einbecker Familien, bislang darauf verzichtet, den Beschluss anzufechten. Das Einbecker Bürgerspital (und damit aktuell Dr. Städtler und Beyes) wollte sich heute auf meine Anfrage nicht inhaltlich äußern. Für kommenden Montag ist eine Pressekonferenz terminiert.

Die Gründe für den Zoff werden indes bereits immer deutlicher. Im Kern ging es offenbar darum, wie die Mitarbeiter beteiligt werden sollten, nachdem das Krankenhaus nach den Sanierungsjahren wieder schwarze Zahlen schrieb. Sie hatten während der Sanierungsphase auf 8,5 Prozent ihres Entgelts verzichtet, laut Verdi rund 3,6 Millionen Euro. Während die Initiativgemeinschaft gerne die Beschäftigten von den guten Bilanzzahlen profitieren lassen wollte, war die andere Seite offensichtlich anderer Meinung, Jochen Beyes als Treuhänder der Einbecker Familien warf hin. Der Rest ist seit heute bekannt.

Wer lenkt die Geschicke des Einbecker Krankenhauses? Das hatte gestern Abend nicht nur, aber nun öffentlich auch die Gewerkschaft Verdi gefragt. „Die Gerüchteküche brodelt und die Beschäftigten sind massiv verunsichert, sie fürchten um ihre Arbeitsplätze“, schreibt Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp in ihrer Pressemitteilung. Das Verhältnis zwischen Städtler und Beyes auf der einen Seite und den anderen Gesellschaftern, darunter auch die Familie Büchting, sei massiv gestört. Mit der Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer Mitte Oktober gehe seit dem Ende der Insolvenz 2013 bereits der dritte kaufmännische Geschäftsführer, der das Bürgerspital gemeinsam mit Städtler leitete, erinnert Verdi. Verdi und verschiedene Beratungsunternehmen hätten dringende konkrete Veränderungsprozesse vor allem im Verantwortungsbereich des medizinischen Geschäftsführers angemahnt, um das Haus wirklich ökonomisch zukunftssicher zu machen, erklärte Niekamp. „Wir haben die große Sorge, dass niemand den jetzt durchregierenden Herren in den Arm fällt und wir demnächst mit dem Krankenhaus dort stehen, wo wir schon einmal waren. So etwas ist nicht länger tragbar.“ Niekamp: „Jetzt als Patient nicht ins Bürgerspital zu gehen, wäre das völlig falsche Signal, denn die Versorgungsqualiät ist top, die Beschäftigten identifizieren sich in Einbeck noch mit ihrem Krankenhaus. Man würde die Falschen treffen, nämlich die engagierten Beschäftigten, die schon Geld und ihre ganze Kraft und Nerven in dieses Krankenhaus gegeben haben, oft schon seit Jahrzehnten auch durch alle Krisen dem Haus die Treue halten.“

Ich kann Verdi in diesem Falle nur recht geben: Die Beschäftigten warten darauf, dass die Gesellschafter und die Stadt Einbeck als „Bürge“ ihre Rolle wahrnehmen, sich kümmern und Druck machen, dass es so nicht weitergehen kann. Das Einbecker Bürgerspital braucht jetzt sehr schnell die sichtbare Unterstützung der Politik. Die bisherige öffentliche Zurückhaltung ist verständlich, weil immer Auswirkungen auf die Belegung der Klinik zu befürchten waren. Doch die muss nach dem jetzt öffentlich gewordenen Zoff im Sinne der Zukunft des Einbecker Krankenhauses vorbei sein. Und wird es sicherlich auch.

Langjährige Beobachter denken dieser Tage ohnehin, sie hätten ein Déjà-vu: Regelmäßig, sobald sich der Advent nähert, gerät das Einbecker Krankenhaus in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen – bis hin zur Insolvenz, aus der heraus das Bürgerspital als gemeinnützige GmbH entstanden war. „Alle profitieren von besserer Kommunikation“, war dieser Tage im anderen Zusammenhang eine Bürgerspital-Veröffentlichung in der Zeitung überschrieben. Selten war eine Schlagzeile treffender.

Verschiedene Vorgehensweisen

Nach Tagen und Wochen der Irritation hat sich heute das Einbecker Bürgerspital zu Wort gemeldet – mit einer reichlich verschwurbelten, schönsprecherischen Pressemitteilung (2016-11-04_einbecker-buergerspital-weiter-auf-gutem-weg) unter dem Titel „Einbecker Bürgerspital weiter auf gutem Weg“, die durchaus an einigen Stellen mehr Fragen stellt als sie zu beantworten. Ich habe mal im Folgenden die (wenigen) Neuigkeiten herausdestiliert, die bislang nicht oder jedenfalls nicht so bekannt waren:

  • Der kaufmännische Geschäftsführer Hauke Heißmeyer wurde Mitte Oktober von seiner Tätigkeit freigestellt, vorläufig, wie es heißt, „nachdem unterschiedliche Auffassungen zu verschiedenen Vorgehensweisen im Einbecker Bürgerspital erkennbar wurden“. Derzeit mache sich der Beirat ein Bild von der Situation. Nach einer eingehenden internen Prüfung sollen die Mitarbeiter und die Öffentlichkeit umgehend über den Sachstand informiert werden.
  • Jochen Beyes ist wieder, wie bereits kolportiert, Beiratsvorsitzender des Einbecker Bürgerspitals.
  • Nach dem Engagement der Gründungsgesellschafter (die vielzitierten Einbecker Familien) und einer Vielzahl von Bürgern soll das Bürgerspital noch bürgernäher werden, wie es heißt. Es werde derzeit „daran gearbeitet, bestehende Gesellschaftsstrukturen so anzupassen, dass Bürgern und Mitarbeitern, die sich engagieren möchten, ein Gesellschaftsbeitritt ermöglicht werden kann.“
  • Dem Betriebsrat und der gesamten Belegschaft wurden zuletzt tarifliche Gehaltserhöhungen und eine Teilzahlung des tariflichen Weihnachtsgeldes angeboten, heißt es in der Pressemitteilung vom Beiratsvorsitzenden Jochen Beyes und Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler. Die Geschäftsführung führe mit dem Betriebsrat Gespräche über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung, nach der Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg durch eine einmalige jährliche Bonuszahlung beteiligt werden können. „Damit sollten im Frühjahr und Sommer aufgekommene Irritationen über die aktuelle tarifvertragliche Situation der Mitarbeiter des Krankenhauses ebenso zeitnah erledigt sein.“

Das Bürgerspital ist also auf der Suche nach neuen Gesellschaftern, jeder kann das werden? Und durch eine einmalige Bonuszahlung soll die Verhandlung über die regelmäßigen (tariflichen) Gehaltszahlungen abgeschlossen werden?

Freigestellt

Hauke Heißmeyer.

Hauke Heißmeyer. Foto: EBS

Was ist da los? Wo Informationen fehlen, blühen jedenfalls die Gerüchte und Spekulationen. Die wenigen Fakten, die ich bislang recherchieren konnte: Der kaufmännische Geschäftsführer des Einbecker Bürgerspitals (EBS), Hauke Heißmeyer, ist seit bereits einer Woche und bis zum Ende dieser Woche von seiner Tätigkeit freigestellt. Das bestätigte EBS-Sprecherin Dorothea Liesenberg heute auf meine Anfrage. Was danach geschieht? Und warum die Freistellung erfolgte? Dazu vermochte die Pressesprecherin nichts sagen. Der kaufmännische Geschäftsführer fehlt in mutmaßlich entscheidenden Zeiten für das Einbecker Krankenhaus, tagt doch in diesen Tagen im Oktober der Planungsausschuss des Landes Niedersachsen, in dem unter Umständen über Fördermillionen für einen möglichen Neubau entschieden wird. Auch vom Stand der Tarifverhandlungen hörte man schon länger nichts mehr. Oder hängt das mit der Personalie zusammen? Wie gesagt: Wo Informationen fehlen, blühen die Spekulationen. Bis heute ist nach wie vor außerdem öffentlich unklar, ob Jochen Beyes wieder Treuhänder und Beiratsvorsitzender im Einbecker Bürgerspital ist, nachdem er zunächst von diesen Posten zurückgetreten war, dann aber offenkundig wieder mitmischte. Eine mir gegenüber Anfang September angekündigte Erklärung gab es bis dato nicht.

Operation Bürgerspital

AOK-Chef Dr. Jürgen Peter mit EBS-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer (l.).

AOK-Chef Dr. Jürgen Peter mit EBS-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer (l.).

Er ist einer der wichtigen Player im Gesundheitssektor – ein Kostenträger, wie das heißt. Er sitzt im für die Kliniken-Finanzierung im Land so wichtigen Krankenhaus-Planungsausschuss, das Einbecker Bürgerspital wird zu 54 Prozent von AOK-Patienten belegt: Der Vorstandsvorsitzende der AOK Niedersachsen, Dr. Jürgen Peter, hat heute das Einbecker Krankenhaus besucht, eingeladen und begleitet von dem SPD-Gesundheitspolitiker im Landtag, Uwe Schwarz (Bad Gandersheim), und einigen kommunalwahlkämpfenden SPDlern. Dr. Jürgen Peter bescheinigte den Neubau-Plänen und dem dahinter stehenden Konzept einer Kombination von ambulanter und stationärer Versorgung ein Zukunftspotenzial. Der Regionalkrankenkasse sei die erreichbare medizinische Versorgung im ländlichen Raum sehr wichtig, da sei das Einbecker Bürgerspital auf dem richtigen Weg. Allerdings seien noch ein paar Hausaufgaben zu machen, damit der gestellte Antrag auf finanzielle Förderung eines Klinik-Neubaus durch das Land Niedersachsen erfolgreich sein könne. Hilfreiche Hinweise habe es hier gegeben, hieß es nach der internen Besprechungsrunde aus Teilnehmerkreisen. Beispielsweise müsse die Einbecker Klinik belegen, ob und wenn welche Auswirkungen der Krankenhaus-Neubau von Helios in Northeim Auswirkungen auf die Patientenzahlen im Einbecker Bürgerspital haben. Entscheidend sei ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept, ein „belastbarer Antrag“, wie AOK-Chef Dr. Jürgen Peter das nannte. Das sei eine große Herausforderung für ein kleines Haus. Der Krankenkassen-Vorstand zeigte sich nach einem Rundgang durch die Klinik, vor allem durch die Schmerz- und Palliativmedizin-Station, beeindruckt von dem, was nach der Insolvenz in Einbeck mit Unterstützung Einbecker Bürger geschaffen worden ist. SPD-Gesundheitspolitiker Uwe Schwarz sprach sich für eine Trägervielfalt auf dem Klinikmarkt aus, da habe Einbeck eine wichtige Funktion, wenn es eine wirtschaftliche Zukunftslösung gibt – zu der auch eine tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiter gehöre. Wenn die Rahmenbedingungen stimmten und alles versucht werde, habe Einbeck eine Perspektive, sagte Schwarz: „Mir gefällt die Konzentration nicht.“ Der Krankenhaus-Planungsausschuss, der über die notwendigen Millionen für einen Neubau oder eine Sanierung entscheidet, tagt das nächste Mal im Oktober. Dieser Termin solle angestrebt werden, waren sich Peter und Schwarz einig.

Zwischen Neubau und Sanierung gibt es imgrunde mittlerweile kaum noch eine Wahl. Experten haben zum Neubau geraten, ein Umbau im laufenden Krankenhausbetrieb gilt als logistische Meisterleistung und extrem belastend für Patienten und Mitarbeiter. Das hatten die Bürgerspital-Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler und Hauke Heißmeyer laut einer Pressemitteilung (2016-09-02_FDP informiert sich über Neubaupläne des Einbecker BürgerSpitals) kürzlich auch einer FDP-Delegation mit der Gesundheits-Landtagsabgeordneten Sylvia Bruns bei einem Besuch deutlich gemacht. Der 45 Jahre alte Klinik-Komplex auf dem Berge verschlingt zudem jährlich rund 700.000 Euro allein an Bauunterhaltung. Das macht auch gut den zeitlichen Planungshorizont deutlich für Neubau-Planungen: Allzu viele Jahre darf man nicht mehr warten, bis ein Bagger tätig wird. Ob der kürzlich ausgewählte Standort Walkemühlenweg der richtige ist, bezweifele ich nach wie vor, aber das werden die jetzt laufenden fachlichen Prüfungen im Rathaus und im Krankenhaus bald ergeben. Der Einbecker FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha hat bei der Freidemokraten-Visite im Bürgerspital wie ich die fehlende direkte Zufahrt zur B3-Umgehungsstraße als hinderlich gekennzeichnet und hier richtigerweise Veränderung angemahnt.

Überraschende Begegnung am Rande: Beim internen Gespräch (und nur dort) vor Klinik-Rundgang und Presserunde mit dem AOK-Boss war auch Jochen Beyes dabei, der Anfang Juni als Treuhänder und Vorsitzender des Beirates im Einbecker Bürgerspital zurückgetreten war. Was erst mehrere Wochen später öffentlich wurde. Jetzt der Rücktritt vom Rücktritt? Mehrere Gesellschafter sollen Beyes gebeten haben, wieder aktiv zu werden, und ein wenig soll er selbst seinen Rückzug-Entschluss später auch bedauert haben, heißt es. Vorsitzender des Beirates ist Beyes bereits wieder, das wurde mir von mehreren Seiten bestätigt, als solcher hat er auch schon an einer Klinik-Mitarbeiterversammlung Mitte August teilgenommen. Nähere Einzelheiten zur Rückkehr des Jochen Beyes sollen in den nächsten Tagen in einer offiziellen Presseverlautbarung öffentlich werden.

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Unterschiedliche Auffassungen

Jochen Beyes.

Jochen Beyes.

Walter Schmalzried.

Walter Schmalzried.

Wegen unterschiedlicher Auffassungen über Vorgehensweise und Entscheidungen des Einbecker Bürgerspitals ist Jochen Beyes bereits am 6. Juni von seiner Treuhänderfunktion und vom Beiratsvorsitz zurückgetreten, wie die Klinik erst heute mitteilte. Nachdem das Haus im Geschäftsjahr 2015 erstmals eine schwarze Null verzeichnen konnte, ist nach Auffassung der Gesellschafter auch die Funktion des Treuhänders in der bisherigen Form nicht mehr nötig, heißt es in einer Pressemitteilung des Bürgerspitals. Weitere Verwaltungsabläufe seien direkt ins Bürgerspital verlagert worden. Sprich: die Geschäftsführung hat wieder mehr zu entscheiden. Jüngst hatte die Gewerkschaft Verdi Beyes vorgeworfen, er habe Mitarbeiter zum freiwilligen Gehaltsverzicht gedrängt. Eine Stellungnahme der Klinik dazu gab es nicht, auch kein Dementi. Die von Jochen Beyes gehaltenen Geschäftsanteile der bei Gründung aktiv gewordenen Einbecker Familien werden an diese Initiativgemeinschaft zurück übertragen. Künftig wird der Einbecker Kaufmann und CDU-Ratsherr Walter Schmalzried die Verwaltung dieser Anteile übernehmen. Die damals in der Insolvenz des Krankenhauses initiativ gewordenen Gesellschafter haben dem Gründungstreuhänder den Ehrenvorsitz ihres Beirats angetragen und möchten damit seine großen Verdienste würdigen. „Ohne Jochen Beyes als Vorsitzenden des Beirats wäre das Bürgerspital nicht an dem Punkt, an dem es heute steht“, heißt es in der Mitteilung. „Jochen Beyes hat das einzigartige Modell eines Bürgerspitals mitentwickelt, durch unzählige Gespräche mit der Politik, den Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigung die nötigen Bedingungen für die gute Entwicklung geschaffen, die Sanierungsphase kompetent begleitet und zahlreiche Kooperationen auf den Weg gebracht.“ Nach dem Sommer werden auch erste öffentliche Aussagen zum möglichen Standort des geplanten Krankenhaus-Neubau des Einbecker Bürgerspitals erwartet. Die Suche läuft.

Balance-Akt

Zu Tarifverhandlungen gehören immer auch Rituale. Einigungen werden beispielsweise oftmals mitten in der Nacht erzielt, die einsetzende Müdigkeit einkalkulierend. Zumindest kennen wir das aus unzähligen Statements von Arbeitgebern und Gewerkschaftsbossen, die vor den wartenden TV-Reportern und ihren Kameras dann am Ende mit Augenringen und gelockertem Krawattenknoten sagen, man habe sich nach kräftezehrenden Verhandlungen (und viel Kaffee) geeinigt vergangene Nacht. Und jede Seite hat irgendwie immer gewonnen. Solche (ungesunden) nächtlichen Tarifverhandlungen werden zwar beim Einbecker Bürgerspital nicht geführt, aber Ende April ist der Sanierungstarifvertrag ausgelaufen, der bei der Neugründung des Krankenhauses nach der Insolvenz vereinbart war. Die Mitarbeiter waren mit ihrem Gehaltsverzicht ein wichtiger Teil des „Einbecker Modells“, auf der anderen Seite stehen als Gesellschafter mehrere Einbecker Familien. Das Ziel: Alle engagieren sich, jeder nach seinem Vermögen, damit die Klinik in der Stadt erhalten bleiben kann. Dass dies gelingen kann, darauf deuten die kürzlich öffentlich gewordenen Zahlen von der schwarzen Null, gar von Neubau-Plänen. Die jüngste, noch bis Monatsende laufende Spendenaktion ist nur ein Beispiel für das Engagement der Bürger für ihre Klinik.

Irgend etwas muss nun die Arbeitnehmerseite vergangene Woche dermaßen in Harnisch gebracht haben, dass Marburger Bund und Verdi öffentlich ihre Muskeln spielen ließen. Die Gewerkschaft der angestellten Ärzte und die Dienstleistungsgewerkschaft haben jeder für sich und doch beide gleich wortmächtig in Pressemitteilungen (MB/Verdi) scharfe Geschütze aufgefahren. „Rechtswidrig“ werde ein Teil des Mai-Gehaltes einbehalten, heißt es dort beispielsweise, die Schmerzgrenze sei erreicht. Die Geschäftsführung des Einbecker Bürgerspitals hat die Vorwürfe des Marburger Bundes zurückgewiesen, die Mitarbeiter des Krankenhauses würden auf ihr Geld warten. Die nichtärztlichen Mitarbeiter verzichten auf ihr Weihnachtsgeld, sagt Geschäftsführer Hauke Heißmeyer. Beim Mai-Gehalt war das also noch gar nicht spürbar. Anders bei den Ärzten, die tariflich keine Jahressonderzahlung erhalten, bei denen wurde und wird der 8,5-prozentige Lohnverzicht anteilig vom monatlichen Grundgehalt verrechnet. Heißmeyer hat die Arbeitnehmerseite aufgefordert, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bereits im vergangenen September habe man Gespräche mit dem Marburger Bund aufgenommen, sagt der Bürgerspital-Geschäftsführer. Im März habe die Geschäftsleitung zu Tarifverhandlungen eingeladen, Termine vorgeschlagen und angekündigt, die Mitarbeiter bei einer guten Unternehmensentwicklung durch eine Sonderzahlung zu beteiligen. Anfang Mai habe der Marburger Bund die Verhandlungen abgelehnt. Man sei aber weiterhin gesprächsbereit, den Tarifvertrag zur weiteren Konsolidierung der 340-Mitarbeiter-Klinik fortzuführen, sagt Heißmeyer. Erst drei Wochen vor Auslaufen des Sanierungstarifvertrages habe der Arbeitgeber auf Abschluss eines weiteren Sanierungstarifvertrages gedrängt, erklärt dagegen die Ärzte-Gewerkschaft. Wer nun Recht hat?

Massiv – und persönlicher – ist die Kritik der Gewerkschaft Verdi. Die Arbeitgeberseite verweigere den Mitarbeitern den Wiederanstieg auf das ihnen zustehende tarifvertragliche Regelgehalt, habe die Beschäftigten in einer Mitarbeiterversammlung zudem unter Druck gesetzt. „Die Eigentümer des Bürgerspitals sind auf dem besten Weg, den guten Ruf und den Sympathiebonus ihres Krankenhauses zu verspielen“, erklärte Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp. Auf Dauer, so sei den Beschäftigten durch die Geschäftsführer und den Treuhänder der Gesellschafter, Jochen Beyes, am 1. Juni mitgeteilt worden, wolle man den geltenden Tarifvertrag (TVöD) aufkündigen und bereits jetzt Gehaltsbestandteile einseitig einbehalten. Beschäftigte hätten sich vor allem durch Aussagen Beyes‘ massiv unter Druck gesetzt gefühlt: die Beschäftigten sollten Einzelverträge unterschreiben, mit denen sie „freiwillig“ auf ihnen rechtlich zustehende Gehaltsbestandteile verzichten, so schildert es Verdi. Mitarbeiter hätten der Gewerkschaft berichtet, auf die Frage, was denn passiere, wenn man das nicht tue, habe Treuhänder Beyes geantwortet, dann würden diese Beschäftigten wohl nicht zu diesem Unternehmen passen. Jetzt herrscht laut Verdi bei vielen Mitarbeitern massive Angst vor Repressalien. Unwürdig, rechtlich haltlos und unzulässig sei ein solches Vorgehen, sagt Verdi. Julia Niekamp: „Der Weiterbestand des Einbecker Krankenhauses wird nicht gefährdet durch dauerhaft tarifvertragsgemäße Gehälter der Beschäftigten, wie es die Arbeitgeberseite darstellt – man gefährdet es, wenn man ein Klima der Angst erzeugt und durch einen Lohnverzicht, mit dem man garantiert keine Fachkräfte in Einbeck halten oder bekommen wird.“ Das Einbecker Bürgerspital wollte sich zu diesen Vorwürfen auf meine Anfrage heute nicht äußern, erklärte Sprecherin Dorothea Liesenberg.

Allen muss klar sein, dass sie ihren Ritt auf der Rasierklinge möglichst bald (und gerne auch geräuschlos) beenden sollten. Das ist ein Balance-Akt. Geld einzubehalten, obwohl die Vertragsgrundlage ausgelaufen und eine neue noch nicht abgeschlossen ist, ist selbstverständlich nicht in Ordnung. Verhandlungen zu verzögern, um eine bessere Drohkulisse aufbauen zu können, aber ebenso wenig. Arbeitnehmern wie Arbeitgeber muss klar sein, dass sie am Ende Tarifpartner sind und nur eine gemeinsame Lösung, bei der jeder das Gesicht wahren kann, eine gute Lösung für Beschäftigte, Klinik, Gesellschafter und für Einbeck ist. Andernfalls lacht nur jemand in Berlin…

Gesundheitszentrum: Im Zentrum oder am Stadtrand?

Überlegen, ein Gesundheitszentrum für ambulante und stationäre Medizin-Versorgung in Einbeck neu zu bauen (v.l): Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler, Hauke Heißmeyer, Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Treuhänder Jochen Beyes.

Überlegen, ein Gesundheitszentrum für ambulante und stationäre Medizin-Versorgung in Einbeck neu zu bauen (v.l): Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler, Hauke Heißmeyer, Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Treuhänder Jochen Beyes.

Mit ihrem „Einbecker Modell“ der Krankenhaus-Rettung schreiben die engagierten Macher seit drei Jahren bundesweit Schlagzeilen, einige Journalisten-Kollegen sprachen von widerspenstigen Galliern, was den Klinik-Rettern bis heute gefällt. In Hannover sprechen sie wieder mit dem und über das Einbecker Krankenhaus – es gelte dort als gesetzt für die Versorgung im Landkreis Northeim, haben die umtriebigen Einbecker in der Landeshauptstadt von höchster Stelle in Gesprächen erfahren. Das Einbecker Bürgerspital schreibt nach erfolgreicher Sanierung heute schwarze Zahlen, hat keine Schulden mehr (außer einem städtischen Darlehen, das als stille Beteiligung gilt) und hat auch bereits erhebliche Summen in insgesamt siebenstelliger Höhe in Modernisierung von Stationen und Intensivstation, Küche oder Sterilisations-Abteilung investiert. „Doch das ändert nichts grundsätzlich an der Bausubstanz des 45 Jahre alten Krankenhauses“, sagen die Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler und Hauke Heißmeyer. Deshalb haben die Einbecker gemeinsam mit dem Treuhänder der gGmbH-Gesellschafter, Jochen Beyes, in den vergangenen Monaten intensiv Klinken geputzt – im hannoverschen Sozialministerium ebenso wie bei Krankenkassen. Die Idee: In einem Neubau sollen ambulante und stationäre medizinische Versorgung verknüpft werden – als Einbecker Gesundheitszentrum.

Positiv hat die lokale Politik die Überlegungen aufgenommen. Der Verwaltungsausschuss des Einbecker Stadtrates hat nach Angaben von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek vergangene Woche einstimmig beschlossen, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Bürgerspital begleitet von Experten ein Konzept zu entwickeln, wie ein Gesundheitszentrum konkret aussehen sollte. Zuvor hatten Geschäftsführung und Gesellschafter-Vertreter im nicht-öffentlich tagenden Ratsgremium vorgetragen und ihre Überlegungen erläutert. Alle, die man gefragt habe, hätten zu einem Neubau geraten, das bestehende Krankenhaus im laufenden Betrieb umzubauen sei nicht nur unterm Strich teurer, sondern auch eine komplexe und unattraktive logistische Herausforderung, soll nicht gleichzeitig die Patientenversorgung leiden, sagen die Klinik-Verantwortlichen. Im Gespräch sind die Einbecker nach eigenen Angaben bereits mit renommierten Krankenhaus-Architekten wie Prof. Linus Hofrichter und dem Referenten für Krankenhausplanung im Sozialministerium, Guido von den Benken.

Als erste Entscheidung steht dabei die Grundsatzfrage nach dem idealen Standort an, die möglichst schnell geklärt werden soll, bevor die weiteren Planungsschritte folgen: Am Stadtrand oder im Zentrum? Die Antwort darauf sei noch völlig offen, betonen Treuhänder, Geschäftsführer und Bürgermeisterin, die Suche beginne jetzt. Jedes Jahr muss das Krankenhaus rund 700.000 Euro an Baureparaturen investieren. „Das halten sie nicht lange durch“, sagt Jochen Beyes. Vor allem ist es besser, das erwirtschaftete Geld wieder in die Patientenversorgung zu investieren. Und nicht in Steine (dafür ist das Land Niedersachsen zuständig), sondern in Menschen. Auch in die Mitarbeiter, die noch immer Lohnverzicht üben. Wie gut dem Einbecker Bürgerspital („Nah und persönlich“) die Patientenorientierung gelungen ist, zeigen Ergebnisse aktueller Patientenbefragungen von Ende Februar 2016. Die Einbecker Klinik liegt weit vorne dabei.

Soll das neue Gesundheitszentrum am Stadtrand oder im Zentrum stehen? Für beide Varianten gibt es gute Argumente. Mich überzeugen momentan diejenigen mehr, die fürs Zentrum sprechen. Eine verknüpfte ambulante und stationäre Versorgung von Patienten im Herzen der Stadt kann beispielsweise Probleme der Erreichbarkeit elegant lösen: Viele können dann einfach auf kurzem Weg in die Klinik gelangen, ohne das Auto nutzen zu müssen. Es kann die Kernstadt beleben. Vielleicht lässt sich auch ein Ort finden, der beides ist, Zentrum und Stadtrandlage. Auch eine Platz-Bebauung sollte man ohne Denkverbote noch einmal überlegen: Möncheplatz, Neustädter Kirchplatz? Für ein Konsum-Kaufhaus fand sich in der Bevölkerung keine Akzeptanz. Warum aber nicht für ein Krankenhaus mit integrierten Arzt-Praxen für die ambulante Versorgung? Doch die Überlegungen der Klinik-Macher sind erst so frisch öffentlich geworden und noch vage, so dass für eine abschließende Bewertung noch mehr Details benötigt werden.

Immer weniger und immer ältere Menschen im ländlichen Raum, immer weniger niedergelassene Ärzte in der Fläche – diese und weitere Probleme habe nicht nur Einbeck, sagt der kaufmännische Klinik-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer, seit Januar neu im Amt. Und deshalb wollen die Einbecker mit einem Pilotprojekt zum Vorreiter für andere Gemeinden werden, zum Beispielgeber. Der Baukörper müsse sich den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts anpassen, sagt Heißmeyer. Dazu gehörten alle Ideen jetzt auf den Tisch gelegt und diskutiert. Kann der Rettungsdienst an das Haus angegliedert werden? Wie ist es mit einer Kurzzeitpflege, wie mit einem Hospiz? Wie können Patienten post-operativ im ländlichen Raum besser zuhause versorgt werden? Über das jetzt zu entwickelnde Gesundheitszentrum-Konzept wollen die Einbecker das notwendige Fördergeld für einen Neubau beschaffen. „Wir brauchen die Finanzmittel des Landes Niedersachsen“, sagt Heißmeyer. Aus Hannover gibt es zwar bislang keine Zusagen, erst recht keine finanziellen, aber „es wird in Hannover darüber nachgedacht“, sagt Dr. Olaf Städtler, „und da sind wir verpflichtet zu handeln.“ Überlegungen freilich gibt es schon länger, berichtet Treuhänder Beyes. Vor zwei Jahren habe man bereits hinter den Kulissen einen strukturierten Prozess zu dieser Thematik gestartet. Die Einbecker sind halt gerne vorbereitet, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Solche Sparschweine, wie sie hier (v.l.) Wilhelm Fricke, Hermann Kahle und Henning Juskowiak zeigen, werden an vielen Stellen der Region Einbeck und Dassel stehen und um kleine Betten-Spenden werben.

Solche Sparschweine, wie sie hier (v.l.) Wilhelm Fricke, Hermann Kahle und Henning Juskowiak zeigen, werden an vielen Stellen der Region Einbeck und Dassel stehen und um kleine Betten-Spenden werben.

Wie sehr sich die Menschen der Region mittlerweile mit „ihrem“ Bürgerspital identifizieren, zeigt die gerade gestartete Aktion „Bürger spenden für Betten“. Nicht jeder kann einen großen Spendenscheck mit großen Geldsummen überreichen. Viele möchten dennoch gerne das Einbecker Bürgerspital unterstützen – im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Durch die Initiative „Bürger spenden für Betten“ von Hermann Kahle, Henning Juskowiak und Wilhelm Fricke soll das gelingen. Ihre Idee: Wenn nur die Hälfte der im Einzugsbereich des Krankenhauses in den Städten Einbeck und Dassel lebenden Menschen je 1 Euro spendet, kann das Einbecker Bürgerspital für diese 20.000 Euro acht neue Krankenbetten kaufen. Jetzt haben Hermann Kahle (Vardeilsen), Henning Juskowiak (Vardeilsen) und Wilhelm Fricke (Ellensen) mit der Hilfe der örtlichen Sparkasse und Volksbank rote und blaue Plastik-Sparschweine an alle Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher der Städte Einbeck und Dassel verteilt, außerdem an viele Geschäfte in der Kernstadt. Rund 200 Sparschweine werden an vielen Stellen in Einbeck und Dassel sowie in den 46 und 16 Ortschaften der beiden Gemeinden zum Spenden bereit stehen – beim Bäcker, in der Dorfkneipe oder bei Handwerkern und Gewerbetreibenden. Auf möglichst vielen Ladentresen sollen die Betten-Sparschweine mit dem Klinik-Logo stehen. Am 31. Juli wollen sie Kassensturz machen und die Aktion bilanzieren. „Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt und freue mich riesig über das Engagement und die Initiative von Bürgern in ihrer Freizeit“, sagt der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler.

Video zur Bettenspenden-Aktion:

(Aktualisiert 27.05.2016)

Nachtrag 27.05.2016: Die CDU-Ratsfraktion hat nach einem Besuchstermin und Gespräch mit Krankenhaus-Geschäftsführung sowie Treuhänder ihre volle Unterstützung der Neubaupläne erklärt. „Was wir tun können, werden wir tun“, wird Fraktionschef Dirk Ebrecht in einer vom Einbecker Bürgerspital verbreiteten Pressemitteilung zitiert. Ergebnisse des Arbeitskreises Standort sollen Ende Juni im Verwaltungsausschuss des Einbecker Stadtrates besprochen und zeitnah entschieden werden.

Hirschhausen verschiebt Ratssitzung

Seit jeher finden in Einbeck Sitzungen des Stadtrates an einem Mittwoch statt, meistens beginnen sie um 17 Uhr in der Rathaushalle. Weil nun aber am ursprünglich geplanten nächsten Sitzungstermin, am Mittwoch, 10. Februar, um 18 Uhr der bekannte Kabarettist, TV-Moderator und Mediziner Dr. Eckhart von Hirschhausen nach Einbeck kommt und im Wilhelm-Bendow-Theater eine Benefizveranstaltung stattfindet, wurde der Termin der Sitzung des Stadtrates ausnahmsweise auf den Donnerstag verschoben: Donnerstag, 11. Februar, 17 Uhr. Die Eintrittsgelder der Veranstaltung mit Hirschhausen, die längst ausverkauft ist, kommen dem Einbecker Bürgerspital zugute. Alle Beteiligten sind glücklich, eine Koryphäe wie Hirschhausen für Einbeck begeistert zu haben. Der tritt normalerweise in Orten wie Einbeck gar nicht auf und sei auch mit Geld nicht zu locken, wie Treuhänder Jochen Beyes beim Neujahrsempfang der Einbeck Marketing GmbH sagte. Es sei die Überzeugungskraft vieler gewesen und die Tatsache, dass Hirschhausens Stiftung „Humor hilft heilen“ von der Einbeck-Visite profitiert.