Gesundheitszentrum: Im Zentrum oder am Stadtrand?

Überlegen, ein Gesundheitszentrum für ambulante und stationäre Medizin-Versorgung in Einbeck neu zu bauen (v.l): Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler, Hauke Heißmeyer, Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Treuhänder Jochen Beyes.
Überlegen, ein Gesundheitszentrum für ambulante und stationäre Medizin-Versorgung in Einbeck neu zu bauen (v.l): Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler, Hauke Heißmeyer, Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Treuhänder Jochen Beyes.

Mit ihrem „Einbecker Modell“ der Krankenhaus-Rettung schreiben die engagierten Macher seit drei Jahren bundesweit Schlagzeilen, einige Journalisten-Kollegen sprachen von widerspenstigen Galliern, was den Klinik-Rettern bis heute gefällt. In Hannover sprechen sie wieder mit dem und über das Einbecker Krankenhaus – es gelte dort als gesetzt für die Versorgung im Landkreis Northeim, haben die umtriebigen Einbecker in der Landeshauptstadt von höchster Stelle in Gesprächen erfahren. Das Einbecker Bürgerspital schreibt nach erfolgreicher Sanierung heute schwarze Zahlen, hat keine Schulden mehr (außer einem städtischen Darlehen, das als stille Beteiligung gilt) und hat auch bereits erhebliche Summen in insgesamt siebenstelliger Höhe in Modernisierung von Stationen und Intensivstation, Küche oder Sterilisations-Abteilung investiert. „Doch das ändert nichts grundsätzlich an der Bausubstanz des 45 Jahre alten Krankenhauses“, sagen die Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler und Hauke Heißmeyer. Deshalb haben die Einbecker gemeinsam mit dem Treuhänder der gGmbH-Gesellschafter, Jochen Beyes, in den vergangenen Monaten intensiv Klinken geputzt – im hannoverschen Sozialministerium ebenso wie bei Krankenkassen. Die Idee: In einem Neubau sollen ambulante und stationäre medizinische Versorgung verknüpft werden – als Einbecker Gesundheitszentrum.

Positiv hat die lokale Politik die Überlegungen aufgenommen. Der Verwaltungsausschuss des Einbecker Stadtrates hat nach Angaben von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek vergangene Woche einstimmig beschlossen, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Bürgerspital begleitet von Experten ein Konzept zu entwickeln, wie ein Gesundheitszentrum konkret aussehen sollte. Zuvor hatten Geschäftsführung und Gesellschafter-Vertreter im nicht-öffentlich tagenden Ratsgremium vorgetragen und ihre Überlegungen erläutert. Alle, die man gefragt habe, hätten zu einem Neubau geraten, das bestehende Krankenhaus im laufenden Betrieb umzubauen sei nicht nur unterm Strich teurer, sondern auch eine komplexe und unattraktive logistische Herausforderung, soll nicht gleichzeitig die Patientenversorgung leiden, sagen die Klinik-Verantwortlichen. Im Gespräch sind die Einbecker nach eigenen Angaben bereits mit renommierten Krankenhaus-Architekten wie Prof. Linus Hofrichter und dem Referenten für Krankenhausplanung im Sozialministerium, Guido von den Benken.

Als erste Entscheidung steht dabei die Grundsatzfrage nach dem idealen Standort an, die möglichst schnell geklärt werden soll, bevor die weiteren Planungsschritte folgen: Am Stadtrand oder im Zentrum? Die Antwort darauf sei noch völlig offen, betonen Treuhänder, Geschäftsführer und Bürgermeisterin, die Suche beginne jetzt. Jedes Jahr muss das Krankenhaus rund 700.000 Euro an Baureparaturen investieren. „Das halten sie nicht lange durch“, sagt Jochen Beyes. Vor allem ist es besser, das erwirtschaftete Geld wieder in die Patientenversorgung zu investieren. Und nicht in Steine (dafür ist das Land Niedersachsen zuständig), sondern in Menschen. Auch in die Mitarbeiter, die noch immer Lohnverzicht üben. Wie gut dem Einbecker Bürgerspital („Nah und persönlich“) die Patientenorientierung gelungen ist, zeigen Ergebnisse aktueller Patientenbefragungen von Ende Februar 2016. Die Einbecker Klinik liegt weit vorne dabei.

Soll das neue Gesundheitszentrum am Stadtrand oder im Zentrum stehen? Für beide Varianten gibt es gute Argumente. Mich überzeugen momentan diejenigen mehr, die fürs Zentrum sprechen. Eine verknüpfte ambulante und stationäre Versorgung von Patienten im Herzen der Stadt kann beispielsweise Probleme der Erreichbarkeit elegant lösen: Viele können dann einfach auf kurzem Weg in die Klinik gelangen, ohne das Auto nutzen zu müssen. Es kann die Kernstadt beleben. Vielleicht lässt sich auch ein Ort finden, der beides ist, Zentrum und Stadtrandlage. Auch eine Platz-Bebauung sollte man ohne Denkverbote noch einmal überlegen: Möncheplatz, Neustädter Kirchplatz? Für ein Konsum-Kaufhaus fand sich in der Bevölkerung keine Akzeptanz. Warum aber nicht für ein Krankenhaus mit integrierten Arzt-Praxen für die ambulante Versorgung? Doch die Überlegungen der Klinik-Macher sind erst so frisch öffentlich geworden und noch vage, so dass für eine abschließende Bewertung noch mehr Details benötigt werden.

Immer weniger und immer ältere Menschen im ländlichen Raum, immer weniger niedergelassene Ärzte in der Fläche – diese und weitere Probleme habe nicht nur Einbeck, sagt der kaufmännische Klinik-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer, seit Januar neu im Amt. Und deshalb wollen die Einbecker mit einem Pilotprojekt zum Vorreiter für andere Gemeinden werden, zum Beispielgeber. Der Baukörper müsse sich den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts anpassen, sagt Heißmeyer. Dazu gehörten alle Ideen jetzt auf den Tisch gelegt und diskutiert. Kann der Rettungsdienst an das Haus angegliedert werden? Wie ist es mit einer Kurzzeitpflege, wie mit einem Hospiz? Wie können Patienten post-operativ im ländlichen Raum besser zuhause versorgt werden? Über das jetzt zu entwickelnde Gesundheitszentrum-Konzept wollen die Einbecker das notwendige Fördergeld für einen Neubau beschaffen. „Wir brauchen die Finanzmittel des Landes Niedersachsen“, sagt Heißmeyer. Aus Hannover gibt es zwar bislang keine Zusagen, erst recht keine finanziellen, aber „es wird in Hannover darüber nachgedacht“, sagt Dr. Olaf Städtler, „und da sind wir verpflichtet zu handeln.“ Überlegungen freilich gibt es schon länger, berichtet Treuhänder Beyes. Vor zwei Jahren habe man bereits hinter den Kulissen einen strukturierten Prozess zu dieser Thematik gestartet. Die Einbecker sind halt gerne vorbereitet, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Solche Sparschweine, wie sie hier (v.l.) Wilhelm Fricke, Hermann Kahle und Henning Juskowiak zeigen, werden an vielen Stellen der Region Einbeck und Dassel stehen und um kleine Betten-Spenden werben.
Solche Sparschweine, wie sie hier (v.l.) Wilhelm Fricke, Hermann Kahle und Henning Juskowiak zeigen, werden an vielen Stellen der Region Einbeck und Dassel stehen und um kleine Betten-Spenden werben.

Wie sehr sich die Menschen der Region mittlerweile mit „ihrem“ Bürgerspital identifizieren, zeigt die gerade gestartete Aktion „Bürger spenden für Betten“. Nicht jeder kann einen großen Spendenscheck mit großen Geldsummen überreichen. Viele möchten dennoch gerne das Einbecker Bürgerspital unterstützen – im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Durch die Initiative „Bürger spenden für Betten“ von Hermann Kahle, Henning Juskowiak und Wilhelm Fricke soll das gelingen. Ihre Idee: Wenn nur die Hälfte der im Einzugsbereich des Krankenhauses in den Städten Einbeck und Dassel lebenden Menschen je 1 Euro spendet, kann das Einbecker Bürgerspital für diese 20.000 Euro acht neue Krankenbetten kaufen. Jetzt haben Hermann Kahle (Vardeilsen), Henning Juskowiak (Vardeilsen) und Wilhelm Fricke (Ellensen) mit der Hilfe der örtlichen Sparkasse und Volksbank rote und blaue Plastik-Sparschweine an alle Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher der Städte Einbeck und Dassel verteilt, außerdem an viele Geschäfte in der Kernstadt. Rund 200 Sparschweine werden an vielen Stellen in Einbeck und Dassel sowie in den 46 und 16 Ortschaften der beiden Gemeinden zum Spenden bereit stehen – beim Bäcker, in der Dorfkneipe oder bei Handwerkern und Gewerbetreibenden. Auf möglichst vielen Ladentresen sollen die Betten-Sparschweine mit dem Klinik-Logo stehen. Am 31. Juli wollen sie Kassensturz machen und die Aktion bilanzieren. „Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt und freue mich riesig über das Engagement und die Initiative von Bürgern in ihrer Freizeit“, sagt der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler.

Video zur Bettenspenden-Aktion:

(Aktualisiert 27.05.2016)

Nachtrag 27.05.2016: Die CDU-Ratsfraktion hat nach einem Besuchstermin und Gespräch mit Krankenhaus-Geschäftsführung sowie Treuhänder ihre volle Unterstützung der Neubaupläne erklärt. „Was wir tun können, werden wir tun“, wird Fraktionschef Dirk Ebrecht in einer vom Einbecker Bürgerspital verbreiteten Pressemitteilung zitiert. Ergebnisse des Arbeitskreises Standort sollen Ende Juni im Verwaltungsausschuss des Einbecker Stadtrates besprochen und zeitnah entschieden werden.