Landesgartenschau: Vollbremsung durch Kreistag und Stadtrat

Das ist durchaus eine bemerkenswerte Vollbremsung durch die Politik, nachdem Landkreis Northeim und Stadt Bad Gandersheim als Gesellschafter der Landesgartenschau 2022 seit Tagen auf dem durchgedrückten Gaspedal gestanden hatten und es beiden gar nicht schnell genug gehen konnte, zu wegweisenden Beschlüssen zu kommen. Nach Hiobsbotschaften, die Laga 2022 Bad Gandersheim, an der sich auch Einbeck vielfältig beteiligen will und ja seit mehreren Monaten auch mit einer der Geschäftsführerinnen der Einbeck Marketing GmbH gewissermaßen personell verbunden ist, könnte möglicherweise am 14. April nicht wie geplant eröffnet werden, weil es aus verschiedenen Gründen zu (Bau-)Verzögerungen und Kostensteigerungen kommt, war für den 7. Dezember ein Sitzungsmarathon angesetzt worden. Seit heute Mittag ist dieser vom Tisch.

Die Kreistagsgruppe CDU/ FDP/Die Unabhängigen, die Kreistagsgruppe Grüne-Linke sowie auch die SPD-Kreistagsfraktion hatten deutlich gemacht, dass sie in der ursprünglich terminierten Sitzung am 7. Dezember keine Beschlüsse zur Landesgartenschau fassen werden, da sie zuvor noch Informations- und Beratungsbedarf sehen, ließ Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (SPD) am Nachmittag mitteilen. Sie verwies auf die reguläre Kreistagssitzung am 17. Dezember, in der nun Beschlüsse gefasst werden sollen.

„Vor der geplanten Kreistagssitzung soll es eine umfassende Information der Kreistagsmitglieder und der Mitglieder des Bad Gandersheimer Stadtrates geben“, hatte die SPD-Kreistagsfraktion heute früh gefordert, nachdem sie gestern die Landrätin um Absetzung des Termins 7. Dezember gebeten hatte. „Wir sind der Auffassung, dass zur Beratung dieser Informationen und der möglicherweise weitreichenden Auswirkungen ein größeres Zeitfenster zur Verfügung stehen muss und deshalb zu treffende Entscheidungen auch in der Kreistagssitzung am 17. Dezember getroffen werden können.“

Bereits eine Stunde früher hatte heute die CDU/FDP/Unabhängige-Gruppe ihr gestriges Schreiben an die Landrätin in die Redaktionen übermittelt. Die beiden Gruppensprecher Christian Grascha (FDP) und Beatrix Tappe-Rostalski (CDU) erklärten dazu: „Die Landesgartenschau ist für die weitere touristische und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landkreises von größter Bedeutung. Wir wollen deswegen, dass sie ein Erfolg wird. Wenn nun Entscheidungen über die Zukunft zu treffen sind, wollen wir den Mandatsträgern im Kreistag trotz der Zeitnot ausreichend Beratungszeit geben, und gleichzeitig auch eine vollständige Transparenz gegenüber den vielen ehrenamtlich Engagierten schaffen. Deren Engagement ist das Fundament für den Erfolg der Landesgartenschau. Deswegen wollen wir den Beratungs- und Entscheidungsverlauf entzerren und die reguläre Kreistagssitzung am 17. Dezember für einen letztendlichen Beschluss nutzen.“ Sie hatten auch eine digitale Informationsveranstaltung ins Spiel gebracht, weil vor dem Hintergrund der geforderten Corona-Kontaktbeschränkungen sich nicht 70 bis 80 Menschen zu einer Präsenzveranstaltung versammeln sollten. „Hier sollten Politik und Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen.“

Mit ähnlichen Argumenten wie die Kreistagsfraktionen hatten auch die Protagonisten im Bad Gandersheimer Stadtrat eine Verschiebung beantragt; hier wird vermutlich der Verwaltungsausschuss am 9. Dezember dazu entscheiden, der Rat am 16. Dezember. Ursprünglich hatten am kommenden Dienstag in der Oberschule in Bad Gandersheim mehrere Gremien gemeinsam und nacheinander tagen sollen, am Ende hätte die Gesellschafterversammlung der Laga-Durchführungsgesellschaft mit ihrem finalen Beschluss gestanden. Wie Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz (SPD) und vor einer Woche auch Landrätin Astrid Klinkert-Kittel im Rat und Kreistag mitgeteilt hatten bzw. durch die Laga-Geschäftsführung mitteilen ließen, stehe die Durchführung der Landesgartenschau auf der Kippe. Es gebe Verzögerungen beim Bau, außerdem Lieferschwierigkeiten beim Material. Bis zum 7. Dezember sollte die Geschäftsführung verschiedene Szenarien entwerfen. Ob es an dem Tag bei der (nicht-öffentlich) stattfindenden Aufsichtsratssitzung der Landesgartenschau-GmbH bleibt, war heute zunächst offen.

Die baulichen und organisatorischen Aufgaben für eine am 14. April startenden Laga 2022 wären laut Einschätzung der Geschäftsführung zu schaffen gewesen, wenn nicht die Corona-Pandemie erneut mit voller Wucht zuschlagen würde, heißt es in den öffentlichen Beratungsunterlagen für die inzwischen abgesagte Kreistagssitzung am 7. Dezember. „Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen, überausgelastete Dienstleister, überteuerte oder gar keine Ausschreibungsergebnisse, ausfallende Tourismusmessen etc. haben die Geschäftsführung aktuell dazu veranlasst, die sich abzeichnenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Durchführung der Landesgartenschau an die Gesellschafter heranzutragen.“ Als Beschlussvorschlag unterbreitet die Verwaltung dem Kreistag, ihre Vertreter in der Gesellschaftversammlung anzuweisen, für eine Verschiebung um ein Jahr zu stimmen und eine zusätzliche Finanzspritze von drei Millionen Euro zu beantragen. Dem Kreistag soll außerdem vorgeschlagen werden, die Landrätin zu beauftragen, der Stadt Bad Gandersheim und der Landesgartenschau Bad Gandersheim gGmbH mitzuteilen, dass der Landkreis Northeim bereit sei, die zugesagte finanzielle Unterstützung zur Ausrichtung der Landesgartenschau 2022 auszuweiten und sich an einem etwaigen Defizit bis zu einer Höhe von insgesamt bis zu einer Million Euro zu beteiligen, sofern die Stadt Bad Gandersheim ihren Anteil ebenfalls wie erwartet auf 700.000 Euro erhöhe. „Sollte das Defizit insgesamt geringer ausfallen, so reduziert sich der Anteil des Landkreises Northeim im Verhältnis von 1,0 Mio. Euro zum derzeit angenommenen Gesamtbetrag i. H. v. 4,7 Mio. Euro entsprechend“, heißt es in dem Beschlussvorschlag.

2017 hatte der Landkreis Northeim eine Defizit-Abdeckung von maximal 500.000 Euro beschlossen. Zwischenzeitlich sei es aber so, dass sich das bei der Kalkulation 2017 ursprünglich angenommene Defizit von einer Million Euro deutlich negativer entwickeln werde, heißt es in den Beratungsunterlagen. „Derzeit ist ein Defizit von bis zu 4,7 Mio. Euro prognostiziert. Das Land Niedersachsen hat diesbezüglich eine anteilige Beteiligung an diesem Betrag i. H. v. bis zu 3 Mio. Euro zusätzlich avisiert, verbunden mit der Erwartungshaltung, dass der Landkreis Northeim seine Beteiligung auf bis zu 1 Mio. Euro erhöht. Weiterhin wird von der Stadt Bad Gandersheim eine Erhöhung ihrer Beteiligung auf bis zu 700.000 Euro erwartet.“

Bislang kalkuliert die Laga nach eigenen Aussagen mit einem Defizit von 2,6 Millionen Euro. Eine fristgerechte Eröffnung am 14. April 2022 scheint unter den genannten Bedingungen nahezu ausgeschlossen oder würde unkalkulierbaren Risiken unterliegen, schreibt die Laga-Geschäftsführung in ihrer Beschlussvorlage für den Kreistag. „Eine zeitliche Verkürzung der Laga bei unklarem Fertigstellungstermin wäre werbetechnisch nicht umsetzbar und würde zudem zu einer weiteren Erhöhung des Defizites führen. Eine vollständige Absage der Laga hätte neben dem erheblichen Imageschaden vor allem erhebliche Regress- und Rückzahlungsansprüche zur Folge (fehlende Vertragserfüllung, entfallende Fördervoraussetzungen etc.). Selbst eine Verschiebung um ein paar Wochen in den Monat Mai wäre mit immensen Risiken behaftet, da auch bei diesem Szenario mit allen Einschränkungen zu rechnen ist, die durch die Corona-Pandemie die Gesamtsituation verschärfen. Ebenso stehen zusätzliche Aufgaben an (Anpassung sämtlicher Verträge, neue Marketingkampagne), die voraussichtlich mit dem eigenen Personal bewältigt werden müssten, da zusätzliches Personal auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Weitere Sponsorenmittel können in diesem Zeitfenster ebenfalls nicht generiert werden. Diese Aufgaben, die in kurzer Zeit zusätzlich zu bewältigen wären, führen allerdings nicht zu einer inhaltlichen Qualitätsverbesserung und zu keiner Sicherstellung aller Serviceketten für die Besucherinnen und Besucher. Nach Abwägung aller denkbaren Szenarien und angesichts dieser unkalkulierbaren und mit hohen Risiken behafteten Ausgangslage schlägt die Geschäftsführung die Verschiebung der Landesgartenschau um ein Jahr auf 2023 vor.

Spatenstich für die Laga am 11. September 2020 (v.l.): Geschäftsführer Thomas Hellingrath, Landrätin Astrid Klinkert-Kittel, Bürgermeisterin Franziska Schwarz und Ministerpräsident Stephan Weil. Archivfoto

Vertrauen verspielt

Hans Martin Wollenberg. Foto: MB

Hans Martin Wollenberg. Foto: MB

Der Marburger Bund (MB), die Gewerkschaft der angestellten Ärzte, hat den Druck auf das Einbecker Bürgerspital noch einmal erhöht. „Unser Vertrauen ist erschüttert“, erklärte der niedersächsische MB-Vorsitzende Hans Martin Wollenberg heute in einer ausführlichen Pressemitteilung (2016-11-21-pm-einbecker-buergerspital-vertrauen-verspielt). „Die verbliebene Klinik-Geschäftsführung sichert auf Kosten der Mitarbeitenden die Liquidität des Hauses – bei den Ärzten gar unter Umgehung bestehender Tarifverträge.“ Eine rechtliche Grundlage, Teile des Gehalts einzubehalten, gebe es seit Auslaufen des Sanierungstarifvertrags Ende April nicht mehr. Die Konsolidierung des Krankenhauses in Einbeck sei zu wesentlichen Teilen auf dem Rücken der Beschäftigten erzielt worden. Ein zukunftsfähiges Konzept, das die räumliche Nähe von vier weiteren Krankenhäusern berücksichtigt, habe der medizinische Geschäftsführer noch immer nicht vorgelegt, kritisiert der Marburger Bund. Im Einbecker Bürgerspital habe der Vertreter der Gesellschafter inzwischen die Mitgesellschafter ausgebotet, kritisiert Wollenberg das Verhalten des einstigen Truehänders Jochen Beyes scharf: „Mit Herrn Beyes ist erneut jemand am Ruder, der im persönlichen Umgang mit Gewerkschaften bewiesen hat, dass er diese nicht als Vertragspartner betrachtet.“ Mit der Beurlaubung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer sei ein Kaufmann, der auch bei den Beschäftigten als Hoffnungsträger gegolten haben, kaltgestellt worden. Dieses Gebaren decke sich mit den Erfahrungen, die der Marburger Bund in der Vergangenheit mit den Verantwortlichen am Einbecker Bürgerspital habe sammeln müssen.

Krankenhaus-Streit: Immer neue Details

Der Streit im Einbecker Bürgerspital wird immer mehr zur Geschichte mit offenem Ausgang. Jüngste Wendung: Der Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-  und Kinderchirurgie an der Uniklinik Göttingen, Prof. Michael Ghadimi, ist nach meinen Informationen mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion als Beiratsmitglied des Einbecker Krankenhauses zurückgetreten. Damit besteht der dreiköpfige Beirat, der einem Aufsichtsrat gleichkommt und die Geschäftsführung beaufsichtigt, nur noch aus zwei Mitgliedern: Jochen Beyes als Vorsitzender und Dr. Florian Schröder als von der Stadt Einbeck entsandtes Mitglied. Ghadimi begründete seinen Schritt damit, dass er die Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer nicht unterstützen könne. Warum der Beirat zuvor verkleinert und drei Beiratsmitglieder entlassen worden seien, habe man ihm gegenüber nicht begründet. Auch bei der medizinischen Entwicklung des Bürgerspitals meldet Ghadimi Bedenken an. Wegen einer Vielzahl von ungeklärten Dingen und Entwicklungen, die er für falsch halte und nicht gutheißen könne, habe er sich zum Rücktritt entschlossen, teilte er mit.

Unterdessen werden immer neue Details bekannt. Vieles spielt sich, und das ist bei einer GmbH juristisch völlig legitim, hinter den Kulissen ab. Interessante Fakten sind im Handelsregister nachzulesen: Dort sind aktuell nur noch zwei Gesellschafter notiert. Der eine mit 20 Prozent Anteil ist der Chefarzt und Ärztliche Direktor Dr. Olaf Städtler, der andere Gesellschafter ist die Einbecker Bürgerspital GmbH selbst, deren alleiniger Geschäftsführer Städtler nach der Freistellung seines kaufmännischen Kollegen Hauke Heißmeyer momentan ist. So war das auf der Pressekonferenz am Montag auch erklärt worden. Damit ist aber auch klar, dass der direkte Einfluss der Initiativgesellschafter minimalst ist.

Das Tischtuch zwischen zwei Gesellschafter-Gruppen ist zerschnitten, ob es wieder genäht werden kann, ist offen. Und es geht nicht allein um Geld. Klar ist zwar: Während die einen Anteilseigner den Mitarbeitern wieder mehr Gehalt zahlen möchten, nachdem diese lange Zeit im Interesse der Sanierung auf 8,5 Prozent ihres Lohnes verzichtet haben, möchten das die anderen trotz schwarzer Zahlen nicht. Jedenfalls nicht in dem Umfang, wie die anderen das möchten. Den Gesellschaftern, die sich ausgebootet fühlen, geht es aber auch um Transparenz gegenüber den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit, denn eine Klinik von Bürgern für Bürger soll sich mitteilen und erklären. Die andere Gruppe überschreibt Pressemitteilungen offenbar nur lieber immer wieder mit einem guten Weg, auf dem man sei.

Die Gewerkschaft Verdi hat „die derzeitige Führungsriege“ scharf kritisiert: Dr. Olaf Städtler, Jochen Beyes und Michael Heraeus betrieben eine Falschinformation der Öffentlichkeit, um von eigenen Versäumnissen in der Vergangenheit abzulenken, heißt es in einer auführlichen Pressemitteilung (pm_kh_einbeck-fuehrung-betreibt-falschinformation). Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp kritisiert, dass vor allem Andreas Büchting als einer der Initiativgesellschafter jetzt nicht deutlich wahrnehmbarer Stellung beziehe. Intern hat er das getan. Mitte Oktober hat Büchting in einem Brief unter anderem an die Chefärzte sehr kritisch seine Enttäuschung über die Entwicklung beschrieben. In dem Schreiben, das mir vorliegt, ist unter anderem von juristisch fragwürdigen Schachzügen beim Ausschluss der Gemeinschaft Einbecker Familien als Gesellschafter und von Vertrauensbruch des Treuhänders die Rede. Die ausgeschlossene Gemeinschaft Einbecker Familien habe eine andere Vorstellung von der Führung des Hauses und den Umgang mit Menschen, heißt es in dem Brief. Das Vorgehen habe man deshalb bislang nicht angefochten, weil damit voraussichtlich ein jahrelanger Rechtsstreit verbunden sei, der erhebliche Unruhe im Krankenhaus und in der Öffentlichkeit und eine eventuelle Gefährdung von Arbeitsplätzen bedeutet hätte. Die Unruhe freilich gibt es jetzt trotzdem. Julia Niekamp: „Die Beschäftigten erwarten jetzt wirksame Unterstützung. Sie haben bisher mit 3,6 Millionen Euro Gehaltsverzicht am meisten Geld und Nerven in ihr Krankenhaus investiert.“ Andreas Büchting war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

Das vom medizinischen Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler am Montag in der Pressekonferenz genannte Angebot von Zahlung von 20 Prozent des Weihnachtsgelds und einer 2,4-prozentigen Gehaltssteigerung hat die Gewerkschaft Verdi als „Falschaussage und Täuschung der Öffentlichkeit“ kritisiert. Diese Steigerung sei seit Mai und dem Ende des Sanierungstarifvertrags kein Angebot, sondern Verpflichtung. Deshalb habe Verdi auch nicht reagiert.

Unterdessen hat der Marburger Bund die Ärzte im Bürgerspital darüber informiert, dass die Mediziner auch nicht individuell per Einzelvertrag Gehaltsverzicht erklären könnten, weil ein Tarifvertrag gelte. Das Haus schulde den Ärzten seit September monatlich insgesamt 10,8 Prozent mehr Gehalt, heißt es in einer Mitgliederinformation, die mir vorliegt. „Wir sehen mit Sorge, dass erneut jemand am Ruder ist, der im persönlichen Umgang mit Gewerkschaften bewiesen hat, dass er diese nicht als Vertragspartner betrachtet“, schreibt die Gewerkschaft der angestellten Klinikärzte in Niedersachsen. Nachdem der kaufmännische Geschäftsführer Hauke Heißmeyer „kaltgestellt“ und freigestellt worden sei, mache es dieses Gebaren dem Marburger Bund „nahezu unmöglich, Vertrauen in die Sanierungsfähigkeit des Hauses zu entwickeln“.

Verdi hat nach Angaben von Julia Niekamp bereits seit Herbst 2015 in Gesprächen, schriftlich und zuletzt nochmal in diesem Herbst in einem Telefonat der Geschäftsführung immer wieder deutlich gemacht, dass es tarifvertragliche Regelungen nur für alle Berufsgruppen geben könne. Niekamp: „Alle oder keiner, Krankenschwester und Arzt. Das ändert sich auch nicht, auch wenn der Arbeitgeber alle paar Monate bei uns – und offenbar nur bei uns – Druck macht.“

Inzwischen gibt es auch erste Wortmeldungen aus der Politik zum Bürgerspital-Streit. Die Debatte über die Eigentümerstruktur nimmt die Einbecker CDU zum Anlass, „sich vorbehaltlos hinter das Krankenhaus und die handelnden Akteure zu stellen“, erklärte CDU-Ratsfraktionschef Dirk Ebrecht in einer Pressemitteilung (pm-cdu-einbeck-zum-buergerspital-16-11-18). Das Vorgehen der Gewerkschaft Verdi betrachtet die CDU als „absolut verantwortungslos“. Das Bürgerspital laufe wirtschaftlich stabil. Die Geschäftsführung habe die Klinik nicht nur in schwarze Zahlen geführt, sondern auch medizinisch weiter entwickelt und strategische Zukunftsverantwortung bis hin zu einem geplanten Neubau übernommen. Umso unverständlicher seien deshalb „die persönlichen und zum Teil ehrabschneidenden Vorwürfe, die in den letzten Tagen in verschiedenen Medien erhoben worden sind“, erklärte Ebrecht. Die CDU werde sich kommende Woche erneut ein Bild vor Ort machen und mit den Akteuren des Bürgerspitals sprechen. Ebrecht: „Wir sehen nicht länger zu, wie das Bürgerspital und dessen handelnden Personen zu Unrecht schlecht geredet werden.“ Den örtlichen Landtagsabgeordneten von SPD und FDP warf Ebrecht vor, in Sachen Bürgerspital „offenkundig abgetaucht“ zu sein. Aus Sicht der CDU kommen diese ihrer politischen Verantwortung nicht nach.

Nachtrag 20.11.2016: Die Einbecker SPD kritisiert die durch den Streit entstandene aktuelle Situation scharf, vor allem mit Beschäftigten und Gewerkschaften werde respektlos umgegangen. Besonders für die Neubaupläne müsse die derzeitige Geschäftsleitung jetzt dem Land tragfähige Konzepte liefern. Sonst sei die Millionen-Förderung ernsthaft in Gefahr. SPD-Vorsitzender Marcus Seidel kritisiert, dass die Informationslage nach seiner öffentlichen Anfrage in Stadtrat nach wie vor mangelhaft sei, was besonders ärgerlich sei, weil die Stadt über den Beirat direkt vertreten sei und Einfluss nehmen könne.

Bürgerspital: Streit zwischen Gesellschafter-Gruppen

Christian von der Lühe (Mainz), juristischer Gesellschaftrecht-Berater, Beiratsvorsitzender Jochen Beyes (Einbeck), medizinischer Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. Olaf Städtler und Gesellschafter Michael Heraeus (Drüber).

Christian von der Lühe (Mainz), juristischer Gesellschaftsrecht-Berater, Beiratsvorsitzender Jochen Beyes (Einbeck), medizinischer Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. Olaf Städtler und Gesellschafter Michael Heraeus (Drüber).

Das Tischtuch zwischen vier namhaften Einbecker Familien auf der einen Seite und anderen Bürgerfamilien als Gesellschafter sowie dem medizinischen Geschäftsführer des Einbecker Krankenhauses auf der anderen Seite ist zerschnitten. Es gibt, so viel ist nach einer ansonsten wenig Neues bringenden Pressekonferenz am Montag jedenfalls klar, jetzt offenen Streit zwischen den zwei Gruppen im Bürgerspital. Medizinische Geschäftsführung und fünf Gesellschafter der gGmbH haben sich gegen den unter anderem von der Gewerkschaft Verdi und anderen Klinik-Gesellschaftern öffentlich erhobenen Vorwurf gewehrt, sie hätten die übrigen Anteilseigner kalt entmachtet, um „durchregieren“ zu können. Der Gesellschaftsvertrag des Bürgerspitals lässt es offenbar zu, dass im Sommer die Anteile bei der gGmbH selbst gebündelt wurden, ohne dass sich die Gesellschafter dagegen wehren konnten. Das Kapital der neun Gesellschafter des nach der Insolvenz 2013 neu gestarteten Bürgerspitals ist dabei unverändert im Unternehmen. Lediglich die komplizierte Konstruktion der über eine GbR und deren Treuhänder Jochen Beyes in den vergangenen Jahren verwalteten Gesellschafter-Anteile sei aufgelöst und die Führungsstruktur gestrafft worden, erläuterte heute Gesellschaftsrecht-Berater Christian von der Lühe (Mainz): „Keiner verliert hier Geld“. Gründe für den Rücktritt von Jochen Beyes als Treuhänder der GbR Anfang Juni dieses Jahres seien unterschiedliche Auffassungen über Geschäftspolitik und Strategie der Klinik gewesen, die gerade wieder schwarze Zahlen schreibt. Im Wesentlichen geht es, wie hier schon berichtet, um Meinungsverschiedenenheiten zwischen den beiden Gesellschafter-Gruppen, wie und in welcher Höhe die rund 350 Mitarbeiter der Klinik beteiligt werden sollen, die lange während der Sanierungsphase auf Teile ihres Gehalts verzichtet haben und das bis heute tun. Der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler berichtete heute von einer aktuell angebotenen Zahlung von 20 Prozent des Weihnachtsgeldes und einer 2,4-prozentigen Gehaltssteigerung; die Gewerkschaft Verdi habe leider bislang nicht auf dieses Angebot reagiert. Ungewöhnlich: Die Arbeitgeberseite zitierte heute aus einem Brief der Arbeitnehmervertretung vom 20. Oktober 2016 die Aufforderung an die Gewerkschaft Verdi, die Gehaltsverhandlungen wieder aufzunehmen. Betriebsratschef Berthold Kabelitz war selbst nicht bei der Pressekonferenz dabei.

Unternehmer Michael Heraeus (r.) vertritt nach eigenen Angaben fünf von neun Gesellschaftern.

Unternehmer Michael Heraeus (r.) vertritt nach eigenen Angaben fünf von neun Gesellschaftern.

„Wir bleiben Gesellschafter, glauben an das Krankenhaus und wehren uns gegen Einfluss von außen“, sagte Unternehmer Michael Heraeus, der nach eigenen Angaben fünf der neun Gesellschafter vertritt. Unterschiedliche Meinungen im Gesellschafterkreis kläre man normalerweise unter sich, das Krankenhaus stehe aber unter ständiger Beobachtung. Die Verunsicherung sei durch die Gewerkschaft Verdi entstanden, die den Streit öffentlich gemacht habe (pm_kh_einbeck-wer-lenkt-die-geschicke-des-krankenhauses), sagte Beiratsvorsitzender Jochen Beyes. „Wir lassen uns aber nicht beeinflussen.“ Geplant ist, interessierten Bürgern und Investoren sowie Mitarbeitern durch ein Beteiligungsmodell eine direkte Beteiligung am Einbecker Bürgerspital zu ermöglichen. Es soll eine breite Beteiligung geben, die dem Namen „Bürgerspital“ gerecht werde, sagte Heraeus, in welcher Form und Größenordnung ist aber noch offen. Nach dem aktuellen öffentlichen Streit scheint mir das aber ungewisser als zuvor.

Zu den Gründen der Beurlaubung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer sagte Jochen Beyes heute lediglich: „Es sind uns Dinge auf den Tisch gelegt worden, die geprüft und bewertet werden müssen.“ Das sei für ein Aufsichtsgremium wie den Beirat völlig normal. Dass dieser Beirat jüngst auf die Mindestgröße von drei Mitgliedern reduziert und damit halbiert und um externen Fachverstand reduziert worden sei, bestätigte Beyes heute. Konflikte zwischen den Gesellschaftern seien in den Beirat hineingetragen worden, nannte er zur Begründung. Interessant und neu war heute ein Aussage Beyes‘, warum der Vorgänger von Hauke Heißmeyer, Hans-Martin Kuhlmann, als Bürgerspital-Geschäftsführer zum Ende vergangenen Jahres gehen musste. Der habe „seine Vertragspflichten grob verletzt“, sagte Beyes. Man habe ihm menschlich nahe gestanden, habe sich letztlich bei der Trennung auf einen Vergleich geeinigt. Die Personalie Heißmeyer „werden wir genauso fair lösen“, sagte Beyes.

Einige fragen sich vielleicht, warum dieses Thema so ausführlich in einem Politikblog zur Sprache kommt, ist das Bürgerspital doch eine privatwirtschaftliche GmbH, die auch nur wenige Offenlegungspflichten kennt (was die Transparenz manchmal nicht einfacher macht). Die Antwort ist einfach: Zum einen handelt es sich um eine gGmbH, eine gemeinnützige, also nicht auf Gewinnstreben ausgerichtete Unternehmung einer Einrichtung der so genannten Daseinsvorsorge, eines Krankenhauses. Zum anderen ist die Stadt Einbeck nach der Insolvenz mit massivem auch finanziellem Einsatz (und damit Steuergeld) den privaten Gesellschaftern zur Seite gesprungen. Außerdem würde allein das Land Niedersachsen (auch das mit Steuergeld) den weiterhin geplanten Neubau der Klinik finanzieren. Im Oktober-Treffen des Krankenhaus-Planungsausschusses war das Einbecker Bürgerspital kein Thema. Es sei diesmal nicht besprochen worden, es gebe eine spezielle eigene Sitzung für das Einbecker Krankenhaus, sagte heute Beiratsvorsitzender Jochen Beyes. Diese sei auch schon terminiert gewesen, aber kurzfristig verschoben worden, das sei vor der Heißmeyer-Personalie geschehen. Der Zusammenhang zwischen Geschäftsführer-Freistellung und Sitzung des Planungsausschusses, wie in Verdi unterstellt habe, sei konstruiert, sagte Beyes, da seien zwei Ereignisse unglücklich zusammengefallen, sagte Städtler. Nach meinen Informationen liegt ein anderer Grund vor: Das Krankenhaus soll bei den Planungen nachbessern müssen.

Unprofessionelle Operation

Als „unprofessionell und kontraproduktiv“ hat der neue stellvertretende Bürgermeister Marcus Seidel (SPD) das Vorgehen des Krankenhauses kritisiert, darüber den Rat und die Öffentlichkeit nicht zu informieren, dass der kaufmännische Geschäftsführer des Einbecker Bürgerspitals freigestellt worden ist. Das habe man aus den Medien entnehmen müssen, was man mit Sorge und Verwunderung getan habe, sagte Seidel. Die Stadt Einbeck ist im Beirat des Bürgerspitals vertreten, durch den Allgemeinen Vertreter der Bürgermeisterin, Dr. Florian Schröder. Der bestätigte auf Anfrage von Seidel in der Ratssitzung, dass Geschäftsführer Hauke Heißmeyer weiterhin beurlaubt sei. Zu Gründen sagte auch Schröder im öffentlichen Sitzungsteil nichts. Es gebe aber keinen Zusammenhang zwischen der Sitzung des niedersächsischen Krankenhaus-Planungsaussschusses im Oktober und der Demission des Geschäftsführers. Das Krankenhaus sei in dem Gremium gar nicht vertreten. Ergebnisse aus dem Planungsausschuss seien noch nicht bekannt, so Schröder. Geschäftsführung und Gesellschafter würden weiter an den Neubauplänen für die Klinik festhalten. Neue Tarifverträge mit den Beschäftigten seien noch nicht abgeschlossen worden, beantwortete Schröder eine weitere Frage Seidels. Der SPD-Politiker hatte außerdem danach gefragt, wer denn für die Gesellschaft derzeit spreche und handele. Der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler sei das, so die Antwort Schröders, Städtler sei auch Gesellschafter. Es gebe außerdem Gespräche, dass die ursprüngliche Initiativgemeinschaft (gemeint sind Einbecker Familien, die sich seit Gründung des Bürgerspitals engagiert hatten) wieder in den handelnden Gesellschafterkreis zurückkehren könnte, diese Gespräche seien aber noch nicht abgeschlossen. Dann würde dann auch die offenbar wieder existierende Position des Treuhänders Jochen Beyes nachvollziehbar. Ein wenig haben die Fragen und Antworten die Situation im Krankenhaus aufhellen können, allerdings nur ein wenig – unter anderem auch, weil wahrscheinlich entscheidende erklärende Dinge nur im nicht-öffentlichen Sitzungsteil angesprochen worden sind.

(Aktualisiert: 03.11.2016, 12:02 Uhr)

Operation Bürgerspital

AOK-Chef Dr. Jürgen Peter mit EBS-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer (l.).

AOK-Chef Dr. Jürgen Peter mit EBS-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer (l.).

Er ist einer der wichtigen Player im Gesundheitssektor – ein Kostenträger, wie das heißt. Er sitzt im für die Kliniken-Finanzierung im Land so wichtigen Krankenhaus-Planungsausschuss, das Einbecker Bürgerspital wird zu 54 Prozent von AOK-Patienten belegt: Der Vorstandsvorsitzende der AOK Niedersachsen, Dr. Jürgen Peter, hat heute das Einbecker Krankenhaus besucht, eingeladen und begleitet von dem SPD-Gesundheitspolitiker im Landtag, Uwe Schwarz (Bad Gandersheim), und einigen kommunalwahlkämpfenden SPDlern. Dr. Jürgen Peter bescheinigte den Neubau-Plänen und dem dahinter stehenden Konzept einer Kombination von ambulanter und stationärer Versorgung ein Zukunftspotenzial. Der Regionalkrankenkasse sei die erreichbare medizinische Versorgung im ländlichen Raum sehr wichtig, da sei das Einbecker Bürgerspital auf dem richtigen Weg. Allerdings seien noch ein paar Hausaufgaben zu machen, damit der gestellte Antrag auf finanzielle Förderung eines Klinik-Neubaus durch das Land Niedersachsen erfolgreich sein könne. Hilfreiche Hinweise habe es hier gegeben, hieß es nach der internen Besprechungsrunde aus Teilnehmerkreisen. Beispielsweise müsse die Einbecker Klinik belegen, ob und wenn welche Auswirkungen der Krankenhaus-Neubau von Helios in Northeim Auswirkungen auf die Patientenzahlen im Einbecker Bürgerspital haben. Entscheidend sei ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept, ein „belastbarer Antrag“, wie AOK-Chef Dr. Jürgen Peter das nannte. Das sei eine große Herausforderung für ein kleines Haus. Der Krankenkassen-Vorstand zeigte sich nach einem Rundgang durch die Klinik, vor allem durch die Schmerz- und Palliativmedizin-Station, beeindruckt von dem, was nach der Insolvenz in Einbeck mit Unterstützung Einbecker Bürger geschaffen worden ist. SPD-Gesundheitspolitiker Uwe Schwarz sprach sich für eine Trägervielfalt auf dem Klinikmarkt aus, da habe Einbeck eine wichtige Funktion, wenn es eine wirtschaftliche Zukunftslösung gibt – zu der auch eine tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiter gehöre. Wenn die Rahmenbedingungen stimmten und alles versucht werde, habe Einbeck eine Perspektive, sagte Schwarz: „Mir gefällt die Konzentration nicht.“ Der Krankenhaus-Planungsausschuss, der über die notwendigen Millionen für einen Neubau oder eine Sanierung entscheidet, tagt das nächste Mal im Oktober. Dieser Termin solle angestrebt werden, waren sich Peter und Schwarz einig.

Zwischen Neubau und Sanierung gibt es imgrunde mittlerweile kaum noch eine Wahl. Experten haben zum Neubau geraten, ein Umbau im laufenden Krankenhausbetrieb gilt als logistische Meisterleistung und extrem belastend für Patienten und Mitarbeiter. Das hatten die Bürgerspital-Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler und Hauke Heißmeyer laut einer Pressemitteilung (2016-09-02_FDP informiert sich über Neubaupläne des Einbecker BürgerSpitals) kürzlich auch einer FDP-Delegation mit der Gesundheits-Landtagsabgeordneten Sylvia Bruns bei einem Besuch deutlich gemacht. Der 45 Jahre alte Klinik-Komplex auf dem Berge verschlingt zudem jährlich rund 700.000 Euro allein an Bauunterhaltung. Das macht auch gut den zeitlichen Planungshorizont deutlich für Neubau-Planungen: Allzu viele Jahre darf man nicht mehr warten, bis ein Bagger tätig wird. Ob der kürzlich ausgewählte Standort Walkemühlenweg der richtige ist, bezweifele ich nach wie vor, aber das werden die jetzt laufenden fachlichen Prüfungen im Rathaus und im Krankenhaus bald ergeben. Der Einbecker FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha hat bei der Freidemokraten-Visite im Bürgerspital wie ich die fehlende direkte Zufahrt zur B3-Umgehungsstraße als hinderlich gekennzeichnet und hier richtigerweise Veränderung angemahnt.

Überraschende Begegnung am Rande: Beim internen Gespräch (und nur dort) vor Klinik-Rundgang und Presserunde mit dem AOK-Boss war auch Jochen Beyes dabei, der Anfang Juni als Treuhänder und Vorsitzender des Beirates im Einbecker Bürgerspital zurückgetreten war. Was erst mehrere Wochen später öffentlich wurde. Jetzt der Rücktritt vom Rücktritt? Mehrere Gesellschafter sollen Beyes gebeten haben, wieder aktiv zu werden, und ein wenig soll er selbst seinen Rückzug-Entschluss später auch bedauert haben, heißt es. Vorsitzender des Beirates ist Beyes bereits wieder, das wurde mir von mehreren Seiten bestätigt, als solcher hat er auch schon an einer Klinik-Mitarbeiterversammlung Mitte August teilgenommen. Nähere Einzelheiten zur Rückkehr des Jochen Beyes sollen in den nächsten Tagen in einer offiziellen Presseverlautbarung öffentlich werden.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Kernaufgaben-Konzentration

Die Einbeck Marketing GmbH steht offenbar vor tiefgreifenden Veränderungen. Das lässt sich zumindest aus den wenigen Worten schließen, mit denen der in seinem Amt für weitere zwei Jahre einstimmig bestätigte Vorsitzende der Einbeck Marketing InitiativGemeinschaft, Christoph Bajohr, gestern Abend aus einer aktuellen Mitteilung des GmbH-Aufsichtsrates zitierte. Die InitiativGemeinschaft (vor zwei Jahren fusionierten Werbegemeinschaft und Initiative Einbeck zu diesem neuen Verein) hält 49 Prozent der GmbH, die Stadt Einbeck ist mit 51 Prozent Mehrheitsgesellschafter. Beabsichtigte Synergie-Effekte seien seit der GmbH-Gründung im Jahr 2010 nicht wie gewünscht eingetreten, zitierte Bajohr aus der Mitteilung des Aufsichtsrates, dessen Mitglied er ist. Das Gremium habe sich dafür ausgesprochen, das Aufgabenprofil der Gesellschaft in Richtung Stadt- und Standortmarketing weiter deutlich zu schärfen: „Daher ist beabsichtigt, die insofern neu zu ordnende Aufgabenverteilung mit einer Konzentration auf Kernaufgaben bis zum Ende dieses Jahres zu vollziehen.“ Was das konkret heißt und weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Es gibt offenbar noch keine (politischen) Beschlüsse dazu, Verwaltungsausschuss und Stadtrat treffen sich erst wieder im August. Von den anwesenden InitiativGemeinschaft-Mitgliedern fragte jedoch auch niemand nach. Vor der gut besuchten Mitgliederversammlung, die nach einer straffen Stunde ihre Tagesordnung ohne Diskussion abgearbeitet hatte, hatten tagsüber Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat der GmbH getagt – wie üblich hinter verschlossenen Türen. Denkbar sind mehrere Szenarien, eines könnte so aussehen: Wenn davon die Rede ist, dass bei den von der Stadt übertragenen Bereichen Kulturring und Tourismus die erwünschten berühmten Synergie-Effekte nicht deutlich zum Tragen gekommen seien, könnte die Stadt Einbeck diese an die GmbH (inklusive Personal) delegierten Bereiche wieder zurück nehmen und in eigener Regie erledigen (in welcher Gesellschaftsform auch immer, falls nicht als Fachbereich der Verwaltung). Die Einbeck Marketing GmbH (EMG) könnte sich dann komplett auf die zwei verbleibenden Säulen Stadtmarketing und Standortmarketing konzentrieren. Erst jüngst hatte EMG-Geschäftsführer Florian Geldmacher im Kulturausschuss keine Angaben zu Defizitgrößen in diesen Bereichen machen wollen und auf von der Stadt übertragene Aufgaben verwiesen.

Anmerkung: Der Autor dieses Blogs ist Mitglied im Verein Einbeck Marketing InitiativGemeinschaft.

Balance-Akt

Zu Tarifverhandlungen gehören immer auch Rituale. Einigungen werden beispielsweise oftmals mitten in der Nacht erzielt, die einsetzende Müdigkeit einkalkulierend. Zumindest kennen wir das aus unzähligen Statements von Arbeitgebern und Gewerkschaftsbossen, die vor den wartenden TV-Reportern und ihren Kameras dann am Ende mit Augenringen und gelockertem Krawattenknoten sagen, man habe sich nach kräftezehrenden Verhandlungen (und viel Kaffee) geeinigt vergangene Nacht. Und jede Seite hat irgendwie immer gewonnen. Solche (ungesunden) nächtlichen Tarifverhandlungen werden zwar beim Einbecker Bürgerspital nicht geführt, aber Ende April ist der Sanierungstarifvertrag ausgelaufen, der bei der Neugründung des Krankenhauses nach der Insolvenz vereinbart war. Die Mitarbeiter waren mit ihrem Gehaltsverzicht ein wichtiger Teil des „Einbecker Modells“, auf der anderen Seite stehen als Gesellschafter mehrere Einbecker Familien. Das Ziel: Alle engagieren sich, jeder nach seinem Vermögen, damit die Klinik in der Stadt erhalten bleiben kann. Dass dies gelingen kann, darauf deuten die kürzlich öffentlich gewordenen Zahlen von der schwarzen Null, gar von Neubau-Plänen. Die jüngste, noch bis Monatsende laufende Spendenaktion ist nur ein Beispiel für das Engagement der Bürger für ihre Klinik.

Irgend etwas muss nun die Arbeitnehmerseite vergangene Woche dermaßen in Harnisch gebracht haben, dass Marburger Bund und Verdi öffentlich ihre Muskeln spielen ließen. Die Gewerkschaft der angestellten Ärzte und die Dienstleistungsgewerkschaft haben jeder für sich und doch beide gleich wortmächtig in Pressemitteilungen (MB/Verdi) scharfe Geschütze aufgefahren. „Rechtswidrig“ werde ein Teil des Mai-Gehaltes einbehalten, heißt es dort beispielsweise, die Schmerzgrenze sei erreicht. Die Geschäftsführung des Einbecker Bürgerspitals hat die Vorwürfe des Marburger Bundes zurückgewiesen, die Mitarbeiter des Krankenhauses würden auf ihr Geld warten. Die nichtärztlichen Mitarbeiter verzichten auf ihr Weihnachtsgeld, sagt Geschäftsführer Hauke Heißmeyer. Beim Mai-Gehalt war das also noch gar nicht spürbar. Anders bei den Ärzten, die tariflich keine Jahressonderzahlung erhalten, bei denen wurde und wird der 8,5-prozentige Lohnverzicht anteilig vom monatlichen Grundgehalt verrechnet. Heißmeyer hat die Arbeitnehmerseite aufgefordert, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bereits im vergangenen September habe man Gespräche mit dem Marburger Bund aufgenommen, sagt der Bürgerspital-Geschäftsführer. Im März habe die Geschäftsleitung zu Tarifverhandlungen eingeladen, Termine vorgeschlagen und angekündigt, die Mitarbeiter bei einer guten Unternehmensentwicklung durch eine Sonderzahlung zu beteiligen. Anfang Mai habe der Marburger Bund die Verhandlungen abgelehnt. Man sei aber weiterhin gesprächsbereit, den Tarifvertrag zur weiteren Konsolidierung der 340-Mitarbeiter-Klinik fortzuführen, sagt Heißmeyer. Erst drei Wochen vor Auslaufen des Sanierungstarifvertrages habe der Arbeitgeber auf Abschluss eines weiteren Sanierungstarifvertrages gedrängt, erklärt dagegen die Ärzte-Gewerkschaft. Wer nun Recht hat?

Massiv – und persönlicher – ist die Kritik der Gewerkschaft Verdi. Die Arbeitgeberseite verweigere den Mitarbeitern den Wiederanstieg auf das ihnen zustehende tarifvertragliche Regelgehalt, habe die Beschäftigten in einer Mitarbeiterversammlung zudem unter Druck gesetzt. „Die Eigentümer des Bürgerspitals sind auf dem besten Weg, den guten Ruf und den Sympathiebonus ihres Krankenhauses zu verspielen“, erklärte Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp. Auf Dauer, so sei den Beschäftigten durch die Geschäftsführer und den Treuhänder der Gesellschafter, Jochen Beyes, am 1. Juni mitgeteilt worden, wolle man den geltenden Tarifvertrag (TVöD) aufkündigen und bereits jetzt Gehaltsbestandteile einseitig einbehalten. Beschäftigte hätten sich vor allem durch Aussagen Beyes‘ massiv unter Druck gesetzt gefühlt: die Beschäftigten sollten Einzelverträge unterschreiben, mit denen sie „freiwillig“ auf ihnen rechtlich zustehende Gehaltsbestandteile verzichten, so schildert es Verdi. Mitarbeiter hätten der Gewerkschaft berichtet, auf die Frage, was denn passiere, wenn man das nicht tue, habe Treuhänder Beyes geantwortet, dann würden diese Beschäftigten wohl nicht zu diesem Unternehmen passen. Jetzt herrscht laut Verdi bei vielen Mitarbeitern massive Angst vor Repressalien. Unwürdig, rechtlich haltlos und unzulässig sei ein solches Vorgehen, sagt Verdi. Julia Niekamp: „Der Weiterbestand des Einbecker Krankenhauses wird nicht gefährdet durch dauerhaft tarifvertragsgemäße Gehälter der Beschäftigten, wie es die Arbeitgeberseite darstellt – man gefährdet es, wenn man ein Klima der Angst erzeugt und durch einen Lohnverzicht, mit dem man garantiert keine Fachkräfte in Einbeck halten oder bekommen wird.“ Das Einbecker Bürgerspital wollte sich zu diesen Vorwürfen auf meine Anfrage heute nicht äußern, erklärte Sprecherin Dorothea Liesenberg.

Allen muss klar sein, dass sie ihren Ritt auf der Rasierklinge möglichst bald (und gerne auch geräuschlos) beenden sollten. Das ist ein Balance-Akt. Geld einzubehalten, obwohl die Vertragsgrundlage ausgelaufen und eine neue noch nicht abgeschlossen ist, ist selbstverständlich nicht in Ordnung. Verhandlungen zu verzögern, um eine bessere Drohkulisse aufbauen zu können, aber ebenso wenig. Arbeitnehmern wie Arbeitgeber muss klar sein, dass sie am Ende Tarifpartner sind und nur eine gemeinsame Lösung, bei der jeder das Gesicht wahren kann, eine gute Lösung für Beschäftigte, Klinik, Gesellschafter und für Einbeck ist. Andernfalls lacht nur jemand in Berlin…