Landesgartenschau: Vollbremsung durch Kreistag und Stadtrat

Das ist durchaus eine bemerkenswerte Vollbremsung durch die Politik, nachdem Landkreis Northeim und Stadt Bad Gandersheim als Gesellschafter der Landesgartenschau 2022 seit Tagen auf dem durchgedrückten Gaspedal gestanden hatten und es beiden gar nicht schnell genug gehen konnte, zu wegweisenden Beschlüssen zu kommen. Nach Hiobsbotschaften, die Laga 2022 Bad Gandersheim, an der sich auch Einbeck vielfältig beteiligen will und ja seit mehreren Monaten auch mit einer der Geschäftsführerinnen der Einbeck Marketing GmbH gewissermaßen personell verbunden ist, könnte möglicherweise am 14. April nicht wie geplant eröffnet werden, weil es aus verschiedenen Gründen zu (Bau-)Verzögerungen und Kostensteigerungen kommt, war für den 7. Dezember ein Sitzungsmarathon angesetzt worden. Seit heute Mittag ist dieser vom Tisch.

Die Kreistagsgruppe CDU/ FDP/Die Unabhängigen, die Kreistagsgruppe Grüne-Linke sowie auch die SPD-Kreistagsfraktion hatten deutlich gemacht, dass sie in der ursprünglich terminierten Sitzung am 7. Dezember keine Beschlüsse zur Landesgartenschau fassen werden, da sie zuvor noch Informations- und Beratungsbedarf sehen, ließ Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (SPD) am Nachmittag mitteilen. Sie verwies auf die reguläre Kreistagssitzung am 17. Dezember, in der nun Beschlüsse gefasst werden sollen.

„Vor der geplanten Kreistagssitzung soll es eine umfassende Information der Kreistagsmitglieder und der Mitglieder des Bad Gandersheimer Stadtrates geben“, hatte die SPD-Kreistagsfraktion heute früh gefordert, nachdem sie gestern die Landrätin um Absetzung des Termins 7. Dezember gebeten hatte. „Wir sind der Auffassung, dass zur Beratung dieser Informationen und der möglicherweise weitreichenden Auswirkungen ein größeres Zeitfenster zur Verfügung stehen muss und deshalb zu treffende Entscheidungen auch in der Kreistagssitzung am 17. Dezember getroffen werden können.“

Bereits eine Stunde früher hatte heute die CDU/FDP/Unabhängige-Gruppe ihr gestriges Schreiben an die Landrätin in die Redaktionen übermittelt. Die beiden Gruppensprecher Christian Grascha (FDP) und Beatrix Tappe-Rostalski (CDU) erklärten dazu: „Die Landesgartenschau ist für die weitere touristische und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landkreises von größter Bedeutung. Wir wollen deswegen, dass sie ein Erfolg wird. Wenn nun Entscheidungen über die Zukunft zu treffen sind, wollen wir den Mandatsträgern im Kreistag trotz der Zeitnot ausreichend Beratungszeit geben, und gleichzeitig auch eine vollständige Transparenz gegenüber den vielen ehrenamtlich Engagierten schaffen. Deren Engagement ist das Fundament für den Erfolg der Landesgartenschau. Deswegen wollen wir den Beratungs- und Entscheidungsverlauf entzerren und die reguläre Kreistagssitzung am 17. Dezember für einen letztendlichen Beschluss nutzen.“ Sie hatten auch eine digitale Informationsveranstaltung ins Spiel gebracht, weil vor dem Hintergrund der geforderten Corona-Kontaktbeschränkungen sich nicht 70 bis 80 Menschen zu einer Präsenzveranstaltung versammeln sollten. „Hier sollten Politik und Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen.“

Mit ähnlichen Argumenten wie die Kreistagsfraktionen hatten auch die Protagonisten im Bad Gandersheimer Stadtrat eine Verschiebung beantragt; hier wird vermutlich der Verwaltungsausschuss am 9. Dezember dazu entscheiden, der Rat am 16. Dezember. Ursprünglich hatten am kommenden Dienstag in der Oberschule in Bad Gandersheim mehrere Gremien gemeinsam und nacheinander tagen sollen, am Ende hätte die Gesellschafterversammlung der Laga-Durchführungsgesellschaft mit ihrem finalen Beschluss gestanden. Wie Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz (SPD) und vor einer Woche auch Landrätin Astrid Klinkert-Kittel im Rat und Kreistag mitgeteilt hatten bzw. durch die Laga-Geschäftsführung mitteilen ließen, stehe die Durchführung der Landesgartenschau auf der Kippe. Es gebe Verzögerungen beim Bau, außerdem Lieferschwierigkeiten beim Material. Bis zum 7. Dezember sollte die Geschäftsführung verschiedene Szenarien entwerfen. Ob es an dem Tag bei der (nicht-öffentlich) stattfindenden Aufsichtsratssitzung der Landesgartenschau-GmbH bleibt, war heute zunächst offen.

Die baulichen und organisatorischen Aufgaben für eine am 14. April startenden Laga 2022 wären laut Einschätzung der Geschäftsführung zu schaffen gewesen, wenn nicht die Corona-Pandemie erneut mit voller Wucht zuschlagen würde, heißt es in den öffentlichen Beratungsunterlagen für die inzwischen abgesagte Kreistagssitzung am 7. Dezember. „Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen, überausgelastete Dienstleister, überteuerte oder gar keine Ausschreibungsergebnisse, ausfallende Tourismusmessen etc. haben die Geschäftsführung aktuell dazu veranlasst, die sich abzeichnenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Durchführung der Landesgartenschau an die Gesellschafter heranzutragen.“ Als Beschlussvorschlag unterbreitet die Verwaltung dem Kreistag, ihre Vertreter in der Gesellschaftversammlung anzuweisen, für eine Verschiebung um ein Jahr zu stimmen und eine zusätzliche Finanzspritze von drei Millionen Euro zu beantragen. Dem Kreistag soll außerdem vorgeschlagen werden, die Landrätin zu beauftragen, der Stadt Bad Gandersheim und der Landesgartenschau Bad Gandersheim gGmbH mitzuteilen, dass der Landkreis Northeim bereit sei, die zugesagte finanzielle Unterstützung zur Ausrichtung der Landesgartenschau 2022 auszuweiten und sich an einem etwaigen Defizit bis zu einer Höhe von insgesamt bis zu einer Million Euro zu beteiligen, sofern die Stadt Bad Gandersheim ihren Anteil ebenfalls wie erwartet auf 700.000 Euro erhöhe. „Sollte das Defizit insgesamt geringer ausfallen, so reduziert sich der Anteil des Landkreises Northeim im Verhältnis von 1,0 Mio. Euro zum derzeit angenommenen Gesamtbetrag i. H. v. 4,7 Mio. Euro entsprechend“, heißt es in dem Beschlussvorschlag.

2017 hatte der Landkreis Northeim eine Defizit-Abdeckung von maximal 500.000 Euro beschlossen. Zwischenzeitlich sei es aber so, dass sich das bei der Kalkulation 2017 ursprünglich angenommene Defizit von einer Million Euro deutlich negativer entwickeln werde, heißt es in den Beratungsunterlagen. „Derzeit ist ein Defizit von bis zu 4,7 Mio. Euro prognostiziert. Das Land Niedersachsen hat diesbezüglich eine anteilige Beteiligung an diesem Betrag i. H. v. bis zu 3 Mio. Euro zusätzlich avisiert, verbunden mit der Erwartungshaltung, dass der Landkreis Northeim seine Beteiligung auf bis zu 1 Mio. Euro erhöht. Weiterhin wird von der Stadt Bad Gandersheim eine Erhöhung ihrer Beteiligung auf bis zu 700.000 Euro erwartet.“

Bislang kalkuliert die Laga nach eigenen Aussagen mit einem Defizit von 2,6 Millionen Euro. Eine fristgerechte Eröffnung am 14. April 2022 scheint unter den genannten Bedingungen nahezu ausgeschlossen oder würde unkalkulierbaren Risiken unterliegen, schreibt die Laga-Geschäftsführung in ihrer Beschlussvorlage für den Kreistag. „Eine zeitliche Verkürzung der Laga bei unklarem Fertigstellungstermin wäre werbetechnisch nicht umsetzbar und würde zudem zu einer weiteren Erhöhung des Defizites führen. Eine vollständige Absage der Laga hätte neben dem erheblichen Imageschaden vor allem erhebliche Regress- und Rückzahlungsansprüche zur Folge (fehlende Vertragserfüllung, entfallende Fördervoraussetzungen etc.). Selbst eine Verschiebung um ein paar Wochen in den Monat Mai wäre mit immensen Risiken behaftet, da auch bei diesem Szenario mit allen Einschränkungen zu rechnen ist, die durch die Corona-Pandemie die Gesamtsituation verschärfen. Ebenso stehen zusätzliche Aufgaben an (Anpassung sämtlicher Verträge, neue Marketingkampagne), die voraussichtlich mit dem eigenen Personal bewältigt werden müssten, da zusätzliches Personal auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Weitere Sponsorenmittel können in diesem Zeitfenster ebenfalls nicht generiert werden. Diese Aufgaben, die in kurzer Zeit zusätzlich zu bewältigen wären, führen allerdings nicht zu einer inhaltlichen Qualitätsverbesserung und zu keiner Sicherstellung aller Serviceketten für die Besucherinnen und Besucher. Nach Abwägung aller denkbaren Szenarien und angesichts dieser unkalkulierbaren und mit hohen Risiken behafteten Ausgangslage schlägt die Geschäftsführung die Verschiebung der Landesgartenschau um ein Jahr auf 2023 vor.

Spatenstich für die Laga am 11. September 2020 (v.l.): Geschäftsführer Thomas Hellingrath, Landrätin Astrid Klinkert-Kittel, Bürgermeisterin Franziska Schwarz und Ministerpräsident Stephan Weil. Archivfoto