Bürgerspital: Bürgermeisterin lädt zum Runden Tisch

Miteinander reden statt übereinander: Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hat Gewerkschaften und die Geschäftsführung des Bürgerspitals zu einem Runden Tisch über die Tarifsituation im Einbecker Krankenhaus eingeladen. Die Einbecker Rathauschefin hat sich heute öffentlich als Vermittlerin eingeschaltet, nachdem in den vergangenen Monaten Gespräche über die Fortführung eines Zukunftssicherungstarifes zwischen den Tarifparteien nicht zustande gekommen waren. Der Sanierungstarifvertrag war Ende April ausgelaufen, in den folgenden Monaten waren aber nicht wieder die ursprünglichen Tarifgehälter gezahlt worden. Mitarbeiter hatten während der Sanierungsphase auf 8,5 Prozent des Entgelts verzichtet. Die Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund hatten in den vergangenen Tagen massive Vorwürfe gegen die Geschäftsführung erhoben, erst gestern sprach die Ärzte-Gewerkschaft von verspieltem Vertrauen. Auch zwischen zwei Gesellschafter-Gruppen gibt es Streit.

Das Vermittlungsgespräch am Runden Tisch, das für Anfang Dezember geplant ist, soll deeskalierend wirken. „Wir sehen eine echte Chance, wieder eine Sachdiskussion im Sinne der Mitarbeiter und Patienten zu führen“, erklärte der medizinische Geschäftsführer des Bürgerspitals, Dr. Olaf Städtler, laut einer Pressemitteilung des Bürgerspitals von heute (2016-11-22_runder-tisch-zur-tarifsituation-des-einbecker-buergerspitals). Gemeinsam hätten Mitarbeiter und Gesellschafter mit der Sanierung der Klinik bislang viel erreicht. Städtler: „Wir sind überzeugt, dass der langfristige Erhalt des Einbecker Bürgerspitals für die Region nach wie vor erklärtes Ziel aller Beteiligten ist.“ Die Gewerkschaft Verdi und die Vertreter des Einbecker Bürgerspitals haben ihre Teilnahme am Runden Tisch bereits zugesagt. Der Marburger Bund hat sich noch keine abschließende Meinung dazu gebildet, wie mir Sprecherin Stephanie Walter heute sagte. Verdi-Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp findet es befremdlich, mit der Ankündigung eines Vermittlungsgesprächs gleich an die Öffentlichkeit zu gehen und warnte: „Niemand sollte den Runden Tisch mit Tarifverhandlungen verwechseln.“

Unterdessen teilte das Bürgerspital mit, dass sich die Klinik und der kaufmännische Geschäftsführer Hauke Heißmeyer einvernehmlich getrennt haben. Heißmeyer war seit Mitte Oktober freigestellt. Als Gründe für das Ende der Zusammenarbeit wurden heute „unterschiedliche Beurteilungsweisen von Vorgehensweisen und Entwicklungen im Einbecker Bürgerspital“ genannt. Beiratsvorsitzender Jochen Beyes hatte vor einer Woche in der Pressekonferenz in Richtung Heißmeyer erklärt:  „Es sind uns Dinge auf den Tisch gelegt worden, die geprüft und bewertet werden müssen.“ Heute hieß es dazu, dass „die im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn Heißmeyer erhobenen Vorwürfe“ nicht weiterverfolgt würden. Was genau das heißt, konnte mir heute auch auf Nachfrage niemand im Bürgerspital beantworten. Heißmeyer verzichtet nach Angaben der Bürgerspitals auf die Erfüllung seines langfristigen Geschäftsführer-Anstellungsvertrages.

Vertrauen verspielt

Hans Martin Wollenberg. Foto: MB

Hans Martin Wollenberg. Foto: MB

Der Marburger Bund (MB), die Gewerkschaft der angestellten Ärzte, hat den Druck auf das Einbecker Bürgerspital noch einmal erhöht. „Unser Vertrauen ist erschüttert“, erklärte der niedersächsische MB-Vorsitzende Hans Martin Wollenberg heute in einer ausführlichen Pressemitteilung (2016-11-21-pm-einbecker-buergerspital-vertrauen-verspielt). „Die verbliebene Klinik-Geschäftsführung sichert auf Kosten der Mitarbeitenden die Liquidität des Hauses – bei den Ärzten gar unter Umgehung bestehender Tarifverträge.“ Eine rechtliche Grundlage, Teile des Gehalts einzubehalten, gebe es seit Auslaufen des Sanierungstarifvertrags Ende April nicht mehr. Die Konsolidierung des Krankenhauses in Einbeck sei zu wesentlichen Teilen auf dem Rücken der Beschäftigten erzielt worden. Ein zukunftsfähiges Konzept, das die räumliche Nähe von vier weiteren Krankenhäusern berücksichtigt, habe der medizinische Geschäftsführer noch immer nicht vorgelegt, kritisiert der Marburger Bund. Im Einbecker Bürgerspital habe der Vertreter der Gesellschafter inzwischen die Mitgesellschafter ausgebotet, kritisiert Wollenberg das Verhalten des einstigen Truehänders Jochen Beyes scharf: „Mit Herrn Beyes ist erneut jemand am Ruder, der im persönlichen Umgang mit Gewerkschaften bewiesen hat, dass er diese nicht als Vertragspartner betrachtet.“ Mit der Beurlaubung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer sei ein Kaufmann, der auch bei den Beschäftigten als Hoffnungsträger gegolten haben, kaltgestellt worden. Dieses Gebaren decke sich mit den Erfahrungen, die der Marburger Bund in der Vergangenheit mit den Verantwortlichen am Einbecker Bürgerspital habe sammeln müssen.

Krankenhaus-Streit: Immer neue Details

Der Streit im Einbecker Bürgerspital wird immer mehr zur Geschichte mit offenem Ausgang. Jüngste Wendung: Der Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-  und Kinderchirurgie an der Uniklinik Göttingen, Prof. Michael Ghadimi, ist nach meinen Informationen mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion als Beiratsmitglied des Einbecker Krankenhauses zurückgetreten. Damit besteht der dreiköpfige Beirat, der einem Aufsichtsrat gleichkommt und die Geschäftsführung beaufsichtigt, nur noch aus zwei Mitgliedern: Jochen Beyes als Vorsitzender und Dr. Florian Schröder als von der Stadt Einbeck entsandtes Mitglied. Ghadimi begründete seinen Schritt damit, dass er die Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer nicht unterstützen könne. Warum der Beirat zuvor verkleinert und drei Beiratsmitglieder entlassen worden seien, habe man ihm gegenüber nicht begründet. Auch bei der medizinischen Entwicklung des Bürgerspitals meldet Ghadimi Bedenken an. Wegen einer Vielzahl von ungeklärten Dingen und Entwicklungen, die er für falsch halte und nicht gutheißen könne, habe er sich zum Rücktritt entschlossen, teilte er mit.

Unterdessen werden immer neue Details bekannt. Vieles spielt sich, und das ist bei einer GmbH juristisch völlig legitim, hinter den Kulissen ab. Interessante Fakten sind im Handelsregister nachzulesen: Dort sind aktuell nur noch zwei Gesellschafter notiert. Der eine mit 20 Prozent Anteil ist der Chefarzt und Ärztliche Direktor Dr. Olaf Städtler, der andere Gesellschafter ist die Einbecker Bürgerspital GmbH selbst, deren alleiniger Geschäftsführer Städtler nach der Freistellung seines kaufmännischen Kollegen Hauke Heißmeyer momentan ist. So war das auf der Pressekonferenz am Montag auch erklärt worden. Damit ist aber auch klar, dass der direkte Einfluss der Initiativgesellschafter minimalst ist.

Das Tischtuch zwischen zwei Gesellschafter-Gruppen ist zerschnitten, ob es wieder genäht werden kann, ist offen. Und es geht nicht allein um Geld. Klar ist zwar: Während die einen Anteilseigner den Mitarbeitern wieder mehr Gehalt zahlen möchten, nachdem diese lange Zeit im Interesse der Sanierung auf 8,5 Prozent ihres Lohnes verzichtet haben, möchten das die anderen trotz schwarzer Zahlen nicht. Jedenfalls nicht in dem Umfang, wie die anderen das möchten. Den Gesellschaftern, die sich ausgebootet fühlen, geht es aber auch um Transparenz gegenüber den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit, denn eine Klinik von Bürgern für Bürger soll sich mitteilen und erklären. Die andere Gruppe überschreibt Pressemitteilungen offenbar nur lieber immer wieder mit einem guten Weg, auf dem man sei.

Die Gewerkschaft Verdi hat „die derzeitige Führungsriege“ scharf kritisiert: Dr. Olaf Städtler, Jochen Beyes und Michael Heraeus betrieben eine Falschinformation der Öffentlichkeit, um von eigenen Versäumnissen in der Vergangenheit abzulenken, heißt es in einer auführlichen Pressemitteilung (pm_kh_einbeck-fuehrung-betreibt-falschinformation). Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp kritisiert, dass vor allem Andreas Büchting als einer der Initiativgesellschafter jetzt nicht deutlich wahrnehmbarer Stellung beziehe. Intern hat er das getan. Mitte Oktober hat Büchting in einem Brief unter anderem an die Chefärzte sehr kritisch seine Enttäuschung über die Entwicklung beschrieben. In dem Schreiben, das mir vorliegt, ist unter anderem von juristisch fragwürdigen Schachzügen beim Ausschluss der Gemeinschaft Einbecker Familien als Gesellschafter und von Vertrauensbruch des Treuhänders die Rede. Die ausgeschlossene Gemeinschaft Einbecker Familien habe eine andere Vorstellung von der Führung des Hauses und den Umgang mit Menschen, heißt es in dem Brief. Das Vorgehen habe man deshalb bislang nicht angefochten, weil damit voraussichtlich ein jahrelanger Rechtsstreit verbunden sei, der erhebliche Unruhe im Krankenhaus und in der Öffentlichkeit und eine eventuelle Gefährdung von Arbeitsplätzen bedeutet hätte. Die Unruhe freilich gibt es jetzt trotzdem. Julia Niekamp: „Die Beschäftigten erwarten jetzt wirksame Unterstützung. Sie haben bisher mit 3,6 Millionen Euro Gehaltsverzicht am meisten Geld und Nerven in ihr Krankenhaus investiert.“ Andreas Büchting war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

Das vom medizinischen Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler am Montag in der Pressekonferenz genannte Angebot von Zahlung von 20 Prozent des Weihnachtsgelds und einer 2,4-prozentigen Gehaltssteigerung hat die Gewerkschaft Verdi als „Falschaussage und Täuschung der Öffentlichkeit“ kritisiert. Diese Steigerung sei seit Mai und dem Ende des Sanierungstarifvertrags kein Angebot, sondern Verpflichtung. Deshalb habe Verdi auch nicht reagiert.

Unterdessen hat der Marburger Bund die Ärzte im Bürgerspital darüber informiert, dass die Mediziner auch nicht individuell per Einzelvertrag Gehaltsverzicht erklären könnten, weil ein Tarifvertrag gelte. Das Haus schulde den Ärzten seit September monatlich insgesamt 10,8 Prozent mehr Gehalt, heißt es in einer Mitgliederinformation, die mir vorliegt. „Wir sehen mit Sorge, dass erneut jemand am Ruder ist, der im persönlichen Umgang mit Gewerkschaften bewiesen hat, dass er diese nicht als Vertragspartner betrachtet“, schreibt die Gewerkschaft der angestellten Klinikärzte in Niedersachsen. Nachdem der kaufmännische Geschäftsführer Hauke Heißmeyer „kaltgestellt“ und freigestellt worden sei, mache es dieses Gebaren dem Marburger Bund „nahezu unmöglich, Vertrauen in die Sanierungsfähigkeit des Hauses zu entwickeln“.

Verdi hat nach Angaben von Julia Niekamp bereits seit Herbst 2015 in Gesprächen, schriftlich und zuletzt nochmal in diesem Herbst in einem Telefonat der Geschäftsführung immer wieder deutlich gemacht, dass es tarifvertragliche Regelungen nur für alle Berufsgruppen geben könne. Niekamp: „Alle oder keiner, Krankenschwester und Arzt. Das ändert sich auch nicht, auch wenn der Arbeitgeber alle paar Monate bei uns – und offenbar nur bei uns – Druck macht.“

Inzwischen gibt es auch erste Wortmeldungen aus der Politik zum Bürgerspital-Streit. Die Debatte über die Eigentümerstruktur nimmt die Einbecker CDU zum Anlass, „sich vorbehaltlos hinter das Krankenhaus und die handelnden Akteure zu stellen“, erklärte CDU-Ratsfraktionschef Dirk Ebrecht in einer Pressemitteilung (pm-cdu-einbeck-zum-buergerspital-16-11-18). Das Vorgehen der Gewerkschaft Verdi betrachtet die CDU als „absolut verantwortungslos“. Das Bürgerspital laufe wirtschaftlich stabil. Die Geschäftsführung habe die Klinik nicht nur in schwarze Zahlen geführt, sondern auch medizinisch weiter entwickelt und strategische Zukunftsverantwortung bis hin zu einem geplanten Neubau übernommen. Umso unverständlicher seien deshalb „die persönlichen und zum Teil ehrabschneidenden Vorwürfe, die in den letzten Tagen in verschiedenen Medien erhoben worden sind“, erklärte Ebrecht. Die CDU werde sich kommende Woche erneut ein Bild vor Ort machen und mit den Akteuren des Bürgerspitals sprechen. Ebrecht: „Wir sehen nicht länger zu, wie das Bürgerspital und dessen handelnden Personen zu Unrecht schlecht geredet werden.“ Den örtlichen Landtagsabgeordneten von SPD und FDP warf Ebrecht vor, in Sachen Bürgerspital „offenkundig abgetaucht“ zu sein. Aus Sicht der CDU kommen diese ihrer politischen Verantwortung nicht nach.

Nachtrag 20.11.2016: Die Einbecker SPD kritisiert die durch den Streit entstandene aktuelle Situation scharf, vor allem mit Beschäftigten und Gewerkschaften werde respektlos umgegangen. Besonders für die Neubaupläne müsse die derzeitige Geschäftsleitung jetzt dem Land tragfähige Konzepte liefern. Sonst sei die Millionen-Förderung ernsthaft in Gefahr. SPD-Vorsitzender Marcus Seidel kritisiert, dass die Informationslage nach seiner öffentlichen Anfrage in Stadtrat nach wie vor mangelhaft sei, was besonders ärgerlich sei, weil die Stadt über den Beirat direkt vertreten sei und Einfluss nehmen könne.

Bürgerspital: Streit zwischen Gesellschafter-Gruppen

Christian von der Lühe (Mainz), juristischer Gesellschaftrecht-Berater, Beiratsvorsitzender Jochen Beyes (Einbeck), medizinischer Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. Olaf Städtler und Gesellschafter Michael Heraeus (Drüber).

Christian von der Lühe (Mainz), juristischer Gesellschaftsrecht-Berater, Beiratsvorsitzender Jochen Beyes (Einbeck), medizinischer Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. Olaf Städtler und Gesellschafter Michael Heraeus (Drüber).

Das Tischtuch zwischen vier namhaften Einbecker Familien auf der einen Seite und anderen Bürgerfamilien als Gesellschafter sowie dem medizinischen Geschäftsführer des Einbecker Krankenhauses auf der anderen Seite ist zerschnitten. Es gibt, so viel ist nach einer ansonsten wenig Neues bringenden Pressekonferenz am Montag jedenfalls klar, jetzt offenen Streit zwischen den zwei Gruppen im Bürgerspital. Medizinische Geschäftsführung und fünf Gesellschafter der gGmbH haben sich gegen den unter anderem von der Gewerkschaft Verdi und anderen Klinik-Gesellschaftern öffentlich erhobenen Vorwurf gewehrt, sie hätten die übrigen Anteilseigner kalt entmachtet, um „durchregieren“ zu können. Der Gesellschaftsvertrag des Bürgerspitals lässt es offenbar zu, dass im Sommer die Anteile bei der gGmbH selbst gebündelt wurden, ohne dass sich die Gesellschafter dagegen wehren konnten. Das Kapital der neun Gesellschafter des nach der Insolvenz 2013 neu gestarteten Bürgerspitals ist dabei unverändert im Unternehmen. Lediglich die komplizierte Konstruktion der über eine GbR und deren Treuhänder Jochen Beyes in den vergangenen Jahren verwalteten Gesellschafter-Anteile sei aufgelöst und die Führungsstruktur gestrafft worden, erläuterte heute Gesellschaftsrecht-Berater Christian von der Lühe (Mainz): „Keiner verliert hier Geld“. Gründe für den Rücktritt von Jochen Beyes als Treuhänder der GbR Anfang Juni dieses Jahres seien unterschiedliche Auffassungen über Geschäftspolitik und Strategie der Klinik gewesen, die gerade wieder schwarze Zahlen schreibt. Im Wesentlichen geht es, wie hier schon berichtet, um Meinungsverschiedenenheiten zwischen den beiden Gesellschafter-Gruppen, wie und in welcher Höhe die rund 350 Mitarbeiter der Klinik beteiligt werden sollen, die lange während der Sanierungsphase auf Teile ihres Gehalts verzichtet haben und das bis heute tun. Der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler berichtete heute von einer aktuell angebotenen Zahlung von 20 Prozent des Weihnachtsgeldes und einer 2,4-prozentigen Gehaltssteigerung; die Gewerkschaft Verdi habe leider bislang nicht auf dieses Angebot reagiert. Ungewöhnlich: Die Arbeitgeberseite zitierte heute aus einem Brief der Arbeitnehmervertretung vom 20. Oktober 2016 die Aufforderung an die Gewerkschaft Verdi, die Gehaltsverhandlungen wieder aufzunehmen. Betriebsratschef Berthold Kabelitz war selbst nicht bei der Pressekonferenz dabei.

Unternehmer Michael Heraeus (r.) vertritt nach eigenen Angaben fünf von neun Gesellschaftern.

Unternehmer Michael Heraeus (r.) vertritt nach eigenen Angaben fünf von neun Gesellschaftern.

„Wir bleiben Gesellschafter, glauben an das Krankenhaus und wehren uns gegen Einfluss von außen“, sagte Unternehmer Michael Heraeus, der nach eigenen Angaben fünf der neun Gesellschafter vertritt. Unterschiedliche Meinungen im Gesellschafterkreis kläre man normalerweise unter sich, das Krankenhaus stehe aber unter ständiger Beobachtung. Die Verunsicherung sei durch die Gewerkschaft Verdi entstanden, die den Streit öffentlich gemacht habe (pm_kh_einbeck-wer-lenkt-die-geschicke-des-krankenhauses), sagte Beiratsvorsitzender Jochen Beyes. „Wir lassen uns aber nicht beeinflussen.“ Geplant ist, interessierten Bürgern und Investoren sowie Mitarbeitern durch ein Beteiligungsmodell eine direkte Beteiligung am Einbecker Bürgerspital zu ermöglichen. Es soll eine breite Beteiligung geben, die dem Namen „Bürgerspital“ gerecht werde, sagte Heraeus, in welcher Form und Größenordnung ist aber noch offen. Nach dem aktuellen öffentlichen Streit scheint mir das aber ungewisser als zuvor.

Zu den Gründen der Beurlaubung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer sagte Jochen Beyes heute lediglich: „Es sind uns Dinge auf den Tisch gelegt worden, die geprüft und bewertet werden müssen.“ Das sei für ein Aufsichtsgremium wie den Beirat völlig normal. Dass dieser Beirat jüngst auf die Mindestgröße von drei Mitgliedern reduziert und damit halbiert und um externen Fachverstand reduziert worden sei, bestätigte Beyes heute. Konflikte zwischen den Gesellschaftern seien in den Beirat hineingetragen worden, nannte er zur Begründung. Interessant und neu war heute ein Aussage Beyes‘, warum der Vorgänger von Hauke Heißmeyer, Hans-Martin Kuhlmann, als Bürgerspital-Geschäftsführer zum Ende vergangenen Jahres gehen musste. Der habe „seine Vertragspflichten grob verletzt“, sagte Beyes. Man habe ihm menschlich nahe gestanden, habe sich letztlich bei der Trennung auf einen Vergleich geeinigt. Die Personalie Heißmeyer „werden wir genauso fair lösen“, sagte Beyes.

Einige fragen sich vielleicht, warum dieses Thema so ausführlich in einem Politikblog zur Sprache kommt, ist das Bürgerspital doch eine privatwirtschaftliche GmbH, die auch nur wenige Offenlegungspflichten kennt (was die Transparenz manchmal nicht einfacher macht). Die Antwort ist einfach: Zum einen handelt es sich um eine gGmbH, eine gemeinnützige, also nicht auf Gewinnstreben ausgerichtete Unternehmung einer Einrichtung der so genannten Daseinsvorsorge, eines Krankenhauses. Zum anderen ist die Stadt Einbeck nach der Insolvenz mit massivem auch finanziellem Einsatz (und damit Steuergeld) den privaten Gesellschaftern zur Seite gesprungen. Außerdem würde allein das Land Niedersachsen (auch das mit Steuergeld) den weiterhin geplanten Neubau der Klinik finanzieren. Im Oktober-Treffen des Krankenhaus-Planungsausschusses war das Einbecker Bürgerspital kein Thema. Es sei diesmal nicht besprochen worden, es gebe eine spezielle eigene Sitzung für das Einbecker Krankenhaus, sagte heute Beiratsvorsitzender Jochen Beyes. Diese sei auch schon terminiert gewesen, aber kurzfristig verschoben worden, das sei vor der Heißmeyer-Personalie geschehen. Der Zusammenhang zwischen Geschäftsführer-Freistellung und Sitzung des Planungsausschusses, wie in Verdi unterstellt habe, sei konstruiert, sagte Beyes, da seien zwei Ereignisse unglücklich zusammengefallen, sagte Städtler. Nach meinen Informationen liegt ein anderer Grund vor: Das Krankenhaus soll bei den Planungen nachbessern müssen.

Zoff um das Krankenhaus

Operation Bürgerspital.

Operation Bürgerspital. Symbolfoto

Zoff um das Einbecker Krankenhaus: Der seit der Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers auch öffentlich bekannter gewordene Streit im Einbecker Bürgerspital steuert offenbar auf einen Höhepunkt zu – und nicht unbedingt auf einen positiven. Die aus mehreren namhaften Einbecker Familien bestehende Initiativgemeinschaft, die 2013 finanziell mitgeholfen hatte, die Klinik nach der Insolvenz wieder auf die Beine zu bringen, ist entmachtet worden und hat keinen Einfluss mehr. Das erklärte Walter Schmalzried heute im Namen der Initativgemeinschaft auf meine Anfrage. Er bestätigt damit Informationen der Gewerkschaft Verdi, die sich gestern am späten Abend in einer Pressemitteilung ähnlich geäußert hatte (pm_kh_einbeck-wer-lenkt-die-geschicke-des-krankenhauses), von einer kalten Entmachtung und „durchregieren“ ist dort die Rede. Bereits seit Mitte August ist der Chefarzt und medizinische Geschäftsführer des Bürgerspitals, Dr. med. Olaf Städtler, alleiniger Gesellschafter der gGmbH, nachdem er zusammen mit dem früheren Treuhänder und dem Wieder-Beiratsvorsitzenden Jochen Beyes die Anteile der Einbecker Familien eingezogen hatte. Davon sei die Initiativgemeinschaft überrascht worden, sagte Schmalzried dazu. „Die Gründe dafür kennen wir bis heute nicht, wir können den Schritt auch nicht nachvollziehen“, sagt der Modehaus-Kaufmann. Schmalzried war zunächst selbst als Beiratsvorsitzender vorgesehen, nachdem Beyes hingeworfen hatte. Um eine Belastung der Klinik zu vermeiden haben die Mehrheitsgesellschafter, die Einbecker Familien, bislang darauf verzichtet, den Beschluss anzufechten. Das Einbecker Bürgerspital (und damit aktuell Dr. Städtler und Beyes) wollte sich heute auf meine Anfrage nicht inhaltlich äußern. Für kommenden Montag ist eine Pressekonferenz terminiert.

Die Gründe für den Zoff werden indes bereits immer deutlicher. Im Kern ging es offenbar darum, wie die Mitarbeiter beteiligt werden sollten, nachdem das Krankenhaus nach den Sanierungsjahren wieder schwarze Zahlen schrieb. Sie hatten während der Sanierungsphase auf 8,5 Prozent ihres Entgelts verzichtet, laut Verdi rund 3,6 Millionen Euro. Während die Initiativgemeinschaft gerne die Beschäftigten von den guten Bilanzzahlen profitieren lassen wollte, war die andere Seite offensichtlich anderer Meinung, Jochen Beyes als Treuhänder der Einbecker Familien warf hin. Der Rest ist seit heute bekannt.

Wer lenkt die Geschicke des Einbecker Krankenhauses? Das hatte gestern Abend nicht nur, aber nun öffentlich auch die Gewerkschaft Verdi gefragt. „Die Gerüchteküche brodelt und die Beschäftigten sind massiv verunsichert, sie fürchten um ihre Arbeitsplätze“, schreibt Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp in ihrer Pressemitteilung. Das Verhältnis zwischen Städtler und Beyes auf der einen Seite und den anderen Gesellschaftern, darunter auch die Familie Büchting, sei massiv gestört. Mit der Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer Mitte Oktober gehe seit dem Ende der Insolvenz 2013 bereits der dritte kaufmännische Geschäftsführer, der das Bürgerspital gemeinsam mit Städtler leitete, erinnert Verdi. Verdi und verschiedene Beratungsunternehmen hätten dringende konkrete Veränderungsprozesse vor allem im Verantwortungsbereich des medizinischen Geschäftsführers angemahnt, um das Haus wirklich ökonomisch zukunftssicher zu machen, erklärte Niekamp. „Wir haben die große Sorge, dass niemand den jetzt durchregierenden Herren in den Arm fällt und wir demnächst mit dem Krankenhaus dort stehen, wo wir schon einmal waren. So etwas ist nicht länger tragbar.“ Niekamp: „Jetzt als Patient nicht ins Bürgerspital zu gehen, wäre das völlig falsche Signal, denn die Versorgungsqualiät ist top, die Beschäftigten identifizieren sich in Einbeck noch mit ihrem Krankenhaus. Man würde die Falschen treffen, nämlich die engagierten Beschäftigten, die schon Geld und ihre ganze Kraft und Nerven in dieses Krankenhaus gegeben haben, oft schon seit Jahrzehnten auch durch alle Krisen dem Haus die Treue halten.“

Ich kann Verdi in diesem Falle nur recht geben: Die Beschäftigten warten darauf, dass die Gesellschafter und die Stadt Einbeck als „Bürge“ ihre Rolle wahrnehmen, sich kümmern und Druck machen, dass es so nicht weitergehen kann. Das Einbecker Bürgerspital braucht jetzt sehr schnell die sichtbare Unterstützung der Politik. Die bisherige öffentliche Zurückhaltung ist verständlich, weil immer Auswirkungen auf die Belegung der Klinik zu befürchten waren. Doch die muss nach dem jetzt öffentlich gewordenen Zoff im Sinne der Zukunft des Einbecker Krankenhauses vorbei sein. Und wird es sicherlich auch.

Langjährige Beobachter denken dieser Tage ohnehin, sie hätten ein Déjà-vu: Regelmäßig, sobald sich der Advent nähert, gerät das Einbecker Krankenhaus in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen – bis hin zur Insolvenz, aus der heraus das Bürgerspital als gemeinnützige GmbH entstanden war. „Alle profitieren von besserer Kommunikation“, war dieser Tage im anderen Zusammenhang eine Bürgerspital-Veröffentlichung in der Zeitung überschrieben. Selten war eine Schlagzeile treffender.

Verschiedene Vorgehensweisen

Nach Tagen und Wochen der Irritation hat sich heute das Einbecker Bürgerspital zu Wort gemeldet – mit einer reichlich verschwurbelten, schönsprecherischen Pressemitteilung (2016-11-04_einbecker-buergerspital-weiter-auf-gutem-weg) unter dem Titel „Einbecker Bürgerspital weiter auf gutem Weg“, die durchaus an einigen Stellen mehr Fragen stellt als sie zu beantworten. Ich habe mal im Folgenden die (wenigen) Neuigkeiten herausdestiliert, die bislang nicht oder jedenfalls nicht so bekannt waren:

  • Der kaufmännische Geschäftsführer Hauke Heißmeyer wurde Mitte Oktober von seiner Tätigkeit freigestellt, vorläufig, wie es heißt, „nachdem unterschiedliche Auffassungen zu verschiedenen Vorgehensweisen im Einbecker Bürgerspital erkennbar wurden“. Derzeit mache sich der Beirat ein Bild von der Situation. Nach einer eingehenden internen Prüfung sollen die Mitarbeiter und die Öffentlichkeit umgehend über den Sachstand informiert werden.
  • Jochen Beyes ist wieder, wie bereits kolportiert, Beiratsvorsitzender des Einbecker Bürgerspitals.
  • Nach dem Engagement der Gründungsgesellschafter (die vielzitierten Einbecker Familien) und einer Vielzahl von Bürgern soll das Bürgerspital noch bürgernäher werden, wie es heißt. Es werde derzeit „daran gearbeitet, bestehende Gesellschaftsstrukturen so anzupassen, dass Bürgern und Mitarbeitern, die sich engagieren möchten, ein Gesellschaftsbeitritt ermöglicht werden kann.“
  • Dem Betriebsrat und der gesamten Belegschaft wurden zuletzt tarifliche Gehaltserhöhungen und eine Teilzahlung des tariflichen Weihnachtsgeldes angeboten, heißt es in der Pressemitteilung vom Beiratsvorsitzenden Jochen Beyes und Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler. Die Geschäftsführung führe mit dem Betriebsrat Gespräche über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung, nach der Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg durch eine einmalige jährliche Bonuszahlung beteiligt werden können. „Damit sollten im Frühjahr und Sommer aufgekommene Irritationen über die aktuelle tarifvertragliche Situation der Mitarbeiter des Krankenhauses ebenso zeitnah erledigt sein.“

Das Bürgerspital ist also auf der Suche nach neuen Gesellschaftern, jeder kann das werden? Und durch eine einmalige Bonuszahlung soll die Verhandlung über die regelmäßigen (tariflichen) Gehaltszahlungen abgeschlossen werden?

Unprofessionelle Operation

Als „unprofessionell und kontraproduktiv“ hat der neue stellvertretende Bürgermeister Marcus Seidel (SPD) das Vorgehen des Krankenhauses kritisiert, darüber den Rat und die Öffentlichkeit nicht zu informieren, dass der kaufmännische Geschäftsführer des Einbecker Bürgerspitals freigestellt worden ist. Das habe man aus den Medien entnehmen müssen, was man mit Sorge und Verwunderung getan habe, sagte Seidel. Die Stadt Einbeck ist im Beirat des Bürgerspitals vertreten, durch den Allgemeinen Vertreter der Bürgermeisterin, Dr. Florian Schröder. Der bestätigte auf Anfrage von Seidel in der Ratssitzung, dass Geschäftsführer Hauke Heißmeyer weiterhin beurlaubt sei. Zu Gründen sagte auch Schröder im öffentlichen Sitzungsteil nichts. Es gebe aber keinen Zusammenhang zwischen der Sitzung des niedersächsischen Krankenhaus-Planungsaussschusses im Oktober und der Demission des Geschäftsführers. Das Krankenhaus sei in dem Gremium gar nicht vertreten. Ergebnisse aus dem Planungsausschuss seien noch nicht bekannt, so Schröder. Geschäftsführung und Gesellschafter würden weiter an den Neubauplänen für die Klinik festhalten. Neue Tarifverträge mit den Beschäftigten seien noch nicht abgeschlossen worden, beantwortete Schröder eine weitere Frage Seidels. Der SPD-Politiker hatte außerdem danach gefragt, wer denn für die Gesellschaft derzeit spreche und handele. Der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler sei das, so die Antwort Schröders, Städtler sei auch Gesellschafter. Es gebe außerdem Gespräche, dass die ursprüngliche Initiativgemeinschaft (gemeint sind Einbecker Familien, die sich seit Gründung des Bürgerspitals engagiert hatten) wieder in den handelnden Gesellschafterkreis zurückkehren könnte, diese Gespräche seien aber noch nicht abgeschlossen. Dann würde dann auch die offenbar wieder existierende Position des Treuhänders Jochen Beyes nachvollziehbar. Ein wenig haben die Fragen und Antworten die Situation im Krankenhaus aufhellen können, allerdings nur ein wenig – unter anderem auch, weil wahrscheinlich entscheidende erklärende Dinge nur im nicht-öffentlichen Sitzungsteil angesprochen worden sind.

(Aktualisiert: 03.11.2016, 12:02 Uhr)

Freigestellt

Hauke Heißmeyer.

Hauke Heißmeyer. Foto: EBS

Was ist da los? Wo Informationen fehlen, blühen jedenfalls die Gerüchte und Spekulationen. Die wenigen Fakten, die ich bislang recherchieren konnte: Der kaufmännische Geschäftsführer des Einbecker Bürgerspitals (EBS), Hauke Heißmeyer, ist seit bereits einer Woche und bis zum Ende dieser Woche von seiner Tätigkeit freigestellt. Das bestätigte EBS-Sprecherin Dorothea Liesenberg heute auf meine Anfrage. Was danach geschieht? Und warum die Freistellung erfolgte? Dazu vermochte die Pressesprecherin nichts sagen. Der kaufmännische Geschäftsführer fehlt in mutmaßlich entscheidenden Zeiten für das Einbecker Krankenhaus, tagt doch in diesen Tagen im Oktober der Planungsausschuss des Landes Niedersachsen, in dem unter Umständen über Fördermillionen für einen möglichen Neubau entschieden wird. Auch vom Stand der Tarifverhandlungen hörte man schon länger nichts mehr. Oder hängt das mit der Personalie zusammen? Wie gesagt: Wo Informationen fehlen, blühen die Spekulationen. Bis heute ist nach wie vor außerdem öffentlich unklar, ob Jochen Beyes wieder Treuhänder und Beiratsvorsitzender im Einbecker Bürgerspital ist, nachdem er zunächst von diesen Posten zurückgetreten war, dann aber offenkundig wieder mitmischte. Eine mir gegenüber Anfang September angekündigte Erklärung gab es bis dato nicht.

Operation Bürgerspital

AOK-Chef Dr. Jürgen Peter mit EBS-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer (l.).

AOK-Chef Dr. Jürgen Peter mit EBS-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer (l.).

Er ist einer der wichtigen Player im Gesundheitssektor – ein Kostenträger, wie das heißt. Er sitzt im für die Kliniken-Finanzierung im Land so wichtigen Krankenhaus-Planungsausschuss, das Einbecker Bürgerspital wird zu 54 Prozent von AOK-Patienten belegt: Der Vorstandsvorsitzende der AOK Niedersachsen, Dr. Jürgen Peter, hat heute das Einbecker Krankenhaus besucht, eingeladen und begleitet von dem SPD-Gesundheitspolitiker im Landtag, Uwe Schwarz (Bad Gandersheim), und einigen kommunalwahlkämpfenden SPDlern. Dr. Jürgen Peter bescheinigte den Neubau-Plänen und dem dahinter stehenden Konzept einer Kombination von ambulanter und stationärer Versorgung ein Zukunftspotenzial. Der Regionalkrankenkasse sei die erreichbare medizinische Versorgung im ländlichen Raum sehr wichtig, da sei das Einbecker Bürgerspital auf dem richtigen Weg. Allerdings seien noch ein paar Hausaufgaben zu machen, damit der gestellte Antrag auf finanzielle Förderung eines Klinik-Neubaus durch das Land Niedersachsen erfolgreich sein könne. Hilfreiche Hinweise habe es hier gegeben, hieß es nach der internen Besprechungsrunde aus Teilnehmerkreisen. Beispielsweise müsse die Einbecker Klinik belegen, ob und wenn welche Auswirkungen der Krankenhaus-Neubau von Helios in Northeim Auswirkungen auf die Patientenzahlen im Einbecker Bürgerspital haben. Entscheidend sei ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept, ein „belastbarer Antrag“, wie AOK-Chef Dr. Jürgen Peter das nannte. Das sei eine große Herausforderung für ein kleines Haus. Der Krankenkassen-Vorstand zeigte sich nach einem Rundgang durch die Klinik, vor allem durch die Schmerz- und Palliativmedizin-Station, beeindruckt von dem, was nach der Insolvenz in Einbeck mit Unterstützung Einbecker Bürger geschaffen worden ist. SPD-Gesundheitspolitiker Uwe Schwarz sprach sich für eine Trägervielfalt auf dem Klinikmarkt aus, da habe Einbeck eine wichtige Funktion, wenn es eine wirtschaftliche Zukunftslösung gibt – zu der auch eine tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiter gehöre. Wenn die Rahmenbedingungen stimmten und alles versucht werde, habe Einbeck eine Perspektive, sagte Schwarz: „Mir gefällt die Konzentration nicht.“ Der Krankenhaus-Planungsausschuss, der über die notwendigen Millionen für einen Neubau oder eine Sanierung entscheidet, tagt das nächste Mal im Oktober. Dieser Termin solle angestrebt werden, waren sich Peter und Schwarz einig.

Zwischen Neubau und Sanierung gibt es imgrunde mittlerweile kaum noch eine Wahl. Experten haben zum Neubau geraten, ein Umbau im laufenden Krankenhausbetrieb gilt als logistische Meisterleistung und extrem belastend für Patienten und Mitarbeiter. Das hatten die Bürgerspital-Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler und Hauke Heißmeyer laut einer Pressemitteilung (2016-09-02_FDP informiert sich über Neubaupläne des Einbecker BürgerSpitals) kürzlich auch einer FDP-Delegation mit der Gesundheits-Landtagsabgeordneten Sylvia Bruns bei einem Besuch deutlich gemacht. Der 45 Jahre alte Klinik-Komplex auf dem Berge verschlingt zudem jährlich rund 700.000 Euro allein an Bauunterhaltung. Das macht auch gut den zeitlichen Planungshorizont deutlich für Neubau-Planungen: Allzu viele Jahre darf man nicht mehr warten, bis ein Bagger tätig wird. Ob der kürzlich ausgewählte Standort Walkemühlenweg der richtige ist, bezweifele ich nach wie vor, aber das werden die jetzt laufenden fachlichen Prüfungen im Rathaus und im Krankenhaus bald ergeben. Der Einbecker FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha hat bei der Freidemokraten-Visite im Bürgerspital wie ich die fehlende direkte Zufahrt zur B3-Umgehungsstraße als hinderlich gekennzeichnet und hier richtigerweise Veränderung angemahnt.

Überraschende Begegnung am Rande: Beim internen Gespräch (und nur dort) vor Klinik-Rundgang und Presserunde mit dem AOK-Boss war auch Jochen Beyes dabei, der Anfang Juni als Treuhänder und Vorsitzender des Beirates im Einbecker Bürgerspital zurückgetreten war. Was erst mehrere Wochen später öffentlich wurde. Jetzt der Rücktritt vom Rücktritt? Mehrere Gesellschafter sollen Beyes gebeten haben, wieder aktiv zu werden, und ein wenig soll er selbst seinen Rückzug-Entschluss später auch bedauert haben, heißt es. Vorsitzender des Beirates ist Beyes bereits wieder, das wurde mir von mehreren Seiten bestätigt, als solcher hat er auch schon an einer Klinik-Mitarbeiterversammlung Mitte August teilgenommen. Nähere Einzelheiten zur Rückkehr des Jochen Beyes sollen in den nächsten Tagen in einer offiziellen Presseverlautbarung öffentlich werden.

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Klinik-Neubau: Walkemühlenweg ist Favorit

Auch das sanierte Gelände der ehemaligen Firma Pelz-Schmidt am Walkemühlenweg gehört zum Planungsareal.

Das Gelände am südlichen Walkemühlenweg (ehemals Pelz-Schmidt) gilt als Favorit für den möglichen Neubau eines ambulanten und stationären Gesundheitszentrums in Einbeck-City. Archivfoto

Stadt Einbeck und Einbecker Bürgerspital favorisieren ein Areal am südlichen Walkemühlenweg für einen möglichen Krankenhaus-Neubau. Der Verwaltungsausschuss hat in dieser Woche die Stadtverwaltung einstimmig beauftragt, gemeinsam mit dem Bürgerspital den Standort detailierter zu überprüfen und dem Stadtentwicklungsausschuss eine Machbarkeitsstudie sowie weitere Vorplanungen vorzulegen. Hintergrund sind Ende März dieses Jahres bekannt gewordene Überlegungen, die ambulante und stationäre medizinische Versorgung in Einbeck in einem neuen Gesundheitszentrum zu verknüpfen. Wie Stadt und Krankenhaus heute in einer Presseinformation mitteilen, hat in den vergangenen Monaten eine Arbeitsgruppe aus Stadtverwaltung, Bürgerspital und dem im Bereich Krankenhausplanung renommierten Architekten-Büro Sander-Hofrichter fünf Standorte untersucht: die Andershäuser Straße (derzeitiger Klinik-Standort), Kohnser Weg (westlich des Hauses der Jugend), Köppenweg (Parkplatz am Neuen Rathaus), die Kolberger Straße und den südlichen Bereich des Walkemühlenwegs (ehemaliges Pelz-Schmidt-Gelände). Der Standort Walkemühlenweg weise dabei besonders durch seine Nähe zu Pflegeeinrichtungen und in Erweiterungsmöglichkeiten die besten Standorteigenschaften auf. Der VA hatte bereits vor dem Sommer als Ziel der Standortsuche ausgegeben, die zukunftsfähige Neuaufstellung solle „an einem städtebaulich integrierten und möglichst optimal mit den medizinischen Strukturen und der sozialen Infrastruktur vernetzten Standort in der Kernstadt von Einbeck“ realisiert werden.

Über den Beschluss des Verwaltungsausschusses zum Walkemühlenweg als möglichen Neubau-Standort zeigen sich die Geschäftsführer des Einbecker Bürgerspitals, Dr. med. Olaf Städtler und Hauke Heißmeyer, laut der gemeinsamen Pressemitteilung von Stadt und Krankenhaus sehr erfreut: „Auf Basis der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie können wir die Gespräche mit dem Land Niedersachsen über den Fördermittelantrag fortführen. Die Festlegung auf einen attraktiven Standort in Einbeck ist förderlich für unser Vorhaben.“ Das Einbecker Bürgerspital hatte 2015 einen Fördermittelantrag für einen Neubau beim Land Niedersachsen gestellt, das die Finanzierung von baulichen Maßnahmen von Krankenhäusern übernimmt. Die Entscheidung liegt beim zuständigen Planungsausschuss, der mehrfach im Jahr tagt, das nächste Mal am 23. August. Ein Neubau biete die Chance, neue Strukturen zu schaffen, erreichbarer für die Patienten und Angehörigen zu sein und die medizinischen Angebote vor Ort stärker zu vernetzen.

Favoriten-Standort Walkemühlenweg im Süden von Einbeck.

Favoriten-Standort Walkemühlenweg im Süden von Einbeck.

Balance-Akt

Zu Tarifverhandlungen gehören immer auch Rituale. Einigungen werden beispielsweise oftmals mitten in der Nacht erzielt, die einsetzende Müdigkeit einkalkulierend. Zumindest kennen wir das aus unzähligen Statements von Arbeitgebern und Gewerkschaftsbossen, die vor den wartenden TV-Reportern und ihren Kameras dann am Ende mit Augenringen und gelockertem Krawattenknoten sagen, man habe sich nach kräftezehrenden Verhandlungen (und viel Kaffee) geeinigt vergangene Nacht. Und jede Seite hat irgendwie immer gewonnen. Solche (ungesunden) nächtlichen Tarifverhandlungen werden zwar beim Einbecker Bürgerspital nicht geführt, aber Ende April ist der Sanierungstarifvertrag ausgelaufen, der bei der Neugründung des Krankenhauses nach der Insolvenz vereinbart war. Die Mitarbeiter waren mit ihrem Gehaltsverzicht ein wichtiger Teil des „Einbecker Modells“, auf der anderen Seite stehen als Gesellschafter mehrere Einbecker Familien. Das Ziel: Alle engagieren sich, jeder nach seinem Vermögen, damit die Klinik in der Stadt erhalten bleiben kann. Dass dies gelingen kann, darauf deuten die kürzlich öffentlich gewordenen Zahlen von der schwarzen Null, gar von Neubau-Plänen. Die jüngste, noch bis Monatsende laufende Spendenaktion ist nur ein Beispiel für das Engagement der Bürger für ihre Klinik.

Irgend etwas muss nun die Arbeitnehmerseite vergangene Woche dermaßen in Harnisch gebracht haben, dass Marburger Bund und Verdi öffentlich ihre Muskeln spielen ließen. Die Gewerkschaft der angestellten Ärzte und die Dienstleistungsgewerkschaft haben jeder für sich und doch beide gleich wortmächtig in Pressemitteilungen (MB/Verdi) scharfe Geschütze aufgefahren. „Rechtswidrig“ werde ein Teil des Mai-Gehaltes einbehalten, heißt es dort beispielsweise, die Schmerzgrenze sei erreicht. Die Geschäftsführung des Einbecker Bürgerspitals hat die Vorwürfe des Marburger Bundes zurückgewiesen, die Mitarbeiter des Krankenhauses würden auf ihr Geld warten. Die nichtärztlichen Mitarbeiter verzichten auf ihr Weihnachtsgeld, sagt Geschäftsführer Hauke Heißmeyer. Beim Mai-Gehalt war das also noch gar nicht spürbar. Anders bei den Ärzten, die tariflich keine Jahressonderzahlung erhalten, bei denen wurde und wird der 8,5-prozentige Lohnverzicht anteilig vom monatlichen Grundgehalt verrechnet. Heißmeyer hat die Arbeitnehmerseite aufgefordert, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bereits im vergangenen September habe man Gespräche mit dem Marburger Bund aufgenommen, sagt der Bürgerspital-Geschäftsführer. Im März habe die Geschäftsleitung zu Tarifverhandlungen eingeladen, Termine vorgeschlagen und angekündigt, die Mitarbeiter bei einer guten Unternehmensentwicklung durch eine Sonderzahlung zu beteiligen. Anfang Mai habe der Marburger Bund die Verhandlungen abgelehnt. Man sei aber weiterhin gesprächsbereit, den Tarifvertrag zur weiteren Konsolidierung der 340-Mitarbeiter-Klinik fortzuführen, sagt Heißmeyer. Erst drei Wochen vor Auslaufen des Sanierungstarifvertrages habe der Arbeitgeber auf Abschluss eines weiteren Sanierungstarifvertrages gedrängt, erklärt dagegen die Ärzte-Gewerkschaft. Wer nun Recht hat?

Massiv – und persönlicher – ist die Kritik der Gewerkschaft Verdi. Die Arbeitgeberseite verweigere den Mitarbeitern den Wiederanstieg auf das ihnen zustehende tarifvertragliche Regelgehalt, habe die Beschäftigten in einer Mitarbeiterversammlung zudem unter Druck gesetzt. „Die Eigentümer des Bürgerspitals sind auf dem besten Weg, den guten Ruf und den Sympathiebonus ihres Krankenhauses zu verspielen“, erklärte Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp. Auf Dauer, so sei den Beschäftigten durch die Geschäftsführer und den Treuhänder der Gesellschafter, Jochen Beyes, am 1. Juni mitgeteilt worden, wolle man den geltenden Tarifvertrag (TVöD) aufkündigen und bereits jetzt Gehaltsbestandteile einseitig einbehalten. Beschäftigte hätten sich vor allem durch Aussagen Beyes‘ massiv unter Druck gesetzt gefühlt: die Beschäftigten sollten Einzelverträge unterschreiben, mit denen sie „freiwillig“ auf ihnen rechtlich zustehende Gehaltsbestandteile verzichten, so schildert es Verdi. Mitarbeiter hätten der Gewerkschaft berichtet, auf die Frage, was denn passiere, wenn man das nicht tue, habe Treuhänder Beyes geantwortet, dann würden diese Beschäftigten wohl nicht zu diesem Unternehmen passen. Jetzt herrscht laut Verdi bei vielen Mitarbeitern massive Angst vor Repressalien. Unwürdig, rechtlich haltlos und unzulässig sei ein solches Vorgehen, sagt Verdi. Julia Niekamp: „Der Weiterbestand des Einbecker Krankenhauses wird nicht gefährdet durch dauerhaft tarifvertragsgemäße Gehälter der Beschäftigten, wie es die Arbeitgeberseite darstellt – man gefährdet es, wenn man ein Klima der Angst erzeugt und durch einen Lohnverzicht, mit dem man garantiert keine Fachkräfte in Einbeck halten oder bekommen wird.“ Das Einbecker Bürgerspital wollte sich zu diesen Vorwürfen auf meine Anfrage heute nicht äußern, erklärte Sprecherin Dorothea Liesenberg.

Allen muss klar sein, dass sie ihren Ritt auf der Rasierklinge möglichst bald (und gerne auch geräuschlos) beenden sollten. Das ist ein Balance-Akt. Geld einzubehalten, obwohl die Vertragsgrundlage ausgelaufen und eine neue noch nicht abgeschlossen ist, ist selbstverständlich nicht in Ordnung. Verhandlungen zu verzögern, um eine bessere Drohkulisse aufbauen zu können, aber ebenso wenig. Arbeitnehmern wie Arbeitgeber muss klar sein, dass sie am Ende Tarifpartner sind und nur eine gemeinsame Lösung, bei der jeder das Gesicht wahren kann, eine gute Lösung für Beschäftigte, Klinik, Gesellschafter und für Einbeck ist. Andernfalls lacht nur jemand in Berlin…

Gesundheitszentrum: Im Zentrum oder am Stadtrand?

Überlegen, ein Gesundheitszentrum für ambulante und stationäre Medizin-Versorgung in Einbeck neu zu bauen (v.l): Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler, Hauke Heißmeyer, Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Treuhänder Jochen Beyes.

Überlegen, ein Gesundheitszentrum für ambulante und stationäre Medizin-Versorgung in Einbeck neu zu bauen (v.l): Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler, Hauke Heißmeyer, Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Treuhänder Jochen Beyes.

Mit ihrem „Einbecker Modell“ der Krankenhaus-Rettung schreiben die engagierten Macher seit drei Jahren bundesweit Schlagzeilen, einige Journalisten-Kollegen sprachen von widerspenstigen Galliern, was den Klinik-Rettern bis heute gefällt. In Hannover sprechen sie wieder mit dem und über das Einbecker Krankenhaus – es gelte dort als gesetzt für die Versorgung im Landkreis Northeim, haben die umtriebigen Einbecker in der Landeshauptstadt von höchster Stelle in Gesprächen erfahren. Das Einbecker Bürgerspital schreibt nach erfolgreicher Sanierung heute schwarze Zahlen, hat keine Schulden mehr (außer einem städtischen Darlehen, das als stille Beteiligung gilt) und hat auch bereits erhebliche Summen in insgesamt siebenstelliger Höhe in Modernisierung von Stationen und Intensivstation, Küche oder Sterilisations-Abteilung investiert. „Doch das ändert nichts grundsätzlich an der Bausubstanz des 45 Jahre alten Krankenhauses“, sagen die Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler und Hauke Heißmeyer. Deshalb haben die Einbecker gemeinsam mit dem Treuhänder der gGmbH-Gesellschafter, Jochen Beyes, in den vergangenen Monaten intensiv Klinken geputzt – im hannoverschen Sozialministerium ebenso wie bei Krankenkassen. Die Idee: In einem Neubau sollen ambulante und stationäre medizinische Versorgung verknüpft werden – als Einbecker Gesundheitszentrum.

Positiv hat die lokale Politik die Überlegungen aufgenommen. Der Verwaltungsausschuss des Einbecker Stadtrates hat nach Angaben von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek vergangene Woche einstimmig beschlossen, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Bürgerspital begleitet von Experten ein Konzept zu entwickeln, wie ein Gesundheitszentrum konkret aussehen sollte. Zuvor hatten Geschäftsführung und Gesellschafter-Vertreter im nicht-öffentlich tagenden Ratsgremium vorgetragen und ihre Überlegungen erläutert. Alle, die man gefragt habe, hätten zu einem Neubau geraten, das bestehende Krankenhaus im laufenden Betrieb umzubauen sei nicht nur unterm Strich teurer, sondern auch eine komplexe und unattraktive logistische Herausforderung, soll nicht gleichzeitig die Patientenversorgung leiden, sagen die Klinik-Verantwortlichen. Im Gespräch sind die Einbecker nach eigenen Angaben bereits mit renommierten Krankenhaus-Architekten wie Prof. Linus Hofrichter und dem Referenten für Krankenhausplanung im Sozialministerium, Guido von den Benken.

Als erste Entscheidung steht dabei die Grundsatzfrage nach dem idealen Standort an, die möglichst schnell geklärt werden soll, bevor die weiteren Planungsschritte folgen: Am Stadtrand oder im Zentrum? Die Antwort darauf sei noch völlig offen, betonen Treuhänder, Geschäftsführer und Bürgermeisterin, die Suche beginne jetzt. Jedes Jahr muss das Krankenhaus rund 700.000 Euro an Baureparaturen investieren. „Das halten sie nicht lange durch“, sagt Jochen Beyes. Vor allem ist es besser, das erwirtschaftete Geld wieder in die Patientenversorgung zu investieren. Und nicht in Steine (dafür ist das Land Niedersachsen zuständig), sondern in Menschen. Auch in die Mitarbeiter, die noch immer Lohnverzicht üben. Wie gut dem Einbecker Bürgerspital („Nah und persönlich“) die Patientenorientierung gelungen ist, zeigen Ergebnisse aktueller Patientenbefragungen von Ende Februar 2016. Die Einbecker Klinik liegt weit vorne dabei.

Soll das neue Gesundheitszentrum am Stadtrand oder im Zentrum stehen? Für beide Varianten gibt es gute Argumente. Mich überzeugen momentan diejenigen mehr, die fürs Zentrum sprechen. Eine verknüpfte ambulante und stationäre Versorgung von Patienten im Herzen der Stadt kann beispielsweise Probleme der Erreichbarkeit elegant lösen: Viele können dann einfach auf kurzem Weg in die Klinik gelangen, ohne das Auto nutzen zu müssen. Es kann die Kernstadt beleben. Vielleicht lässt sich auch ein Ort finden, der beides ist, Zentrum und Stadtrandlage. Auch eine Platz-Bebauung sollte man ohne Denkverbote noch einmal überlegen: Möncheplatz, Neustädter Kirchplatz? Für ein Konsum-Kaufhaus fand sich in der Bevölkerung keine Akzeptanz. Warum aber nicht für ein Krankenhaus mit integrierten Arzt-Praxen für die ambulante Versorgung? Doch die Überlegungen der Klinik-Macher sind erst so frisch öffentlich geworden und noch vage, so dass für eine abschließende Bewertung noch mehr Details benötigt werden.

Immer weniger und immer ältere Menschen im ländlichen Raum, immer weniger niedergelassene Ärzte in der Fläche – diese und weitere Probleme habe nicht nur Einbeck, sagt der kaufmännische Klinik-Geschäftsführer Hauke Heißmeyer, seit Januar neu im Amt. Und deshalb wollen die Einbecker mit einem Pilotprojekt zum Vorreiter für andere Gemeinden werden, zum Beispielgeber. Der Baukörper müsse sich den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts anpassen, sagt Heißmeyer. Dazu gehörten alle Ideen jetzt auf den Tisch gelegt und diskutiert. Kann der Rettungsdienst an das Haus angegliedert werden? Wie ist es mit einer Kurzzeitpflege, wie mit einem Hospiz? Wie können Patienten post-operativ im ländlichen Raum besser zuhause versorgt werden? Über das jetzt zu entwickelnde Gesundheitszentrum-Konzept wollen die Einbecker das notwendige Fördergeld für einen Neubau beschaffen. „Wir brauchen die Finanzmittel des Landes Niedersachsen“, sagt Heißmeyer. Aus Hannover gibt es zwar bislang keine Zusagen, erst recht keine finanziellen, aber „es wird in Hannover darüber nachgedacht“, sagt Dr. Olaf Städtler, „und da sind wir verpflichtet zu handeln.“ Überlegungen freilich gibt es schon länger, berichtet Treuhänder Beyes. Vor zwei Jahren habe man bereits hinter den Kulissen einen strukturierten Prozess zu dieser Thematik gestartet. Die Einbecker sind halt gerne vorbereitet, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Solche Sparschweine, wie sie hier (v.l.) Wilhelm Fricke, Hermann Kahle und Henning Juskowiak zeigen, werden an vielen Stellen der Region Einbeck und Dassel stehen und um kleine Betten-Spenden werben.

Solche Sparschweine, wie sie hier (v.l.) Wilhelm Fricke, Hermann Kahle und Henning Juskowiak zeigen, werden an vielen Stellen der Region Einbeck und Dassel stehen und um kleine Betten-Spenden werben.

Wie sehr sich die Menschen der Region mittlerweile mit „ihrem“ Bürgerspital identifizieren, zeigt die gerade gestartete Aktion „Bürger spenden für Betten“. Nicht jeder kann einen großen Spendenscheck mit großen Geldsummen überreichen. Viele möchten dennoch gerne das Einbecker Bürgerspital unterstützen – im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Durch die Initiative „Bürger spenden für Betten“ von Hermann Kahle, Henning Juskowiak und Wilhelm Fricke soll das gelingen. Ihre Idee: Wenn nur die Hälfte der im Einzugsbereich des Krankenhauses in den Städten Einbeck und Dassel lebenden Menschen je 1 Euro spendet, kann das Einbecker Bürgerspital für diese 20.000 Euro acht neue Krankenbetten kaufen. Jetzt haben Hermann Kahle (Vardeilsen), Henning Juskowiak (Vardeilsen) und Wilhelm Fricke (Ellensen) mit der Hilfe der örtlichen Sparkasse und Volksbank rote und blaue Plastik-Sparschweine an alle Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher der Städte Einbeck und Dassel verteilt, außerdem an viele Geschäfte in der Kernstadt. Rund 200 Sparschweine werden an vielen Stellen in Einbeck und Dassel sowie in den 46 und 16 Ortschaften der beiden Gemeinden zum Spenden bereit stehen – beim Bäcker, in der Dorfkneipe oder bei Handwerkern und Gewerbetreibenden. Auf möglichst vielen Ladentresen sollen die Betten-Sparschweine mit dem Klinik-Logo stehen. Am 31. Juli wollen sie Kassensturz machen und die Aktion bilanzieren. „Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt und freue mich riesig über das Engagement und die Initiative von Bürgern in ihrer Freizeit“, sagt der medizinische Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler.

Video zur Bettenspenden-Aktion:

(Aktualisiert 27.05.2016)

Nachtrag 27.05.2016: Die CDU-Ratsfraktion hat nach einem Besuchstermin und Gespräch mit Krankenhaus-Geschäftsführung sowie Treuhänder ihre volle Unterstützung der Neubaupläne erklärt. „Was wir tun können, werden wir tun“, wird Fraktionschef Dirk Ebrecht in einer vom Einbecker Bürgerspital verbreiteten Pressemitteilung zitiert. Ergebnisse des Arbeitskreises Standort sollen Ende Juni im Verwaltungsausschuss des Einbecker Stadtrates besprochen und zeitnah entschieden werden.