Wo bald das Fahrrad-Gründach steht, führte einst der Dreckgraben aus der Stadt

Nicht nur der Winter mit kurzzeitigem Schnee und Frost hat die kleine Baustelle am südlichen Möncheplatz, wo der Hören auf das Rosental mündet, zwischenzeitlich ausgebremst. Auch die Fundamente für die zwei Säulen der dort entstehenden neuen Fahrradabstellanlage mussten ein wenig umgeplant werden und sollen nun wenige Meter versetzt entstehen, um die historischen Mauern des einstigen Dreckgrabens nicht zu zerstören. Bei archäologischen Grabungen waren diese von Stadtarchäologe Markus Wehmer gefunden und freigelegt worden. „Die archäologische Denkmalpflege muss in Einbeck immer mitgedacht werden“, sagte Fachbereichsleiter Jens Ellinghaus am Freitag bei einem Ortstermin. Die Mauern können erhalten bleiben, werden „in situ“ in der Erde an Ort und Stelle gesichert, damit auch in Jahrzehnten spätere Generationen noch im Boden die Geschichte lesen können. Wenige Meter daneben werden nun die Fundamente für das Fahrrad-Gründach gegossen, werden die vorhandenen Kommunikationsleitungen verlegt und schließlich der Platz gepflastert.

Bis spätestens Mitte Mai entsteht auf dem südlichen Möncheplatz, einer rund 200 Quadratmeter großen Fläche, die den einst „Schmiedeplan“ genannten Platzbereich umfasst, eine neue Fahrradabstellanlage mit begrüntem Dach und sieben Bügeln für insgesamt 14 Fahrräder, die unter dem Dach abgestellt werden können. Das Dach kann mit seinen knapp 30 Quadratmetern etwa 750 Liter Niederschlagswasser zurückhalten und auf dem Gründach verdunsten lassen, wodurch das Mikroklima verbessert wird, erläuterten Sachgebietsleiter Matthias Zaft und der Fachbereichsleiter Stadtentwicklung und Bauen, Jens Ellinghaus. Außer dem Dach wird auf dem gepflasterten Platz ein Ladestellenschrank mit 13 Schließfächern aufgestellt, in dem Fahrrad-Akkus von E-Bikes kostenlos aufgeladen werden können. Die Schließfächer sollen eine smarte Zugangsmöglichkeit erhalten, niemand soll mehr irgendwo Schlüssel abholen müssen. Außerdem wird auf dem Platz eine weitere digitale Infostele aufgestellt, schließlich kommen noch zwei Sitzbänke und ein Papierkorb zu dem Ensemble hinzu. Insgesamt sind für die Baumaßnahme rund 125.000 Euro kalkuliert, die Kosten werden bis auf die Pflasterung (etwa 30.000 Euro) zu 90 Prozent über das Förderprogramm React-EU finanziert, mit der wirtschaftliche und soziale Folgen der Corona-Pandemie abgefedert werden sollen. Das Pflaster passt sich an das bereits auf dem Möncheplatz verwendeten Muster an.

(c) Foto: Frank Bertram
An den freigelegten Überresten des gemauerten Dreckgrabens am „Schmiedeplan“/Ecke Rosenthal (v.l.): Pierre Haendel, Marcel Überall, Bauamtsleiter Jens Ellinghaus, Stadtarchäologe Markus Wehmer und Sachgebietsleiter Matthias Zaft.

Über den „Schmiedeplan“ führte der von der Langen Brücke hinter der Hausbebauung des westlichen Möncheplatzes verlaufende Dreckgraben, über den in Zeit vor der Kanalisation die Abwässer aus der Stadt gelangten. Nach dem Stadtbrand von 1540 waren die Dreckgräben mit Steinen gemauert und im 17. und 18. Jahrhundert nochmals verbreitert worden. Erst nach der bis 1897 entstandenen Kanalisation in Einbeck wurden die Dreckgräben zugeschüttet, verfüllt neben Erde unter anderem mit (wahrscheinlich defekten) Gegenständen aus Porzellan, Ton- oder Glasgefäßen, deren Überreste die Archäologie nun wieder fand. Der längste Dreckgraben führte aus dem Norden über das Petersilienwasser immer zwischen den Häusern hindurch über den Schmiedeplan und über die Dreckgraben genannte Straße direkt an der Stadtmauer (heute Rosental) aus der Stadt wieder heraus in den Mühlenkanal. Anhand der historischen Stadtpläne und anderer Quellen hat Stadtarchäologe Markus Wehmer die Entwicklung des Schmiedeplan-Dreckgrabens durch die Jahrhunderte genau dokumentieren können. Zeitweise war der kleine Platz bebaut, zeitweise Gartenland. Erst als nach 1843 die Stadtmauer abgebrochen wurde, die heutige Grimsehlstraße als neue Ausfallstraße entstand und die moderne Kanalisation gebaut wurde (Ende 19. Jahrhundert), war der Dreckgraben überflüssig geworden und wurde verfüllt – was heutige Archäologen zu Funden verhilft.

Die Reinigung der Dreckgräben war wie die Reinhaltung der Brunnen in der Stadt eine Pflichtaufgabe der so genannten Nachbarschaften, von denen es mehrere im Stadtgebiet gab und die jeweils mehrere Straßenzüge umfassten. Im Bereich des Rosentals sollte der Dreckgraben laut einer Polizeiverordnung von 1573 jeden Pfingstsonnabend geflutet und anschließend gereinigt werden, hat Stadtarchäologe Markus Wehmer herausgefunden. In späteren Jahrhunderten seien diese Pflichten zunehmend vernachlässigt worden, wie das zahlreiche Fundmaterial aus der Grabenfüllung verrate, sagt er. Dementsprechend habe es früher entlang der Dreckgräben auch gerochen.

(c) Foto: Frank Bertram
Im ehemaligen Dreckgraben hat Stadtarchäologe Markus Wehmer „historischen Müll“ gefunden, u.a. diese Fläschen, Teller- und Schüsselscherben aus dem 19. Jahrhundert.
(c) StAE Stadtarchiv Einbeck
Stadtplan von 1873 mit Hausnummern. Ausschnitt (c) StAE Stadtarchiv Einbeck
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Nach 1540 wurden die Dreckgräben gemauert.

Rathauskeller: Ursprüngliche Planung ist vom Tisch

Die ursprüngliche Planung für den Rathauskeller in Einbeck muss aufgegeben werden. Darüber informierte Baudirektor Joachim Mertens heute Abend den Ausschuss für Bauen und Stadtentwicklung. Es werde keinen innenliegenden Fahrstuhl geben, und der Rathauskeller werde nur sporadisch zu nutzen sein, erläuterte der Fachbereichsleiter die Ergebnisse von weiteren Untersuchungen nach den jüngsten archäologischen Grabungen. Unverändert sollen alle Geschosse durch einen Fahrstuhl barrierefrei erschlossen werden. Dazu sei man bei öffentlichen Gebäuden gesetzlich verpflichtet. Gestern Abend haben die Fraktionsvorsitzenden die Sachlage vor Ort von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, Stadtarchäologe Markus Wehmer und ihm erläutert bekommen, sagte Joachim Mertens.

Es gebe drei verschiedene „Problemlagen“, so Mertens, die eine Änderung der ursprünglichen Absichten notwendig machten. Zum einen gebe es einen hohen Grundwasserstand im Rathauskeller, der bereits die Säulen und Wände angegriffen habe, weil diese das Wasser aufsaugen. Es gebe Ausblühungen, die den Stein zerstören. Würde man jetzt, wie ursprünglich gedacht, den Fußboden mit einem neuen geschlossenen Belag versehen, würde man die Grundwasserauswirkungen auf die Säulen noch verstärken. Hinzu komme eine große breitflächige archäologische Befunddichte in sehr geringer Tiefe. „Nur wenige Zentimeter unter dem Fußboden ist alles voller Befunde“, sagte Mertens. Wenn man also für einen neuen Fußboden den Untergrund großflächig archäologisch untersuchen müsse, entstehen „immense Kosten“, so der Baudirektor. Zum anderen habe man im Gewölbe des Kellers eine Fülle von historischen, Jahrhunderte alten Malereien unter dem sich lösenden, abfallenden Putz gefunden. Diese könne man nicht einfach übertünchen und den Keller „ein bisschen schick machen“. Sie freizulegen, sei jedoch „exorbitant teuer“, zitierte Mertens den Stadtarchäologen Markus Wehmer. Eine Summe lasse sich aktuell nicht nennen.

Der Zeitplan, der mal einen Baustart jetzt im März vorgesehen hatte, ist Makulatur. Die neue Planung sieht nun vor, wegen der Grundwasser-Situation von einem innenliegenden Fahrstuhl abzurücken, ebenso von einer dauerhaften multifunktionalen Nutzung des Rathauskellers. Der Aufzug soll nun an der Außenseite des Gebäudes in Richtung Hallenplan, berichtete Mertens. Der Gewölbekeller soll nur eingeschränkt und sporadisch nutzbar werden. Eine Heizung sei unmöglich und würde die jetzt bereits vorliegenden Schäden nur noch verstärken, sagte der Baudirektor.

Der Rathauskeller bietet großflächig archäologische Funde. Archivfoto

Neuer Stadtarchäologe gefunden

Die Nachfolge für den bisherigen Stadtarchäologen Dr. Stefan Teuber ist gefunden. Wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek aus dem gestrigen Verwaltungsausschuss berichtete, hat sich das Gremium einstimmig auf Markus Wehmer geeinigt. Es gab mehr als 40 Bewerbungen, sechs Bewerber haben sich vorgestellt. Der neue Stadtarchäologe beginnt seinen Dienst bei der Stadtverwaltung Einbeck zum 1. Januar 2017. Wehmer (37) hat Ur- und Frühgeschichte, Geologie und Volkskunde/Kulturgeschichte in Jena studiert und ist seit zehn Jahren beim Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie tätig. Dort habe er unter anderem zahlreiche Grabungen geleitet und durchgeführt, große Teams ebenso wie kleine, sagte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. „Ich freue mich sehr, dass wir Herrn Wehmer für die Stadt Einbeck gewinnen konnten. Er hat sich aufgrund seiner hervorragenden Qualifikation durchgesetzt. Einer nahtlosen Nachfolge im Amt des Stadtarchäologen steht damit nichts im Wege.“ Ganz nahtlos ist die Nachfolge freilich nicht: Teuber, der ab 2017 in Northeim Museums- und Archivleiter ist, hat sein Büro bereits vor Wochen geräumt, eine direkte Übergabe gar mit Einarbeitungsphase entfällt durch die späte Personalentscheidung.

Archäologen-Ausschreibung

Einbeck sucht einen neuen Stadtarchäologen. Nach Gesprächen mit den Bürgermeister-Kollegen im Fachwerk-Fünfeck haben sich Überlegungen zerschlagen, dass sich die fünf Städte eine Archäologenstelle teilen könnten. Das sagte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek nach der jüngsten Verwaltungsausschuss-Sitzung. Aktuell passe es bei den anderen Städten nicht. Deshalb sucht jetzt die Stadt Einbeck allein eine Nachfolge für Dr. Stefan Teuber, der nach 15 Jahren zum Jahresende geht; er wird ab Januar 2017 neuer Museums- und Archivleiter in Northeim und hatte Anfang Juni gekündigt. Das hatte für eine politische Kontroverse gesorgt: Besonders die SPD ärgerte sich in der letzten Stadtrat-Sitzung vor der Neukonstituierung des Gremiums, von der Personalie aus dem „Einbecker Politikblog“ im Internet erfahren zu haben. Ratsherr Alexander Kloss (SPD) hat die Informationspolitik des Rathauses als inakzeptabel bezeichnet. Bürgermeisterin-Stellvertreter und Personal-Fachbereichsleiter Dr. Florian Schröder räumte nach einer Nachfrage der bisherigen SPD-Fraktionschefin Margrit Cludius-Brandt ein Versäumnis zerknirscht ein: Die Verwaltung hätte in den Sitzungen des Personalausschusses am 1. August und des Verwaltungsausschusses am 10. August darüber informieren müssen. Das Schweigen sei aber keine böse Absicht gewesen, erläuterte Schröder.

Die Stelle ist im bisherigen Umfang (halbe Stelle = 19,5 Stunden) öffentlich ausgeschrieben (stellenausschreibung-archaeologe). Der Plan ist, die Position zum 1. Januar 2017 wieder zu besetzen. Dr. Stefan Teuber räumt sein Büro bereits einige Wochen vorher. Eine persönliche Übergabe kann es damit nicht mehr geben. Es wird damit entscheidend sein, welche Vorkenntnisse der Nachfolger und die Nachfolgerin haben wird. „Detaillierte Kenntnisse der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie Südniedersachsens, Nordhessens, Westthüringens und Ostwestfalens“ seien „von Vorteil“ heißt es in der Ausschreibung. Ein paar Kenntnisse der Archäologie Einbecks wären noch vorteilhafter. Diese hätten durch eine persönliche Übergabe der Stelle ausgeglichen werden können. Hätten.

Warmer Wahlkampf

Eigentlich müsste bereits die heiße Phase des Wahlkampfes vor den Kommunalwahlen begonnen haben – und heiß war es ja auch an diesem August-Tag der letzten Ratssitzung dieser Wahlperiode in Einbeck. Draußen. In der Rathaushalle jedoch herrschten kühle Temperaturen, die Vorteile einer Immobilie mit historischer Bauweise. Ab September wird ein Planungsbüro neue Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen für das Alte Rathaus, das „Konzeptimmobilie“ im Fachwerk-Fünfeck ist. Damit künftig im Wesentlichen nicht allein Ratssitzungen in diesen Mauern stattfinden.

Und so blieben die Wahlkampftöne in der gut 90-minütigen Stadtrat-Sitzung mit 30 Tagesordnungspunkten eher warm und moderat. Sie klangen oft schon bemüht bei den wenigen Themen, die inhaltlich überhaupt etwas hergaben und nicht zu bestätigende Jahresabschlüsse oder formale Satzungsänderungen waren. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek dankte allen Ratsmitgliedern für die Zusammenarbeit in den vergangenen gut drei Jahren seit der Fusion mit Kreiensen. Alle hätten ein gemeinsames Ziel gehabt, die neue, größere Stadt Einbeck für die Menschen so attraktiv wie möglich zu gestalten. „Wir haben es uns gegenseitig nicht immer leicht gemacht“, sagte die Bürgermeisterin, „über den Weg waren wir uns nicht immer einig.“ Doch das Ringen um einen Konsens durch die gewählten Vertreter mache Demokratie aus. Sie freue sich auf eine gute Zusammenarbeit mit denen, die sich am 11. September wieder zur Wahl stellen. Die konstituierende Sitzung des neuen Einbecker Stadtrates soll am 2. November stattfinden, dann will die Bürgermeisterin auch den Haushalt 2017 einbringen, den letzten übrigens von Kämmerin Christa Dammes, die Ende Oktober als Sachgebietsleiterin in den Ruhestand geht.

Die deutlichsten verbalen Dissonanzen waren bei der Reaktivierung der Bahnstrecke von Einbeck nach Salzderhelden zu registrieren, wobei sich imgrunde bei dem Thema weiterhin alle (bis auf Willi Teutsch CDU, der dagegen ist) einig sind – und aktuell nur aus Profilierung auf den politischen Gegner zeigten. Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) habe seine Behörde nicht im Griff, zu der auch die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) zählt, kritisierte Dirk Ebrecht (CDU). „Mit uns gibt es keine Reaktivierung um jeden Preis“, sagte der CDU-Fraktionschef. Für ihn ist es „ein skandalöser Vorgang“, wenn bei den Kosten knapp eine Million Euro vergessen worden sei. Er hoffe, das sei jetzt „der letzte Schluck aus der Pulle“. Ebrecht: „Nicht, dass noch einer mit Denkmalschutz bei den Brücken um die Ecke kommt.“ Auch Ratsmitglied Ulrich Minkner (SPD), der Aufsichtsratsvorsitzender der Ilmebahn GmbH ist, ärgerte sich über die LNVG. Die Frage der Brücken auf der Strecke sei zwar noch nicht abschließend geklärt, habe man aber „im Griff“, sagte Minkner. Den Vorwurf Ebrechts, dass bei der Ilmebahn ein Brief mit der neuerlichen Finanzforderung liegen geblieben sei, wies er zurück. Und ob die Kosten so hoch würden wie angekündigt, sei noch gar nicht raus, Unterstellungen dieser Art seien deshalb „daneben“, erklärte Minkner. Die Landesnahverkehrsgesellschaft hatte Anfang Juli für Ilmebahn und Stadt Einbeck überraschend mitgeteilt, dass die Sicherung von sechs Bahnübergängen nicht in den bekannten Reaktivierungskosten von acht Millionen Euro enthalten sei. Ein Drittel der zusätzlichen 950.000 Euro habe die Stadt Einbeck als Träger der Straßenbaulast zu tragen, lautete die Mitteilung aus Hannover, die nach einer Urlaubspause Anfang August auch das Rathaus erreichte. Die Stadt Einbeck bemüht sich, durch Fördergelder ihren Anteil zu senken und steht auf dem Standpunkt, die Bahnübergänge seien bereits in den von der Kommune übernommenen vereinbarten Kosten enthalten, wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek mir auf Nachfrage sagte. Die Stadt Einbeck beteiligt sich mit einer Kapitalerhöhung von 300.000 Euro bei der Ilmebahn an den Reaktivierungskosten; weitere 700.000 Euro trägt der Landkreis Northeim bei. Der Einbecker Stadtrat hat jetzt beschlossen, die Summe von insgesamt 317.000 Euro als Eigenanteil in die Haushalte 2017 und 2018 einzuplanen. Das wären rund 17.000 Euro mehr als bislang kalkuliert. Es sei aber weiterhin auch noch ein zusätzlicher Anteil der Stadt in Höhe von rund 250.000 Euro möglich, räumte die Bürgermeisterin ein. Entsprechende Förderanträge werden in diesen Tagen gestellt, um die Summe für den städtischen Etat zu drücken. Überhaupt stellt sich bei diesem Thema einmal mehr heraus, dass die komplizierte Förderlandschaft selbst für Kenner manchmal undurchschaubar und unerklärbar ist.

Mehrere Themen sind auf die nächste Wahlperiode verschoben und werden damit den einen oder anderen, aber nicht alle Ratsmitglieder weiterhin beschäftigen. Vertagt hat der Rat SPD/GfE-mehrheitlich einen CDU-Antrag „Investitions- und Anreizprogramm gegen Immobilienleerstände“. Was CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht ärgerte, man verliere damit ein halbes Jahr, bis der neu gewählte Rat wieder arbeitsfähig sei. Die CDU wolle ein politisches Signal zu setzen, aber zudem konkret anschieben, dass aktives Eingreifen geboten sei, um Investitionen in Immobilien zu fördern und insgesamt den Anreiz zu steigern, Häuser und Wohnungen zu verbessern, den Erwerb zu erleichtern und somit insgesamt die Zahl der im Stadtgebiet wohnenden Menschen zu erhöhen, wie es in der Antragsbegründung heißt.

Das Mobiliätskonzept, das die Verkehrsführung beispielsweise in Oleburg und Haspel modifizieren würde, nahm der Stadtrat nur zur Kenntnis; die Maßnahmen werden einstweilen nicht ausgeführt. Das heikle Thema Verkehrsführung wollte keiner der Wahlkämpfer mehr anpacken vor dem 11. September. Es wird im November den neuen Stadtentwicklungsausschuss beschäftigen.

Ebenso wie ein Antrag der SPD-Fraktion, bei Elektro-Autos die Parkgebühren zu erlassen. Um Anreize zu schaffen, müsse man auch Mindereinnahmen in Kauf nehmen, sagte Marcus Seidel (SPD), wie hoch diese seien, lasse sich nicht sagen, er schätze etwa 1800 Euro pro Jahr. Unterstützung signalisierte Dietmar Bartels (Grüne), man müsse alles tun, um Anreize für E-Mobilität zu schaffen. Kritik kam von Dr. Reinhard Binder (FDP), die SPD wolle ein Problem lösen, das es in Einbeck gar nicht gebe, denn so viele E-Autos gebe es gar nicht. Und Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste Kreiensen) regte an, doch separate Parkplätze für E-Autos auszuweisen.

Nicht in Konfrontation zu anderen Fraktionen, wohl aber zu Bürgermeisterin und Verwaltungsspitze ging die SPD bei einer Personalie: den Weggang des Einbecker Stadtarchäologen. Offenkundig hat die Politik davon erst aus diesem Blog erfahren. Was sie ärgert.

In Harnisch versetzt haben mehrere Punkte zur Verkehrssituation in der Innenstadt die SPD. Wenn Fachaussschuss- und Verwaltungsausschuss-Beschlüsse nicht oder nicht vollständig umgesetzt werden, „muss nachfragen erlaubt sein“, sagte die scheidende SPD-Fraktionschefin Margrit Cludius-Brandt. „Wir wissen jetzt, wer die Verantwortung trägt, wenn Bürger Anregungen geben, und es passiert nichts“, ärgerte sich Rolf Hojnatzki (SPD) über die Verwaltung. Vor allem der von ihm geleitete Kernstadtausschuss habe sich mit neuralgischen Verkehrspunkten intensiv beschäftigt. Beispiele: Brücke über den Mühlenkanal in der Schlachthofstraße, Einmündung Weidenfeld/Hubeweg, Parkplätze in der Schrammstraße, unterschiedliche zeitliche Begrenzung der Tempo-30-Zone in Schützenstraße und Langer Wall. „Ich weiß ja, sie fühlen sich ein bisschen wie ein Kernstadt-Bürgermeister“, ätzte Dirk Ebrecht und stellte sich schützend vor die Verwaltung, die doch umfangreich dargelegt habe, was warum gehe oder eben auch nicht. Mehr als zwei Jahre für die Tempo-30-Erkenntnis sei „ernsthaft rekordverdächtig“, und wer (wie Ebrecht) auf Platz 1 der Nordstadt-Liste stehe, solle sich bitte erstmal kundig machen über die Probleme in der Stadt, keilte Hojnatzki zurück.

Zufrieden war SPD-Ratsherr Alexander Kloss mit der Antwort auf seine Frage nach der Parksituation am Einbecker Zentralfriedhof. Dort soll jetzt eine Parkscheiben-Regelung die Lage entschärfen.

Dringend angefasst werden müssen vom neuen Rat die zuletzt 2011 veränderten Richtlinien für die Ehrung von Ratsmitgliedern (Richtlinien Ehrungen Einbeck). Der unkundige Beobachter muss sich am Ende der Ratssitzung reichlich irritiert gefühlt haben, als durch drei verschiedene Institutionen insgesamt 22 Ratsmitglieder für langjähriges Engagement gewürdigt wurden, einige von ihnen doppelt. Ein Teil der Begründung lautet: Die ehemalige Gemeinde Kreiensen war Mitglied im Städte- und Gemeindebund, die Stadt Einbeck ist Mitglied im Städtetag. Es gibt aber Ratsmitglieder, die sind auch bereits zehn Jahre in Orts- und Stadtrat aktiv, manche sogar deutlich länger, erhielten aber keine Ehrung. Oder wurde da nur jemand vergessen?

Nachtrag 28.08.2016: Rathaus-Vize Dr. Florian Schröder hat sich via Twitter zu den Ehrungen geäußert. Es sei niemand vergessen worden, schreibt der Bürgermeisterin-Stellvertreter.

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Nachtrag 28.08.2016: Die Einbecker SPD hat sich heute in einer Pressemitteilung (SPD PM_Streckenreaktivierung 16-08-28) noch einmal die Reaktivierung der Bahnstrecke auf ihr Konto geschrieben sowie auf das der Ilmebahn GmbH. Es sei verwunderlich, wie die örtliche CDU diese wichtige Maßnahme öffentlich diskutiere. Dadurch werde die einmalige Chance für Einbeck und die Region kaputt geredet. Und was die Brücken betreffe, habe die SPD eine klare Haltung, schreiben SPD-Vorsitzender Marcus Seidel und SPD-Kreistagsabgeordneter Peter Traupe in der Mitteilung: Vorgesetzte der Unteren Denkmalschutzbehörde sei die Bürgermeisterin. Die Sozialdemokraten erwarten von Dr. Sabine Michalek, dass sie alles dafür tun werde, damit die Verwirklichung dieser für die Region einmaligen Maßnahme zum Dezember 2017 möglich wird: „Wir erwarten von allen Beteiligten, dass sie sich im Interesse der Stadt, der Region und unserer Ilmebahn für die Reaktivierung einsetzen werden.“

Nachtrag 30.08.2016: Heute hat sich auch die CDU noch einmal nach der Ratssitzung zur Streckenreaktivierung geäußert (CDU-PM Keine Streckenreaktivierung um jeden Preis_2016_08_29). Die Christdemokraten stehen zu dem Projekt, kritisieren aber eine „Salami-Taktik“ bei den Kosten. Das sei nicht seriös, sondern skandalös. Die Reißleine habe man im Rat deutlich gemacht, es könne keine Reaktivierung auf Biegen und Brechen geben, wenn immer wieder neue Kosten auftauchten. Selbstverständlich müsse eine Lösung für die Erreichbarkeit per Schiene für den PS-Speicher gefunden werden, hier seien auch kreative Lösungen ohne eine teure und aufwändige Reaktivierung denkbar. Wie CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht außerdem mitteilt, hat seine Fraktion den in der jüngsten Ratssitzung vertagten Antrag zu einem „Investitions- und Anreizprogramm gegen Immobilienleerstände“ sofort neu gestellt (CDU-PM Immobilienleerst_nde_2016_08_28), um keine Zeit zu verlieren und ein politisches Signal zu geben. Bis sich die Gremien nach der Kommunalwahl neu gebildet hätten, würde zu viel Zeit nutzlos verstreichen, meint der CDU- Fraktionsvorsitzende: „Diese Zeit haben wir nicht, wir müssen dieses Zukunftsthema aktiv angehen. Das werden wir machen, auch wenn sich SPD, Bürgerliste und GfE weiterhin verweigern.“

Nachtrag 01.09.2016: Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat nach Angaben des SPD-Landtagsabgeordneten Uwe Schwarz Unterstützung bei der Frage der Bahnübergänge zugesagt. Das erklärte der Bad Gandersheimer Parlamentarier heute per Pressemitteilung (160901_PM-US_Streckenreaktivierung-EIN). Die jüngsten Äußerungen des CDU-Fraktionschefs im Stadtrat, Dirk Ebrecht, seien „weder zutreffend noch in der Sache hilfreich“, kritisierte Schwarz. Auch wenn sie dem Wahlkampfmodus geschuldet sein mögen, tue das dem gesamten Projekt nicht gut. Ein gemeinsamer konstruktiver Einsatz sei für die gewünschte Reaktivierung der Bahnstrecke nach wie vor angezeigt. Schwarz bemängelt, dass er von der Stadt Einbeck nicht direkt kontaktiert worden sei, als die neuerliche Forderung aufgetaucht sei. Und schildert dann ausführlich – freilich ohne absolute Beträge zu nennen – wieviel Prozent von wieviel Prozent welche öffentliche Hand fördert. Am Rande: Ein schönes Beispiel für eine immer komplizierter werdende Förderkulisse. Der Wirtschaftsminister habe ihm bestätigt, erklärte Schwarz, dass die Stadt Einbeck durch das Ministerium in dieser Woche telefonisch über die Fördermöglichkeit unterrichtet worden sei. Nachhilfe aus Hannover.

Nachtrag 05.09.2016: Die Ablehnung des „Immobilien“-Antrags habe sich nicht gegen den Inhalt, sondern die Art und Weise der Antragstellung gerichtet, ergänzt heute die SPD-Fraktionsvorsitzende Margrit Cludius-Brandt in einer Stellungnahme: „Zum wiederholten Mal hat die CDU-Ratsfraktion einen Tagesordnungspunkt auf die Ratssitzung setzen lassen, ohne die anderen Ratsfraktionen auch nur ansatzweise über den Inhalt zu informieren. Die Fraktionsvorsitzenden bekamen kurzfristig einige Stunden vor der Sitzung eine nichtssagende Info per Mail bzw. die Ratsmitglieder dann als Tischvorlage. Mit Demokratie bzw. fairer politischer Arbeit hat das nichts mehr zu tun. Eine Vorbereitung der anderen Ratsfraktionen war nicht möglich. Es blieb daher nur diese Vorgehensweise. Wenn die CDU die Sache so dringend und schnell hätte bearbeiten wollen wie sie jetzt kundtut, wäre ein Antrag im zuständigen Ausschuss sinnvoller und schneller gewesen. Das hätte im letzten Stadtentwicklungsausschuss schon geschehen sein können. Ein Umweg über den Rat kostet immer Zeit, bringt aber mehr Öffentlichkeitswirkung. Ein Schelm, wer dabei böse denkt.“

Wer gräbt in Zukunft in Einbecks Vergangenheit?

Dr. Stefan Teuber (l.) bei seiner jüngsten Ausgrabung am Petersilienwasser in Einbeck.

Dr. Stefan Teuber (l.) bei seiner jüngsten Ausgrabung am Petersilienwasser in Einbeck.

Nach 15 Jahren als Stadtarchäologe in Einbeck wird Dr. Stefan Teuber die Stadtverwaltung Ende des Jahres verlassen und in Northeim als Museums- und Archivleiter arbeiten. Wer gräbt dann in Zukunft in Einbecks Vergangenheit und schreibt Stadtgeschichte mit dem Spaten? Wird die (aktuell halbe) Stelle des Stadtarchäologen neu besetzt? Oder fällt sie dem Rotstift zum Opfer? Werden dann die Aufgaben der Stadtarchäologie von anderen erledigt, von Archäologen aus dem Landkreis oder Land? Dies zu entscheiden, ist Aufgabe der Politik. Die Zeit drängt, damit nicht wertvolles Wissen verloren geht, weil keine persönliche Übergabe der Dienstgeschäfte mehr möglich ist. „Es ist vorgesehen, die Stelle wieder zu besetzen – zumal sie auch im Stellenplan enthalten ist“, erklärte der zuständige Fachbereichsleiter Stadtentwicklung und Bauen, Frithjof Look, heute auf meine Anfrage. „Vorab müssen noch die städtischen Gremien beteiligt werden.“ Das wird, nicht zuletzt wegen der bevorstehenden Kommunalwahl, allerdings mehrere Wochen dauern. Auf der Tagesordnung der nächsten (und letzten) Ratssitzung am 24. August ist (zumindest im öffentlichen Teil) die Stelle kein Thema, der am 11. September neu gewählte Stadtrat (mit dann möglicherweise anderen Mehrheiten oder Meinungen zu der Stadtarchäologen-Stelle) wird erst wieder Anfang November arbeitsfähig sein. Einbeck (und sein Tourismus) lebt zu großen Teilen von seiner Geschichte, von Erkenntnissen aus der Vergangenheit. Diese kann ein im Rathaus arbeitender Stadtarchäologe schneller und besser gewinnen als fachlich zweifellos ebenso kompetente Kollegen, die allerdings heute hier und morgen andernorts im Boden nach Erkenntnissen forschen, Einbecker Zusammenhänge aber nur mühsam herstellen können. „Wie hältst Du’s mit der Historie?“ Das könnte eine interessante Vergleichsfrage zwischen den Parteien im gerade startenden Kommunalwahlkampf werden…

Nachtrag 25.08.2016: Offenbar hat die Politik vom Weggang des Stadtarchäologen erst aus diesem Blog erfahren. Ratsherr Alexander Kloss (SPD) hat bei der Ratssitzung gestern die Informationspolitik des Rathauses als inakzeptabel bezeichnet und die Verwaltung gefragt, seit wann dort bekannt war, das Dr. Stefan Teuber die Stadtverwaltung verlässt und ob die Stelle ausgeschrieben werden soll. Bürgermeisterin-Stellvertreter und Personal-Fachbereichsleiter Dr. Florian Schröder räumte nach einer weiteren Nachfrage von SPD-Fraktionschefin Margrit Cludius-Brandt, die Verwaltung hätte in den jüngsten Sitzungen des Personalausschusses und des Verwaltungsausschusses darüber informieren müssen, ein Versäumnis zerknischt ein. Es sei aber keine böse Absicht gewesen, vielmehr der Gedanke innerhalb der Verwaltung, der Politik bereits ein Ergebnis präsentieren zu wollen, wie die Nachfolge geregelt werden könnte, beispielsweise durch interkommunale Zusammenarbeit innerhalb des Fachwerk-Fünfecks, in dem sich die Städte eine volle Archäologenstelle teilen könnten. Dem sei der Politikblog zuvor gekommen, sagte Schröder.

Nachtrag 30.09.2016: Der Verwaltungsausschuss hat nach Angaben von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek entschieden, die halbe Stelle eines Stadtarchäologen öffentlich auszuschreiben. Überlegungen, die Position durch eine Kooperation innerhalb des Fachwerk-Fünfecks gemeinsam durch die fünf Städte zu besetzen, habe man nicht umsetzen können, in den anderen Städten passe es derzeit nicht.