Wo bald das Fahrrad-Gründach steht, führte einst der Dreckgraben aus der Stadt

(c) Foto: Frank Bertram

Nicht nur der Winter mit kurzzeitigem Schnee und Frost hat die kleine Baustelle am südlichen Möncheplatz, wo der Hören auf das Rosental mündet, zwischenzeitlich ausgebremst. Auch die Fundamente für die zwei Säulen der dort entstehenden neuen Fahrradabstellanlage mussten ein wenig umgeplant werden und sollen nun wenige Meter versetzt entstehen, um die historischen Mauern des einstigen Dreckgrabens nicht zu zerstören. Bei archäologischen Grabungen waren diese von Stadtarchäologe Markus Wehmer gefunden und freigelegt worden. „Die archäologische Denkmalpflege muss in Einbeck immer mitgedacht werden“, sagte Fachbereichsleiter Jens Ellinghaus am Freitag bei einem Ortstermin. Die Mauern können erhalten bleiben, werden „in situ“ in der Erde an Ort und Stelle gesichert, damit auch in Jahrzehnten spätere Generationen noch im Boden die Geschichte lesen können. Wenige Meter daneben werden nun die Fundamente für das Fahrrad-Gründach gegossen, werden die vorhandenen Kommunikationsleitungen verlegt und schließlich der Platz gepflastert.

Bis spätestens Mitte Mai entsteht auf dem südlichen Möncheplatz, einer rund 200 Quadratmeter großen Fläche, die den einst „Schmiedeplan“ genannten Platzbereich umfasst, eine neue Fahrradabstellanlage mit begrüntem Dach und sieben Bügeln für insgesamt 14 Fahrräder, die unter dem Dach abgestellt werden können. Das Dach kann mit seinen knapp 30 Quadratmetern etwa 750 Liter Niederschlagswasser zurückhalten und auf dem Gründach verdunsten lassen, wodurch das Mikroklima verbessert wird, erläuterten Sachgebietsleiter Matthias Zaft und der Fachbereichsleiter Stadtentwicklung und Bauen, Jens Ellinghaus. Außer dem Dach wird auf dem gepflasterten Platz ein Ladestellenschrank mit 13 Schließfächern aufgestellt, in dem Fahrrad-Akkus von E-Bikes kostenlos aufgeladen werden können. Die Schließfächer sollen eine smarte Zugangsmöglichkeit erhalten, niemand soll mehr irgendwo Schlüssel abholen müssen. Außerdem wird auf dem Platz eine weitere digitale Infostele aufgestellt, schließlich kommen noch zwei Sitzbänke und ein Papierkorb zu dem Ensemble hinzu. Insgesamt sind für die Baumaßnahme rund 125.000 Euro kalkuliert, die Kosten werden bis auf die Pflasterung (etwa 30.000 Euro) zu 90 Prozent über das Förderprogramm React-EU finanziert, mit der wirtschaftliche und soziale Folgen der Corona-Pandemie abgefedert werden sollen. Das Pflaster passt sich an das bereits auf dem Möncheplatz verwendeten Muster an.

(c) Foto: Frank Bertram
An den freigelegten Überresten des gemauerten Dreckgrabens am „Schmiedeplan“/Ecke Rosenthal (v.l.): Pierre Haendel, Marcel Überall, Bauamtsleiter Jens Ellinghaus, Stadtarchäologe Markus Wehmer und Sachgebietsleiter Matthias Zaft.

Über den „Schmiedeplan“ führte der von der Langen Brücke hinter der Hausbebauung des westlichen Möncheplatzes verlaufende Dreckgraben, über den in Zeit vor der Kanalisation die Abwässer aus der Stadt gelangten. Nach dem Stadtbrand von 1540 waren die Dreckgräben mit Steinen gemauert und im 17. und 18. Jahrhundert nochmals verbreitert worden. Erst nach der bis 1897 entstandenen Kanalisation in Einbeck wurden die Dreckgräben zugeschüttet, verfüllt neben Erde unter anderem mit (wahrscheinlich defekten) Gegenständen aus Porzellan, Ton- oder Glasgefäßen, deren Überreste die Archäologie nun wieder fand. Der längste Dreckgraben führte aus dem Norden über das Petersilienwasser immer zwischen den Häusern hindurch über den Schmiedeplan und über die Dreckgraben genannte Straße direkt an der Stadtmauer (heute Rosental) aus der Stadt wieder heraus in den Mühlenkanal. Anhand der historischen Stadtpläne und anderer Quellen hat Stadtarchäologe Markus Wehmer die Entwicklung des Schmiedeplan-Dreckgrabens durch die Jahrhunderte genau dokumentieren können. Zeitweise war der kleine Platz bebaut, zeitweise Gartenland. Erst als nach 1843 die Stadtmauer abgebrochen wurde, die heutige Grimsehlstraße als neue Ausfallstraße entstand und die moderne Kanalisation gebaut wurde (Ende 19. Jahrhundert), war der Dreckgraben überflüssig geworden und wurde verfüllt – was heutige Archäologen zu Funden verhilft.

Die Reinigung der Dreckgräben war wie die Reinhaltung der Brunnen in der Stadt eine Pflichtaufgabe der so genannten Nachbarschaften, von denen es mehrere im Stadtgebiet gab und die jeweils mehrere Straßenzüge umfassten. Im Bereich des Rosentals sollte der Dreckgraben laut einer Polizeiverordnung von 1573 jeden Pfingstsonnabend geflutet und anschließend gereinigt werden, hat Stadtarchäologe Markus Wehmer herausgefunden. In späteren Jahrhunderten seien diese Pflichten zunehmend vernachlässigt worden, wie das zahlreiche Fundmaterial aus der Grabenfüllung verrate, sagt er. Dementsprechend habe es früher entlang der Dreckgräben auch gerochen.

(c) Foto: Frank Bertram
Im ehemaligen Dreckgraben hat Stadtarchäologe Markus Wehmer „historischen Müll“ gefunden, u.a. diese Fläschen, Teller- und Schüsselscherben aus dem 19. Jahrhundert.
(c) StAE Stadtarchiv Einbeck
Stadtplan von 1873 mit Hausnummern. Ausschnitt (c) StAE Stadtarchiv Einbeck
(c) Foto: Frank Bertram
Nach 1540 wurden die Dreckgräben gemauert.

Nachtrag 02.05.2023: Die Bauarbeiten auf dem „Schmiedeplan“ sind abgeschlossen, der Platz neu gestaltet.

Der neu gestaltete Platz am „Schmiedeplan“ mit Sitzbänken, digitaler Info-Stele und Fahrrad-Schließfächer unter dem Gründach.
Neu gestalteter Platz am „Schmiedeplan“, der südliche Möncheplatz.
Neu möblierter Platz am „Schmiedeplan“ nach Ende der Bauarbeiten.