Der Neustädter Kirchplatz wird deutlich teurer als geplant, die seit Monaten still stehende Baustelle im Herzen der Stadt wird voraussichtlich deutlich später fertiggestellt als ursprünglich vorgesehen. Und die Platzneugestaltung wird nun endgültig zur Belastung für Rathaus und Politik. Denn unabhängig von steigenden Baupreisen und mutmaßlich fehlerhaft ausgeführten Arbeiten und deren (juristischen) Folgen sind offenbar beim Umgang mit dem Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz speziell für den Neustädter Kirchplatz im Zusammenspiel zwischen Verwaltung und Treuhänder gravierende Fehler passiert, die durch einen 2. Nachtragshaushalt technisch korrigiert werden sollen. Der Finanzausschuss berät über den Entwurf am kommenden Dienstag (20. September, 17 Uhr, Alte Rathaus). Eine gute Akustik und eine funktionierende Mikrofonanlage in der Rathaushalle werden bei dieser Sitzung ganz besonders notwendig sein. Denn die Öffentlichkeit hat im Geiste von Transparenz und Ehrlichkeit einen Anspruch auf drei Dinge: Verständliche und lückenlose Aufklärung, eine Korrektur von Fehlern und das Bekenntnis zur Verantwortung.
Seit April ist in der Einbecker Stadtverwaltung beim Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz intensiv nachgerechnet worden. Dabei wurde deutlich, dass es in den Vorjahren Fehler beim so genannten Bruttoprinzip gegeben hat, teilweise waren mehr Haushaltsmittel auf dem für das Förderprogramm eingerichteten Treuhandkonto vorhanden, als es korrekt gewesen wäre, heißt es im Entwurf des Nachtragshaushalts. Vereinfacht gesagt: Obwohl das Projekt teurer wurde, war immer noch ausreichend Geld auf dem Konto. Das machte irgendwann die Finanzexperten im Rathaus stutzig, intern wurde die Sache überprüft. Ein finanzieller Schaden soll der Stadt und damit dem Steuerzahler dadurch allerdings nicht entstanden sein.
Weil die Förderkulisse sehr komplex ist, möchte die Verwaltung das Förderprogramm komplett aufschnüren und neu aufsetzen, um es haushalterisch sauber zu korrigieren. Dabei wird deutlicher denn je, dass die Kosten für den Neustädter Kirchplatz gestiegen sind. Und zwar nicht nur, weil die Baupreise extrem in die Höhe klettern. Sondern auch, weil in den bisher mit knapp vier Millionen Euro angegebenen Gesamtkosten die im Vorfeld der Bauarbeiten entstandenen Kosten, etwa für den Abriss des einstigen Gemeindehauses und für den Architektenwettbewerb, in der Betrachtung gar nicht aufgeführt waren (rund 600.000 Euro).
Für den Neustädter Kirchplatz sind 2,39 Millionen Euro bereits ausgegeben, Kosten von weiteren 3,91 Millionen Euro noch zu erwarten. Der Löwenanteil dieser Kosten (3,42 Millionen Euro) soll durch den 2. Nachtragshaushalt über neue Kredite bereitgestellt werden, weil mit steigenden Steuereinnahmen momentan eher nicht gerechnet werden kann. In Summe dürfte der Neustädter Kirchplatz am Ende gut 6,3 Millionen Euro gekostet haben – vor allem die Stadt Einbeck, denn mit 1,83 Millionen Euro Fördergeld ist die Fahnenstange höchstwahrscheinlich längst erreicht.
Klar dürfte allen Beobachtern indes sein, dass bei diesem Projekt der Punkt, an dem noch alles gestoppt werden könnte, längst überschritten ist. Das muss jetzt kein „Augen zu und durch“ bedeuten, aber bei allen Alternativ-Überlegungen müssen bereits erteilte Aufträge berücksichtigt werden, die nicht mehr kostenneutral rückgängig zu machen sind. Zumal im schlimmsten Fall dann auch Fördergelder wegfallen würden. Den Brunnen als einziges Element, bei dem bislang noch keine Kosten angefallen sind, zu stoppen, ist aus mehreren Gründen heikel. Denn auch wenn mit der 150.000 Euro-Spende des vor wenigen Monaten verstorbenen Ratsherrn Walter Schmalzried die Kosten für den Brunnen (461.000 Euro) nicht komplett gedeckt werden, die Spende hat der Rat bereits zweckgebunden angenommen und kann sie nicht einfach jetzt wieder zurück überweisen. Und auch nicht um eine weitere zusätzliche Spende bitten.
Wie und wann geht’s nun weiter auf dem Neustädter Kirchplatz? Die Stadtverwaltung hat dem für die seit Juli bekannten unzureichenden Bodenverhältnisse verantwortlichen Unternehmen eine Mängelrüge erteilt. Das Unternehmen habe sich jedoch uneinsichtig gezeigt, sodass die Stadt ein so genanntes selbstständiges Beweisverfahren beim Landgericht Göttingen in die Wege geleitet hat. In einem nächsten Schritt wird ein vom Gericht bestellter Gutachter vor Ort die Sachlage ermitteln. „Dafür gibt es momentan noch keinen Termin, es ist aber durchaus möglich, dass dies noch einige Monate dauern wird“, sagte Baudirektor Joachim Mertens. „Bis dahin ist definitiv eine Wiederaufnahme der Bautätigkeit nicht möglich.“ Zudem hat die Stadt wegen der stark steigenden Baukosten einen Baustopp verfügt. Zunächst muss auch aus haushälterischen Gründen zunächst eine Lösung gefunden werden. Die Stadtverwaltung betont, dass in den noch zu erwartenden Kosten für den Neustädter Kirchplatz auch die für eine juristische Auseinandersetzung einkalkuliert sind. „Das soll aber nicht als Bewertung der Erfolgsaussichten im gerichtlichen Verfahren verstanden werden“, erklären Fachbereichsleiter Joachim Mertens und Kämmerer Christian Rohner. „Dringt die Stadt mit der Rüge vor Gericht durch, wären entsprechende Kosten ganz oder teilweise wieder von den Gesamtkosten abzusetzen.“
Spannend wird die politische Bewertung der Angelegenheit, zumal SPD und CDU lange Zeit unterschiedlicher Auffassung bei dem Stadtentwicklungsprojekt waren und jetzt eine gemeinsame Gruppe im Rat bilden. Die aktuellen Meinungen dürften im Finanzausschuss öffentlich werden, am 28. September dann in der folgenden Stadtrat-Sitzung. Bislang sind auf den vorliegenden Entwurf des 2. Nachtragshaushalts noch keine Äußerungen aus dem Kreise des Stadtrats zu hören, so lange das Papier öffentlich ist. Das dürfte sich spätestens am Dienstag ändern.
