
Während sich draußen ein heftiges Sommer-Gewitter mit Blitz und Donner entlud, waren auch im Ratssaal atmosphärische Störungen zu beobachten, als der Bauausschuss des Stadtrates tagte. Wobei das eine mit dem anderen selbstverständlich nichts zu tun hatte. Es ging um das Gebäude, in dem die Kommunalpolitiker saßen: das Alte Rathaus. Die Fassade des Dreitürmehauses soll, nein muss renoviert, sämtliche Fenster (außer im Turm) sollen erneuert, alle Sandsteinelemente einschließlich der Haupteingangstreppe aufgearbeitet werden. Der Gewölbekeller soll, so die Pläne, für allein 290.000 Euro unter anderem archäologisch untersucht, der Fußboden saniert, der Eingangsbereich tiefergelegt werden. Ein wenig mogeln sich die Politiker in der Diskussion darum herum, wie das Alte Rathaus denn künftig überhaupt genutzt werden soll, wenn die Fassade wieder propper aussieht. Denn die obere Etage steht fast komplett leer, die untere Etage wird außer dem Standesamt nur sporadisch für Veranstaltungen genutzt – oder aber für Sitzunge der politischen Gremien. Einig waren sich im Bauausschuss die Ratsmitglieder imgrunde nur, dass sie für den Gewölbekeller kein Geld ausgeben möchten, weil eine Nutzung sehr unsicher sei. Und das sei schon seit Jahren bekannt, renommierte Gastronomen hätten abgewunken.
Das Nein zum Keller war gewissermaßen der symbolische Donnerschlag: Als Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek den Politikern eröffnete („Wir drehen uns im Kreis“), dass der Verwaltungsausschuss ja sowieso schon den Förderantrag für die Kosten der Sanierung von Rathaus inklusive Gewölbekeller (680.000 Euro) im Städtebauförderungsprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden Netzwerk Einbeck“ für 2016 beschlossen habe und eine Änderung des Antrages in Hannover schwierig zu erläutern sei, waren einige Ratsmitglieder wie vom Donner gerührt. „Ich fühle mich als Ausschuss-Vorsitzender übergangen“, gab Willi Teutsch (CDU) zu Protokoll.
Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass ein Fachausschuss inhaltlich debattiert, nachdem der VA bereits die Finanzierung (und damit auch inhaltliche Vorgaben) beschlossen hat. Die Reihenfolge ist eigentlich anders – und sollte es auch sein. Selbst dann, wenn für Förderprogramme Antrags-Fristen einzuhalten sind. Warum der Bauausschuss seit Dezember 2014 nicht getagt hat, ist die eigentliche Frage. Das Gremium hätte locker vor dem Ende Mai getroffenen VA-Beschluss inhaltlich darüber sprechen können, wie denn das Alte Rathaus saniert werden soll. Und die Ausrede, die Bauamtsleitung sei ja vakant gewesen, taugt nicht; Frithjof Look ist seit Anfang Mai im Dienst.
Es ist ja wahrlich den Bürgern kaum zu erklären, wie Marcus Seidel (SPD) richtig sagte, warum man 300.000 Euro in einen Keller steckt, der einzig für einige wenige Stadtführungen bislang sinnvoll genutzt wird. Während an anderer Stelle keine 30.000 Euro für verschiedene Projekte im städtischen Etat übrig sind. Selbst wenn man in aller Gewitterstimmung berücksichtigt, dass ein Förderantrag noch längst keine Überweisung von Geld ist. Niemand kann vor Mai nächsten Jahres sagen, ob und wenn ja wieviel Geld aus diesem Fördertopf die Stadt Einbeck bekommt. Sagen lässt sich jedoch eindeutig, dass hier mehrere gepennt haben, wie es Reinhard Brinckmann (GfE/Bürgerliste) so emotional wie treffend sagte. Der VA hat geschlafen, weil er offenkundig Finanzierungen beschließt, die inhaltlich noch gar nicht beraten und beschlossen sind; der Bauausschuss schlummert dahin, weil er nicht von sich aus auf eine Sitzung dringt. Wenn ein Ausschuss wie der für Bauen, Umwelt und Energie letztmals im vergangenen Jahr im Dezember (!) und dann erst wieder gestern im Juli tagte, darf man ruhig mal die Frage stellen, ob man diesen Ausschuss nach der nächsten Kommunalwahl überhaupt noch benötigt.
Am Ende hat das Gremium mit Mehrheit beschlossen, vorrangig die Fassade zu sanieren und erst später den Keller. Falls das Fördergeld nach Einbeck in voller Höhe fließen sollte, werde man eben nochmal politisch „nacharbeiten“ müssen.

Zustimmend zur Kenntnis genommen hat der Bauausschuss die Sanierung des ehemaligen Waisenhauses in der Baustraße 23. Das aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts stammende Baudenkmal mit seinem seltenen Leiter-Fachwerk, das den Einbecker Hospitalstiftungen gehört, muss dringend modernisiert werden, wie jeder Laie erkennt. Architekt Matthias Jung (Hildesheim) stellte den Politikern die Planungen vor, barrierefreie große und kleine Wohnungen sollen nach dem Willen der Politik entstehen. Die Pläne sehen den Abriss des in den 1930-er Jahren angebauten zweiten Treppenhauses vor. Die drei Wohnungen im Erdgeschoss sollen direkt von außen erschlossen werden. Im Obergeschoss (erreichbar durch das zentrale Treppenhaus) dient ein vorgesetzter Laubengang, die Wohnungen zu erschließen. Der Laubengang in einer leichten Stahlbaukonstruktion soll gleichzeitig als Balkon-Möglichkeit für die Bewohner des Obergeschosses dienen. Die Dachgauben sollen entfernt, das Dach neu eingedeckt werden.
Während der noch nicht terminierten Bauphase sollen den Mietern Ersatzwohnungen zur Verfügung gestellt werden. Marcus Seidel (SPD) bat zu prüfen, wie juristisch zu verfahren sei, falls sich langjährige Mieter weigern sollten, übergangsweise auszuziehen.
Die Kosten von fast einer Million Euro sollen zu großen Teilen (654.000 Euro) aus dem Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz finanziert werden; die Baustraße liegt im Fördergebiet Neustadt-Möncheplatz. Die Gegenfinanzierung der Restsumme aus dem Haushalt der Hospitalstiftungen sei gesichert, sagte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek gestern. Die Einbecker Hospitalstiftungen haben ihre Wurzeln im 13. Jahrhundert, sie verwalten das Vermögen des Hospitals St. Spiritus sowie der vereinigten Hospitäler St. Bartholomäi und St. Gertrud und fördern mit dem auf rund fünf Millionen Euro bezifferten Stiftungsvermögen ältere, behinderte und sozial bedürftige Menschen vornehmlich aus Einbeck.
