Krankenhaus-Streit: Immer neue Details

Der Streit im Einbecker Bürgerspital wird immer mehr zur Geschichte mit offenem Ausgang. Jüngste Wendung: Der Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-  und Kinderchirurgie an der Uniklinik Göttingen, Prof. Michael Ghadimi, ist nach meinen Informationen mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion als Beiratsmitglied des Einbecker Krankenhauses zurückgetreten. Damit besteht der dreiköpfige Beirat, der einem Aufsichtsrat gleichkommt und die Geschäftsführung beaufsichtigt, nur noch aus zwei Mitgliedern: Jochen Beyes als Vorsitzender und Dr. Florian Schröder als von der Stadt Einbeck entsandtes Mitglied. Ghadimi begründete seinen Schritt damit, dass er die Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer nicht unterstützen könne. Warum der Beirat zuvor verkleinert und drei Beiratsmitglieder entlassen worden seien, habe man ihm gegenüber nicht begründet. Auch bei der medizinischen Entwicklung des Bürgerspitals meldet Ghadimi Bedenken an. Wegen einer Vielzahl von ungeklärten Dingen und Entwicklungen, die er für falsch halte und nicht gutheißen könne, habe er sich zum Rücktritt entschlossen, teilte er mit.

Unterdessen werden immer neue Details bekannt. Vieles spielt sich, und das ist bei einer GmbH juristisch völlig legitim, hinter den Kulissen ab. Interessante Fakten sind im Handelsregister nachzulesen: Dort sind aktuell nur noch zwei Gesellschafter notiert. Der eine mit 20 Prozent Anteil ist der Chefarzt und Ärztliche Direktor Dr. Olaf Städtler, der andere Gesellschafter ist die Einbecker Bürgerspital GmbH selbst, deren alleiniger Geschäftsführer Städtler nach der Freistellung seines kaufmännischen Kollegen Hauke Heißmeyer momentan ist. So war das auf der Pressekonferenz am Montag auch erklärt worden. Damit ist aber auch klar, dass der direkte Einfluss der Initiativgesellschafter minimalst ist.

Das Tischtuch zwischen zwei Gesellschafter-Gruppen ist zerschnitten, ob es wieder genäht werden kann, ist offen. Und es geht nicht allein um Geld. Klar ist zwar: Während die einen Anteilseigner den Mitarbeitern wieder mehr Gehalt zahlen möchten, nachdem diese lange Zeit im Interesse der Sanierung auf 8,5 Prozent ihres Lohnes verzichtet haben, möchten das die anderen trotz schwarzer Zahlen nicht. Jedenfalls nicht in dem Umfang, wie die anderen das möchten. Den Gesellschaftern, die sich ausgebootet fühlen, geht es aber auch um Transparenz gegenüber den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit, denn eine Klinik von Bürgern für Bürger soll sich mitteilen und erklären. Die andere Gruppe überschreibt Pressemitteilungen offenbar nur lieber immer wieder mit einem guten Weg, auf dem man sei.

Die Gewerkschaft Verdi hat „die derzeitige Führungsriege“ scharf kritisiert: Dr. Olaf Städtler, Jochen Beyes und Michael Heraeus betrieben eine Falschinformation der Öffentlichkeit, um von eigenen Versäumnissen in der Vergangenheit abzulenken, heißt es in einer auführlichen Pressemitteilung (pm_kh_einbeck-fuehrung-betreibt-falschinformation). Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp kritisiert, dass vor allem Andreas Büchting als einer der Initiativgesellschafter jetzt nicht deutlich wahrnehmbarer Stellung beziehe. Intern hat er das getan. Mitte Oktober hat Büchting in einem Brief unter anderem an die Chefärzte sehr kritisch seine Enttäuschung über die Entwicklung beschrieben. In dem Schreiben, das mir vorliegt, ist unter anderem von juristisch fragwürdigen Schachzügen beim Ausschluss der Gemeinschaft Einbecker Familien als Gesellschafter und von Vertrauensbruch des Treuhänders die Rede. Die ausgeschlossene Gemeinschaft Einbecker Familien habe eine andere Vorstellung von der Führung des Hauses und den Umgang mit Menschen, heißt es in dem Brief. Das Vorgehen habe man deshalb bislang nicht angefochten, weil damit voraussichtlich ein jahrelanger Rechtsstreit verbunden sei, der erhebliche Unruhe im Krankenhaus und in der Öffentlichkeit und eine eventuelle Gefährdung von Arbeitsplätzen bedeutet hätte. Die Unruhe freilich gibt es jetzt trotzdem. Julia Niekamp: „Die Beschäftigten erwarten jetzt wirksame Unterstützung. Sie haben bisher mit 3,6 Millionen Euro Gehaltsverzicht am meisten Geld und Nerven in ihr Krankenhaus investiert.“ Andreas Büchting war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

Das vom medizinischen Geschäftsführer Dr. Olaf Städtler am Montag in der Pressekonferenz genannte Angebot von Zahlung von 20 Prozent des Weihnachtsgelds und einer 2,4-prozentigen Gehaltssteigerung hat die Gewerkschaft Verdi als „Falschaussage und Täuschung der Öffentlichkeit“ kritisiert. Diese Steigerung sei seit Mai und dem Ende des Sanierungstarifvertrags kein Angebot, sondern Verpflichtung. Deshalb habe Verdi auch nicht reagiert.

Unterdessen hat der Marburger Bund die Ärzte im Bürgerspital darüber informiert, dass die Mediziner auch nicht individuell per Einzelvertrag Gehaltsverzicht erklären könnten, weil ein Tarifvertrag gelte. Das Haus schulde den Ärzten seit September monatlich insgesamt 10,8 Prozent mehr Gehalt, heißt es in einer Mitgliederinformation, die mir vorliegt. „Wir sehen mit Sorge, dass erneut jemand am Ruder ist, der im persönlichen Umgang mit Gewerkschaften bewiesen hat, dass er diese nicht als Vertragspartner betrachtet“, schreibt die Gewerkschaft der angestellten Klinikärzte in Niedersachsen. Nachdem der kaufmännische Geschäftsführer Hauke Heißmeyer „kaltgestellt“ und freigestellt worden sei, mache es dieses Gebaren dem Marburger Bund „nahezu unmöglich, Vertrauen in die Sanierungsfähigkeit des Hauses zu entwickeln“.

Verdi hat nach Angaben von Julia Niekamp bereits seit Herbst 2015 in Gesprächen, schriftlich und zuletzt nochmal in diesem Herbst in einem Telefonat der Geschäftsführung immer wieder deutlich gemacht, dass es tarifvertragliche Regelungen nur für alle Berufsgruppen geben könne. Niekamp: „Alle oder keiner, Krankenschwester und Arzt. Das ändert sich auch nicht, auch wenn der Arbeitgeber alle paar Monate bei uns – und offenbar nur bei uns – Druck macht.“

Inzwischen gibt es auch erste Wortmeldungen aus der Politik zum Bürgerspital-Streit. Die Debatte über die Eigentümerstruktur nimmt die Einbecker CDU zum Anlass, „sich vorbehaltlos hinter das Krankenhaus und die handelnden Akteure zu stellen“, erklärte CDU-Ratsfraktionschef Dirk Ebrecht in einer Pressemitteilung (pm-cdu-einbeck-zum-buergerspital-16-11-18). Das Vorgehen der Gewerkschaft Verdi betrachtet die CDU als „absolut verantwortungslos“. Das Bürgerspital laufe wirtschaftlich stabil. Die Geschäftsführung habe die Klinik nicht nur in schwarze Zahlen geführt, sondern auch medizinisch weiter entwickelt und strategische Zukunftsverantwortung bis hin zu einem geplanten Neubau übernommen. Umso unverständlicher seien deshalb „die persönlichen und zum Teil ehrabschneidenden Vorwürfe, die in den letzten Tagen in verschiedenen Medien erhoben worden sind“, erklärte Ebrecht. Die CDU werde sich kommende Woche erneut ein Bild vor Ort machen und mit den Akteuren des Bürgerspitals sprechen. Ebrecht: „Wir sehen nicht länger zu, wie das Bürgerspital und dessen handelnden Personen zu Unrecht schlecht geredet werden.“ Den örtlichen Landtagsabgeordneten von SPD und FDP warf Ebrecht vor, in Sachen Bürgerspital „offenkundig abgetaucht“ zu sein. Aus Sicht der CDU kommen diese ihrer politischen Verantwortung nicht nach.

Nachtrag 20.11.2016: Die Einbecker SPD kritisiert die durch den Streit entstandene aktuelle Situation scharf, vor allem mit Beschäftigten und Gewerkschaften werde respektlos umgegangen. Besonders für die Neubaupläne müsse die derzeitige Geschäftsleitung jetzt dem Land tragfähige Konzepte liefern. Sonst sei die Millionen-Förderung ernsthaft in Gefahr. SPD-Vorsitzender Marcus Seidel kritisiert, dass die Informationslage nach seiner öffentlichen Anfrage in Stadtrat nach wie vor mangelhaft sei, was besonders ärgerlich sei, weil die Stadt über den Beirat direkt vertreten sei und Einfluss nehmen könne.

Zoff um das Krankenhaus

Operation Bürgerspital.

Operation Bürgerspital. Symbolfoto

Zoff um das Einbecker Krankenhaus: Der seit der Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers auch öffentlich bekannter gewordene Streit im Einbecker Bürgerspital steuert offenbar auf einen Höhepunkt zu – und nicht unbedingt auf einen positiven. Die aus mehreren namhaften Einbecker Familien bestehende Initiativgemeinschaft, die 2013 finanziell mitgeholfen hatte, die Klinik nach der Insolvenz wieder auf die Beine zu bringen, ist entmachtet worden und hat keinen Einfluss mehr. Das erklärte Walter Schmalzried heute im Namen der Initativgemeinschaft auf meine Anfrage. Er bestätigt damit Informationen der Gewerkschaft Verdi, die sich gestern am späten Abend in einer Pressemitteilung ähnlich geäußert hatte (pm_kh_einbeck-wer-lenkt-die-geschicke-des-krankenhauses), von einer kalten Entmachtung und „durchregieren“ ist dort die Rede. Bereits seit Mitte August ist der Chefarzt und medizinische Geschäftsführer des Bürgerspitals, Dr. med. Olaf Städtler, alleiniger Gesellschafter der gGmbH, nachdem er zusammen mit dem früheren Treuhänder und dem Wieder-Beiratsvorsitzenden Jochen Beyes die Anteile der Einbecker Familien eingezogen hatte. Davon sei die Initiativgemeinschaft überrascht worden, sagte Schmalzried dazu. „Die Gründe dafür kennen wir bis heute nicht, wir können den Schritt auch nicht nachvollziehen“, sagt der Modehaus-Kaufmann. Schmalzried war zunächst selbst als Beiratsvorsitzender vorgesehen, nachdem Beyes hingeworfen hatte. Um eine Belastung der Klinik zu vermeiden haben die Mehrheitsgesellschafter, die Einbecker Familien, bislang darauf verzichtet, den Beschluss anzufechten. Das Einbecker Bürgerspital (und damit aktuell Dr. Städtler und Beyes) wollte sich heute auf meine Anfrage nicht inhaltlich äußern. Für kommenden Montag ist eine Pressekonferenz terminiert.

Die Gründe für den Zoff werden indes bereits immer deutlicher. Im Kern ging es offenbar darum, wie die Mitarbeiter beteiligt werden sollten, nachdem das Krankenhaus nach den Sanierungsjahren wieder schwarze Zahlen schrieb. Sie hatten während der Sanierungsphase auf 8,5 Prozent ihres Entgelts verzichtet, laut Verdi rund 3,6 Millionen Euro. Während die Initiativgemeinschaft gerne die Beschäftigten von den guten Bilanzzahlen profitieren lassen wollte, war die andere Seite offensichtlich anderer Meinung, Jochen Beyes als Treuhänder der Einbecker Familien warf hin. Der Rest ist seit heute bekannt.

Wer lenkt die Geschicke des Einbecker Krankenhauses? Das hatte gestern Abend nicht nur, aber nun öffentlich auch die Gewerkschaft Verdi gefragt. „Die Gerüchteküche brodelt und die Beschäftigten sind massiv verunsichert, sie fürchten um ihre Arbeitsplätze“, schreibt Gewerkschaftssekretärin Julia Niekamp in ihrer Pressemitteilung. Das Verhältnis zwischen Städtler und Beyes auf der einen Seite und den anderen Gesellschaftern, darunter auch die Familie Büchting, sei massiv gestört. Mit der Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers Hauke Heißmeyer Mitte Oktober gehe seit dem Ende der Insolvenz 2013 bereits der dritte kaufmännische Geschäftsführer, der das Bürgerspital gemeinsam mit Städtler leitete, erinnert Verdi. Verdi und verschiedene Beratungsunternehmen hätten dringende konkrete Veränderungsprozesse vor allem im Verantwortungsbereich des medizinischen Geschäftsführers angemahnt, um das Haus wirklich ökonomisch zukunftssicher zu machen, erklärte Niekamp. „Wir haben die große Sorge, dass niemand den jetzt durchregierenden Herren in den Arm fällt und wir demnächst mit dem Krankenhaus dort stehen, wo wir schon einmal waren. So etwas ist nicht länger tragbar.“ Niekamp: „Jetzt als Patient nicht ins Bürgerspital zu gehen, wäre das völlig falsche Signal, denn die Versorgungsqualiät ist top, die Beschäftigten identifizieren sich in Einbeck noch mit ihrem Krankenhaus. Man würde die Falschen treffen, nämlich die engagierten Beschäftigten, die schon Geld und ihre ganze Kraft und Nerven in dieses Krankenhaus gegeben haben, oft schon seit Jahrzehnten auch durch alle Krisen dem Haus die Treue halten.“

Ich kann Verdi in diesem Falle nur recht geben: Die Beschäftigten warten darauf, dass die Gesellschafter und die Stadt Einbeck als „Bürge“ ihre Rolle wahrnehmen, sich kümmern und Druck machen, dass es so nicht weitergehen kann. Das Einbecker Bürgerspital braucht jetzt sehr schnell die sichtbare Unterstützung der Politik. Die bisherige öffentliche Zurückhaltung ist verständlich, weil immer Auswirkungen auf die Belegung der Klinik zu befürchten waren. Doch die muss nach dem jetzt öffentlich gewordenen Zoff im Sinne der Zukunft des Einbecker Krankenhauses vorbei sein. Und wird es sicherlich auch.

Langjährige Beobachter denken dieser Tage ohnehin, sie hätten ein Déjà-vu: Regelmäßig, sobald sich der Advent nähert, gerät das Einbecker Krankenhaus in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen – bis hin zur Insolvenz, aus der heraus das Bürgerspital als gemeinnützige GmbH entstanden war. „Alle profitieren von besserer Kommunikation“, war dieser Tage im anderen Zusammenhang eine Bürgerspital-Veröffentlichung in der Zeitung überschrieben. Selten war eine Schlagzeile treffender.

Musikschule mietfrei

Mendelssohn-Musikschule in der ehemaligen Stukenbrok-Villa.

Mendelssohn-Musikschule in der ehemaligen Stukenbrok-Villa. Archivfoto.

Die Finanzierung der Mendelssohn-Musikschule (MMS) ist bis Ende 2017 gesichert, obwohl zum 31. Juli 2016 der städtische Zuschuss von jährlich 70.000 Euro wegfällt. In diesem Jahr springt die Sparkassen-Stiftung in die Bresche, für 2017 haben sich private Spender gefunden, die nicht genannt werden wollen. Das berichtete heute Kulturausschuss-Vorsitzende Dr. Ursula Beckendorf (GfE) aus der eigens im vergangenen Herbst gebildeten Arbeitsgruppe in der Sitzung des Kulturausschusses. Laut Beckendorf hat sich die Arbeitsgruppe darauf geeinigt, die Musikschule bis Ende 2017 mietfrei in der Stukenbrok-Villa am Ostertor zu beherbergen. Beschlüsse dazu gab es heute im Fachausschuss nicht – und wird es voraussichtlich auch in Zukunft nicht (mehr) geben. Miete und Gebäudeunterhaltung sind laut Rolf Hojnatzki (SPD) in der mittelfristigen Finanzplanung für die Haushalte der nächsten Jahre mit einkalkuliert. Daran müsse nichts verändert werden. Das sah auch Bernd Huwald (CDU) so. Die Arbeitgruppe habe ihren Beitrag geleistet, die Politik sei sich schon länger einig, die MMS erhalten zu wollen. Die AG war mit je einem Fraktionsvertreter besetzt, außerdem mit der Vorsitzenden des Trägervereins, Christina Heise, sowie mit Kulturausschuss-Mitglied Michael Büchting (AKB-Stiftung). Nach den Worten von Alexander Kloss (SPD) habe die Arbeitsgruppe alle Empfehlungen im Konsens verabschiedet. So etwas sei selten, aber dem einigen Willen der Beteiligten geschuldet, dass die Mendelssohn-Musikschule als so genannter weicher Standortfaktor für Einbeck wichtig und erhaltenswert sei. Die AG habe allerdings dem Trägerverein auch deutlich gemacht, dass die jetzt gefundene Finanzierung befristet sei; die Schule müsse sich rechtzeitig selbst darüber Gedanken machen, wie es ab 2018 weiter gehe. Kloss: „Es gibt keinen Freibrief für die nächsten Jahre.“ MMS-Vorsitzende Christina Heise habe erklärt, dass auch mit einem Zuschuss-Budget von jährlich 40.000 statt den heutigen 70.000 Euro die Schule betrieben werden könne, berichtete Dr. Ursula Beckendorf. Die Arbeitsgruppe will sich weiterhin treffen – „ohne die anderen Musikschulen am Ort zu vergessen“ (Kloss).

Flüchtlingssituation: Durchatmen und dranbleiben

Die Zahl der neu in Einbeck eintreffenden Flüchtlinge hat aktuell merklich nachgelassen, rund 400 leben zurzeit im Gebiet der Stadt Einbeck, die Flüchtlinge dezentral in Wohnungen unterzubringen ist derzeit nach den Worten von Rathaus-Fachbereichsleiter Arnd Severidt kein Problem. Gelegenheit zum Durchatmen für die Helfer. Aber auch zum Dranbleiben. „Die Flüchtlingszahlen im Herbst und Winter waren nicht einfach zu verkraften, das war eine Riesenaufgabe“, sagt Michael Büchting, Kuratoriumsvorsitzender der Diakonie-Stiftung „Nächstenliebe in Einbeck“. Jetzt aber habe man auch mal Zeit dafür, Dinge aufzuarbeiten, die liegen bleiben mussten. Und man habe sich personell mittlerweile besser aufstellen können, berichtete Büchting im Sozialausschuss des Einbecker Stadtrates. „Wir sind zurzeit besser in der Lage zu helfen.“ Das Projekt „Neue Nachbarn“ der Diakonie-Stiftung wird von der Stadt Einbeck finanziell unterstützt, seit 1. März arbeitet nach einem Beschlusses des Stadtrates Roland Heimann in Vollzeit (38,5 Stunden) als Flüchtlingsbetreuer. Neben Koordinatorin Zsuszanna Bényei-Büttner (25 Stunden), die von der Diakonie-Stiftung bezahlt wird. Heimann ist Schnittstelle zu Behörden, Unternehmen, Schulen, Kindergärten und (Sport-) Vereinen. Außerdem waren und sind Praktikanten und Bundesfreiwilligendienstleistende im Bereich der Flüchtlingshilfe beschäftigt. Neben den zahlreichen ehrenamtlichen Helfern. Und Martina Bode ist für das Haushaltslager im ehemaligen Aldi-Markt an der Otto-Hahn-Straße tätig, pflegt Daten und Listen, kümmert sich um den Facebook-Auftritt der „Neuen Nachbarn“. Wie Michael Büchting im Sozialausschuss ankündigte, wird das Spendenlager im früheren Aldi-Markt ab Mai nicht mehr genutzt werden können, da KWS auf diesem seit geraumer Zeit dem Unternehmen gehörenden Gelände dann mit Erweiterungsbauarbeiten beginnen will. Dies sei vorher bekannt gewesen, und man habe auch inzwischen dank Vermittlung der Stadt Einbeck einen neuen Ort für ein Haushaltslager gefunden – im Bereich der ehemaligen Stadtgärtnerei am Deinerlindenweg. Auch das Museumscafé wird als Treffpunkt für Helfende mittlerweile zu klein. Damit Integration gelingen könne, benötige man Raum für Begegnung und Austausch, zwischen den Flüchtlingen, zwischen Flüchtlingen und Helfern sowie unter den Helfenden. Wünschenswert sei, hierfür Räume im Rheinischen Hof nutzen zu können, sagte Büchting. Die Gespräche dazu laufen.

Rodel frei

Dr. Carl-Ernst Büchting (1915-2010). Foto: KWS Saat SE

Dr. Carl-Ernst Büchting (1915-2010). Foto: KWS Saat SE

Auf ihr haben seit Jahrzehnten Generationen von Einbeckerinnen und Einbeckern viel Spaß auf ihrem Schlitten im Winter gehabt, sich mutig „talwärts“ gewagt… Und das, obwohl die rund 12.000 Quadratmeter große Fläche imgrunde Privatgelände war. „Büchtings Wiese“ wird das Grünland nördlich der Eichendorffallee östlich des Hubewegs im Volksmund schon immer genannt. Wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek heute auf Anfrage aus dem Verwaltungsausschuss berichtete, hat das Gremium einer Sachspende des Grundstücks (Wert: 10.000 Euro) zugestimmt, abschließend entscheidet nächste Woche der Stadtrat darüber. Die KWS Saat SE spendet „Büchtings Wiese“ der Stadt Einbeck in dem Jahr, in dem ihr langjähriger Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzender 100 Jahre alt geworden wäre. Sie soll öffentlich nutzbare Rodelwiese bleiben, geplant ist ein Unterstand am Waldrand und eine Hinweistafel auf Dr. Carl-Ernst Büchting (1915-2010). Für die nächsten zehn Jahre ist eine Pflege der Wiese durch KWS vereinbart.

"Büchtings Wiese": Wenn Schnee liegen würde, wäre hier Rodel frei. Und es bleibt dabei.

„Büchtings Wiese“: Wenn Schnee liegen würde, wäre hier Rodel frei. Und es bleibt dabei.

Nachtrag 17.12.2015: Der Stadtrat hat der Schenkung zugestimmt.

Nachtrag 18.12.2015: Wie die KWS in einer Presseinfo (62_Buechting-Wiese) mitteilt, wird im oberen Teil im Frühjahr 2016 eine Aussichtsplattform mit Schutzhütte entstehen, von der aus die Spaziergänger den Blick auf die Stadt genießen können – im Sommer ein Ort der Ruhe und des Verweilens und im Winter der Startpunkt für so manche Schlittenfahrt.

So soll die Aussichtsplattform aussehen, die im Frühjahr 2016 auf "Büchtings Wiese" entstehen soll. Grafik: KWS Saat SE

So soll die Aussichtsplattform aussehen, die im Frühjahr 2016 auf „Büchtings Wiese“ entstehen soll. Grafik: KWS Saat SE

Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden

Ich musste unwillkürlich an Heinrich von Kleist denken, als ich am Mittwoch die Debatte im Stadtrat verfolgte. Nein, nicht als es um die Straßenbeleuchtung ging und die Diskussion über eine Nachtabschaltung aus medizinischen, klimaschutztechnischen oder finanziellen Gründen. Da sind mir ganz andere Dinge eingefallen. Es waren die zahlreichen Wortbeiträge über den SPD-Antrag zum Thema Flüchtlinge. Der Schriftsteller Heinrich von Kleist hat Anfang des 19. Jahrhunderts einen Aufsatz geschrieben mit dem Titel „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ und in diesem den Tipp vermittelt, Probleme, denen durch Meditation nicht beizukommen sei, dadurch zu lösen, indem man mit anderen darüber spricht. Genau so verlief die Debatte über den SPD-Antrag, den die Genossen sowieso gerne weiter vorn auf der Tagesordnung gesehen hätten (und nicht als letzten inhaltlichen Punkt von 30). Das Thema Flüchtlinge taugt aber nicht zur parteipolitischen Auseinandersetzung, und das erkannten „beim Reden“ auch die Ratspolitiker. Gingen sich anfangs CDU und SPD noch mit scharfen Formulierungen verbal an (Ebrecht/CDU über den Antrag: „Populistischer Schuss ins Blaue“, Antwort der SPD: Unverschämtheit), verfertigten sich die Gedanken von Minute zu Minute beim Reden zu einem am Ende einvernehmlichen Beschluss. Die Stadt Einbeck wird einen Flüchtlings-Sozialarbeiter im Umfang bis zu einer vollen Stelle finanzieren, die direkt beim Projekt „Neue Nachbarn“ der Diakonie-Stiftung in Einbeck angesiedelt werden soll. Darauf hat sich der Stadtrat am Ende einstimmig verständigt. Notwendig sei aktuell eine halbe Stelle, erklärte Michael Büchting, Kuratoriumsvorsitzender der Diakonie-Stiftung. Das Projekt „Neue Nachbarn“ kümmert sich um erste Hilfe für Flüchtlinge, die in Einbeck und Umgebung ankommen und koordiniert die Arbeit der Ehrenamtlichen. Wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek sagte, haben in diesem Jahr 92 Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern das Gebiet der Stadt Einbeck erreicht. Sie rechnet nach aktuellen Prognosen mit weiteren 250 bis 300 Zuweisungen aus den Aufnahmeeinrichtungen. Der Stadtrat hat außerdem beschlossen, Bundesfreiwilligendienstler bei der Flüchtlingsarbeit einbinden zu wollen. Wie Fachbereichsleiter Arnd Severidt sagte, gebe es im Rathaus beim Thema Flüchtlingshilfe aktuell für die reine Verwaltungstätigkeit ausreichend Personal. Und auch die vermeintlich nicht vorhandene Rufbereitschaft für Flüchtlinge und Helfer, die im SPD-Antrag noch gefordert wurde, hat sich letztlich als bereits existent herausgestellt. Bis weit nach Dienstschluss seien die beiden Flüchtlings-Sozialarbeiterinnen des Landkreises Northeim telefonisch erreichbar; „das reicht uns“, sagte Michael Büchting dazu. Und wenn tatsächlich nachts einmal ein Problem gelöst werden muss, gebe es wie für alle anderen Fälle auch die Meldekette über die Polizei, über die auch die Stadt Einbeck und im Notfall auch die Bürgermeisterin erreichbar ist, sagte Dr. Sabine Michalek.

Für Forschungsfreiheit

Pflanzentechnologie erlernen, das kann man an der BBS in Einbeck - auch das lernte Thomas Oppermann bei seinem jüngsten KWS-Besuch.

Pflanzentechnologie erlernen, das kann man an der BBS in Einbeck – auch das lernte Thomas Oppermann bei seinem jüngsten KWS-Besuch.

Der Sozialdemokrat kennt KWS schon seit seinen Schülertagen in Edemissen: Damals habe auch er in den Ferien auf dem Feld „Rüben verzogen“, erinnert sich Thomas Oppermann. In Einbeck an der Goetheschule hat der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion sein Abitur gemacht. Bis heute ist Thomas Oppermann mit Einbeck verbunden: Er ist eines der Gründungsmitglieder des Vereins der Förderfreunde des PS-Speichers, dessen Vorsitzender der Aufsichtsratschef der KWS Saat SE, Andreas J. Büchting, ist. Man kennt sich, man duzt sich. Bei seinem jüngsten KWS-Besuch war Oppermann in Begleitung von rund zwei Dutzend Hauptstadtjournalisten. Nach einem Besuch des Weltkulturerbes Fagus-Werk in Alfeld (wo auch Schuhe von Oppermann in der Ausstellung zu sehen sind) stand tags darauf eine Brocken-Wanderung auf dem Programm der mehrtägigen Sommertour. Die Journalisten-Kollegen aus Berlin sorgten bei der 90-minütigen Visite bei KWS für eine höhere Twitter-Aktivität in Einbeck.

 

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Thomas Oppermann wünscht sich eine „rationale Debatte“ über moderne Methoden der Pflanzenzüchtung, wie er bei seinem Besuch sagte. „Die Forschungsfreiheit muss verteidigt werden, sie muss man Ihnen als Unternehmen lassen“, erklärte der 61-Jährige. KWS investiert rund 15 Prozent des Umsatzes jährlich in Forschung und Entwicklung – was dem Etat von zwei mittelgroßen Max-Planck-Instituten entspreche, sagte Thomas Oppermann. Der SPD-Politiker wünschte sich, dass der Saatguthersteller mit guten Forschungsergebnissen weiterhin an der Spitze liegen möge – und dabei keine unangemessenen Behinderungen ertragen müsse. Dass die KWS im strukturschwachen Bereich Einbeck und Südniedersachsen ihren Sitz habe und hier 1700 Mitarbeiter beschäftige, sei besonders wertvoll. Von KWS-Vorstandssprecher Hagen Duenbostel und dem Leiter Forschung & Entwicklung, Jürgen Schweden, ließ sich Oppermann über Züchtungsmethoden und die Saatgutproduktion informieren. Oppermann bestärkte das Unternehmen im  Bestreben nach mehr Transparenz bei der Etikettierung von Lebensmitteln. „Denn nur so wird dem Verbraucher klar, dass bereits bis zu 70 Prozent der Lebensmittel im Supermarkt in ihrer Entstehungskette mit Biotechnologie, also auch mit Gentechnik, in Berührung kommen“, erklärte KWS-Vorstandschef Hagen Duenbostel. Und das sei ja nichts Schlimmes. Bisher wüssten große Teile der Öffentlichkeit das nicht, sagte der 45-Jährige. Die Branche, aber auch die Politik habe eine wichtige Verantwortung, das Bewusstsein dafür zu schärfen.

Moderne Pflanzenzüchtung im Gewächshaus (v.l.): SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann, KWS-Vorstandsprecher Hagen Duenbostel und der Leiter Forschung & Entwicklung bei KWS, Jürgen Schweden.

Moderne Pflanzenzüchtung im Gewächshaus (v.l.): SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann, KWS-Vorstandsprecher Hagen Duenbostel und der Leiter Forschung & Entwicklung bei KWS, Jürgen Schweden.

Flüchtlinge: Wie geht es weiter?

Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion und der SPD-Stadtratsfraktion im Museumscafé, in dem sich regelmäßig Flüchtlingsbetreuer treffen.

Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion und der SPD-Stadtratsfraktion im Einbecker Museumscafé, in dem sich regelmäßig mittwochs und donnerstags ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuer zum Austausch treffen.

Der Zufall wollte es, dass sich die SPD-Kreistagsfraktion just an jenem Abend in Einbeck über die aktuelle Lage der Flüchtlingsbetreuung informierte, als wenige Stunden zuvor 56 Flüchtlinge aus dem Grenzdurchgangslager Friedland, vorwiegend Männer aus den Herkunftsländern Eritrea, Irak, Pakistan, Syrien, Afghanistan und der Russischen Föderation, im Landkreis Northeim ein neues Zuhause erhalten haben. Weil für alle Flüchtlinge noch rechtzeitig geeigneter Wohnraum gefunden werden konnte, musste eine bereits vorbereitete vorübergehende Unterbringung in der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Northeim nicht realisiert werden. Zunächst. „Wir sind sehr froh, dass wir diese Menschen dezentral unterbringen konnten“, lautete das Fazit des Ersten Kreisrats Dr. Hartmut Heuer (Einbeck), nachdem alle Flüchtlinge dank engagierten Einsatzes von 40 Mitarbeitern der Kreisverwaltung und zehn Dolmetschern in ihre neuen Wohnungen verteilt worden waren. Zwei Männer aus der Gruppe leben jetzt in Einbeck-Billerbeck. „Das Angebot an geeigneten Wohnungen ist nun aber so gut wie erschöpft“, erklärte Heuer. „Da zu erwarten ist, dass weiterhin geflüchtete Menschen in den Landkreis Northeim kommen werden, stehen wir daher kurz davor, die Flüchtlinge zukünftig in Turnhallen oder Dorfgemeinschaftshäusern unterbringen zu müssen“, sagte der Erste Kreisrat und amtierende Chef der Kreisverwaltung. Der Landkreis Northeim sucht daher nach wie vor dringend geeigneten Wohnraum kleineren Zuschnitts (Kontakt: Karsten Haase, e-mail: khaase@landkreis-northeim.de, Tel.: 05551/708-754). Im Landkreis leben laut Kreisverwaltung aktuell 938 Flüchtlinge, bis Ende September werde die Zahl auf 1284 steigen, lauten die Erwartungen. Bis Mitte 2016 könnte sich die Zahl auf 2600 mehr als verdoppeln, heißt es.

„Die Unterbringung in Dorfgemeinschaftshäusern wird auf uns zu kommen“, sagte der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Martin Wehner, nach dem Gespräch im Einbecker Museumscafé mit Vertretern der Diakonie-Stiftung, die seit April eine Koordinierungsstelle für Flüchtlinge finanziert. In den Räumen am Steinweg (Nebeneingang Museum) ist mittwochs und donnerstags je von 13 bis 16 Uhr ein Treffpunkt für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe. Zsuzsanna Bényei-Büttner, Michael Büchting und Marco Spindler informierten dort die Sozialdemokraten über die alltägliche Arbeit und aktuelle Probleme. „Wo hakt’s denn? Wo können wir eventuell Blockaden aufzulösen helfen?“, fragte Fraktionschef Wehner nach. Seine Fraktion wolle bewusst die konkreten praktischen Auswirkungen der aktuellen Flüchtlingssituation mitbekommen, abseits der (gut laufenden) eher theoretischen Arbeit der Verwaltung. Allein die Behörden könnten die Lage nicht managen, es seien ehrenamtliche Helfer für die direkte Arbeit mit den Flüchtlingen notwendig, sagte Wehner. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Kreis- und Stadtverwaltung laufe gut, lobten die Vertreter der Diakonie-Stiftung.

Michael Büchting, Marco Spindler, Zsuzsanna Bényei-Büttner.

Michael Büchting, Marco Spindler, Zsuzsanna Bényei-Büttner.

In der Einbecker Kernstadt leben bislang verhältnismäßig wenige Flüchtlinge. Weil es dort keinen Wohnraum gebe, im Gegensatz zu den Ortschaften, unter anderem im Bereich Kreiensen, berichtete Zsuzsanna Bényei-Büttner. Oder in Wenzen. Doch die dezentrale Unterbringung sorge für andere Probleme. „In Wenzen können sie nicht mal ein Brot kaufen.“ Dafür müsse man nach Einbeck fahren. Wer aber kein Deutsch spreche, oft nicht einmal lesen oder schreiben könne, habe die nächsten Schwierigkeiten zu bewältigen. Mit rund 30 ehrenamtlichen Helfern versuche man zu unterstützen, sagte Zsuzsanna Bényei-Büttner. „Wir brauchen Menschen, die ihnen beiseite stehen“, appellierte sie an weitere Interessierte, die Flüchtlingen bei ihren ersten Schritten in der neuen Heimat helfen möchten. Zum Beispiel werde dringend jemand gesucht, für den das Anbringen von Gardinenstangen und Gardinen kein Problem ist. Allein in den vergangenen 14 Tagen seien 26 Flüchtlinge neu in Einbeck eingetroffen und hätten erste Unterstützung benötigt. „Die Ehrenamtlichen kommen an ihre Grenzen.“

Zusätzlich zu vorhandenem Personal wären ergänzende Flüchtlingssozialarbeiter in der Fläche des Landkreises wünschenswert, sagte Marco Spindler, Geschäftsführer der Diakonie-Stiftung. Deren Vorsitzender Michael Büchting warnte davor, unnötige Parallelstrukturen aufzubauen: Eine Koordinierungsstelle habe die Diakonie ermöglicht, etwas Vergleichbares müssten andere Hilfsbereite nun nicht mehr schaffen. Ergänzendes sei gefragt. Und wichtig sei natürlich das Erlernen der Sprache, Deutsch-Kurse, Alphabetisierungskurse. Die aber kosten Geld.

Marcus Seidel, SPD-Ratsherr, nahm aus dem Gespräch mit, dass es notwendig sei, die verschiedenen Zuständigkeiten für Beteiligte und Interessierte deutlicher sichtbar werden zu lassen: Wer macht was? Da genüge ein einfacher Leitfaden im Internet, so hilfreich dieser auch sei, nicht aus. Das sei auch der Hintergrund gewesen, warum die SPD vor einem Jahr eine Konzeption gefordert und beantragt habe. Dass es beispielsweise für ehrenamtliche Helfer keine klare Rufbereitschaft am Wochenende oder nach Feierabend der Verwaltungen gebe, sei untragbar. Da werde man nachhaken.

Der Zufall wollte es, dass zeitgleich zum Treffen der SPD-Kreistagsfraktion sich auch die CDU-Kreistagsfraktion in Einbeck traf. Die Christdemokraten informierten sich im PS-Speicher über die aktuelle Lage des neuen Tourismus- und Wirtschaftsfaktors der Region, begrüßt und willkommen geheißen von Kornhaus-Stiftung-Sprecher Alexander Kloss, als SPD-Ratsherr und stellvertretender Bürgermeister hier wiederholt in schwieriger Doppelrolle unterwegs. Dass sich an dem Abend in Sozialen Netzwerken ein CDU-Kreistagsabgeordneter aus Edemissen mit einem Selfie in der PS-Speicher-Ausstellung vor „richtigen Motorrädern“, wie er schreibt, verewigt und ein Foto veröffentlicht und im Hintergrund in Fraktur-Schrift „Deutsche“ zu lesen ist, hinterlässt bei mir einen sehr unguten Nachgeschmack…

CDU-Kreistagsfraktion vor dem Eingang. Foto: CDU

CDU-Kreistagsfraktion vor dem PS-Speicher in Einbeck. Foto: CDU

Nachtrag 25.08.2015: Die CDU-Kreistagsfraktion hat sich heute in einer Pressemitteilung zu ihrem Besuch des PS-Speichers geäußert (Wortlaut: PM 12 2015 CDU Fraktion besucht PS-Speicher). Man habe sich über die Entwicklung der Besucherzahlen, geplante Erweiterungen, die weitere Gestaltung des Umfeldes, das geplante Konferenzzentrum und die Partnerschaften in und um Einbeck informiert. Fraktionschef Heiner Hegeler würdigte eine gute touristische Perspektive für Einbeck und für den Landkreis Northeim durch den PS-Speicher mit Hotel und Konferenzmöglichkeiten und hofft, dass in Kürze auch der neue Bahnhaltepunkt genehmigt werden kann.

Das geht besser

Dass sich Einbeck (immer) noch besser darstellen, vermarkten, verkaufen kann – wer wollte dem widersprechen? Jede Stadt hat noch Potenzial nach oben. Ob aus Einbeck, der Stadt der Brau- und Fachwerkkunst, dann gleich Einbeck, die Stadt des PS-Speichers, in der Außenwerbung werden sollte, wie gestern im Kulturausschuss Michael Büchting vorschlug, sollte noch einmal genauestens diskutiert werden – selbst wenn die im Sommer eröffnete Oldtimer-Erlebnisausstellung bislang nach eigenen Angaben schon 27.000 Besucher nach Einbeck geführt hat (interessant wäre es zu erkunden, ob und wieviel diese Besucher neben der Ausstellung im Kornhaus von Einbeck gesehen haben). Eine Dominanz eines Protagonisten ist zu vermeiden, und auch Büchting forderte immerhin, Einbeck als Gesamtpaket zu vermarkten. Und das geht in der Tat noch besser.

Ärgerlich in diesem Zusammenhang war gestern das Fehlen des Ausschussmitgliedes Frank Hagemann, Geschäftsführer der Einbeck Marketing GmbH, in der Kulturausschuss-Sitzung, in der angesichts der vorgelegten Jahresberichte mehrere Fragen zur touristischen und Kulturring-Arbeit durchaus zu erwarten waren. Die kamen dann auch und sollen jetzt schriftlich per Protokoll beantwortet werden. Wenn schon der Tourismus- und Kulturringleiter krankheitsbedingt längere Zeit passen muss und ihm nur gute Genesung zu wünschen ist, wäre es dann nicht erst recht Aufgabe des Geschäftsführers der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing, Veranstaltungs- und Tourismusservice gewesen, sich den Fragen der Politik im Stadtratsgremium für Kultur, Tourismus und Wirtschaftsförderung zu stellen? Und nicht eine Mitarbeiterin vorzuschicken, die nicht in allen Themen in allen Einzelheiten sattelfest sein kann und muss? Stichwort Fürsorgepflicht. Der Kulturausschuss tagt maximal vier Mal im Jahr, diese Termine sind rechtzeitig bekannt (für 2015 sind die Termine bereits im Ratsinformationssystem abrufbar), für niemanden überraschend, jeder kann sich darauf einstellen, wenn er will. Die Stadt hat bekanntlich bei der Einbeck Marketing GmbH mit 51 Prozent die Gesellschaftermehrheit. Und der Geschäftsführer fehlte nicht das erste Mal mutmaßlich urlaubsbedingt…

Räderfreunde

War fasziniert von der Ausstellung im PS-Speicher: Ministerpräsident Stephan Weil, "verfolgt" auf dem Motorrad von Karl-Heinz Rehkopf.

War fasziniert von der Ausstellung im PS-Speicher: Ministerpräsident Stephan Weil, „verfolgt“ auf dem Motorrad von Karl-Heinz Rehkopf.

Früher nannte man das Kaiserwetter, wenn die Herrscher durch ihre Lande zogen und die Sonne vor blauem Himmel strahlte. Mittlerweile heißen die Herrscher Ministerpräsidenten, das heutige Wetter durfte man freilich trotzdem getrost kaiserlich nennen. Bei 30 Grad war der gewünschte Sommeranzug nicht wirklich angenehm, aber die Gäste der offiziellen Eröffnung des PS-Speichers in Einbeck machten meist das Beste draus. Hoch war die Politiker-Dichte unter den fast 600 Teilnehmern der Startveranstaltung, viele prominente Räderfreunde waren erschienen, um den Beginn der Erlebnisausstellung rund um die Geschichte der Mobilität auf Rädern nicht zu verpassen. Fast 300 historische Fahrzeuge mit zwei, drei oder vier Rädern sind auf den sechs Etagen des denkmalgeschützten Kornspeichers zu sehen und interaktiv zu erleben, rund 25 Millionen Euro hat sich das die Kulturstiftung Kornhaus kosten lassen, zuletzt waren täglich bis zu 250 Handwerker gleichzeitig auf der Baustelle, damit alles pünktlich fertig wurde, was ab 23. Juli jeder Besucher sehen kann.

Freund des PS-Speichers: SPD-Bundestagsfraktionschef (und Ex-Goetheschüler) Thomas Oppermann, hier mit dem Vorsitzenden des Fördervereins, Dr. Andreas Büchting (r.)

Freund des Einbecker PS-Speichers: SPD-Bundestagsfraktionschef (und Ex-Goetheschüler) Thomas Oppermann, hier mit dem Vorsitzenden des PS-Speicher-Fördervereins, Dr. Andreas Büchting (r.)

„Gut Ding will Weil haben“, scherzte der Initiator und Stifter des PS-Speichers, Karl-Heinz Rehkopf. Nachdrücklich habe er nochmals nachgehakt, als Ministerpräsident Stephan Weil eigentlich für die Eröffnung schon abgesagt hatte. Es hat gewirkt, der MP war heute da und setzte einen schweißtreibenden Schlusspunkt seiner Sommerreise. „Das war eine südniedersächsische Druckbetankung“, sagte Weil selbst über die vielen Eindrücke während der zweitägigen Intensivreise mit zahlreichen Stationen – vom Aromahersteller bis zum Saatgutproduzenten. Der PS-Speicher sei ein besonders gutes Beispiel für die Potenziale, die der Süden des Landes biete. „Das wird ein Magnet für alle Freunde der Kraftfahrtzeuge“, ist der Regierungschef nach einem ersten Rundgang durch die Ausstellungsräume überzeugt, „die Biker werden Einbeck zu ihrem Zentrum erklären“. Und er will wiederkommen, um sich alles nochmal in Ruhe anzusehen, sagte der MP auf einem Motorrad aus den 1920-er Jahren sitzend. Der Regierungschef hat sich im Namen aller 7,8 Millionen Niedersachsen bei Initiator Karl-Heinz Rehkopf dafür bedankt, dass dieser seine in 60 Jahren aufgebaute Sammlung gestiftet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe: „Sie haben damit ein hohes Maß an Gemeinsinn bewiesen.“

Unter den 600 Gästen: Unternehmer Dr. Gisbert Vogt (Bad Gandersheim) und der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne (Northeim).

Unter den 600 Gästen: Unternehmer Dr. Gisbert Vogt (Bad Gandersheim) und der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne (Northeim).

Karl-Heinz Rehkopf dankte der Politik. Nicht nur für 1,85 Millionen Euro Fördergelder. Sondern in Einbeck auch für die 100 Prozent einstimmigen Beschlüsse während der Planungsphase des PS-Speichers. Die wirksamste Unterstützung einer Behörde, sagte Rehkopf, sei „das Weglassen von Schwierigkeiten“. Mit der Übergabe der Ausstellung an den Ministerpräsidenten und damit an die Öffentlichkeit sei die Oldtimer-Schau „unser aller PS-Speicher“, wünschte sich der 77-Jährige.

Zum Festakt hatte die den PS-Speicher tragende Kulturstiftung Kornhaus viele begeistern können, nach Einbeck zu kommen. Moderiert wurde die zweistündige Veranstaltung von Zehnkampf-Olympiasieger Christian Schenk und Motorsport-Moderatorin Verena Wriedt.

Festakt in Halle 8: Vor 600 Gästen moderierten Verena Wriedt und Christian Schenk.

Festakt in Halle 8: Vor 600 Gästen moderierten Verena Wriedt und Christian Schenk.

Warten auf den Einlass: die Gäste beim Start des PS-Speichers in Einbeck.

Warten auf den Einlass: die Gäste beim Start des PS-Speichers in Einbeck im Foyer der Ausstellungsräume.