Ich musste unwillkürlich an Heinrich von Kleist denken, als ich am Mittwoch die Debatte im Stadtrat verfolgte. Nein, nicht als es um die Straßenbeleuchtung ging und die Diskussion über eine Nachtabschaltung aus medizinischen, klimaschutztechnischen oder finanziellen Gründen. Da sind mir ganz andere Dinge eingefallen. Es waren die zahlreichen Wortbeiträge über den SPD-Antrag zum Thema Flüchtlinge. Der Schriftsteller Heinrich von Kleist hat Anfang des 19. Jahrhunderts einen Aufsatz geschrieben mit dem Titel „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ und in diesem den Tipp vermittelt, Probleme, denen durch Meditation nicht beizukommen sei, dadurch zu lösen, indem man mit anderen darüber spricht. Genau so verlief die Debatte über den SPD-Antrag, den die Genossen sowieso gerne weiter vorn auf der Tagesordnung gesehen hätten (und nicht als letzten inhaltlichen Punkt von 30). Das Thema Flüchtlinge taugt aber nicht zur parteipolitischen Auseinandersetzung, und das erkannten „beim Reden“ auch die Ratspolitiker. Gingen sich anfangs CDU und SPD noch mit scharfen Formulierungen verbal an (Ebrecht/CDU über den Antrag: „Populistischer Schuss ins Blaue“, Antwort der SPD: Unverschämtheit), verfertigten sich die Gedanken von Minute zu Minute beim Reden zu einem am Ende einvernehmlichen Beschluss. Die Stadt Einbeck wird einen Flüchtlings-Sozialarbeiter im Umfang bis zu einer vollen Stelle finanzieren, die direkt beim Projekt „Neue Nachbarn“ der Diakonie-Stiftung in Einbeck angesiedelt werden soll. Darauf hat sich der Stadtrat am Ende einstimmig verständigt. Notwendig sei aktuell eine halbe Stelle, erklärte Michael Büchting, Kuratoriumsvorsitzender der Diakonie-Stiftung. Das Projekt „Neue Nachbarn“ kümmert sich um erste Hilfe für Flüchtlinge, die in Einbeck und Umgebung ankommen und koordiniert die Arbeit der Ehrenamtlichen. Wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek sagte, haben in diesem Jahr 92 Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern das Gebiet der Stadt Einbeck erreicht. Sie rechnet nach aktuellen Prognosen mit weiteren 250 bis 300 Zuweisungen aus den Aufnahmeeinrichtungen. Der Stadtrat hat außerdem beschlossen, Bundesfreiwilligendienstler bei der Flüchtlingsarbeit einbinden zu wollen. Wie Fachbereichsleiter Arnd Severidt sagte, gebe es im Rathaus beim Thema Flüchtlingshilfe aktuell für die reine Verwaltungstätigkeit ausreichend Personal. Und auch die vermeintlich nicht vorhandene Rufbereitschaft für Flüchtlinge und Helfer, die im SPD-Antrag noch gefordert wurde, hat sich letztlich als bereits existent herausgestellt. Bis weit nach Dienstschluss seien die beiden Flüchtlings-Sozialarbeiterinnen des Landkreises Northeim telefonisch erreichbar; „das reicht uns“, sagte Michael Büchting dazu. Und wenn tatsächlich nachts einmal ein Problem gelöst werden muss, gebe es wie für alle anderen Fälle auch die Meldekette über die Polizei, über die auch die Stadt Einbeck und im Notfall auch die Bürgermeisterin erreichbar ist, sagte Dr. Sabine Michalek.