Windpark Holtensen-Hullersen entsteht: Ende 2023 sollen die neun Windräder Strom liefern

Im Ilmebecken südwestlich von Einbeck haben die Bauarbeiten für neue Windkraftanlagen begonnen. Zwischen den Ortschaften Holtensen, Hullersen und Dassensen werden in den nächsten Monaten neun 5-Megawatt-Windräder entstehen. Bauherr und Projektentwickler ist die SAB Windteam GmbH aus Itzehoe, die insgesamt rund 50 Millionen Euro investiert. Den symbolischen Spatenstich hat SAB jetzt gemeinsam mit Vertretern der Ortschaften, der Stadt Einbeck und der Grundeigentümer vorgenommen. Ende 2023 sollen die neun Windturbinen den ersten Strom erzeugen.

Carsten Hühne und Helge Ahrens (v.l.) mit den Teilnehmenden des Spatenstichs auf dem Acker von Henning Bode, wo Anlage 5 entsteht.

Mit dem Baustart ist ein zehn Jahre dauernder Marathonlauf durch Genehmigungs- und Planungsverfahren abgeschlossen, bei dem alle Beteiligten dabei geblieben sind. „Wir hatten uns das schneller vorgestellt und das Projekt stand auch mehrfach in Frage“, räumte Projektentwickler Helge Ahrens von SAB Windteam ein. Zuletzt hätten unterbrochene Lieferketten und die Inflation das Vorhaben vor große Herausforderungen gestellt, allein der Trafo für das notwendige Umspannwerk südlich der Windräder habe eine Lieferzeit von 20 Monaten. Ahrens dankte den Grundeigentümern für deren Geduld und Vertrauen in diesen schwierigen Zeiten. SAB erhält durch Veränderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine feste Vergütung für den erzeugten Strom mehr, sondern hat im Februar bei einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur den Zuschlag erhalten. Die Anlagen müssen danach spätestens im März 2024 in Betrieb genommen werden, was aktuell zu einem enormen Umsetzungsdruck führt. Für den Eingriff ins Landschaftsbild erhält der Landkreis Northeim von SAB einen Ausgleich in Höhe von knapp 700.000 Euro. SAB will außerdem Ausgleichsmaßnahmen wie Gehölz- und Staudenpflanzungen und so genannte Ablenkflächen für geschützte Greifvögel schaffen.

Carsten Hühne (r.) als Vertreter der Flächenpoolgemeinschaft erläuterte vor dem Spatenstich noch einmal den Planungen.

Wegen der kleinteiligen Flächenstrukturen in den Gebiet habe man schon vor zehn Jahren entschieden, dass die Grundeigentümer nur gemeinsam agieren könnten, sagte Carsten Hühne (Holtensen) als Vertreter der bereits Ende 2012 gegründeten Flächenpoolgemeinschaft aus rund 40 privaten Landeigentümern sowie den beiden damals noch selbstständigen Kirchengemeinden. „Das war richtungsweisend und visionär und zeigt, wie es funktionieren kann“, erklärte Hühne. Die 2013 vereinbarten Nutzungsverträge haben bereits Regelungen berücksichtigt, die erst 2023 in das EEG einfließen werden. Unter anderem verzichten die Eigentümer für mindestens 20 Jahre auf einen Anteil ihrer Nutzungsentgelte und stellen sie stattdessen den umliegenden Dörfern zur Förderung des sozialen und kulturellen Gemeindelebens zur Verfügung. Dafür wird aktuell ein Förderverein gegründet. Ortsräte, Vereine und auch einzelne Bürger können Vorschläge für gemeinnützige Projekte in den umliegenden Dörfern machen. Die jährliche Mitgliederversammlung des Vereins entscheidet, was gefördert werden soll.

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erinnerte an den langen Planungsprozess, in dem die Stadt Einbeck die 2019 beschlossene Ausweisung von Vorrangflächen mit Ausschlusswirkung letztlich selbst in der Hand behalten habe. Das habe, beispielsweise mit der großzügigeren 1000-Meter-Abstandsregelung zu Ortschaften im Flächennutzungsplan nach Bürgerprotest vor allem aus Dassensen, die Akzeptanz in der Bevölkerung ebenso gefördert wie es die aktive gemeinsame Herangehensweise der Grundstückseigentümer tue. „Die modernen Windmühlen werden das Landschaftsbild verändern, aber wenn wir die Energiewende ernst nehmen, dann müssen wir vor Ort anfangen“, sagte die Rathauschefin.

Im Windpark Holtensen-Hullersen werden neun Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von jeweils 5,5 Megawatt gebaut. Jedes Windrad hat eine Nabenhöhe von 161 Metern und ist insgesamt 240 Meter hoch. Die überstrichene Fläche je Anlage beträgt knapp 20.000 Quadratmeter, was einer Fläche von zwei Fußballfeldern entspricht. Die Gesamtleistung des Windparks beträgt 49,5 Megawatt, die einen Jahresertrag von 80 Gigawattstunden Strom erzielen kann, das entspricht dem Durchschnittsverbrauch von mehr als 20.000 Vier-Personen-Haushalten. Die gesetzlich vorgeschriebene Nachtbeleuchtung an den Windrädern ist auf ein Minimum reduziert, die Warnlichter werden nur dann aktiviert, wenn sich ein Flugobjekt tatsächlich in der Nähe befindet.

Symbolischer Spatenstich für neun Windkraftanlagen bei Einbeck (v.l.): Thomas Kahle (Ortsbürgermeister Holtensen), Einbecks Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, Eunice Schenitzki (Ortsbürgermeisterin Hullersen), Projektentwickler Helge Ahrens (SAB Windteam) und Carsten Hühne (Flächenpoolgemeinschaft Holtensen-Hullersen), im Hintergrund einige Eigentümer der Grundstücke.

August Kahle aus Dassensen 70 Jahre in der SPD

August Kahle mit seinem ersten Mitgliedsbuch.

Als August Kahle in die SPD eingetreten ist, war die Bundesrepublik Deutschland gerade einmal ein gutes halbes Jahr alt, der Zweite Weltkrieg erst seit fünf Jahren beendet. Deutschland musste wieder aufgebaut, die Gesellschaft neu organisiert werden. Der Bundeskanzler hieß im Januar 1950 Konrad Adenauer, und der Vorsitzende der SPD war Kurt Schumacher. Dies alles klinge wie ein Märchen aus weit entfernter Zeit, sagte der Vorsitzende der SPD-Abteilung Dassensen/Ilmetal, Christian Grave. Umso schöner sei es, dass es wahr sei und eben kein Märchen: August Kahle aus Dassensen ist seit 70 Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Dafür wurde der 91-Jährige im Dassenser Pfarrsaal am Sonnabend Nachmittag geehrt. „Ich habe mich nie in den Vordergrund gestellt“, bedankte sich Kahle bescheiden. An diesem Tag musste er da durch, im Mittelpunkt zu stehen.

Dieter Nagel (verdeckt), Christian Grave, Frauke Heiligenstadt, Wolfgang Jüttner, August Kahle, Marcus Seidel.

70 Jahre, das sei fast die Hälfte der gerade gefeierten 150 Jahre SPD in Einbeck, eine unglaubliche Zahl, sagte der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, Marcus Seidel. Und vor allem, wo der Jubilar fit und ein hochsympathischer Mensch sei und aktiv am Leben teilnehme. Alle Genossen zwischen Bodenfelde und Kalefeld, zwischen Gillersheim und Nörten-Hardenberg gratulierten zu diesem seltenen Jubiläum, sagte die SPD-Unterbezirksvorsitzende Frauke Heiligenstadt. August Kahle, der mit 21 Jahren in die SPD eingetreten ist, gelernter Maurer und Jahrzehnte bei der Straßenmeisterei beschäftigt, war 1956 erstmals in den Gemeinderat der damals noch selbstständigen Gemeinde Dassensen gewählt worden, von 1974 war Kahle 22 Jahre lang Ortsbürgermeister, saß in dieser Zeit auch im Einbecker Stadtrat. Was ihn besonders stolz mache? Dass Dassensen seit seiner Zeit bis heute weiter ununterbrochen einen Ortsbürgermeister habe, der der SPD angehöre.

August Kahle bedankt sich für die Ehrung, seine Familie filmt mit dem Handy mit.

Die Jubilarehrung mit Urkunde und Anstecknadel nahm Wolfgang Jüttner vor, der ehemalige niedersächsische Umweltminister und Landtagsfraktionsvorsitzende aus Hannover. Kurzfristig musste er für den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch,  einspringen, der als Redner in Berlin bei der „Wir haben es satt“-Demo unabkömmlich war. Jüttner schlug in seiner Rede den ganz großen Bogen von den Anfängen der Sozialdemokratie bis heute. Er selbst sei vor genau 50 Jahren, kurz nach Willy Brandts Regierungserklärung „Mehr Demokratie wagen“, in die SPD eingetreten. Sozialdemokratie bedeute nicht, die alten Lieder zu singen und von früher zu erzählen. Die SPD dürfe auf die Fragen von heute nicht alte Antworten geben. Bei der aktuellen Schwäche der Sozialdemokraten müsse Ziel sein, sich in den kommunalen Gremien zu revitalisieren, neu aufzubauen. Wenn dort vor Ort, authentische Persönlichkeiten um die beste Lösung ringen würden, hinhören auch am Biertisch, Glaubwürdigkeit verbreiten, Vertrauen schaffen und ihre Politik auch noch gut erklären könnten, könne es wieder bergauf gehen – wenn auch nicht sehr schnell, befürchtete Jüttner. „Mehr Ehrlichkeit ist schon die halbe Miete“, sagte der SPD-Politiker und zitierte Gründungsvater Ferdinand Lasalle: Sagen, was ist.

Wolfgang Jüttner sprach über die Herausforderungen der SPD in aktueller Zeit.

Vier Themen seien heute für die SPD wichtig, um wieder mit ihren bewährten Werten an Boden zu gewinnen, sagte Jüttner. Das seien Frage des Friedens und wie man diesen bewahren könne ebenso wie die gerechte Verteilung von Arbeit, Einkünften und Vermögen sowie die Gleichheit von Startchancen. Vor allem aber sei die Klimapolitik eine Herausforderung, die sich momentan oft noch nur in symbolischer Politik erschöpfe, der Frage nach der richtigen Zahnpastasorte. Wirkungsvolle Klimapolitik werde aber ein großer Eingriff in den industriellen Prozess bedeuten, inklusive sozialer Kontroversen. Und schließlich, und das habe er vor fünf Jahren noch nicht gedacht, sagte Jüttner, stehe die Verteidigung der Demokratie ganz oben auf der Tagesordnung. Die sei durch Wahlergebnisse rechter Parteien und autoritäre Regime schwer unter Druck. Da sei es Aufgabe der SPD, Meinungspluralismus zu verteidigen. Zu Zeiten August Bebels habe man für freie Meinungsäußerung im Gefängnis gesessen. Wolfgang Jüttner: „Sozialdemokraten haben gelitten, dass sie ihre Meinung öffentlich vertreten haben.“ Dazu dürfe es nie wieder kommen.

Christian Grave, Frauke Heiligenstadt, Wolfgang Jüttner, August Kahle, Marcus Seidel.

Den Gegenwind studieren

Was will die Bürgerinitiative Gegenwind aus Dassensen erreichen? Welche Argumente haben die Bürger für die Planung vorgebracht, welche dagegen? Welche Erfahrungen haben sie dabei gemacht? Antworten auf diese und weitere Fragen erhofften und bekamen jetzt Studierende des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) an der TU Berlin bei einem Besuch in der Region. In jedem Semester gibt es eine Exkursion unter der Überschrift „Energiewende in …“. Diesmal ging es nach Niedersachsen und dabei auch nach Einbeck. Die Teilnehmer sind überwiegend angehende Wirtschaftsingenieure und wissenschaftliche Mitarbeiter des Lehrstuhls von Prof. Dr. Christian von Hirschhausen. Ziel der Exkursion ist, durch Betriebsbesichtigungen und Gespräche mit Experten vor Ort Einblicke über Fortschritte und Perspektiven der Energiewirtschaft in der Region zu erhalten. Nach den Windenergieprojekten rund um Einbeck interessierten sich die Studierenden beispielsweise auch für das Pumpspeicherwerk in Erzhausen. Am Ende steht für die jungen Frauen und Männer eine Studienarbeit über unterschiedliche Facetten des Themas.

Die Ortsratsmitglieder Detlef Martin und Manfred Sudhoff nutzten im Dassenser Pfarrsaal die Gelegenheit, den Studierenden die Arbeit und Ziele der Bürgerinitiative Gegenwind zu erläutern. Die BI hat, das war in diesem Blog bereits mehrmals anerkennend Thema, in den vergangenen Jahren Einiges erreicht. Die Möglichkeit für alle interessierten Ratspolitiker, sich die konkrete Situation vor Ort anzusehen, hat die BI geschaffen und auch durch dieses legitime Einwirken auf kommunalpolitische Prozesse erreicht, dass die Vorranggebiete für Windenergieanlagen am Ende höchst wahrscheinlich um rund 100 Hektar reduziert werden; abschließend werden die Fachausschüsse im März die Änderung des Flächennutzungsplanes beraten und dem Stadtrat empfehlen. „Die ursprünglich geplante Umzingelung der Ortschaft Dassensen wird ein Stück weit zurück genommen“, bedankt sich die BI ausdrücklich in ihrer Stellungnahme für den noch bis 4. Februar öffentlich ausliegenden Entwurf der F-Plan-Änderung. „Trotz der vorgesehenen Reduzierung der Vorrangfläche bei Dassensen tragen die Dassenser Einwohner nach wie vor die größte Belastung. Falls in der Zukunft weitere Flächen für Windenergieanlagen ausgewiesen werden müssen, sollte das jetzt gestrichene Areal in keinem Fall  reaktiviert werden. Der Ausweis eines dritten oder vierten Bereichs für Vorrangflächen für Windenergie würde die Last gerechter verteilen.“

Wenn man von der Zielsetzung einer größtmöglichen Energiegewinnung durch Nutzung von Windkraftanlagen ausgehe, leistet die F-Plan-Änderung nach Auffassung der BI nach wie vor keinen erkennbaren Beitrag zur Energiewende. Das machten sie auch den Studierenden deutlich, Stichwort „Verhinderungsplanung“. Auf den ausgewiesenen Flächen bei Dassensen sei eine effiziente Windenergieerzeugung nicht möglich, weil es einfach zu wenig Wind gebe, um damit ausreichend Geld verdienen zu können. „Wir sind davon überzeugt, dass Einzelanlagen bzw. kleine Gruppen von maximal drei Anlagen in einem hoch windhöffigem Gebiet mehr Energie erwirtschaften als die dreifache Anzahl von Windenergieanlagen in einem schwachen Windgebiet“, schreibt die Bürgerinitiative in ihrer Stellungnahme.

(Anmerkung: Die Studierenden waren auf diesen Blog aufmerksam geworden und die Beiträge hier über das Thema Windenergie. Vor dem Besuch der BI habe ich den Studierenden in Hullersen einen Überblick der politischen Debatte über die F-Plan-Änderung in den vergangenen Jahren geben können. Danke für die dabei entstandene anregende Diskussion und für die Gastfreundschaft im Gemeindehaus.)

Detlef Martin (l.) und Manfred Sudhoff (vorn) vom Ortsrat Dassensen informieren die Studierenden aus Berlin.

Der Wind hat sich gedreht…

Windräder in der Nacht zwischen Dassensen und Einbeck. Archivfoto

Die Helden wirkten müde. Bemerkenswert matt war die knapp einstündige Debatte über die Windenergie-Vorrangflächen heute in der gemeinsamen Sitzung von Stadtentwicklung- und Bau/Umwelt-Ausschuss im Rathaus. Keine Demo, keine Wortmeldung mehr von der agilen Bürgerinitiative aus Dassensen, dem am stärksten betroffenen Ort. Nur wenige Beiträge aus den Reihen der Ratspolitiker. Kompromiss war wohl neben Windenergie heute Abend das Wort, das am Häufigsten fiel. Die Bürger können sich mit berechtigtem Stolz auf die Fahnen schreiben, dass sie etwas erreicht haben in den vergangenen Monaten in der Debatte. Die Vorrangfläche, die Einbeck deklarieren wird, wird kleiner sein als ursprünglich geplant, nicht mehr wie zuletzt vorgesehen 519 Hektar, sondern lediglich 405 Hektar werden ausgewiesen, vor allem weniger rund um Dassensen. Dieser mit breiter Mehrheit getroffene Beschluss ist wesentlicher Erfolg der initiativen Bürger, die sich diesen Kompromiss mit ihren Argumenten im demokratischen Wettstreit in einem komplexen Verfahren erkämpft haben. „Das Ergebnis ist Teil gelebter Demokratie“, sagte Detlef Martin (SPD), der selbst in Dassenen wohnt. Jeder habe etwas gegeben, um die Einigung zu erreichen. Der GfE sei wichtig, dass bei der nun auf den Weg gebrachten Änderung des Flächennutzungsplanes der Mensch an erster Stelle stehe, „und dass die Menschen in Dassensen damit leben können“, erklärte Armin Hinkelmann. Nach langwieriger Abwägung weise man Flächen aus, um „Wildwuchs“ beim Bau von Windenergieanlagen zu verhindern, sagte Willi Teutsch (CDU), allerdings habe man sich entschieden, nicht die windstärksten Gebiete zu nehmen (die beispielsweise in Teutsch‘ Heimatort Ahlshausen liegen), sondern die ertragsschwächsten. Mit der Ausweisung von Flächen mit Ausschlusswirkung auf anderen Arealen erfülle Einbeck die Landkreis-Kriterien, sagte Teutsch. Carsten Pape (CDU) signalisierte Zustimmung seiner Fraktion. Rolf Hojnatzki (SPD) erklärte für seine Fraktion, dass man jetzt einen rechts- und planungssicheren Vorschlag habe. Niemand habe wohl erwartet, mit einer reduzierten Vorrangfläche alle Bedenken ausräumen zu können, sagte Hojnatzki. Am Ende aber stehe der Kompromiss.

Nicht durchsetzen konnte sich Dietmar Bartels (Grünen) mit seinem Antrag, auf die Ausweisung von Vorranggebieten komplett zu verzichten. Denn mit der F-Planänderung weise man Flächen aus, die für Windenergie nicht geeignet seien, das sei Verhinderungsplanung. Die Zeit für Windparks sei ohnehin vorbei, es genügten bei der heutigen Technik fünf oder sechs große, leistungsfähige Windräder – und zwar dort, wo auch Wind wehe. Dafür brauche man keine Vorranggebiete, da Windräder ohnehin privilegierte Bauvorhaben im Außenbereich sind. Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) schloss sich dieser Argumentation an.

Die F-Planänderung wird jetzt noch einmal öffentlich ausgelegt, die Fachausschüsse werden wahrscheinlich im März abschließend zu der Thematik beschließen.

Nachtrag 20.12.2018: Der Verwaltungsausschuss hat die Auslegung der F-Planänderung gestern mehrheitlich bestätigt. Das sagte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek heute auf Anfrage. Die Stadt Einbeck wird mit dem Landkreis keine Kooperationsvereinbarung zur Windenergie abschließen, wie sie der Kreistag in seiner jüngsten Sitzung für die Gemeinden im Landkreis angeboten hat abzuschließen, vor allem auch, weil das Planungsverfahren bereits so weit fortgeschritten sei. Das sei dem Landkreis auch bereits bekannt.

Weniger Flächen für die Windenergie

Windräder bei Dassensen.

In der Einbecker Politik gibt es unverändert eine breite Mehrheit für Windenergie-Vorranggebiete und die dafür notwendige Änderung des Flächennutzungsplanes. Es gibt jedoch eine ebenso deutliche Mehrheit dafür, die bislang in den Planungen vorgesehenen Flächen zu verkleinern. Besonders die großen Flächen bei Dassensen will die Mehrheit reduzieren. In gemeinsamer Sitzung haben deshalb Stadtentwicklungsausschuss und Bauausschuss des Stadtrates gestern mehrheitlich dafür gestimmt, die Planungen noch einmal zu verändern. Ein Beschluss der F-Planänderung wie vorgesehen in der Stadtrat-Sitzung kommende Woche ist deshalb nicht mehr möglich. Denn jetzt müssen die Planer nochmal ans Werk, müssen die veränderten Planungen noch einmal öffentlich ausgelegt werden und dann mit den eingegangenen Einwändungen noch einmal in die gemeinsam tagenden Fachausschüsse. In diesem Jahr wird ein Ratsbeschluss damit unwahrscheinlich.

Das Verfahren ist komplex, denn einfach bestimmte Flächen komplett aus den Planungen zu löschen funktioniert nicht. Das musste die Mehrheit in den Ausschüssen erfahren, von der einige am Liebsten ein Gebiet östlich von Dassensen aus den Vorranggebieten herausgenommen hätte. Doch das wäre ein rechtswidriger Beschluss, der so geänderte F-Plan hätte vor höchsten Gerichten keinen Bestand, warnte Bauamtsleiter Frithjof Look mehr als einmal, weil sich die Erkenntnis bei einigen erst langsam und nur durch Wiederholungen durchsetzte. Möglich sei nur, die Kritierien für die Vorranggebiete zu verändern, machte Look deutlich. Und diese Änderung eines Kritieriums müsse dann auf das gesamte Stadtgebiet neu angewandt werden, gleichzeitig müsse aber der Windenergie substanziell Raum gegeben werden, denn sonst würde man mit einer zu drastischen F-Planänderung die Windräder ja faktisch verhindern. Die schwierige Aufgabe haben jetzt die Fachplaner des beauftragten Büros, die heute mit 120 Grad angegebene Eingrenzung von Ortschaften so zu reduzieren, dass daraus trotzdem immer noch ausreichend Fläche übrig bleibt.

Aufmerksamen Beobachtern war nicht entgangen, dass es am Rande der Breitband-Infoveranstaltung des Landkreises vergangene Woche mehrere kurze, aber deutliche Gespräche zwischen dem Dassenser Ortsbürgermeister Manfred Sudhoff, dem künftigen Ersten Kreisrat Jörg Richert und Einbecks Bürgermeisterin-Stellvertreter Dr. Florian Schröder gegeben hatte. Ortsrats- und Stadtratsmitglied Detlef Martin (SPD) aus Dassensen gab gestern eine öffentliche Auflösung: Mit Einschaltung des Landkreises als Kommunalaufsicht sei Dr. Schröder belehrt worden, dass es die vom Ortsrat im März beantragte Einwohnerversammlung geben müsse, sagte Martin. Andernfalls wäre eine Ratsentscheidung über das Thema Windenergie anfechtbar. Ein vermutlich entsprechendes Aktenstück hat Schröder in Northeim eingesteckt, das war zu beobachten. Zeitgleich tagte vergangene Woche der Verwaltungsausschuss, in dem Detlef Martin laut Rathauschefin seine Kritik eindringlich vorbrachte. Die Versammlung ist nun auf den 18. Juni um 19.30 Uhr im Pfarrsaal Dassensen terminiert. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek kritisierte, dass gleich die Kommunalaufsicht eingeschaltet worden sei, warum habe man nicht vorher mal direkt im Rathaus gefragt. Sie hätte eine Einwohnerversammlung vor der heutigen gemeinsamen Aussschuss-Sitzung nicht für sinnvoll gehalten, sagte Michalek. Sie hätte ja dieses Vorgehen dem Ortsrat erläutern können, konterte Martin. Der politische Umgangston wird offenbar rauer.

Ob eine Einwohnerversammlung am Montag in Dassensen zum jetzigen Zeitpunkt mit den neuen Änderungsbeschlüssen sinnvoll ist, bleibt dahingestellt. Denn mehr als noch einmal der Besorgnis vieler Bürger Raum und Platz zu geben, kann eine solche Versammlung aktuell ja nicht bieten. Und alle Kritikpunkte an der Windenergie generell, hier vor Ort und speziell die Kritik an den Planungen vor allem rund um Dassensen kam bereits in der 100-minütigen, ausführlichen Einwohnerfragestunde der Ausschuss-Sitzung zur Sprache. Der amtierende Sitzungsleiter beider Fachausschüsse, Rolf Hojnatzki (SPD), gab den zahlreichen Bürgern in so breiter Art und Weise die Möglichkeit, noch einmal in sämtlichen Details die Sorgen und Ängste vorzubringen und darzustellen, dass es einigen Auschussmitgliedern schon zu lange dauerte. Eckhard Uhde von der Bürgerinitiative „Gegenwind“ aus Dassensen jedenfalls bedankte sich am Ende der Sitzung für die Möglichkeit, dass die Bürger so ausführlich sprechen konnten. Während Fachplaner und Rathaus durch die vogelkundliche Nachkartierung keine neuen Erkenntnisse sahen, die zu Veränderungen der Planungen hätten führen müssen, machten zahlreiche Anlieger vor allem aus Dassensen noch einmal deutlich, dass sie die Windenergie in massiver Dichte so nicht vor ihrer Haustür und mehr Abstand zu Dörfern haben möchten. Da war von den Brutgebieten der Weihe wieder ebenso die Rede wie von Gefahren durch Infraschall oder die vermeintlich nicht auskömmliche Wirtschaftlichkeit von neuen Windrädern bei Dassensen, weil dort die Windhöffigkeit nicht sehr groß sei. Deutlich nahmen Bauamtsleiter und Bürgermeisterin zu Vorhaltungen Stellung, es gebe doch bereits potenzielle Betreiber, die Windräder im Stadtgebiet von Einbeck bauen wollten. „Die Stadt hat keine Unterlagen zur Genehmigung vorliegen“, sagte Dr. Sabine Michalek. Vorprojektierungen und Gespräche mit Grundeigentümern müssten Investoren der Stadt nicht anzeigen. Da möge es etwas geben und möge es rumoren, sagte Look. „Aber wir können uns als Verwaltung nicht an Spekulationen beteiligen.“

Nachtrag 14.06.2018: Der Verwaltungsausschuss hat den Beschluss der Ausschüsse bestätigt. Beim Termin der Einwohnerversammlung am Montag bleibt es. Der Ortsrat habe die aktuelle Lage nach der gemeinsamen Ausschuss-Sitzung kurz diskutiert, erklärte Detlef Martin. Die Brisanz sei natürlich zunächst raus, die Versammlung könne aber auch als eine gewisse Wertschätzung gegenüber den Bürgern in Dassensen und dem Ortsrat und deshalb zum jetzigen Zeitpunkt als sinnvoll angesehen werden, dass sich die Bürgermeisterin den Fragen der Bürger stelle.

Nachtrag 18.06.2018: Der Ortsrat Dassensen hat heute Abend einen offenen Brief an alle Ratsmitglieder veröffentlicht und während der Einwohnerversammlung an die Bürgermeisterin übergeben. In diesem detaillierten Schreiben (Wortlaut: Offener Brief an die Ratsfrauen und Ratsherren des Einbecker Stadtrates) appelliert der Ortsrat an die Ratsmitglieder, sich bei der Änderung des F-Planes stärker als bislang einzubringen. „Der nächste Entwurf sollte nicht wie aus dem Handbuch für Planungsbüros aussehen, sondern den Willen des Einbecker Rates widerspiegeln“, heißt es in dem vom stellvertretenden Ortsbürgermeister Detlef Martin unterzeichnen offenen Brief.

Windenergieflächen: Rathaus will nichts ändern

Windräder. Archivfoto

Die Beratungsunterlagen für die gemeinsame Sitzung des Stadtentwicklungs- und des Bau- und Umweltausschusses am 12. Juni (17 Uhr, Rathaushalle) zum Thema Windenergie sehen keine Veränderungen an den geplanten Vorrangflächen bei Dassensen und bei Brunsen/Stroit vor. „Eine erneute avifaunistische (vogelkundliche) Untersuchung bei Dassensen und Ahlshausen erbrachte keine neueren Erkenntnisse“, heißt es in den Unterlagen (Vorlage Windenergie 18-05-28). Auch die Überlegungen, bei Ahlshausen Windwurfflächen für Windenergieflächen vorzusehen, weil ja dort nun faktisch kein Wald mehr im Waldgebiet vorhanden ist, werden vom Rathaus mit Hinweis auf eine Aussage des Landkreises Northeim als unterer Waldbehörde verworfen. Ob die Änderung des Flächennutzungsplanes am 12. Juni allerdings so unverändert beschlossen wird, bleibt zunächst offen, denn in der Politik gab es zuletzt deutliche Aussagen, dass man insbesondere die Situation bei Dassensen als sehr kritisch sehe. Vor der Sitzung am 12. Juni dürften daher die Ausschussmitglieder noch einmal intensiv politisch beatmet werden, unter anderem von der Bürgerinitiative „Gegenwind“. Auch ein kryptisch formulierter Satz in den Rathaus-Unterlagen sollte in der Sitzung noch einmal in Klartext aufgelöst werden. Dort heißt es: „Aus den vorliegenden Untersuchungsergebnissen resultiert also kein zwingender Veränderungsbedarf für die Potentialfläche bei Dassensen. Zugleich belegen diese aber die Notwendigkeit, den vorgesehenen größeren Flächenumfang beizubehalten, um hinreichende Handlungsoptionen für Vermeidungsmaßnahmen auf der nachfolgenden Planungsebene zu erhalten.“

FDP will wirksame Windkraftbremse

Wollen wirksame Windkraftbremse (v.l.): Eckhard Ilsemann, Christian Grascha und Dr. Christian Eberl von der FDP.

Die FDP im Landkreis Northeim will auf die Windkraftbremse treten und  damit einen aus ihrer Sicht zügellosen Ausbau der Windenergie stoppen: Die Freien Demokraten haben in ihrem Kreisverband beschlossen, dass sich das Ausbauziel künftig an der installierten Leistung der Windräder orientieren soll und nicht am Flächenverbrauch, der nach dem aktuell geltenden Windenergieerlass des Landes Niedersachsen 1,72 Prozent der Landkreisfläche vorsieht. „Unser Ziel ist es, mit weniger Anlagen auszukommen“, sagte heute der umweltpolitische Sprecher der FDP-Kreistagsfraktion, Dr. Christian Eberl (Nörten-Hardenberg) in einem Pressegespräch in Einbeck. „Durch den absehbaren technischen Fortschritt und höhere Produktivität künftiger Anlagen halten wir eine Ausbauplanung von 40 Anlagen der Drei-Megawatt-Klasse statt 180 Anlagen im Landkreis Northeim für ausreichend“, ergänzte FDP-Kreisvorsitzender Christian Grascha (Salzderhelden). Diese Forderungen wollen die Freien Demokraten in die Beratungen für das künftige Regionale Raumordnungsprogramm einfließen lassen. Ob es zuvor einen separaten Antrag im Kreistag zu dem Thema geben soll, will die Fraktion am Freitag noch besprechen.

Das bis 2050 bemessene Ausbauziel des niedersächsischen Windenergieerlasses hält die FDP für zu langfristig, möchte es um zwei Drittel reduzieren. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die modernen Anlagen immer leistungsfähiger werden. „Wir planen im Landkreis zunächst 50 Anlagen in den nächsten zehn Jahren“, sagt Eberl, „und dann sehen wir weiter.“

Der FDP-Kreisverband spricht sich außerdem für einen Mindestabstand zur Wohnbebauung vom zehnfachen der Nabenhöhe aus. „Der Schutz des Menschen muss bei allen Abwägungen den stärksten Ausschlag geben“, sagt Grascha. Vorranggebiete sollten sich nach Auffassung der FDP nicht allein an energiepolitischen Ausbauzielen, sondern an den berechtigten Interessen der Anwohner orientieren. Der von Rot-Schwarz von Rot-Grün übernommene Windenergieerlass soll überarbeitet oder zurück genommen werden, fordert der FDP-Kreisverband.

Die Planungshoheit für Windenergieanlagen und für entsprechende Vorranggebiete möchte die FDP bei den Städten und Gemeinden belassen. „Vor Ort kann am Besten beurteilt werden, ob eine Fläche für Windenergie geeignet ist oder nicht“, sagt Grascha. Die aktuellen Planungen für Vorranggebiete unter anderem bei Dassensen hält der FDP-Chef für „absolut inakzeptabel“. Er hofft, dass es bis zu den nächsten, wahrscheinlich entscheidenden Fachausschuss-Sitzungen des Einbecker Stadtrates im Juni auch bei anderen Fraktionen Bewegung in der Frage gibt.

Eckhard Ilsemann, stellvertretender FDP-Kreisvorsitzender und Ratsherr in Northeim, vermisst vom Landkreis Northeim als Naturschutzbehörde eine Hilfe für die Kommunen im Planungsprozess. Wissen über die schützenswerten Vögel in den betroffenen Gebieten müsse ja eigentlich im Kreishaus vorhanden sein, stattdessen bekomme man bei Stellungnahmen leere Blätter. Teure Gutachten müssten dann das Vakuum schließen.

Im Einzelfall möchte die FDP erreichen, dass beispielsweise durch Sturm „Friederike“ betroffene Waldgebiete wie bei Ahlshausen vom Verbot von Windkraftanlagen im Wald ausgenommen werden können. Vielleicht könnten bei diesen Ausnahmen auch Forstgenossenschaften vor Ort ein Windrad bauen und damit ihren Einnahmeausfall nach dem Windwurf ausgleichen, überlegt Eberl.

Dassensen verstärkt den Gegenwind

Windräder in der Nacht bei Dassensen mit Blick auf Einbeck.

Dassensen will nicht abwarten und nichts tun. Dassensen fühlt sich ungleich behandelt bei der Ausweisung von Windvorranggebieten, hat den Eindruck, dass der Ort viel mehr schultern soll als alle anderen. Der Ortsrat hat gestern Abend in einer sehr gut von den Einwohnern des Dorfes besuchten Sitzung einstimmig beschlossen, dass Stadtrat und Verwaltung vor einem für Juni geplanten Beschluss mögliche Alternativen neuerlich überprüfen und transparent darstellen sollen, „aus welchen Gründen erkennbare Alternativen nicht diskutiert werden“. Denn die Alternativen gibt es nach Auffassung des Ortsrates. Vor der abschließenden Sitzung der zuständigen Ratsausschüsse und nach der avifaunistischen (vogelkundlichen) Nachuntersuchung sowie der beantragten Alternativen-Suche soll es auf Forderung des Ortsrates Dassensen in Dassensen eine Einwohnerversammlung für die Bürger der Ortschaft Dassensen geben, wie sie das Kommunalgesetz vorsieht. „Wenn das Gefühl vorherrscht, dass die möglichen Flächen völlig willkürlich zusammengesetzt und geändert werden, haben Verwaltung und Rat offensichtlich Fehler gemacht“, erklärte Ortsratsmitglied und Ratsherr Detlef Martin (SPD) auch im Namen seiner Ortsratskollegen. „Warum hat es keine Ortstermine gegeben? Warum hat der entsprechende Ausschuss nicht mal eine Sitzung in den betroffenen Bereichen abgehalten? Wenn man betrachtet, mit welchem Aufwand selbst kleinste Probleme im Kernstadtbereich angegangen werden, fragt man sich, ob der Rat und seine Ausschüsse sich für die Ortschaften überhaupt zuständig fühlen.“

Der Ortsrat möchte die bis zum Ergebnis der vogelkundlichen Nachkartierung verbleibende Zeit für die Entwicklung von Alternativen nutzen; neuerliche Gutachten seien dafür nicht notwendig, sagt das Gremium. „Wir möchten einen Dialog anstoßen“, sagte Detlef Martin. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn eine 2015 für ganz Einbeck als ausreichend bezeichnete ermittelte Fläche von 331 Hektar auf 524 Hektar vergrößert und als alternativlos bezeichnet werde, dann noch von Gleichbehandlung und Gleichverteilung der Belastungen zu sprechen. Denn nur bei Dassensen sei die Fläche im Planungsverlauf massiv erweitert worden, andernorts nicht oder sei (wie bei Ahlshausen) ganz weggefallen. Der Ortsrat Dassensen bringt auch wieder die trotz Rotmilan-Schutzzone verbliebene kleine Fläche bei Ahlshausen ins Spiel. „Wir sehen keinen Hinderungsgrund hier ggf. auch eine kleinere Fläche auszuweisen, ohne gegen die Planungsgrundsätze zu verstoßen“, erklärte der Ortstrat in seiner Beschluss-Begründung.

Wo dürfen sich Windräder drehen?

Kompromisssuche der Fraktionsvertreter (v.l.) Manfred Helmke (Grüne), Dirk Ebrecht (CDU), Dr. Reinhard Binder (FDP), Rolf Hojnatzki (SPD), Albert Thormann (GfE) mit Bauamtsleiter Frithjof Look (verdeckt).

Wenn immer alle Zuhörer von Fachausschuss- und Ratssitzungen so gut im Thema wären wie das gestern Abend bei der gemeinsamen Sitzung von Stadtentwicklungs- und Bauausschuss zur Windkraft an vielen Stellen deutlich geworden ist, wäre schon manches gewonnen. Als Beobachter konnte man bei den meisten Fragen und Beiträgen während der mehr als einstündigen (!) Einwohnerfragerunde jedenfalls den Eindruck gewinnen, dass die Redner jede der 587 Seiten der Beratungsunterlagen nicht nur oberflächlich gelesen, sondern sozusagen thematisch inhaliert hatten, so tief in der Materie steckten viele. Kein Wunder, geht es doch um ihr Zuhause, um ihre Immobilie, und die Zukunft ihrer Dörfer, wenn die Frage entschieden werden soll, auf welchen Flächen Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. Die Stadt Einbeck plant, die Windenergie zu steuern, indem sie bestimmte Gebiete (aktuell bei Dassensen und zwischen Brunsen und Stroit) ausweist und damit alle anderen Gebiete ausschließt. Mensch, Natur und Landschaft sollen durch entsprechende Abstandsregelungen vor Lärm, Infraschall, Schattenwurf, Discoeffekt oder Elektrosmog so gut wie möglich geschützt werden. Abwägungen im immerhin schon seit 2012 währenden Planungsprozess haben dazu geführt, das ursprünglich auch einmal zur Diskussion stehende Gebiet bei Ahlshausen fallen zu lassen, weil der Rotmilan dort durch Windräder gestört würde. Das Windenergie-Vorranggebiet bei Dassensen war deshalb zuletzt größer geworden, was besonders dort die Bürger protestieren lässt.

Doch entschieden wurde noch nichts. So groß mein Respekt vor der Kenntnis vieler Bürger ist, so groß ist er in diesem Fall auch vor der Verschiebung einer Entscheidung, die ich ja sonst im kommunalpolitischen Geschehen häufiger mal kritisiere. Dass die Politiker sich die Entscheidung mit Auswirkungen auf die nächsten zehn Jahre und mehr nach dreistündiger Sitzung eben nicht leicht machen, zeigt, dass sie die Sorgen der Menschen ernst nehmen, die ihre Nachbarn sind. Und weil sie das tun, haben die beiden Fachausschüsse einstimmig beschlossen, eine letzte Planungs- und Prüfrunde zu drehen, bevor dann im Juni im Stadtrat endgültig entschieden werden soll, wo Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. Dann allerdings muss auch wirklich entschieden werden, will die Einbecker Politik nicht den Vorsprung verspielen, den sie durch rechtzeitige Einleitung der Änderung des Flächennutzungsplanes gewonnen hatte. Denn das Vorhaben, bestimmte Vorranggebiete für Windräder auszuweisen, ist und bleibt besser, als auf jeden Antrag von potenziellen Windkraft-Investoren individuell zu reagieren, was zwar Sache des Landkreises, aber die Folge wäre, wenn es keine Vorranggebiete gäbe. Bis zu den nächsten Ausschusssitzungen im Vorfeld der Juni-Ratssitzung soll die Verwaltung mit den beauftragten Fachplanern nun überprüfen, ob nicht vielleicht auch bei Dassensen bedrohte Vögel brüten und ob der Rotmilan bei Ahlshausen wirklich rechtfertigt, dass die ursprünglich mal vorgesehene Fläche nicht mehr als Windräder-Gebiet ausgewiesen werden darf. Mit dieser beschlossenen Prüfung kommt die Politik auch wesentlichen Bedenken der Kritiker entgegen. Auf der dann vorliegenden Grundlage müssten die Politiker guten Gewissens beschließen können. Sämtliche Kritiker besänftigen werden sie nicht können.

Dirk Ebrecht (CDU) erinnerte in der politischen Debatte daran, dass die von Protestlern immer auch als eine Art Drohkulisse aufgebauten möglichen 22 neuen Windräder nie und nimmer gebaut würden, so gering sei heute die Einspeisevergütung für Windenergie, und überhaupt würden nur noch große 200 Meter hohe Anlagen gebaut, die entsprechende Abstände auch untereinander benötigten. Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) zweifelte an, dass in den Gebieten bei Dassensen überhaupt genügend Wind wehe, um Anlagen wirtschaftlich betreiben zu können. „Es macht keinen Sinn, ein Windrad dort zu bauen, wo kein Wind ist“, ergänzte Dr. Reinhard Binder (FDP). Flächen zu vergeuden, wo kein ausreichender Wind sei, sei unsinnig, sagte Manfred Helmke (Grüne) und erneuerte die Position seiner Fraktion, keine Gebiete auszuweisen. Eine ausgewogene Verteilung der Belastung für die Bürger durch Windräder im gesamten Stadtgebiet sei zwar wünschenswert, aber nicht machbar, sagte Rolf Hojnatzki (SPD). Windenergieanlagen grundsätzlich zu verhindern sei nicht möglich, als Alternative bleibe da nur, durch die gewählten 1000-Meter-Abstände größtmöglichen Schutz von Mensch und Natur zu gewährleisten.

Dem kurzzeitig aufgetauchten Hinweis, durch den starken Windbruch bei Ahlshausen durch den jüngsten Sturm „Friederike“ ja vielleicht doch wieder die Möglichkeit zu haben, dort Windenergie-Flächen auf einer nicht vom Rotmilan berührten Fläche ausweisen zu können, nahm Bauamtsleiter Frithjof Look den Wind aus den Segeln. Zum einen bleibe Wald nach Bundeswaldgesetz Wald, auch wenn keine Bäume (mehr) darauf stehen. Und im Wald dürfen keine Windräder stehen. Zum anderen habe man sich bewusst gegen kleine Gebiete unter zehn Hektar ausgesprochen, das nun wieder zu ändern, würde den gesamten Planungsprozess um Monate zurückwerfen, weil neue öffentliche Auslegungen der Pläne notwendig würden.

Bei allem Verständnis für die Sorgen der Menschen in und um Dassensen: Die Stadtverwaltung und Bauamtsleiter Frithjof Look persönlich so scharf anzugehen, wie das einige Vertreter der Bürgerinitiative getan haben, ist unnötig und wenig hilfreich. Look verwahrte sich dann auch gegen Unterstellungen, seine Planungen seien im Sinne von Windrad-Investoren interessengeleitet, die Stadt drücke die Planungen rigoros durch und verhindere durch Druck auf die Politik eine freie Willensbildung. „So viel Integrität sollte ich mir eigentlich in den vergangenen drei Jahren in Einbeck erarbeitet haben“, sagte Look. Die Stadt lasse eben gerade nicht private Investoren im Verborgenen planen, sondern nehme selbst 175.000 Euro in die Hand für die Planung. Die Vorlagen seien neutral formuliert, mögliche Folgen aufzuzeigen gehöre dazu.

Die Stadt Einbeck könnte es sich leicht machen, keine Vorranggebiete planen und abwarten, sie müsste dann aber im Zweifelsfalle ohne Handhabe Anträge von Windkraftbetreibern an Orten derer Wahl hinnehmen. Der Stadt Einbeck gelinge eben der Gleichklang, bei der Windkraft vor Ort für die ökologische Wende zu sein, gleichzeitig aber gegen die Windkraft-Strom in den Süden transportierende 380-kV-Höchstspannungsleitung zu klagen, musste Justiziar Dr. Florian Schröder nicht ohne einen Hauch von Ironie auf eine entsprechende Frage einräumen. Und ob die Stadt Einbeck einen finanziellen Vorteil von Windkraftanlagen hat, sei reine Spekulation, sagte Schröder. Wenn ein Investor nicht in Einbeck seinen Firmensitz habe, müsse er vor Ort keine Steuern zahlen, und gegenzurechnen wären ohnehin die bislang aufgelaufenen Planungskosten für die Windkraft-Gebiete in Höhe von rund 175.000 Euro.

Protest gegen Windkraftanlagen vor ihrer Haustür rund um Dassensen vor der gemeinsamen Ausschusssitzung.

Das Ergebnis steht schon fest…

Die Grundschulen in Dassensen (oben) und Holtensen.

Die Grundschulen in Dassensen (oben) und Holtensen sollen geschlossen werden.

Auf die Sitzung darf man trotzdem gespannt sein, auch wenn das Ergebnis doch imgrunde klar ist: Einziger thematischer Tagesordnungspunkt des Schulausschusses bei seiner Sondersitzung am 20. Juni in der Mensa der Geschwister-Scholl-Schule (Beginn: 17 Uhr) ist die Schließung der Grundschule Dassensen/Holtensen zum 1. August 2014. SPD und GfE hatten in der jüngsten Ratssitzung auf die Extra-Sitzung gedrängt und sich vor einer klaren sofortigen Entscheidung gedrückt.

Nun treffen sich die Ratspolitiker und hinzugewählten Ausschuss-Mitglieder exakt in der Schule, die die Kinder aus den Dörfern Dassensen, Rotenkirchen, Holtensen und Hullersen ab 2014 besuchen sollen: die Geschwister-Scholl-Schule.

Die Fakten sind klar und in der Beschlussvorlage noch einmal beschrieben: Bei gegenwärtig voraussichtlich 21 Schülern/Schülerinnen des 1. und 2. Jahrgangs zu Beginn des Schuljahres 2014/15 ist nicht davon auszugehen, dass die weitere Einzügigkeit noch erreicht wird. Eine wesentliche Änderung sei nicht zu erwarten, heißt es. Weil die Grundschule zwei Standorte und Gebäude hat (und dementsprechend Personal), kann die Grundschule Dassensen/Holtensen nicht „auslaufen“, sondern soll  zu einem Stichtag schließen, das sei zudem pädagogisch sinnvoller.

Die Schulleitungen der Grundschule Dassensen/Holtensen und Geschwister-Scholl-Schule sind nach Darstellung aus dem Rathaus „bereit und in der Lage, gemeinsam mit Lehrern/Lehrerinnen, Eltern und der Verwaltung einen reibungslosen und geordneten Übergang der Schülerinnen und Schüler zu organisieren. Dabei wird das Kindeswohl absolute Priorität haben.“

Das alles waren auch schon am 8. Mai die Fakten. Diese Schulausschuss-Sondersitzung ist damit eine der überflüssigsten politischen Veranstaltungen der vergangenen Jahre in Einbeck.

Schulpolitik der schweren Entscheidungen

Die Schulpolitik gehört zu den undankbarsten Themenfeldern der Kommunalpolitik, vergleichbar mit dem der Kindertagesstätten. Denn Zeiten von gloriosen Schul-Einweihungen oder sinkenden Kita-Gebühren sind längst vorbei, eher von Schließungen und Gebührenerhöhungen ist die Rede. Schnell sind Eltern mit ihren Kindern und bunten Transparenten und schrillen Tönen auf der Straße und heizen den Kommunalpolitikern kräftig ein.

Und so ist die Frage, ob der Schulausschuss in seiner Sitzung am Montag (15. April, ab 17 Uhr, Halle des Alten Rathauses) eine Entscheidung bei der künftigen Grundschulstruktur treffen wird, durchaus spannend. Vor der jüngsten Kommunalwahl hatte die Politik das Thema noch elegant in einen Arbeitskreis geschoben. Damals hieß die Schulausschuss-Vorsitzende übrigens Dr. Sabine Michalek.

Drei Alternativ-Beschlussvorlagen zur Abstimmung liegen dem Ausschuss jetzt vor. Eine Möglichkeit, die die Verwaltung vorschlägt, wäre gegenwärtig noch nicht zu entscheiden. Zwei Alternativen beschreiben Schließungspläne zum Ende des Schuljahres 2013/14. Entweder solle die Grundschule Dassensen/Holtensen und die Leinetalschule Drüber schließen (und die Kinder künftig in der Geschwister-Scholl-Schule unterrichtet werden), oder es solle die Grundschule Dassensen/Holtensen und die Grundschule Salzderhelden/Vogelbeck schließen (und die Kinder künftig in der Geschwister-Scholl-Schule unterrichtet werden).

Mutig sind die Grünen gestern mit ihrer Haltung bereits vor der Sitzung an die Öffentlichkeit gegangen. „Zwei der Grundschulen auf den Ortschaften sind dort nicht mehr zu halten“, wird Ratsherr Christian Kuhlmann in einer Pressemitteilung zitiert, es seien einfach zu wenig Kinder in den Dorfschulen, er werde entsprechend abstimmen. „Wir müssen den Mut aufbringen, das auch öffentlich auszusprechen.“