Für Kommunalpolitik ist das eine neue Erfahrung. Wer sonst eigentlich immer nur überlegen muss, wo noch Geld im Haushalt gespart werden kann und für was das wenige noch vorhandene Haushaltsgeld ausgegeben werden soll und wer trotzdem weiterhin im Minus bleibt, weckt angesichts eines unverhofften, noch dazu regelmäßigen Geldregens durchaus verständliche Begehrlichkeiten. Seit der Stadtrat im September die Erlösbeteiligung am neuen Windpark Holtensen-Hullersen der SAB Windteam GmbH als Spende angenommen hat (übrigens einstimmig!), laufen die Überlegungen schneller als die Windräder, was denn mit den zu erwartenden jährlich bis zu 200.000 Euro anzufangen ist. Wer soll von der freiwilligen, gesetzlich eröffneten Möglichkeit der Zuwendung durch die Windenergie-Betreiber profitieren? Der Finanzausschuss hat in seiner jüngsten Sitzung zunächst entschieden, in Ruhe zu überlegen und etwaiges bereits 2023 eingehendes Geld ins neue Jahr zu übertragen.
Kämmerer Christian Rohner erläuterte im Ausschuss, dass die Zahlungen des Betreibers an die Stadt für das ablaufende Jahr im Nachgang wahrscheinlich im November oder Dezember erfolgen werden. Das Geld sollte dann im folgenden Haushaltsjahr verteilt und etatisiert werden. Die Stadtverwaltung hat eine Beispielrechnung angestellt, die nicht als Empfehlung verstanden werden soll, nach welchem Schlüssel die Summe aufgeteilt werden könnte. Ein solches Modell könnte man sehr aufwändig erstellen, verschiedene Parameter wie Sichtachsen oder Geräuschpegel berücksichtigen, sagte Rohner. Die Verwaltung empfiehlt jedoch nach seinen Worten, nach betroffenen Gemarkungen/Flurstücken auszuschütten. Die betroffene Gesamtfläche ergibt sich durch einen Kreis mit Radius 2,5 Kilometer, welcher um den Mittelpunkt des Turms jeder der neun Windenergieanlagen gezogen wird. Laut der Beispielrechnung wären die Ortschaften Dassensen, Holtensen und Hullersen am stärksten berücksichtigt, aber auch die Kernstadt, hinzu kommen die Dörfer Edemissen, Kohnsen, Odagsen und Rotenkirchen. Die verteilten Gelder sollten laut Rohner innerhalb der Ortschaften und des Kernhaushaltes für nachhaltige Zwecke und für Vermögenserhalt eingesetzt werden. Die betroffenen Ortsräte sollen in ihren nächsten Sitzungen beteiligt und angehört werden.
Die SPD/CDU-Gruppe hat nach den Worten ihres Sprechers Dirk Heitmüller (SPD) ihren Antrag zur Verteilung des Geldes für die Dezember-Ratssitzung eingereicht. Einzelheiten wollte Heitmüller in der Sitzung des Finanzausschusses noch nicht verraten. Sein Kollege Dirk Ebrecht (CDU) sprach sich dafür aus, den Schwerpunkt in den betroffenen Ortschaften zu bilden, einen Teil des Geldes aber auch im Kernhaushalt einzuplanen. Die Feinheiten seien jetzt noch in Ruhe zu besprechen, zu kompliziert sollte man es aber nicht machen, wünschte sich Ebrecht. Da das Geld eine Art „Aufmerksamkeit-Entschädigung“ sei, wie es der fraktionslose Ratsherr Helmar Breuker (CDU) aus Edemissen formulierte, sollte es nach seinem Empfinden ausschließlich in den betroffenen Orten landen. Da auch Kernstadt-Bereiche betroffen von der Aussicht auf die Windräder seien, sollte ebenfalls der Gesamthaushalt finanziell partizipieren, meinte Frank-Dieter Pfefferkorn (BlGfE). Der Ratsherr aus Greene war froh, dass es bei den Windrädern eine Zahlung der Betreiber gebe, bei den Energieleitungen Wahle-Mecklar oder Suedlink würden die von den Trassen betroffenen Ortschaften keinen Cent sehen. Pfefferkorn merkte ebenso wie Eunice Schenitzki (SPD) an, dass es positiv sei, wenn nun die Orträte noch eingebunden würden. „Ich bin dankbar, dass es die Möglichkeit in den Ortsräten gibt, nochmal darüber zu diskutieren“, sagte Schenitzki, die auch Ortsbürgermeisterin von Hullersen ist.
Zwar nicht anwesend im Finanzausschuss, kündigte der parteilose Ratsherr Alexander Kloss über Facebook an, zum Dezember-Stadtrat ebenfalls einen Vorschlag vorzulegen, wie das Geld verteilt werden solle. Er mutmaßte, dass der Vorschlag von SPD/CDU parteipolitisch motiviert sein werde. Er jedoch werde sich Gedanken machen, wie eine Verteilung des Geldes möglichst im Sinne aller Bürger erfolgen könne, schreibt Kloss in einem Facebook-Post.
Nachtrag 17.11.2023: Heute hat Ratsherr Alexander Kloss (parteilos) einen Antrag für die Sitzung des Stadtrates am 6. Dezember gestellt, über die Verteilung des Geldes solle in einer Einwohnerbefragung entschieden werden. Dafür soll die Stadtverwaltung einen eigenen Verteilungsvorschlag erarbeiten. § 35 der Kommunalverfassung sieht eine Einwohnerbefragung vor. Kloss in der Antragsbegründung: „Die Bevölkerung soll dadurch in die Lage versetzt werden, über die ggfs. aus dem parteipolitischen Raum eingereichten Ideen, aber auch über eventuelle Alternativvorschläge der Stadtverwaltung direkt zu entscheiden. Dieses Verfahren ist nicht nur größtmöglich transparent, sondern zeigt auch maximal bürgernahe, gelebte Demokratie. Das Ergebnis der Befragung fußt damit auf einem breiten Fundament gesellschaftlicher Akzeptanz und nicht auf einer – möglicherweise auch taktisch motivierten – politischen Stimmungslage.“