Am 12. September sind Kommunalwahlen. Bis zum Wahltermin schreibe ich hier in einem Tagebuch jeden Tag alles auf, was mir im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen an Besonderheiten auffällt, informiere über Termine, ordne Themen ein, kommentiere Vorgänge.
Ich habe mich getäuscht. Und gebe es das gerne hier offen zu. Und bin erfreut darüber: Die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses gestern Abend war nicht die Wahlkampfshow, die ich befürchtet hatte, weil das Gremium als einziger Fachausschuss zehn Tage vor dem Kommunalwahltermin tagte. Nur kurz spürten Beobachter dies mit einem Blick für so etwas, als die Downhillstrecke im Stadtwald sich weiter zu verzögern drohte, weil noch dies geprüft und das zu bedenken gegeben wurde. Einige dachten dann plötzlich doch wohl an den Wahltermin, bei dem ja junge Menschen bereits ab 16 Jahren potenzielle Wähler sind. Und drehten bei, nahmen flugs Anträge auf Vertagung des Themas zurück. Da war es übrigens gar nicht schlecht, dass erstmals in einem Ratsgremium Vertreterinnen und Vertreter des neuen Jugendparlaments mit im Saal saßen und die bürokratiegetränkte Diskussion über ihre Downhillstrecke verfolgen konnten. Ein flammender Appell von Stadtjugendpfleger Henrik Probst, doch mit der geplanten Strecke bitte bitte nach viel intensiver Vorarbeit vieler Menschen wenigstens mal anzufangen, um die ohnehin fahrenden Mountainbiker zu kanalisieren, brachte die Wende. Die Strecke kommt, wenn Naturschutzbehörde und Archäologie nichts einzuwenden haben, unweit des Aussichtsturmes im Stadtwald. Zunächst klein, naturbelassen und begleitet von Team des Hauses der Jugend und der Multifunktionshalle. Immerhin.
Aber ein anderer Konstruktionsfehler wurde bei der Sitzung offensichtlich, für den niemand so richtig etwas kann, der dennoch anzumerken ist. Und ein bisschen mit der Stadtratswahl hat er trotzdem zu tun: Nach dreieinhalb (!) Stunden Diskussion über Downhill, Märchenwald und Co. vertagte sich der Bau- und Umweltausschuss mit den Themen zur Hochwasserproblematik auf den 4. Oktober. Was für ein Signal (auch an potenzielle Wähler)! Hochwasserschutz hat Zeit? Kann warten? Ist nicht so wichtig? Nicht unbedingt, aber die Tagesordnung war einfach zu lang, eine Vertagung folgerichtig, weil die Konzentrationsfähigkeit nach mehr als drei Stunden zwangsläufig nachlässt. Der Vertreter der Initiative Hochwasserschutz erinnerte die Ratspolitiker an ihre Schludrigkeit bei dem Thema und ihre Verantwortung, niemand möge erst dann wach werden, wenn das Wasser der Ilme meterhoch steht. Dann sei es zu spät.
Nun sollen die Hochwasserthemen bei der turnusmäßigen Haushaltssitzung des Bau- und Umweltausschusses konzentriert besprochen werden. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Abläufe am Ende einer Wahlperiode und vor Beginn einer neuen, dass der Haushalt 2022 von der Bürgermeisterin noch in der September-Ratssitzung (nach der Wahl) in den scheidenden Stadtrat eingebracht und von dessen Ausschüssen bis zum 31. Oktober auch noch zumindest vorberaten wird.
Was bei solchen Sitzungen herauskommen wird, wo jeder darauf achten dürfte, den Nachfolgern im Rat kein schweres Erbe durch bindende Beschlüsse in letzter Minute zu hinterlassen, werden wir beobachten können.
