Die im Zuge der Fahrradstraße Neuer Markt geänderte Einbahnstraßen-Fahrtrichtung für einen Teil der Wolperstraße soll während der Probephase bis Ende des Jahres unverändert so bleiben. Darauf verständigte sich der Fachausschuss für Bauen und Stadtentwicklung, ohne einen förmlichen Beschluss zu fassen. Die SPD/CDU-Gruppe kündigte an, eine Sondersitzung des Ausschusses beantragen zu wollen, um ausführlich mit allen Beteiligten über die Thematik der Verkehrsführung in der Innenstadt zu sprechen. Die Initiatoren einer Unterschriftensammlung, die alte Fahrtrichtung der Wolperstraße möglichst sofort wieder herzustellen, haben 281 Unterschriften für dieses Vorhaben an Rat und Verwaltung überreicht. Der von der FDP/Kloss-Gruppe angekündigte Dringlichkeitsantrag zu dem Thema scheiterte. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist auch nicht damit zu rechnen, dass der Verwaltungsausschuss nächste Woche eine Änderung beschließen wird. Für die Dringlichkeit votierten lediglich Hilmar Kahle (FDP) und Dietmar Bartels (Grüne).

Grundsätzlich lasse sich die Wolperstraße-Entscheidung natürlich unabhängig von der Fahrradstraße wieder rückgängig machen, sagte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Sie rate davon allerdings ab, weil es wichtig sei für die Lernphase der Fahrradstraße Neuer Markt über eine längere Zeitspanne Erfahrungen zu sammeln, dazu gehöre auch diese Einbahnstraßenrichtung. Die Bürgermeisterin appelliert, „das bis Jahresende auszuhalten“. Dann hätte man Erfahrungen damit gesammelt. Fachbereichsleiter Jens Ellinghaus hat in der Sitzung des Fachausschusses für Bauen und Stadtentwicklung erläutert, warum die Stadt die Fahrtrichtung der Einbahnstraße Wolperstraße zwischen Neuer Markt und Petersilienwasser überhaupt geändert habe. Man habe befürchtet, dass bei der alten Regelung zu viel Autoverkehr in die Fahrradstraße einmündet und damit zu viele Autos auf der Straße seien, auf der nun die Radfahrer Vorrang haben. Ellinghaus plädierte dafür, in einer separaten Sitzung einmal grundsätzlich und ausführlicher darüber zu diskutieren, wie sich das Innenstadt-Quartier verkehrlich entwickeln soll. Dabei gelte es auch über Alternativen im Verkehrsraum rund um die Wolperstraße zu debattieren.
Eine solche Sondersitzung möchte auch die SPD/CDU-Gruppe, für die Marcus Seidel (SPD) argumentierte, der Ausschuss könne sich dann ausführlich mit Pro und Contra beschäftigen, könne in Rede und Gegenrede transparent die Argumente zu Wort kommen lassen und alle Fakten diskutieren. Auf dieser Grundlage könne der Stadtrat dann seine Entscheidung basieren. Die angeregte Sitzung wird voraussichtlich im Dezember stattfinden, kurz vor Ende der halbjährigen Probephase der Fahrradstraße.
Den Dringlichkeitsantrag der FDP/Kloss-Gruppe begründete Hilmar Kahle (FDP), damit „Schaden von den Bürgern abzuhalten“. Viele Menschen hätten die klaren Liberalen angerufen und geschildert, es gehe nicht mehr, sie müssten durch die Neuregelung Umwege fahren. Das belaste Bürger und Umwelt. Die Mehrheit sah in dieser Argumentation keine Dringlichkeit begründet und lehnte mit 2:11-Stimmen den Dringlichkeitsantrag ab. Man wolle das Thema ja gerne diskutieren und sehe auch die Sorgen der Bürger, aber eine Dringlichkeit sehe man nicht, sagte Dirk Ebrecht (CDU). Der Sachverhalt sei seit dem 10. Juli bekannt, erklärte Marcus Seidel (SPD), ein Antrag hätte also schon früher und fristgerecht gestellt werden können, das habe „Liberal und klar“ versäumt. Die Kritik an der Änderung sei ja berechtigt, aber das begründe nach den Regeln, die der Stadtrat sich gegeben habe, keine Dringlichkeit. Und Regeln seien nun einmal dafür da, dass man sie einhalte.
Für die Initiatoren der Unterschriftensammlung, die 281 Menschen unterzeichnet haben, begründete Gerd Hillebrecht, betroffener Anlieger am Petersilienwasser, in der Einwohnerfragestunde das Ziel der Eingabe: „Es muss wieder möglich sein, vom Franz-Cestnik-Parkplatz in östlicher Richtung den nur 86 Meter langen Teil der Wolperstraße zum Neuen Markt zu durchfahren und damit das gesamte Viertel und die Betroffenen von unnötig langen Umwegen zu entlasten. Die Rückkehr zur alten Fahrtrichtung ist dringend geboten. Am besten sofort oder aber spätestens zum Ende der Probephase Fahrradstraße.“ Hillebrecht appellierte, die Detailentscheidung Wolperstraße von der Thematik Fahrradstraße zu entkoppeln. „Im Wirkungskreis dieser Detail-Entscheidung sind Hunderte von Bewohnern und Nutzern des Innenstadt-Viertels negativ betroffen“, sagte Hillebrecht. „Sie sind dadurch wirtschaftlich, zeitlich und sicherheitsrelevant belastet. Eine vorherige Abstimmung mit den Bewohnern erfolgte nicht! Unmittelbar nach der Änderung der Kfz-Fahrtrichtung wurden die negativen Auswirkungen für die Bewohner erkennbar.“ Die „abwitzige“ Entscheidung habe ihn wie andere erregt, deshalb habe er zusammen mit Nina Glatz die Unterschriftenaktion gestartet.
Die Unterschriftenaktion habe eine unerwartete hohe Resonanz erhalten, die beide Initiatoren positiv überrascht habe, erklärte Gerd Hillebrecht. 281 Personen unterstützen durch ihre Unterschrift die Rückkehr zur alten Kfz-Fahrtrichtung. Eine erste Analyse habe gezeigt, dass viele der Unterzeichner Bewohner im und um das betroffene Innenstadt-Viertel seien, Gewerbetreibende in unmittelbarer Nähe und deren Mitarbeiter reihten sich ein. „Bekannte Personen im öffentlichen Leben Einbecks haben unterschrieben, darunter Personen der politischen Parteien, Sportvereine, sozial tätige Institutionen, Seniorenrat; auch Funktionsträger aus den Teilorten, der Kernstadt, dem Landkreis und dem Landtag unterstützen unser Anliegen.“
Unmittelbar betroffen sind alle, die ihre eigenen mehr als 100 Fahrzeuge in den privaten, nicht-öffentlichen Höfen der Kurzen Münsterstraße, Petersilienwasser, östliche Wolperstraße, Judengasse, Pfänderwinkel, nördliche Lange Brücke, östliche Münsterstraße, südliche Hohe Münsterstraße und westlicher Neuer Markt auf ihren Einstellplätzen oder in ihren Garagen parken, rechnet Hillebrecht vor. Dazu kämen noch knapp 20 Betroffene, die ihre Fahrzeuge nicht auf privatem Grund, sondern im öffentlichen Verkehrsraum des Viertels parken. Zusätzlich müssten alle Fahrzeuge auf dem öffentlichen Franz-Cestnik-Platz hinzu gezählt werden. Betroffen seien auch Kunden der Geschäfte in und um den Marktplatz, Lange Brücke und Neuer Markt, erklärte der Unterschriften-Initiator.
Gerd Hillebrecht hatte vor der Sitzung allen Ratsmitgliedern Information zum Hintergrund übermittelt. Durch die Umkehrung der Einbahnstraße sei nur eine einzige Ausfahrmöglichkeit über die Münsterstraße aus dem Viertel verblieben. Bei Verstopfung dieser einen Ausfahrmöglichkeit sei eine legale Ausfahrt nicht mehr möglich, ein „zweiter Rettungsweg“ per Ausfahrt nicht vorhanden. In dieser einen Ausfahrstraße ergeben sich laut Hillebrecht zwei mögliche Umwege mit unterschiedlichen Längen, jeweils gemessen vom Ausgangspunkt der Ausfahrt vom Franz-Cestnik-Platz in der Wolperstraße (Start) bis zur Kreuzung Wolperstraße / Neuer Markt (Ziel). Der erste Umweg sei unnötige 500 Meter lang. Besonders fragwürdig an diesem Umweg über die Hohe Münsterstraße sei die zwangsweise Wiedereinfädelung des Autofahrers in den Neuen Markt direkt in den Anfang der gerade neu angelegten Fahrradstraße. „Das Auto muss nun viel länger der Fahrradstraße folgen als in der alten Regelung, in der das Auto von der Wolperstraße kommend die Fahrradstraße praktisch komplett vermieden hätte und erst kurz vor ihrem südlichen Ende den Neuen Markt erreicht hätte. Eine Entmischung des Verkehrs von Auto – Fahrrad sieht anders aus“, ärgert sich Hillebrecht. Der zweite Umweg sei sogar 1100 Meter lang bis zum Ziel im Neuen Markt. Er führe über die Stiftstraße, Langer Wall, Rabbethgestraße, Hubeweg, Ostertor, Neuer Markt. Hier gebe es zwei ampelkontrollierte Kreuzungen am Hubeweg mit am Ende zwei Bahnübergängen (Langer Wall, Ostertor). Auch hier führe der Umweg unsinnigerweise über die komplette Länge der Fahrradstraße.
Transparenzhinweis: Der Autor dieses Blogs wohnt in dem Stadtviertel und ist damit von der Änderung der Verkehrsführung unmittelbar betroffen.
Herrgott. 86m Umweg lassen die Welt untergehen? Sollen sie hat nicht mehr fahren, sondern laufen. Kann es sein, dass wir etwas zu verwöhnt sind? Mit dem SUV-Panzer am Basten ins Geschäft reinfahren. Und noch besser alles online kaufen, €1 späten und Krokodilstränen weinen, die Innenstadt gehe kaputt?!
Hallo Herr Langer,
Ihren sehr „charmanten“ Beitrag sollten Sie am Besten den im Viertel wohnenden mobilitätsbehinderten Menschen erklären. Persönlich, bitte!
Im Übrigen sind die beiden Umwege jeweils 500 oder 1100 Meter lang. Lesen Sie bitte noch mal durch.
Die Nachkommen der Schildbürger haben es offensichtlich geschafft, in Einbeck eine neue und unkritisch – wohlwollende Umgebung für sich gefunden zu haben. Prost Mahlzeit!
Wenn auch etwas polemisch, aber im Kern hat Herr Langer doch Recht:
So groß ist die Änderung nun auch wieder nicht und sie wird wohl nur noch 4 Monate dauern. Von fehlender Transparenz kann auch keine Rede sein, die Rats- und Ausschusssitzungen sind öffentlich, die Bürgermeisterin hat stets das Gespräch angeboten und war meines Wissens im persönlichen Kontakt mit Anwohnenden und Gewerbetreibenden. Hier werden Ausflüchte gesucht.
Auch spricht das Abstimmungsergebnis Bände, mit der vehementen Kritik an der Einbahnstraßenregelung befinden sich die „klaren liberalen“ in der demokratischen Minderheit. Außerdem sind die Argumente der Verwaltung gut nachvollziehbar.
Mir will auch nicht einleuchten, wieso kleinste Veränderungen, die den Bewegungsspielraum des Autos (nicht der Menschen) einschränken, auf solche Erbitterung stoßen: So viel des Stadtbilds, des öffentlichen Raums ist einfach Asphalt und Beton, nur für Autos geschaffen, die gefährlichste und eine der umweltbelastendsten Arten der Fortbewegung.
Vielleicht steigt der ein oder andere erboste Kommentator (nicht nur unter diesem Artikel) für den Brötcheneinkauf auf das Fahrrad um, dann fallen die paar hundert Meter derjenigen, die wirklich auf das Auto angewiesen sind, auch nicht mehr ins Gewicht.
Jedenfalls darf man auf auf die Sondersitzung gespannt sein.
Bemerkenswert, daß immer wieder zu gewissen Themen die größten Pro- oder Kontrabefürworter aus Lagern kommen, die von dem zur Debatte stehenden Vorgang
gar nicht betroffen sind. Wieviel der 11 Zustimmenden wohnt eigentlich in diesem Gebiet? Ein identisches Verhalten war zu beobachten, als es um den Verkauf des
Gemeindehauses der Neustädter Kirche ging.
Offensichtlich ist Einbeck inzwischen da angekommen, wo sich die Bundesrepublik
Deutschland seit geraumer Zeit befindet: Minderheiten bestimmen die Richtung !
Sehr geehrter Herr Beuermann
Ich habe gelesen: “ […] lehnte mit 2:11-Stimmen den Dringlichkeitsantrag ab […].
Sie schreiben „Wieviel der 11 Zustimmenden wohnt eigentlich in diesem Gebiet […] Minderheiten bestimmen die Richtung […]“
Wenn ich Sie richtig verstehe, möchten Sie, dass sich der Fachausschuss für Bauen und Stadtentwicklung aus Bewohnern zu diskutierender Gebiete zusammensetzt. Wie soll das gehen? Weiterhin verstehe ich elf Zustimmende nicht als Minderheit, oder?
Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn ich als Anwohner, der den Versuch befürwortet, an dieser Sondersitzung teilnehmen könnte. Allerdings sollten vorher eine Zahlen zusammengetragen werden, da die Diskussion aus meiner Sicht sehr stark mit emotionalen Fakten und populistischen Argumenten in eine bestimmte Richtung gelenkt werden sollte.
Wie viele Autos fahren wirklich und wie lang sind die diskutierten Wege mit üblichen Messmitteln? Nach meiner Meinung müsste bei Richtigkeit der Aussagen und Argumente der Bereich / das Quartier dringendst verkehrsberuhigt werden….