
Heute war ich bei einer sehr interessanten Veranstaltung, die mehr Besucher verdient gehabt hätte. Es ging um Denkmalschutz und Demografie – oder, um es ein wenig zugespitzter zu formulieren: Können wir uns in einer Region, in der die Einwohnerzahl dramatisch sinken wird, einen flächendeckenden Denkmalschutz noch leisten und ist dieser überhaupt sinnvoll? Zum Beispiel in Einbeck mit seinen rund 2200 denkmalgeschützten Gebäuden. Meine Antwort nach sechs Stunden Stadtrundgang, Vorträgen, Diskussion und vielen guten Gesprächen am Rande: Nein. Und ich will hinzufügen: Das ist aber auch gar nicht schlimm oder traurig. Man kann in einer Region und in einer schönen Fachwerkstadt auch mit 20 Prozent weniger Menschen gut leben, man muss nur die Strukturen entsprechend anpassen. Und sich mit dem Gedanken anfreunden, dass es manchmal selbst in der Innenstadt sinnvoll sein kann, Gebäude abzureißen, um die Stadt lebensfähig zu erhalten.
Dafür aber braucht es Mut. Den Mut für klare Worte. Auch von Kommunalpolitikern. Und Widerstandskraft, um dem schnell aufbrausenden Gegenwind etwas entgegen zu setzen. Und einen Ansatz des aktivierten Bürgers, der sich engagiert, weil seine Meinung ernst genommen und beachtet wird.
Dr. Babette Scurrell von der Stiftung Bauhaus Dessau schilderte beeindruckend Erfahrungen aus anderen Regionen Deutschlands (hier Sachsen-Anhalt) mit schwacher Wirtschaftskraft. Im demografischen Wandel im ländlichen Raum liegen auch Chancen, wenn man diese begreift und die richtigen Maßnahmen ergreift.
Sehr interessant fand ich den Ansatz, den Duderstadt gewählt hat, um eine denkmalgeschützte Stadt unter den Bedingungen des Bevölkerungsrückgangs umzubauen. Prof. Dr. Ulrich Harteisen schilderte das Beispiel „Duderstadt 2020“. Bemerkenswerter Unterschied zu anderen Beispielen (wie in Einbeck): Hier hat eine beauftragte externe Hochschule (die HAWK Göttingen) nicht ein fertiges Konzept, einen Masterplan, vorgelegt, sondern über einen gewissen Zeitraum mit den Bürgern gemeinsam an Projekten vor Ort gearbeitet. Da habe man unter Live-Bedingungen nachsteuern und anpassen können, weil das Konzept noch entwickelt wurde, berichtete der Professor. Spannend wird dort jetzt sein, wie der Start verstetigt werden kann. Einen mächtigen Player als Initiator und Geldgeber zu haben, klingt zunächst nach idealen Voraussetzungen; diese Dominanz kann aber auch zum Problem werden. Weil sich beispielsweise andere auf diesen verlassen.
Bei einem Stadtrundgang zu Beginn signalisierte Baudirektor Gerald Strohmeier nicht zum ersten Mal, aber unmissverständlich, dass Denkmalschutz in einer historischen Stadt wie Einbeck wichtig ist, er aber nicht die Nutzung von Gebäuden extrem verhindern dürfe. Zum Beispiel würde die Stadt bei der Baulücke in der Langen Brücke heute nicht mehr auf dem Erhalt des Gewölbekellers bestehen, der lange einem barrierefreien Zugang im Wege stand. Was nichts nutzt, wäre jetzt ein Lamento, dass diese Erkenntnis vor Jahren einen Lückenschluss schon realisiert hätte, weil es ja Investoren gab. Was jetzt zählt, sind Ideen und Investoren, die unter diesen neuen Voraussetzungen anpacken.
Die Denkmal-Expertin der Grünen-Landtagsfraktion in Hannover, Filiz Polat, informierte über vorhandene und geplante Instrumente für den Strukturwandel, die das Land Niedersachsen bietet. Schön wäre, wenn die Diskussion mit der vom Wahlkreisbüro der bisherigen Grünen-Bundestagsabgeordneten Viola von Cramon und den Grünen im Landkreis Northeim (Karen Pollok, Northeim, und Michael Neugebauer, Einbeck) organisierten Veranstaltung nicht beendet wäre. Der Einbecker Arbeitskreis Rückkehrförderung wird hier sicher anknüpfen können, wenn er will. Zumal die Fakultät von Professor Harteisen diejenige ist, in der auch die jüngst im städtischen Fachausschuss vorgestellte Erkenntnis zu Haltefaktoren und Rückkehranreizen gewachsen ist.