SPD-Chef Schwarz kündigt Rückzug an und rüttelt seine Partei wach

Das nennt man das bevorstehende Ende einer Ära: Der SPD-Vorsitzende im Landkreis Northeim, Uwe Schwarz, hat seinen Rückzug von diesem Amt angekündigt. Bei der Auftaktveranstaltung zum 150-jährigen Jubiläum der Sozialdemokratie in Einbeck sagte der 61-jährige Bad Gandersheimer, er werde am 11. Mai beim nächsten Unterbezirksparteitag in Hilwartshausen nach 26 Jahren nicht wieder für den Vorsitz kandidieren. Schwarz ist seit 33 Jahren Landtagsabgeordneter, außerdem seit vergangenem Jahr Fraktionsvorsitzender der SPD im Northeimer Kreistag.

Uwe Schwarz gratulierte dem ältesten und größten Ortsverein im Landkreis zum 150. Geburtstag, die deutlich jüngere SPD in „Northeim ist da schon die erste Enkelgeneration“, sagte der scheidende Unterbezirksvorsitzende. „Und ich weiß, dass es darüber Genugtuung in Einbeck gibt.“ Nach der Ankündigung seines Rückzugs vom Parteivorsitz rüttelte Uwe Schwarz seine Partei mit seiner Rede noch einmal wach. Schon der gastgebende SPD-Kernstadt-Vorsitzende Peter Traupe hatte in seiner Begrüßung gesagt, an den Sozialdemokraten vor Ort liege es nicht, dass die SPD bei Wahlen und Umfragen desaströs abschneide. „Die Ursache liegt in Berlin“, sagte Traupe. Häufiger Austausch von Führungspersonal, nicht gehaltene Versprechen und als eigenständige politische Kraft kaum noch wahrnehmbar, darin sei die Hauptursache für die Lage zu suchen, in der sich seine Partei befinde. „Opposition ist Mist“ habe Franz Müntefering immer gesagt. Peter Traupe: „Opposition würde uns derzeit sehr gut tun.“

Uwe Schwarz legte kämpferisch nach, und schaute dabei ebenfalls nach Berlin. „Wann will die SPD aus der Behäbigkeit herauskommen“, fragte er. Die anstehende Europawahl am 26. Mai sei eine Schicksalswahl, Europa müsse gerettet werden vor dem stärker werdenden rechtsextremen Gedankengut. Es sei doch ein Wahnsinn, auf der einen Seite Tausende geflüchtete Menschen wieder zurück zu schicken, auf der anderen Seite aber händeringend – auch im Ausland – nach Fachkräften zu suchen, die in Deutschland leben wollen. Er vermisse den „Aufschrei der schweigenden Masse, auch der sozialdemokratischen“, wenn in der Flüchtlingspolitik populistische Sprüche gemacht werden. Auch die C-Parteien böten bei höchstem christlichen Anspruch oft eine miese ethische Umsetzung. Die verlogene Debatte gelte es nicht nur zu ertragen, man müsse vielmehr gegenhalten – und dann auch mal stehen und bei seiner Meinung bleiben, selbst wenn die Fahne im Wind in anderer Richtung besser wehe, forderte Uwe Schwarz.

Die SPD habe derzeit wenige Alleinstellungsmerkmale, aber daran könne man ja arbeiten und das verändern. Das Thema Grundrente sei eines, das Pluspunkte gebracht habe. Dann aber dürften sich die Genossen in Berlin beim ersten kleinen Erfolg nicht gleich wieder Personaldebatten aufdrücken lassen, sondern müssten manchmal „auch mal die Schnauze halten“. Dass der SPD-Vorsitzende im Landkreis sich Sigmar Gabriel und Martin Schulz zurück in führender Linie wünscht – daraus machte Uwe Schwarz keinen Hehl. Es seien nun einmal Personen das wichtigste, um gute Programm-Inhalte transportieren zu können. Die junge Generation sei nicht unpolitisch, sie sei nur nicht parteipolitisch, sagte Schwarz. Da müsse man sich als Partei die Frage stellen, wie man für junge Menschen attraktiv werde und sie erreiche. Und da sei es geradezu kontraproduktiv, bei den Klimawandel-Freitagsdemos der Schüler allein als erstes zu überlegen, wie man die Schüler bestrafen könne, weil sie im Unterricht demonstrieren. Er würde als Lehrer mit seiner Klasse bewusst zu einer der friedlichen Demos hingehen, diese seien gutes Anschauungsbeispiel für Demokratie und die Fragen, die Jugendliche bewegen, sagte Schwarz.

Auch Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (SPD) gratulierte der Einbecker Sozialdemokratie zum 150. Geburtstag. Eine 150 Jahre alte Dampfmaschine würde heute im Museum, bestenfalls im PS-Speicher stehen und ehrfürchtig betrachtet, sagte die Genossin Landrätin. Für die 150 Jahre alte SPD in Einbeck gelte das nicht, und sie solle auch in Zukunft Impulse beim Ringen um die besten Lösungen in der Demokratie geben, appellierte Klinkert-Kittel. Nicht alles in Berlin sei schlecht, warnte sie, „es gibt tolle Frauen in der SPD“. Die Landrätin kam da gerade direkt von einem Frauenkongress der Sozialdemokraten in Hannover. Die SPD mache gute Politik, beispielsweise beim vorbereiteten Paritätgesetz. „Ich will Mut machen und sagen, wo die SPD zukunftsweisend ist.“

Uwe Schwarz (am Rednerpult) bei der Auftaktveranstaltung zum 150-jährigen Jubiläum der Einbecker SPD, im Hintergrund  zu sehen sind die Rollups der mobilen Ausstellung zur Parteigeschichte.