Von A- und B-Dörfern

In der großen Politik in Berlin gibt es A-Länder und B-Länder. Gemeint sind Bundesländer, die SPD-regiert werden, oder solche, die CDU-regiert werden. Aktuell ist das immer gut zu beobachten bei den Corona-Pressekonferenzen der Kanzlerin, die dabei von zwei Ministerpräsidenten eingerahmt wird, den Sprechern der A-Länder und der B-Länder. Während der jüngsten Diskussion im Ausschuss für Umwelt, Energie und Bau über Hochwasserschutz in Kohnsen und über einen Turnhallen-Anbau in Holtensen wurde ich wenige Monate vor der nächsten Kommunalwahl irgendwie das Gefühl nicht los, dass offenbar jetzt auch A-Dörfer und B-Dörfer existieren. Vielleicht gibt’s die politisch ja bereits immer schon und ich habe nur bislang dem naiven Glauben angehangen, dass es in der ehrenamtlichen Kommunalpolitik um Sachpolitik und weniger um Parteipolitik geht. Okay, jetzt haben Sie beim Lesen zumindest dezent lächeln müssen, geben Sie es zu…

192 Tage vor der nächsten Wahl des Stadtrates und der Ortsräte geht es selbstverständlich darum, parteipolitisch motivierte Geschenke an potenzielle Wähler zu verteilen. Immer in der Hoffnung, dass sich das jeder merkt und es keiner merkt. Haben ja online nicht so viele zugehört, aber diejenigen, die eine gute Ton- und Bildverbindung hatten, konnten folgende Szenen beobachten: Auf der Tagesordnung stand ein Förderantrag für einen Anbau der Turnhalle in Holtensen. Jetzt darf Holtensen durchaus als eher „rotes Dorf“ bezeichnet werden, mit traditionell guten SPD-Wahlergebnissen. Weshalb ein CDU-Ratsherr sofort die Frage stellte, ob denn jedes Mal, wenn in einem Dorf eine Gaststätte schließt wie in Holtensen, für öffentliche Versammlungen an der Turnhalle durch einen Anbau ein neuer Raum mit öffentlichem Geld geschaffen werden müsse. Sofort kam die Gegenrede von Seiten der SPD, dass dieses Projekt natürlich notwendig sei, und zwar in Holtensen.

Wenig später ging es dann um Hochwasserschutz im Allgemeinen und im Speziellen in Kohnsen. Hier funktionierte das Geplänkel andersherum: Die SPD kritisierte die konkrete Einzelmaßnahme gegen Starkregen und Hochwasser im eher „schwarzen Dorf“ Kohnsen. Schnell war man beim genauso CDU-dominierten Vardeilsen, wo der Ausschuss jüngst ja auch politischen Nachdruck und Lobbyismus für Hochwasserschutzmaßnahmen beobachten konnte. Wäre es um eine konkrete Maßnahme sagen wir in Hullersen gegangen, hätte es niemals diese Kritik der SPD an der potenziellen Präzedenzmaßnahme gegeben, wie das in Kohnsen der Fall war. Weil: Hullersen ist eher ein A-Dorf.

Und wie gesagt, das Spiel funktioniert in beide Richtungen. Ein paar Sitzungen bis zur Wahl gibt’s noch. Seien Sie einfach mal dabei und beobachten selbst.

Hybridsitzung im Ausschuss für Umwelt, Energie und Bau. Screenshot

Ausschusssitzungen: Virtuelle Premiere gelungen

Das war durchaus gelungen und doch eigentlich gar nicht so schwer: Der Bau- und Umweltausschuss des Stadtrates hat als erstes Gremium der Einbecker Kommunalpolitik in der Corona-Pandemie erstmals nicht als Präsenzsitzung in der Rathaushalle, sondern weitgehend virtuell getagt. Einige wenige Mitglieder des Ausschusses waren auf Abstand im großen Sitzungsraum des Neuen Rathauses versammelt und wurden von dort aus gemeinsam in die Videokonferenz geschaltet, die meisten Mitglieder aber saßen zuhause vor ihren Rechnern und Web-Kameras.

Die Haushaltsberatungen im Januar sollen aus Infektionsschutz-Gründen in dieser so genannten hybriden Form stattfinden. Die Öffentlichkeit kann sich nach Voranmeldung ebenso in die Videokonferenz selbst einwählen oder aber in Raum 107 des Neuen Rathauses den Beratungen folgen, wenn die Bürger sich vorher angemeldet haben: 05561 916 101 oder E-Mail stadtverwaltung@einbeck.de.

Nach wenigen Minuten konnte man am Mittwoch als Beobachter durchaus den Eindruck gewinnen, als ob diese virtuelle Form einer Sitzung nicht zum ersten Mal stattfand, sondern bei einigen bereits zur Routine geworden ist. Ausschuss-Vorsitzender Willi Teutsch (CDU) leitete die Sitzung aus dem Arbeitszimmer, als habe er dieses schon öfter gemacht, auch wenn er zu Beginn einräumte, dass es für ihn Premiere sei. So souverän verlief auch die gut 90-minütige Sitzung, in der vor allem der Haushalt 2021 zur Debatte stand.

Natürlich gilt es, bis Kontaktbeschränkungen und Infektionlage wieder reale Treffen in großer Runde ermöglichen, gemeinsam weiter zu lernen in dieser Kommunikationsform und stetig ein paar Details zu verbessern, und da schließe ich mich ausdrücklich mit ein. So möchte ich die folgenden Anregungen dann auch verstanden wissen.

Es ist für den Sitzungsleiter nicht so einfach und schnell zu überblicken, wenn Wortmeldungen kommen. Niemand dürfte zuhause so große Bildschirme haben wie in Staatskanzleien oder im Kanzleramt für Videokonferenzen stehen, weshalb die einzelnen Kacheln der Teilnehmer bei vielen klein sein dürften. Deshalb sollten diejenigen, die etwas sagen möchten, einen großen (!) Wortmeldungszettel nicht nur kurz in die Kamera halten, sondern direkt und vielleicht so lange, bis sie das Wort erhalten (oder zumindest der Vorsitzende die Wortmeldung gesehen, registriert aufgerufen hat). Natürlich gibt es auch digitale Möglichkeiten der Wortmeldung, aber die Variante der Papierschilder ist nicht die Schlechteste.

Wenn mehrere Teilnehmer vor einer Kamera sitzen (wie in Raum 107, aber auch wie im Bauausschuss die Mitglieder der Bauverwaltung), sollte entweder jeder ein Mikro haben oder aber näher an das Mikrofon heranrücken (idealerweise auch an eine schwenkbare Kamera). Dann ist auch der Ton in solchen Konstellationen noch besser. Und jeder kann dann auch sehen, wer dort spricht.

Achso, und vielleicht wäre es möglich, wenn jeder Teilnehmer auch wirklich seinen realen Namen in der Konferenzsoftware angibt, keine Abkürzungen oder sonstige Pseudonyme. Dann lassen sich Äußerungen besser zuordnen, selbst wenn auf der Kamera eindeutig zu sehen ist, wer spricht.

Und inhaltlich? Da hat der Bau- und Umweltausschuss seine Teilhaushalte beraten und mit kleinen Änderungen auch beschlossen. So soll der Posten für Straßenunterhaltung nicht um 50.000 Euro gekürzt werden, sondern es sollen wie in den Vorjahren 880.000 Euro einkalkuliert werden. Es gebe Straßen, da brösele es schon gewaltig, begründete Rolf Hojnatzki (SPD) diese Notwendigkeit.

Die für Hochwasserschutzmaßnahmen in den Haushalt 2021 eingestellten 500.000 Euro sollen auf Antrag der SPD in den nächsten Jahren für verschiedene Präventivmaßnahmen gegen Hochwasser verwendet werden, keinesfalls für ein einziges Projekt. Der Bau- und Umweltausschuss hatte zuvor zur Kenntnis genommen, dass die in der Vergangenheit in Vardeilsen vom Ausschuss in Augenschein genommenen Hochwasserprobleme nicht durch den einen Fehler erklärt werden können. Das beauftragte Ingenieur-Büro Rinne & Partner aus Rosdorf kommt in seinen Berechnungen zu dem Schluss, dass die ehemals vorhandene Senke, die verfüllt worden war, auch seltene Starkregen nicht zurückgehalten, sondern für Vardeilsen allenfalls gedämpft hätte. Das Büro Rinne kommt in seinen Untersuchungen außerdem zum Ergebnis, dass die in den vergangenen zehn Jahren genehmigten Bauvorhaben keine negativen Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss der Beeke haben, wenn auch einige Bauten nicht so ideal seien.

Einstimmig beschlossen hat der Ausschuss, 105.000 Euro für eine noch nicht im Haushaltsentwurf enthaltene Maßnahme zu verwenden: die Erschließung des dritten Bauabschnitts Neubaugebiet am Schäferkamp in Edemissen, wo sieben Baugrundstücke entstehen sollen. Rund 85.000 Euro könnten mittelfristig im Jahr 2023 durch Erschließungsbeiträge refinanziert werden, sagte Baudirektor Joachim Mertens. Woher soll das zusätzliche Geld zunächst kommen? Die Summe soll rechnerisch von der 500.000-Euro-Hochwasserschutz-Summe abgezogen werden.

Noch immer keinen Fortschritt gibt es beim Bahnhofs-WC in Kreiensen. Hier berichtete Baudirektor Joachim Mertens von einer geplanten Unterredung mit der Bahn im Dezember, die coronabedingt ausgefallen ist. Wann sie nun stattfinden wird, ist noch offen. Um schnell handlungsfähig zu sein, sollen im Haushalt 2021 Mittel eingeplant werden, die zumindest für Übergangsmaßnahmen ausreichen. Eine baldige Entscheidung wurde allgemein als dringend angesehen, notfalls müsse die Stadt allein ohne Bahn agieren, um dringende Bahnfahrer-Bedürfnisse zu erleichtern.

Außerdem hat das Ratsgremium die aktuellen Sachstände zu Ausweisungen von Landschaftsschutzgebieten (LSG) „Ilme“ sowie „Selter/Nollenberg“ zur Kenntnis genommen. Bei beiden sind noch Stellungnahmen möglich. Auf Bitten des Ausschusses nimmt die Stadt in ihre Stellungnahmen zu den zwei geplanten LSG auch Bedenken von Privatleuten auf, beispielsweise Waldbesitzern oder Landwirten. Justiziar Dr. Florian Schröder wies jedoch darauf hin, dass aber trotzdem jeder privat Betroffene zusätzlich selbst eine Stellungnahme einreichen müsse, wenn er Bedenken habe, das könne wie weiland bei der 380-kV-Klage nicht allein die Stadt als öffentliche Hand übernehmen.

Bauausschuss sieht sich vor Ort in Vardeilsen um

Nach der Sitzung im Rathaus nun der Termin vor Ort: Mitglieder des Fachausschusses für Bauen und Umwelt haben sich am Dienstag mehr als eine Stunde lang in Vardeilsen intensiv die Situation angesehen, die nach Starkregen in der Einbecker Ortschaft für Probleme gesorgt hatte. Vorgeschlagen zur Entlastung ist bislang ein Rückhaltebecken.

Ortstermin des Fachausschusses für Bauen und Umwelt in Vardeilsen.

Die Kommunalpolitiker sahen sich gemeinsam mit Vertretern der Stadtverwaltung sehr genau alle Einzelheiten im Gelände zwischen der aufgeschütteten Mulde und dem Sportplatz am Ortsrand an, nahmen die Äcker, Gräben und Durchlässe, die Kanalrohre und den Beeke-Verlauf bis hinein ins Dorf in Augenschein. Dabei entstanden mehrere Ideen, wie möglicherweise durch ein Maßnahmenpaket die Hochwasser-Problematik entschärft werden könnte. Im Oktober trifft sich der Bauausschuss das nächste Mal und will dann weiter darüber beraten.

Ausschussvorsitzender Willi Teutsch (CDU) regte an, für ein Gespräch Beteiligte aus der Landwirtschaft, aus dem Ortsrat, von den Anliegern zusammen mit der Ratspolitik und der Verwaltung an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Eine Kombination aus Wasser haltender Bepflanzung auch der Hangstreifen, durchlässigerer Gräben und Kanäle sowie mehrerer Senken, in denen sich bei Starkregen Wasser sammeln kann, könnte Abhilfe schaffen und effektiver als ein großes Rückhaltebecken sein.

Ortstermin des Fachausschusses für Bauen und Umwelt in Vardeilsen.

Wie Fachbereichsleiter Joachim Mertens erläuterte, habe die Verwaltung die damalige Baugenehmigung für die Verfüllung einer Senke überprüft. An der sei vermutlich nicht zu rütteln, zumal damals die unteren Naturschutz- und Wasserbehörden sich nicht für zuständig erklärt hätten, wodurch die Stadt Einbeck gewissermaßen im Zugzwang gewesen sei, das Vorhaben zu erlauben. Die Stadtverwaltung lässt laut Mertens das Ingenieurbüro, das auch bereits die Pläne für ein Rückhaltebecken vorgestellt hatte, jetzt prüfen, ob die Verfüllung der einen Mulde ursächlich für die Hochwasserprobleme sein könnte. Ergebnisse sollen im Oktober auf dem Tisch des Ausschusses liegen.

Vardeilsen sucht nach Lösung gegen Starkregen

Die Vardeilser suchen mit Hochdruck nach Lösungen, um bei nächsten Starkregen-Ereignissen nicht wieder mit Wasser und Schlamm kämpfen zu müssen. Heute sah sich der hiesige CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne vor Ort um und ließ sich vom Ortsrat die Situation schildern. Ein Ortstermin, wie ihn sich viele bereits vor der jüngsten Bauausschuss-Sitzung gewünscht hätten.

Aufschüttungen (im Hintergrund) auf dem Mais-Acker einer früheren Mulde.

Von wo im vergangenen Jahr, vor allem am 16. Oktober, das sich sammelnde Oberflächenwasser nach Starkregen kam und in Richtung Ort floss, sahen sich MdB Kühne, CDU-Ratsfraktionschef Dirk Ebrecht und Mitglieder des Ortsrates mit Ortsbürgermeisterin Antje Sölter an der Kreisstraße zwischen Vardeilsen und Avendshausen auf Höhe des Sportplatzes gemeinsam mit Anliegern an. Nördlich der Sportplatzes mündet der Straßenseitengraben in eine Verrohrung. Alle Teilnehmer des Ortstermins sahen deutlich, wie Aufschüttungen eine bestehende Mulde vor der Verrohrung verkleinern.

Vardeilsens Ortsbürgermeisterin Antje Sölter erläuterte dem CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Roy Kühne die Lage zwischen Vardeilsen und Avendshausen.

Ob es daher eine „große Lösung“ mit teurem Rückhaltebecken (kostet rund 500.000 Euro laut beauftragtem Ingenieurbüro) und jahrelangem Planungsvorlauf (Baubeginn frühestens Ende 2021) sein muss, bezweifeln viele. Möglicherweise lasse sich auch mit weniger Aufwand und Geld eine hilfreiche Lösung schaffen, die Vardeilsen vor Hochwasser bewahren hilft, erfuhr MdB Kühne. Der verwies auf ein bestehendes kurzfristiges Förderprogramm, das möglicherweise für kleinere Baumaßnahmen genutzt werden könne. Der Bauausschuss des Stadtrates will sich noch im Juli ebenfalls vor Ort treffen.

Freiwillige haben sich in Vardeilsen getroffen, um neue, lange Sandsäcke zu füllen für den Notfall bei Starkregen und Hochwasser. Foto: privat
Kreisstraße von Vardeilsen in Richtung Avendshausen in Höhe Sportplatz (rechts, nicht im Bild).
Auf dieser Fläche vor dem Sportplatz könnte ein Rückhaltebecken entstehen.

Bauausschuss schwer verständlich

Als Fachausschuss-Vorsitzender Willi Teutsch (CDU) nach fast drei Stunden die Sitzung des Ratsausschusses für Bauen und Umwelt mit dem Schwerpunktthema Hochwasserschutz schloss, war seine Bilanz eindeutig: Das Sitzungsgeld hätten sich die Ratsmitglieder an diesem frühen Abend dieses Mal verdient. Diese Meinung dürfte er freilich ziemlich exklusiv haben, im Publikum jedenfalls hatte sich da längst Ernüchterung breit gemacht. Das Interesse an der Bauausschuss-Sitzung war groß, die Ratshaushalle auch bei Abstandsregeln gut gefüllt, alle Stühle waren besetzt.

Gut besucht, vor allem von Vardeilsern, war die Bauausschuss-Sitzung im Rathaus.

Warum das Treffen des Bauausschusses keine Sternstunde war?

  • Die Sitzung war in mehrfacher Hinsicht schlecht vorbereitet. Das große Thema Hochwasserschutz stand auf der Tagesordnung, konkret der Hochwasserschutz nach mehreren Starkregenereignissen mit entsprechenden Folgen im vergangenen Jahr in Vardeilsen. Doch es fand vorab kein gemeinsamer Ortstermin statt, wie es durchaus üblich ist in den Ratsgremien. Vor Ort hätten einige Details viel anschaulicher geschildert werden können. So blieb nur der Fachvortrag des beauftragten Ingenieurbüros. Jetzt will sich der Bauausschuss in den nächsten zwei Wochen erneut zu dem Thema treffen. Vor Ort in Vardeilsen. Man habe ja nun mit der Sitzung „einen ersten Kontakt mit der Situation in Vardeilsen“ gehabt, jetzt wolle man sich zum besseren Verständnis alles nochmal vor Ort ansehen, meinte Ausschuss-Vorsitzender Willi Teutsch. Das ist imgrunde die weniger effektive Reihenfolge.
  • Die Akustik in der Rathaushalle ist bei Wortbeiträgen schlecht. Immer schon. Nun in Zeiten der Corona-Pandemie gilt eine Abstand-Sitzordnung, wodurch im Tischviereck die Kommunikation ohne Mikrofon-Unterstützung nicht leichter wird. Und in den Zuschauerreihen sind sprechende Ratspolitiker oft gar nicht oder nur mit großer Anstrengung zu verstehen, wenn sie in eine andere Richtung reden oder eher gemütlich artikulieren. Bei dieser Bauausschuss-Sitzung pendelte man zwischen leisen Wortbeiträgen ohne Mikro und halligen Worten, bei denen die Mikroanlage übersteuert und zu laut war. Das alles drei Stunden lang konzentriert zu ertragen, war eine der größten Herausforderungen. Und eine der überflüssigsten: Es mag ja unbequem sein und eine Veränderung bedeuten, aber ein Rednerpult (das sogar aufgebaut war) darf ruhig mit vernünftig gepegeltem Mikro von den Ratsmitgliedern genutzt werden, wenn diese wollen, dass ihre Worte bei allen Zuschauern auch verstanden werden. Richtig verstanden.
  • Ausschuss-Vorsitzender Willi Teutsch (CDU) gefällt sich – nicht zum ersten Mal – in der Rolle des kommentierenden Moderators, der oftmals die Rolle eines neutralen Sitzungsleiters verlässt, ohne die Sitzungsleitung formal an seinen Stellvertreter abzugeben, wenn er sich selbst Wort melden möchte. Negativer Höhepunkt der vor aller Ohren ausgetragene Meinungsaustausch mit Baudirektor Joachim Mertens, warum denn kein Vertreter des Leineverbandes zu der Sitzung eingeladen worden sei. Er, Teutsch, habe doch mit dem Leineverband schon vorher gesprochen.
  • Es kommt schon mal vor, aber in diesem Fall war es besonders misslich: Die Bauausschuss-Sitzung war eine Sitzung ohne einen einzigen Beschluss. Die Hochwassersituation und den Schutz gegen das Wasser im Allgemeinen hörten sich die Ausschussmitglieder ebenso lediglich an wie sie die konkrete Situation in Vardeilsen nach den Starkregen aus 2019 lediglich zur Kenntnis nahmen. Damit passiert erstmal nichts. Und die Unterlagen hätte sich auch jeder in Ruhe zuhause durchlesen können. Außer Spesen nichts gewesen also.

Es bleiben am Ende mehr Fragen als Antworten. Braucht Vardeilsen wirklich für einen Betrag im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich ein 5000 Kubikmeter großes neues Rückhaltebecken gegen Hochwasserereignisse? Oder wäre es nicht besser (und billiger), vor dem Bau von teuren Dämmen der Ursache intensiver auf den Grund zu gehen und dann vielleicht eher die Ursprungssituation einer inzwischen verfüllten natürlichen Mulde wieder herzustellen, die sogar viel größer wäre als 5000 Kubikmeter? Der Ausschuss verständigte sich darauf, dass die Verwaltung die damalige Baugenehmigung für diese einstige Mulde und die erfolgten Aufschüttungen nochmal überprüfen soll und auch alle anderen Baugenehmigungen in Vardeilsen mit Blick auf Hochwasser fördernde Bauten ansehen soll.

Der Vertreter des beauftragen Ingenieurbüros (stehend) trug im Bauausschuss vor.

Wenn der Sachbearbeiter die Stelle wechselt…

Symbolfoto: Hochwasser im Leinepolder 2013.

…dann kann sich Planung schon mal verzögern. Das wird jetzt in einer Vorlage für die Beratungen des Bauauschusses am 19. Juni (17 Uhr, Sitzungssaal Altes Rathaus) deutlich. Der Fachausschuss hatte auf Initiative der FDP im Februar die Stadtverwaltung damit beauftragt mit dem Leineverband und dem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Gesprächen die Themenfelder „Hochwasserschutz“ und Möglichkeiten der künftigen Förderung zu erörtern. Nun wechselt aber beim NLWKN der verantwortliche Sachbearbeiter die Stelle, wie das Rathaus der Politik mitteilt. Die Nachfolge sei noch nicht geregelt, deshalb könnten zurzeit „keine Termine wahrgenommen werden“. Der gesamte Hochwasserschutz hängt an einem einzelnen Sachbearbeiter? Das ist schon erstaunlich. Der Leineverband übrigens hat der Stadt Einbeck abgesagt. Auch hier gebe es keine Kapazitäten, man unterstütze zurzeit die Stadt Elze, die Samtgemeinde Leinebergland, die Stadt Alfeld und die Gemeinde Friedland bei den Überlegungen, den Hochwasserschutz zu verbessern. Und im Übrigen sei eine Teilnahme des Leineverbandes in Einbeck „aktuell entbehrlich“, wie es in der Antwort heißt. „Das Thema Hochwasserschutz für die Städte Einbeck und Dassel ist aus Sicht des Leineverbandes fachlich abschließend bearbeitet.“ Eine Hochwasser-Linienschutz-Planung habe der Leineverband 2017 vorgelegt, wenn nun die Stadt dafür keinen Antrag auf Genehmigung einreichen wolle, sei das eben so. Umfangreiche Planunterlagen würden vorliegen, die gesichtet und bewertet worden seien. „Neue Erkenntnisse liegen hier nicht vor“, lässt der Leineverband wissen und „hat auch in den nächsten Jahren keine personellen Kapazitäten, um sich erneut mit dem Hochwasserschutz für Einbeck und Dassel zu beschäftigen.“

Ein gutes Gespräch vor Ort…

Von links 1. Stellvertretender Verbandsvorsteher Siegfried Sander, Jens Schatz, Hans-Jürgen Laduch und 2. Stellvertretender Verbandsvorsteher Andreas Friedrichs. Foto: Leineverband

Jens Schatz (2.v.l.) ist Nachfolger von Hans-Jürgen Laduch (2.v.r.), hier mit den beiden stellvertretenden Verbandsvorstehern Siegfried Sander (l.) und Andreas Friedrichs (r.). Foto: Leineverband

ist durch nichts zu ersetzen – das sagt der neue Geschäftsführer des Leineverbandes. Jens Schatz (53) ist seit dem 1. September Nachfolger von Hans-Jürgen Laduch (65), der in den Ruhestand gegangen ist. Laduch stand zehn Jahre lang an der Spitze des Leineverbandes, dessen Vorstand aus Mitgliedern der Städte und Gemeinde im Verbandsgebiet besteht. Davor war er Leiter des Bauamtes beim Landkreis Northeim. Der Leineverband unterhält die Leine einschließlich ihrer Nebengewässer und ist damit für insgesamt 93 Gewässer mit rund 650 Kilometer Länge zwischen Sarstedt im Norden und der niedersächsischen Grenze zu Hessen und Thüringen im Süden zuständig.

Jens Schatz ist Bauingenieur und war zuletzt beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) am Standort Hannover beschäftigt. Weitere Stationen in seinem beruflichen Werdegang waren der Landkreis Schaumburg, die Bezirksregierung Hannover sowie das Umweltministerium in Hannover. Die Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen und die Renaturierung von Fließgewässern in Niedersachsen beschäftigten den 53-Jährigen in den vergangenen 20 Jahren, heißt es in einer Presseinformation des Leineverbandes. Vorhandene Kontakte zu zahlreichen Unterhaltungsverbänden in ganz Niedersachsen sowie Städten und Gemeinden im gesamten Verbandsgebiet erleichtern ihm den Einstieg.

Zu Schatz‘ wichtigsten Aufgaben zählen aktuell unter anderem die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und die Unterstützung der Mitglieder des Leineverbandes, hier der Städte und Gemeinden, bei der Umsetzung regionaler Hochwasserschutzkonzepte und der EG-Hochwassermanagement-Risikorichtlinie.

Freiheit für die Ilme

Kein Kulturstau am Alten Zollhaus mehr: Der Leineverband will die Ilme bei Einbeck aus ihrem kanalartigen Korsett befreien und naturnaher gestalten.

Es soll keinen Kulturstau am Alten Zollhaus mehr geben: Der Leineverband will die Ilme bei Einbeck aus ihrem kanalartigen Korsett befreien und naturnaher gestalten. Rechts der Zufluss des Mühlenkanals.

Mehr Freiheit für die Ilme: Sie soll ihr kanalartiges Korsett südöstlich von Einbeck auf einer Länge von 1,2 Kilometern verlassen können, das Ufer soll naturnaher gestaltet werden. Dafür plant der Leineverband, eine so genannte Sekundäraue in Form einer Flutmulde zu schaffen. Auch ökologisch durchgängiger für Fische und andere Lebewesen soll der Fluss im Abschnitt zwischen dem Alten Zollhaus in Richtung Salzderhelden (früher Villa Wuff) und der Brücke Marktanger / Schlachthofstraße werden. Deshalb wird nach den jetzt im Bauausschuss des Stadtrates vorgestellten Plänen der so genannte Kulturstau, eine Stahlspundwand, bei der geplanten Maßnahme entfernt und die dortige Fallhöhe auf die 1200 Meter Länge verteilt. Der heutige Ausbau der Ilme dort stammt aus den 1970-er Jahren.

Wie der Geschäftsführer des Leineverbandes, Hans-Jürgen Laduch, erläuterte, kostet das Vorhaben rund 622.000 Euro. Zu den Baukosten in Höhe von 490.000 Euro kommen 132.000 Euro an Grundstücks- und Nebenkosten. Wenn die Stadt Einbeck ihr Einvernehmen hergestellt hat, kann die vom Land Niedersachsen zu 90 Prozent geförderte Maßnahme noch in diesem Jahr vom Landkreis Northeim als Wasserbehörde genehmigt werden. Nach der Ausführungsplanung im Jahr 2017 könnte dann im folgenden Jahr gebaut und eine europäische Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden.

Flussabwärts: Blick von der Ilmebrücke Marktanger/ Schlachthofstraße.

Flussabwärts: Blick von der Ilmebrücke Marktanger/ Schlachthofstraße. Ab hier soll die Ilme mehr Platz bekommen.

Das heutige Gefälle beim Stauwehr an der ehemaligen Villa Wuff soll auf 16 kleine Riegel von jeweils acht bis zehn Zentimetern Fallhöhe aufgeteilt werden. Etwa alle 70 Meter sind die Riegel als Steinreihen quer über das Gewässer vorgesehen. Außerdem ist eine zwei Meter breite Niedrigwasserrinne geplant. Durch Dreiecksbuhnen auf der rechten Uferseite wird der Fluss in Richtung der etwa zwölf Meter breiten Sekundäraue gelenkt: Neben einer Abgrabung wird eine sanfte Böschung mit einem Wall entstehen. Gefällt werden müssen dafür 39 Pappeln am nördlichen Ufer, zehn können stehen bleiben.

Die Maßnahme werde keine Verschlechterung bei Hochwassersituationen bringen, betonte Frank Gries von der mit den Planungen beauftragten Ingenieursgesellschaft Heidt+Peters (Celle). Bei Niedrigwasser beträgt der Durchfluss in der Ilme heute etwa ein Kubikmeter Wasser pro Sekunde, beim Normalpegel sind es durchschnittlich 4,6 Kubikmeter, bei einem errechneten Jahrhundert-Hochwasser können es 113 Kubikmeter pro Sekunde sein.

Für das Projekt werden etwa 19.000 Kubikmeter Boden bewegt. Rund 3200 Kubikmeter werden für Böschung und Wall wieder verbaut. Der Rest könnte für Hochwasserschutzmaßnahmen zur Verfügung stehen. Eine Entscheidung dazu steht aber noch aus. Der Bauausschuss des Einbecker Stadtrates verschob eine Entscheidung zum so genannten Linienschutz; zunächst sollen hierzu die Fraktionen beraten – allerdings mit Blick darauf, dass die Entscheidung dringend ist. Trotz einer hohen Förderquote blieben noch fast fünf Millionen Euro für die Stadt als Kosten übrig, das wollte niemand aus dem Handgelenk verantwortlich so vor der Sommerpause durchwinken. Fachbereichsleiter Frithjof Look berichtete von einer neuen Entwicklung in Hannover, es gebe jetzt anders als ursprünglich gedacht doch Fördergelder. Der Bauamtsleiter appellierte, die Planung fortzusetzen und einen Förderantrag für 2018 zu stellen. Im Zusammenhang mit den ebenfalls für 2018 geplanten Maßnahmen an der Ilme ergebe sich zudem die Chance, die große Menge Erde (16.000 Kubikmeter) für den Linienschutz einzusetzen.

Querschnitt: So soll die Flutmulde mit Sekundäraue aussehen. (c) Ingenieurgemeinschaft Heidt + Peters (Celle)

Querschnitt: So soll die Flutmulde mit Sekundäraue aussehen. (c) Ingenieurgesellschaft Heidt + Peters (Celle)

So sollen die Riegel aufgebaut sein. (c) Ingenieurgemeinschaft Heidt + Peters (Celle)

So sollen die Riegel aufgebaut sein. (c) Ingenieurgesellschaft Heidt + Peters (Celle)

Millionen-Brücke

Wurde Anfang September errichtet: die Behelfsbrücke über die Leine. Archivfoto

Wurde Anfang September errichtet: die Behelfsbrücke über die Leine. Archivfoto

Neues von der Leinebrücke zwischen den Einbecker Ortsteilen Olxheim und Garlebsen: Der Kreistag soll in seiner nächsten Sitzung am 11. Dezember (15 Uhr, Kreishaus Northeim) darüber befinden, in welcher Variante die endgültige Ersatzbrücke umgesetzt werden soll. Seit Mitte September dieses Jahres ermöglicht eine Behelfsbrücke, den Autofahrern und Fußgängern wieder, die Leine zu queren, nachdem die alte, marode und einsturzgefährdete Brücke monatelang gesperrt war. Die vier errechneten Baumöglichkeiten liegen alle im Millionen-Euro-Bereich, die teuerste Variante bei rund 4,3 Millionen Euro; dafür würde allerdings auch eine 65 Meter lange Dreifeldbrücke entstehen und damit eher eine Luxus-Lösung. Bereits die aktuelle Behelfsbrücke ist mit Kosten von rund 600.000 Euro veranschlagt, kostet allein 1500 Euro Miete pro Monat. Eine Schwierigkeit bei den Planungen ergibt sich laut Landkreisverwaltung durch den Hochwasserschutz: Fördergelder gibt es nur für eine neue Brücke, für die noch zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen kalkuliert werden müssten. Varianten, die den Schutz vor Hochwasser der Leine berücksichtigen, sind nicht förderfähig (Leinebrücke KT 1268.18). Die Kreisverwaltung favorisiert deshalb ein Einfeldbauwerk mit einer Stützweite von 30 Metern. Kostenpunkt: 1,8 Millionen Euro, die komplett vom Landkreis bezahlt werden müssten. Um die Kosten zu minimieren, soll die Fahrbahnbreite auf 4,50 Meter begrenzt werden, so dass das Bauwerk nur einspurig befahren werden kann (wie die aktuelle Behelfsbrücke). Außerdem soll dort Tempo 50 gelten, um auf Schutzeinrichtungen verzichtet zu können. Schließlich soll das Bauwerk im Grundriss so geplant werden, dass die alte Trassierung der Kreisstraße 650 nicht wesentlich verändert werden muss. Wann die Ersatzbrücke entstehen könnte, ist derzeit nicht bekannt.

Nachtrag 14.12.2015: Der Kreistag hat am sich 11. Dezember einstimmig für die einspurige Variante entschieden, die mit rund 1,8 Millionen Euro kalkuliert ist. Baubeginn könnte 2017 sein.

Bisher nur Papierfluten verursacht?

Symbolfoto: Hochwasser im Leinepolder 2013.

Symbolfoto: Hochwasser im Leinepolder 2013.

Das alles ist in der Tat ärgerlich: Seit Jahren wird über Hochwasserschutz meist nur geredet, aber wenig getan. Erst dann, wenn die Wasserpegel wieder urplötzlich hohe Höhen erreichen, setzt das allgemeine Lamento ein, warum man denn nach dem „Jahrhunderthochwasser“ nichts gelernt habe – mit dem entsprechenden Fingerzeig auf den jeweils anderen als Schuldigen bzw. Verantwortlichen.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha aus Einbeck hatte Anfang Juni eine Anfrage an die Landesregierung gestellt (Wortlaut: Grascha 2013-06-03 HWS Einbeck). Thema: Hochwasserplanungen für die Städte Einbeck und Dassel. Wie ist da der Sachstand? Jetzt hat der Liberale eine Antwort erhalten (Wortlaut: Grascha-Antw zu Hochwasser LT)

Die Antwort kann niemanden zufrieden stellen, da scheint mal wieder ein Gutachten nach dem nächsten Konzept für eine weitere Expertise notwendig zu sein, um endlich mal etwas zu entscheiden – damit dann auch mal gebaut werden kann. „Ende 2013 wird sich entscheiden, wann und ob weiterer Hochwasserschutz vor allem Rückhaltemaßnahmen in Einbeck umgesetzt werden“, kommentiert denn auch Grascha in einer Pressemitteilung. Damit gehe die Planungszeit in das 16. Jahr nach den verheerenden Hochwasserereignissen im Jahr 1998. „Ein so langer Zeitraum ist für die betroffenen Menschen überhaupt nicht nachvollziehbar. Das heißt, wir drehen die nächste Runde. Viel Papier wurde produziert, hohe Planungskosten wurden verursacht, passiert ist bisher nichts“, kritisiert Christian Grascha. Verantwortlich sei die Kommunalpolitik in Einbeck und in Dassel, schreibt Grascha in seiner Pressemitteilung.

Und so sehr ich vieles von dem teile, was der FDP-Mann zu diesem Thema erklärt hat, bei dem letzten Satz macht es sich der Landtagsabgeordnete (und Kreistagsabgeordnete) zu einfach: Verantwortlich ist die Kommunalpolitik für viel Papier und dafür, dass nichts passiert ist? Und wenn das so wäre, dann müsste sich Grascha ja auch für die vergangenen 16 Jahre an die eigene politische Nase fassen. Wer ist denn die Kommunalpolitik in Einbeck? Ist das nicht Grascha als Kreistagsabgeordneter auch selbst (selbst dann, wenn de jure die notwendigen Entscheidungen in den Stadträten und nicht im Kreistag getroffen werden)? Und schließlich: Bis 2011 war der FDP-Mann höchstselbst im Stadtrat seiner Heimatstadt Einbeck tätig, zehn Jahre lang! Und das Mandat für weitere Jahre, einige werden sich erinnern, hatte Grascha auch bei den Kommunalwahlen 2011 erneut errrungen, er selbst hat es damals kurz nach der Wahl niedergelegt, wegen zu hoher Arbeitsbelastung.