Kirchplatz mit Geschichte

Archäologin Sabine Stoffner putzt die Skelettfunde auf dem Neustädter Kirchplatz.

Bei allem politischen Streit über die Umgestaltung des Neustädter Kirchplatzes ist in diesen Tagen die Geschichte sozusagen wieder an die Oberfläche getreten, die in der Diskussion oftmals zu kurz zu kommen scheint. Als der Platz vor ein paar Jahren noch neu bebaut werden sollte, hatte die Denkmalpflege starke Bauchschmerzen – was den modernen Baukörper betraf, aber auch bei einer möglichen Tiefgarage was den Untergrund anging. Der Platz ist nach der 1963 abgerissenen Neustädter Kirche St. Marien benannt, der einst dritten großen Innenstadtkirche Einbecks. Wenn auch vieles bei den Bauarbeiten Ende der 1960-er Jahre zum Waschbeton-Ensemble in der Erde bereits zerstört worden ist, lassen sich auf dem Areal auch heute noch bei archäologischen Grabungen historisch interessante Funde machen. Denn früher wurden die Menschen rund um die Kirchen bestattet, höher gestellte Personen auch in den Kirchen. Der Neustädter Kirchhof um St. Marien war bis Mitte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch, bis die Bestattungen rund um Gotteshäuser unüblich wurden und Friedhöfe außerhalb der Stadtmauern entstanden, in diesem Fall St. Crucis am Hohen Weg.

Skelettfunde auf dem Neustädter Kirchplatz.

Bevor kommende Woche die neue Trafostation für den Neustädter Kirchplatz geliefert wird, konnten die Archäologen die Gelegenheit nutzen, nachdem beim Abräumen der Pflasterung erste Knochen sichtbar wurden. Unter der Leitung von Stadtarchäologen Markus Wehmer hat ein fünfköpfiges Team des Göttinger Archäologie-Unternehmens Streichardt & Wedekind eine etwa sechs mal zehn Meter große Fläche untersuchen können und dabei rund ein Dutzend Grabstellen mit ihren Knochenresten entdeckt. Die Skelett-Teile müsse zwar noch genauer anthropologisch untersucht werden, aber nach ersten Vermutungen wurden Beisetzungen aus den letzten Jahren des Friedhofs entdeckt. Zusammen mit weiteren Funden wie Münzen oder Sargnägeln und tieferen Untersuchungen können unter Umständen sogar die im Stadtarchiv erhaltenen Namenslisten des Neustädter Kirchspiels den Skeletten zugeordnet werden. Dabei sind die archäologischen Grabungen jetzt noch nicht die ohnehin geplanten vor einer Umgestaltung. Diese folgen erst noch in den nächsten Monaten.

Zuletzt hatte bei dem politisch hoch umstrittenen Projekt der Verwaltungsausschuss den 90.000-Euro-Auftrag für den Abriss des ehemaligen Gemeinde/Sparkassenhauses und der Waschbeton-Teile vergeben. Die SPD, bekanntlich Anhängerin einer kleinen Lösung, brandmarkte dieses als weitere Verschwendung von Steuergeldern und kritisierte die Bürgermeisterin. Nachdem ein Jahr lang nichts passiert sei, werde der Platz jetzt in eine Dauerbaustelle verwandelt, in der in den nächsten drei Jahren rund vier Millionen Euro vergraben werden, kritisieren die Sozialdemokraten in einer Pressemitteilung. Dabei hätte der Neustädter Kirchplatz bereits mit deutlich weniger Aufwand vernünftig hergerichtet werden können, meint die SPD-Fraktion.

Dort, wo die neue Trafostation gebaut wird, graben in dieser Woche Archäologen.

Eine aktuelle Planung liege bislang nicht vor und sei „nach aktuellen Auskünften auch auf absehbare Zeit nicht zu erwarten“, erklärte die SPD. Eine Sitzung des Bauausschusses, die für heute geplant war und ohne Angaben von Gründen ausgefallen ist, hätte das erhellen können.

Nachtrag 04.12.2019: Wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek heute im Stadtrat sagte, werde der Entwurf für die Gestaltung des Platzes derzeit hinsichtlich des neuen Pavillons überarbeitet. Die aktualisierte Planung soll im Bauausschuss dann am 25. Februar Thema sein. Die Abrissarbeiten am einstigen Gemeindehaus sollen spätestens am 16. Dezember beginnen. Zunächst werde das Gebäude entkernt, im Januar dann abgerissen.