Von der Strategie, die keine Fehler kennt

Prognosen sind bekanntlich schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Und einige werden zu recht hinzufügen: Niemand hat eine solche Pandemie bisher erlebt und weiß jederzeit sofort, was sich wie auswirkt und was richtig und falsch ist. Das ist alles verständlich, und dennoch wirkt die „Teststrategie“ des Landkreises Northeim, die wahrscheinlich kein wirklicher Stratege so nennen würde, in diesen Tagen reichlich kurvenreich schlingernd, so viele Veränderungen gibt es inzwischen und so schlingernd und schleppend wird sie erklärt. Eine neue Kurve und gewissermaßen eine Rolle rückwärts ist jetzt hinzu gekommen. Eine Kette von Entscheidungen, von denen zumindest einige reichlich kritikwürdig sind.

Es geht um Schnelltests, mit denen das Corona-Virus nachgewiesen wird – eine wichtige Aufgabe dieser Tage. Der Landkreis richtet Ende März in Einbeck in den Räumen der BBS ein Testzentrum ein, lässt es von den Johannitern betreiben. Bundeswehr-Soldaten helfen. Das geht ein paar Wochen gut. Just in dem Moment, in dem mehrere Faktoren (unter anderem eine beschlossene Bundes-Notbremse mit dann notwendig werdenden Tests für viele Dinge) eine stärkere Testnachfrage zumindest vermuten ließen, kündigt der Landkreis überraschend die Schließung dieses Testzentrums an. Zunächst ohne Begründung und reichlich verklausuliert, als wäre er sich selbst nicht sicher, ob das richtig ist, was er da macht. Dann mit der Begründung, dass die Nachfrage im BBS-Testzentrum nicht da gewesen, die Auslastung zu niedrig gewesen sei. Zu dieser Zeit hat längst ein privates Testzentrum in der Einbecker City eröffnet, weil Einbeck Modellkommune wurde. Dieses Modell-Projekt wird dann aber nicht umgesetzt. Es müsste also genügend Testmöglichkeiten in Einbeck geben, meinen die Beteiligten. Auf die weist auch die Kreisverwaltung hin.

Später will der Landkreis nie behauptet haben, das Testzentrum in den Räumen der BBS schließen zu wollen. Man passe nur die Öffnungszeiten an. Das tut man so sehr, dass ein einziger Testtag übrig bleibt. Ursprünglich wollte man diesen Testtag mit einem mobilen Team bewältigen. Dann blieb es doch beim stationären Tag in der BBS. Der Landkreis erklärt, er ziehe sich deshalb zurück („Bedarfslückenmodell“), weil es genügend Testkapazität in Einbeck geben würde – im privaten Testzentrum, in Apotheken.

Mit dem Herunterfahren des Testzentrums an der BBS und der gleichzeitig Realität gewordenen Notbremse mit ihren Folgen, häufiger aktuelle Testergebnisse zu benötigen (zum Einkaufen oder zum Friseur), explodieren förmlich die Schnelltest-Zahlen. Das private Testzentrum gerät an seine Grenzen und teils darüber hinaus, was an Warteschlangen deutlich zu sehen ist. Mehr als vervierfacht habe sich die Testanzahl in der vergangenen Woche, heißt es von dort. Beschwerden lassen die privaten Tester schnell umsteuern. Vielleicht waren sie auch ein wenig zu blauäugig an die Kapazitätsfrage heran gegangen. Immerhin reagieren sie schnell – auch dank der Hilfe einiger Unterstützer.

Die in die Höhe gehende Nachfrage nach Schnelltests war derweil nicht schwer zu erahnen. Wie gesagt benötigt man diese Testergebnisse für allerlei Dinge. Außerdem hätte die Kreisverwaltung auch deshalb hellhörig werden können, weil nicht nur die Schnelltest-Zahlen in Zeiten der Notbremse stiegen, sondern auch die (darauf folgenden) PCR-Testungen, wie das Kreishaus auf Nachfrage des FDP-Kreistagsabgeordneten Christian Grascha mitteilte: Von 169 Tests in der Woche nach Ostern bis zu 531 Tests in der letzten April-Woche gingen allein die laborbestätigten Corona-Testungen in die Höhe, die von den Kreis-Gesundheitsdiensten in Auftrag gegeben wurden. Hinzu kommen noch die bei Hausärzten, hier sind keine Zahlen bekannt.

Der Landkreis hätte schneller gegensteuern können. Immerhin hat er seinen Fehler jetzt eingesehen und eröffnet das Testzentrum wieder in der BBS Einbeck. Wobei, Fehler? Nein, da war natürlich kein Fehler. So viel Größe hat offenbar niemand im Kreishaus, eine falsche Entscheidung als Fehler zu bezeichnen und einzuräumen. „Rechtzeitig vor dem Pfingstwochenende hat Landrätin Astrid Klinkert-Kittel außerdem entschieden, die Testkapazitäten in den Zentren in Nörten-Hardenberg und Einbeck anzupassen“, heißt es da lieber im besten PR-Deutsch. Das private Testzentrum der zwei jungen Unternehmer war da besser. Es entschuldigte sich und bat die Bürger um Verzeihung. Wäre keine schlechte Geste gewesen, Frau Landrätin!