Stadtrat hebt einstimmig die Strabs auf und erhöht dafür die Grundsteuer

Wer hat’s erfunden? Fragen Sie das doch mal die Kommunalpolitikerin oder den Kommunalpolitiker ihres Vertrauens, mit dem Sie in den nächsten Tagen bis zum 12. September vor der Stadtratswahl ins Gespräch kommen. Ich ahne seit der Sondersitzung des Einbecker Rates am Mittwoch die Antwort. Sie dürfte lauten: Jede und jeder wird von sich sagen, dass sie oder er entscheidenden Anteil daran hatte, dass es in Zukunft in Einbeck keine Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) mehr gibt. Und irgendwie werden auch alle Recht haben. Und auch wieder nicht. Am Ende hat der Stadtrat bei sommerlich ausgedünnten Reihen einstimmig beschlossen, die Strabs zum 1. Dezember aufzuheben und ab 2022 die Grundsteuer B auf 420 Prozent anzuheben. Lange Debatten über den jahrelangen Streitpunkt Strabs gab es in der Sondersitzung nicht mehr, der Knoten war bereits in der Finanzausschuss-Sitzung im Juli durchschlagen worden. Das von Stadtkämmerer Christian Rohner erdachte Modell der guthabenbasierten Finanzierung des Straßenbaus hat den Weg für die Einigkeit geebnet.

Interessant war die Rednerliste beim Tagesordnungspunkt Straßenausbaubeiträge: Während sich in der SPD-Fraktion gleich vier Ratsmitglieder bei dem Thema zu Wort meldeten (und sei es nur, um als Ortsbürgermeister für die Abschaffung zu danken), gab es von der CDU-Fraktion keine einzige offizielle Wortmeldung. Willi Teutsch (Ahlshausen), der im September nicht wieder für den Rat kandidiert, machte seinen Redebeitrag dann auch als persönliche Erklärung kenntlich. Das sei ein guter Tag, ein Glücksfall für alle Grundstückseigentümer, mit dem Ende der Strabs gebe es mehr Gerechtigkeit als in der Vergangenheit. „Ich freue mich heute für alle Grundstückseigentümer, speziell in den Dörfern“, sagte Teutsch. Der scheidende CDU-Ratsherr appellierte an den neu gewählten Stadtrat, das mit der Grundsteuererhöhung eingenommene Geld auch wirklich für den Straßenbau zu verwenden und sich von Luftschlössern im Haushalt abzuwenden.

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek richtete mahnende Worte an den (nächsten) Stadtrat „und an uns alle“. Es dürfe mit der Strabs-Abschaffung und der Grundsteuerhöhung nicht der Eindruck entstehen, der Straßenbau sei jetzt in Einbeck leichter zu finanzieren. Die Entscheidung, die der Rat getroffen habe, sei eher eine Selbstverpflichtung, sorgfältig mit den Steuermitteln umzugehen. Sie bot dem neu gewählten Rat, der über den Haushalt 2022 befinden werde, eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Politik an. Denn das Verfahren, das Geld für Straßenbau zuvor anzusparen, sei noch nicht erprobt und müsse seine Wirksamkeit erst noch zeigen. Klar sei jedoch, und das habe die Aufsichtsbehörde bereits deutlich gemacht, dass eine Finanzierung über Kredite verwehrt ist und nicht genehmigt würde.

FDP-Fraktionschef Dr. Reinhard Binder kritisierte, dass jetzt im Wahlkampf alle so tun würden, als hätten sie die mühsam gefundene Lösung erfunden. Die „bittere Pille“ Grundsteuererhöhung sei mäßig und deshalb auch für seine Fraktion tragbar, sagte der Mediziner. Diese dürfe aber bitte nicht zu einem Gefühl führen, alle Schleusen seien nun geöffnet und genügend Geld sei vorhanden. Mit den städtischen Finanzen sollte weiterhin vorsichtig umzugehen, forderte Binder.

Grünen-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartels erinnerte an den ersten Antrag seiner Fraktion zu dem Thema im Februar 2018. Schon vor mehr als drei Jahren habe man eine Grundsteueranhebung angeregt. „Aber die Zeit war damals offenbar noch nicht reif.“

Marcus Seidel (SPD) wiederholte im Wesentlichen seine bereits im Finanzausschuss gehaltene Rede. Die vorgeschlagene ZOB-Finanzierung, bei der alle Beverstraßenanlieger hätten für den Busbahnhof-Umbau zahlen müssen, sei für die Sozialdemokraten das Schlüsselerlebnis gewesen, nach dem die SPD zusammen mit anderen die Notbremse bei der Strabs gezogen habe. Der nun gefundene Kompromiss, für den erst die Zeit kommen musste und die Fakten zusammengetragen gehörten, stelle sicher, dass es in Einbeck weiterhin Straßenausbau geben könne. „Verantwortliche Politik muss auch zuende denken“, sagte Seidel und kommentierte damit die früheren Anträge zur Strabs-Abschaffung von Grüne/FDP und Udo Harenkamp (parteilos). Bei diesen seien die Auswirkungen einer Strabsabschaffung noch nicht bedacht worden.

Die Steuererhöhung belaste Grundstückseigentümer durchschnittlich mit einem Jahresbeitrag wie in einem Sportverein und sei damit verträglich, sagte Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE). Nun würden alle Bürger belastet, weil es ja auch alle Bürger treffen könne und alle Bürger die Straßen benutzen. Nach den Berechnungen der Kämmerei werden die meisten der Grundsteuerfälle (11.316 von 11.752) durch die Erhöhung der Grundsteuer B in 2022 rund 28 Euro mehr pro Jahr bezahlen müssen.

Nach dem jetzt vom Einbecker Stadtrat beschlossenen Modell („Konzept zur Kompensation des Wegfalls der Ausbaubeiträge in der Haushaltsplanung“), wird die Strabs zum 1. Dezember 2021 abgeschafft. Zum 1. Januar 2022 steigt die Grundsteuer B um 20 Prozentpunkte auf 420 Prozent. Die Finanzexperten im Rathaus haben eine durch die wegfallende Strabs entstehende rechnerische Finanzierungslücke von rund 400.000 Euro pro Haushaltsjahr ermittelt. Diese Summe könnte man nur mit einer Steuererhöhung auf 435 Prozent erreichen, wogegen sich der Rat aber entschieden hat. Mit den 20 Prozentpunkten Erhöhung sind Mehreinnahmen von rund 215.000 Euro zu erzielen. Die noch an 400.000 Euro fehlende Summe muss angespart oder durch Einsparungen an anderer Stelle im Haushalt erreicht werden.

Kämmerer Christian Rohner hat deutlich gemacht, dass natürlich nicht in jedem Jahr exakt ein Betrag von 217.000 Euro garantiert werden könne, was an den schwankenden Steuereinnahmen liege. Die Haushaltsplanung solle aber so erfolgen, dass die notwendigen Mittel am Ende des Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden seien. Die Summe 400.000 Euro soll bei der Haushaltsberatung für eine zweckgebundene Rücklage „Straßenausbau“ in den Etat eingestellt werden. Wenn eine aktuelle Baumaßnahme stattfinde, werde „der virtuelle Anteil der Anliegerbeiträge ermittelt und aus der Rücklage entnommen“, schildert Rohner das Procedere: Ist die Rücklage hoch genug, kann gebaut werden. Ist die Rücklage zu gering, muss gewartet werden.

„Strabs abschaffen“ fordern die gelben Banner an den Häusern. Archivfoto

Finanzausschuss einstimmig für Strabs-Abschaffung noch in diesem Jahr

Die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) in Einbeck soll abgeschafft und dafür die Grundsteuer B um 20 Prozentpunkte erhöht werden. Das ist im Kern der Inhalt der Beschlussempfehlung, die der Finanzausschuss in einer Sondersitzung in der Rathaushalle am Montag einstimmig gegeben hat. Abschließend entscheidet der Einbecker Stadtrat ebenfalls in einer Sondersitzung und noch vor der Kommunalwahl am 12. September, da waren sich alle einig. „Zeitnah“ soll das geschehen, ein genauer Termin dieser Sitzung ist bislang nicht bekannt. Mit dem Ratsbeschluss könnte dann eine jahrelange öffentliche Diskussion über das Thema Strabs zu Ende gehen.

Manche Dinge müssen reifen vor einer Entscheidung. Manche Probleme werden gerne ausgesessen und mit der Erklärung begründet, man habe noch nicht alle Informationen (alle Informationen hat man nie). Eine bevorstehende Kommunalwahl ist da durchaus ein guter Beschleuniger. Das wurde in den vergangenen Wochen mehr als deutlich. Denn was seit Jahren hin und her debattiert wurde, führte jetzt wenige Wochen vor der Wahl zu einem feinteiligen Beschluss. Die Komplexität soll wahrscheinlich den Wählern zeigen, dass man es sich nicht leicht gemacht hat.

Der Finanzausschuss hat am Montag einstimmig beschlossen, zum 30. November dieses Jahres die Strabs abzuschaffen. Zum 1. Januar 2022 soll die Grundsteuer B um 20 Prozentpunkte auf dann 420 Prozent angehoben werden. Die Verwaltung wurde mit dem Finanzausschuss-Beschluss schließlich beauftragt, ab dem Haushalt 2022 einen Rücklagenposten für Straßenausbau und investive Straßensanierungen zu bilden, in das die Grundsteuererhöhung fließen soll, denn nur guthabenbasiert (und nicht kreditfinanziert) soll es Straßenausbau in Einbeck künftig geben. Und die Grundsteuererhöhung soll nicht im allgemeinen Haushalt untergehen, sondern gezielt für Straßenbau eingesetzt werden, daher der Rücklagenposten.

Der Termin des Strabs-Endes hängt übrigens an dem am 25. November dieses Jahres auslaufenden Zukunftsvertrag, der die Stadt Einbeck seit Jahren bindet, auf keine Einnahmen freiwillig verzichten zu dürfen. Mit einem Beschluss noch in diesem Sommer verpflichtet der Finanzausschuss (und in der Folge der Stadtrat) den kommenden, neu gewählten Stadtrat, ohne Strabs zu leben. Die neue Wahlperiode beginnt am 1. November. Wenigstens haben sich die Kommunalpolitiker in Einbeck nicht wie ihre Kollegen in Dassel vor einer Entscheidung vor der Wahl gedrückt, denn in der Sollingstadt soll über die Strabs erst der nächste gewählte Rat entscheiden.

Mit einem entsprechenden Ratsbeschluss dürfte es dann auch dazu kommen, dass für den laufenden (bzw. momentan mangels Steine stockenden) Umbau des Neustädter Kirchplatzes mit seinen umliegenden Straßen keine Straßenausbaubeiträge mehr für Anlieger fällig werden, denn abgerechnet wird das Projekt vor dem 1. Dezember nicht mehr; es soll erst 2022 abgeschlossen werden. Fördermittel für bestehende laufende Projekt sind durch die Strabs-Abschaffung laut Kämmerer Christian Rohner nicht gefährdet.

Die CDU wehrte sich bis zur letzten Minute gegen die Strabs-Abschaffung. Um ihr letztlich dann doch zuzustimmen. Finanzausschuss-Vorsitzender Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste) hatte schon fast zur Schlussabstimmung aufgerufen, da brachte CDU-Mann Albert Eggers noch den Antrag zur Abstimmung ein, vor einer Entscheidung eine Bürgerbefragung zu dem Thema anzustreben. Dafür war jedoch nur die CDU. Alle anderen wollten das Dauer-Thema endlich vom Tisch haben.

In der Diskussion wurden im Wesentlichen die mittlerweile bekannten Argumente ausgetauscht. Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste) legte den letztlich im Wesentlichen so beschlossenen Kompromissvorschlag mit den Worten vor, dass man keine gerechte Lösung werde finden können. Eine Strabs für nur wenige sei jedoch immer ungerecht, weil Straßenausbau auf dem Rücken weniger Anlieger ausgetragen werde. „Helfen würde eine Kostenübernahme durch das Land, gerade im ländlichen Bereich“, sagte Pfefferkorn. „Wenn man Bevölkerung in der Fläche will, wenn ganze Landstriche nicht ausbluten sollen, dann muss man in Hannover handeln. Was können die Einwohner unserer Dörfer dazu, wenn an einem Straßenstück eben nur zehn Haushalte wohnen, statt 100 in der Stadt.“ Die Hoffnung, Geld vom Land zu bekommen und mit einer Resolution zu fordern, wie das Dr. Reinhard Binder (FDP) ins Spiel gebracht hatte, zerstreute Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Die Resolution könne man sich sparen, in Niedersachsen sei hier anders als in anderen Bundesländern vom Land keine finanzielle Hilfe zu erwarten.

Pfefferkorn mahnte darüber hinaus mehr Ausgabendisziplin an. „Wenn wir Beträge von 40.000 Euro für ein neues Logo, 50.000 Euro für Infostelen oder etliche Hundertausend Euro Nachschuss für unsere Multifunktionshalle irgendwo herzaubern“, meinte Pfefferkorn, dann werde man auch die Kompensation der Strabs schaffen.

Für die CDU erklärte Ulrich Vollmer, dass eine Beibehaltung der Strabs die gerechteste Lösung sei, denn die Grundsteuererhöhung bedeute für die meisten Hauseigentümer Mehrkosten, obwohl vor ihrer Haustür die Straße gar nicht ausgebaut werde. „Die meisten würden mit der Strabs nie belastet“, ergänzte Albert Eggers (CDU). Und die Erhöhung der Grundsteuer B auf 420 Prozent reiche im Grunde nicht aus. Die Verwaltung hatte in ihren Beratungsunterlagen eine Erhöhung auf 435 Prozent genannt, nur diese Höhe würde den Einnahmeausfall ohne Strabs in Höhe von circa 400.000 Euro pro Jahr auch ausgleichen. Da aber diese Höhe nicht durchsetzbar gewesen wäre, hatte Kämmerer Christian Rohner ein guthabenbasiertes Modell ins Spiel gebracht. Bei diesem wird Geld in eine Rücklage gegeben und angespart und dann gezielt für Straßenbau ausgegeben – und eben auch nicht mehr. „Wenn wir kein Geld haben, dann bauen wir nicht“, brachte es Marcus Seidel (SPD) auf den Punkt. Gegen kreditfinanzierte Bauprojekte hatte sich auch vehement Albert Eggers (CDU) ausgesprochen. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hatte das „charmante Modell“ ihres Kämmerers gelobt, nach dem 30 Prozent der Mehreinnahmen durch die Steuererhöhung oder maximal 400.000 Euro pro Jahr in dieses Straßenbau-Guthaben gehen werden.

Würde jedes Jahr eine Straße ausgebaut werden, wäre bei etwa 800 Straßen die Wahrscheinlichkeit bei 0,13 Prozent, dass die eigene Straße beitragspflichtig ausgebaut wird, hatte die Verwaltung vorgerechnet. Betroffen von der Steuererhöhung seien rund 11.000 Grundsteuerfälle bzw. durch die Weitergabe an Mieter rund 17.000 Haushalte, die mit wenigen Euro pro Jahr belastet werden. Aus der dauerhaften Zahlung der erhöhten Grundsteuer kann formal kein Anspruch auf die Sanierung der eigenen Straße abgeleitet werden, merkte Rohner an.

„Das Projekt ZOB war und ist für uns ein Schlüsselerlebnis“, sagte Marcus Seidel. Die SPD habe nicht damit gerechnet, dass für den Ausbau eines Busbahnhofs Straßenausbaubeiträge fällig werden könnten. „Nicht nur, dass Anlieger in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes für die Beiträge herangezogen werden sollen, sondern auch alle übrigen Immobilienbesitzer im kompletten Verlauf der Beverstraße – das hat uns ebenfalls überrascht“, erinnerte Seidel. „Das mag zwar alles juristisch geprüft und satzungsmäßig wasserdicht sein, es ist jedoch auch für uns Ratsmitglieder schwer nachvollziehbar und den betroffenen Anliegern gegenüber kaum vermittelbar.“

„Der ZOB hat gezeigt, wie verquer Straßenausbau sein kann“, ergänzte Rolf Hojnatzki (SPD). Deshalb habe seine Fraktion mit der Mehrheit den Busbahnhof-Ausbau gestoppt. Die Suche nach Alternativen zur Strabs habe sich schwierig gestaltet, erklärte Marcus Seidel (SPD) – und dabei seien weder der Dringlichkeitsantrag von Udo Harenkamp (parteilos) noch der Ratsantrag der Grün-Gelben-Gruppe hilfreich gewesen. „Ersterer, weil er argumentativ wirr und von erschreckender Ahnungslosigkeit geprägt ist, und beide, weil sie den wichtigsten Aspekt komplett aussparen: wie sollen die bereits laufenden Projekte ausfinanziert werden und wie sollen Straßenausbauprojekte bzw. Straßensanierungen in der Zukunft finanziert werden.“ Udo Harenkamp und auch Dr. Reinhard Binder (FDP) verwahrten sich gegen die Unterstellungen des Sozialdemokraten, Binder verlangte eine Entschuldigung (die es nicht gab, weil er gar nicht gemeint gewesen sei). Harenkamp erklärte, er habe sich beim Kämmerer sehr wohl kundig gemacht. Seidel sagte, die jüngsten Antworten auf mehrere Fragen seiner Fraktion seien bei der Entscheidungsfindung wesentlich gewesen.

„Strabs abschaffen“ fordern die gelben Banner an vielen Häusern. Symbolfoto

Stadtrat entscheidet über Strabs-Zukunft weiterhin nicht

Der Einbecker Stadtrat hat der schon lange währenden Diskussion über die Straßenausbaubeiträge in seiner jüngsten Sitzung am Mittwoch ein weiteres Kapitel hinzugefügt, aber noch immer nicht eine von vielen erhoffte Entscheidung getroffen. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU haben jedoch betont, dass es noch vor der Kommunalwahl eine Aussage über Abschaffung oder Beibehalten der Strabs, der Straßenausbaubeitragsatzung, geben soll. Der Weg soll nun eine Sondersitzung des Finanzausschusses am 12. Juli sein, der wahrscheinlich eine Sondersitzung des Stadtrates folgen wird.

Die Multifunktionshalle, in der sich der Stadtrat erstmals und wieder in Präsenzform traf, soll am 14. Juli offiziell eingeweiht werden.

Vor allem die Aktiven der Bürgerinitiative, die vor der Sitzung mit Transparenten und Schildern protestiert hatten, dürften mit der neuerliche Vertagung nicht zufrieden sein. BI-Sprecherin Anja Linneweber überreichte in der Ratssitzung einen Ordner mit 1190 Unterschriften, die sich für eine Abschaffung der Strabs aussprechen. „Deutlicher kann ein Signal der Bürger für die Politik in Einbeck nicht sein“, sagte Linneweber, die in dem Votum ein klares Signal ihrer Initiative sieht. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Ratsvorsitzender Frank Doods (SPD) nahmen die Unterschriften entgegen.

1190 Unterschriften im Ordner: BI-Sprecherin Anja Linneweber (r.) überreichte den Protest an Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Ratsvorsitzenden Frank Doods.

Nachdem bereits vor der Sitzung erste Gerüchte über eine Sonder-Finanzausschusssitzung kursierten, kündigte CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Ebrecht das Treffen zu Beginn der Ratssitzung offiziell als fraktionsübergreifende Verständigung an und zog gleichzeitig den inhaltlich nie ausformulierten Antrag seiner CDU-Fraktion zum Thema zurück. Alle Fraktionen hätten sich jetzt auf den 12. Juli verständigt, sagte Ebrecht. Es sei nun mal nicht alles so holzschnittartig einfach. Dr. Reinhard Binder (FDP) sah seine Fraktion dabei jedoch übergangen, er höre vom 12. Juli das erste Mal.

Auf der Tagesordnung stand die Strabs im Stadtrat am Mittwoch dennoch, denn der Antrag der Gelb-Grünen-Gruppe auf Abschaffung der Beiträge blieb und sollte zunächst in den Finanzausschuss überwiesen werden. Dafür fand sich jedoch am Ende keine Mehrheit. Den Grund dafür erläuterten Rolf Hojnatzki (SPD) und Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE): Wenn man die Strabs abschaffen wolle, müsse das sofort geschehen und nicht wie im FDP/Grünen-Antrag gefordert erst zum 1. Januar 2023. Bis dahin laufende Straßenausbaubeiträge noch einzuziehen sei unredlich, meinte Pfefferkorn und „vom Populismus initiiert“, wie es Hojnatzki ausdrückte.

Dietmar Bartels (Grüne) befürchtet, dass das Thema „über die Wahl geschleppt“ wird. Seit zwei Jahren werde schon diskutiert, und da könne er nicht glauben, dass es nun in zwei Wochen eine Antwort geben soll. Die Strabs habe sich inzwischen zu einem Stillstand für Einbeck entwickelt, weil durch die Probleme mit ihr keine neuen Projekte mehr angegangen würden. Eine Steuererhöhung anstatt der Beiträge sei durchaus gerechtfertigt, meinte Bartels, stattdessen gebe es für eine Klientelpolitik, bestimmte Leute möglichst wenig zu belasten, eine „mühselige Rechnerei“, kritisierte er.

Udo Harenkamp (parteilos) erinnerte an seinen Dringlichkeitsantrag zum Thema Strabs für die Finanzausschuss-Sitzung am 18. Mai. Der sei damals abgeschmettert worden – „und heute kann es Ihnen nicht schnell genug gehen“, kritisierte er die großen Ratsfraktionen. „Wir wären heute schon vier Wochen weiter, wenn sie meinem Antrag zugestimmt hätten.“

Dirk Ebrecht (CDU) wies das vehement zurück. „Es will niemand schieben und aussitzen bis nach der Wahl“, sagte der Fraktionschef der Christdemokraten. „Wir können die Strabs aber erst abschaffen, wenn wir wissen, wie wir es bezahlen.“ Und da es noch keine einfache Antwort gebe, die auch rechtssicher sei, müsse man noch eine Schleife drehen. „Es wird eine Entscheidung geben“, sagte Ebrecht, „aber ob die allen gefallen wird, weiß ich nicht.“

„Es wird keine gerechte Lösung geben“, meint Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE). Beim Finanzausschuss am 18. Mai hätten noch nicht alle Informationen und Zahlen auf dem Tisch gelegen, sagte der Ausschussvorsitzende in Richtung Harenkamp. Jetzt liegen die am 18. Mai angeforderten Zahlen vor.

Albert Eggers (CDU) ist skeptisch, ob es in wenigen Wochen eine Lösung geben könne. „Wir fangen am 12. Juli mit der Lösung an“, sagte er. „Es wird dort nicht zum goldenen Wurf kommen“. Es hätten zwar 43 Prozent der Kommunen in Niedersachsen die Strabs abgeschafft, aber keiner habe eine Lösung, wie das fehlende Geld aufgebracht werden solle. Wenn es durch Kredite ausgeglichen werden solle, bekomme Einbeck keine Haushaltsgenehmigung von der Kommunalaufsicht mehr, prognostizierte Eggers.

„Mit welcher Lösung bezahlen wir den niedrigsten Preis“, formulierte Heidrun Hoffmann-Taufall (CDU) die ihrer Ansicht nach entscheidende Frage. Gemeinsam müsse man an einer gerechten Lösung arbeiten und die Bürger mit einbeziehen, damit es nicht in Einbeck zu einer „schlechten Stimmung“ komme, wie sie sagte.

Willi Teutsch (CDU) sprach sich in einer persönlichen Erklärung für die Strabs-Abschaffung aus. „Straßen dienen der Allgemeinheit, nicht den Anliegern.“ Es sei „ein Unding“, für den Straßenausbau Beiträge der Anlieger heranzuziehen. Gerade bei denkmalgeschützten Häusern leisteten die Eigentümer durch den höheren Aufwand ihren Beitrag zur Sozialbindung des Eigentums, sagte Teutsch, der am 12. September nicht wieder kandidiert.

SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki legte in seinem Wortbeitrag der FDP/Grünen-Gruppe nahe, den Antrag zurück zu ziehen und sich in den Fraktionenkonsens einzubringen. Der Antrag könne heute ohnehin nicht beschlossen werden, weil es Gelb-Grün verabsäumt habe, ihn vorher beispielsweise im Verwaltungsausschuss beraten zu lassen. „Das haben Sie wohl so nicht vor Augen gehabt, Frau Villmar-Doebeling“, wandte sich Hojnatzki persönlich an seine Ratskollegin von der FDP. Diese hatte den Antrag im Rat vorgestellt und an die großen Parteien appelliert, die Strabs endlich abzuschaffen. Die sei ungerecht und unsozial, gefragt sei eine Lösung für die Bürger, sagte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP).

„Heute bezahlen wir – morgen ihr!“, „Denkt an die nächste Wahl“ und „Der Rat sollte die Interessen der Bürger vertreten“ – mit diesen und anderen Transparenten protestierte die Bürgerinitiative für eine Strabs-Abschaffung.
Protest gegen die Strabs vor der Tür der neuen Multifunktionshalle am Kohnser Weg.

Alles Strabs im Rat? Demo, Unterschriften und mehrere Anträge

Es wird eines der zentralen Themen der kommenden Sitzung des Einbecker Stadtrates am Mittwoch (23. Juni, 17 Uhr, ausschließlich als Präsenzsitzung in der Multifunktionshalle) sein, wenn nicht gar das zentrale Thema: die Zukunft der seit langem und heftig diskutierten Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs). Grüne und FDP fordern mit einem Antrag die Abschaffung, die CDU hält sich mit dem Inhalt ihres eigenen Antrags weiterhin noch bis zur Sitzung zurück, die SPD hat heute auf Fragen nach den Auswirkungen einer Strabs-Abschaffung mit vielen Zahlen belegte Antworten erhalten, die das dicke Unterlagen-Bündel für die lange Tagesordnung der Juni-Ratssitzung noch ergänzen. Zudem will die „Einbecker BI gegen Strabs“ vor der Sitzung gegen 16.30 Uhr vor der Multifunktionshalle am Kohnser Weg gegen die Strabs demonstrieren und Rat und Verwaltung eine Unterschriftenliste überreichen, wie die BI heute ankündigte.

Anti-Strabs-Banner in der Tiedexer Straße in Einbeck.

Wer die Bürgerinitiative unterstützen will, ist bei der Demo willkommen, appellierte die BI in einer Pressemitteilung für eine Teilnahme. Es gelten bei dem Protest wie auch in der Halle die bekannten Hygiene-Regeln: Abstand und Maske. Hunderte von Einbeckern seien für die Abschaffung der Straßenausbaubeitragsatzung in Einbeck, erklärte BI-Sprecherin Anja Linneweber. Genaue Unterschriften-Zahlen nannte sie zunächst nicht. Natürlich sei es viel aufwändiger während der Corona-Pandemie, die Menschen zu erreichen. Umso mehr freue die Bürgerinitiative das Ergebnis, heißt es in der Mitteilung. Vor den Kommunalwahlen im September sei es wichtig zu erfahren, wie sich die Parteien bei diesem Thema positionieren, ergänzt BI-Sprecherin Margharet Feldgiebel. Sie selbst kandidiert bei den Stadtratswahlen am 12. September für die FDP.

BI-Sprecherinnen Anette Reinicke, Anja Linneweber und Margharet Feldgiebel (v.l.) am Alten Rathaus mit dem gelben Banner. Foto: Bürgerinitiative / privat

Neue und aktuelle Projekte wie der ZOB und der Neustädter Kirchplatz in Einbeck sollen auf dem Rücken der Anlieger finanziert werden, meint die Bürgerinitiative. Straßenausbaubeiträge betreffen dabei nicht nur private Hausbesitzer, sondern auch Unternehmen und gefährdeten Arbeitsplätze, auch der Leerstand in Einbeck werde gefördert, meint die BI. Eigentümer investierten nicht mehr in ihre Gebäude und würden Investitionen zurückhalten, da das Damoklesschwert Strabs immer präsent sei.

Gegen die Strabs: In der Hullerser Straße hängen an mehreren Häusern die gelben Banner.

Mit der Aktion „Einbeck wird gelb“ will die Bürgerinitiative seit einigen Wochen im Stadtbild auf das Thema Strabs aufmerksam machen. Mehrere Einbecker Bürger unterstützen die BI-Ziele und hängen markante Plakate und Banner an ihren Häusern und in ihren Geschäften auf. Mit „Einbeck wird gelb“ will die Bürgerinitiative der Bürgermeisterin und allen Ratsmitgliedern zeigen, dass es schon lange nicht mehr nur betroffene Bürger seien, die diese Form der Finanzierung von Straßenausbau ablehnten.

Auf die Frage von Ratsherr Rolf Hojnatzki (SPD) antwortete das Rathaus in einer ausführlichen Vergleichsrechnung, dass bei Strabs-Abschaffung eine Finanzierung der aktuellen Vorhaben „noch machbar“ erscheint. Schaue man jedoch auf langfristige Wirkungen über die Jahre 2022-2024 hinaus, würden Straßenbauvorhaben ohne Strabs-Beiträge langfristig wahrscheinlich nur mit neuen Krediten und einer steigenden Verschuldung zu bezahlen seien. Die Experten im Rathaus prognostizieren außerdem eine Erhöhung der zurzeit gehemmten Bautätigkeit nach Wegfall der Strabs, was ebenfalls zu Mehrkosten führen würde.

Auf die Frage der Ratsmitglieder Marcus Seidel (SPD) und Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP), wie sich eine Strabs-Abschaffung auf Fördermittel auswirken würde, nennt das Rathaus für den laufenden Umbau des Neustädter Kirchplatzes entstehende Mehrkosten für den städtischen Etat in Höhe von 419.000 Euro. Der zurzeit noch auf Eis liegende ZOB-Neubau würde fast 300.000 Euro teurer für den Haushalt der Stadt Einbeck.

Anti-Strabs-Banner am Haus Hullerser Straße 9.
„Strabs abschaffen“ fordern die gelben Banner an den Häusern.

Keine Strabs-Eile

Keine Eile bei der Strabs-Abschaffung: Erwartungsgemäß hat ein Dringlichkeitsantrag des Ratsherrn Udo Harenkamp (parteilos) gestern in der Finanzausschuss-Sitzung keine Zustimmung gefunden, auf die Tagesordnung gesetzt zu werden, nach welchem dann sofort über die Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) befunden worden wäre.

Symbolfoto Strabs in der Tiedexer Straße. Archivfoto

Vertreter von SPD und FDP haben stattdessen zunächst Arbeitsaufträge an die Verwaltung erteilt, bevor sie sich mit dem Thema Abschaffung der Satzung weiter und möglicherweise abschließend beschäftigen wollen. Bereits im Stadtentwicklungsausschuss, wo der ZOB-Umbau wegen der Strabs jüngst auf Eis gelegt worden war, hatte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek angedeutet, dass für die Beurteilung einer Strabs-Abschaffung notwendige Finanzdaten noch nicht zur Finanzausschuss-Sitzung würden vorliegen können.

Kämmerer Christian Rohner stellte diese Zahlen nun für die nächsten Wochen bis Mitte Juni in Aussicht. Ob es eine Sondersitzung des Finanzausschusses geben soll, ob damit bereits der nächste reguläre Sitzungstermin des Stadtrates am 23. Juni für einen Strabs-Beschluss erreicht werden kann, blieb zunächst offen. Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) jedenfalls wünschte sich eine Entscheidung vor der Sommerpause. Am 12. September wird der Stadtrat neu gewählt.

SPD-Finanzexperte Marcus Seidel hat die Verwaltung gebeten zusammenzustellen, welche Auswirkungen eine Abschaffung der Strabs auf laufende und geplante Projekte in Einbeck haben würde, sowohl auf die eigenen Finanzmittel als auch auf gewährte Fördermittel. Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) schloss sich dem an und möchte außerdem wissen, ob es auch unter Umständen Auswirkungen auf bereits abgeschlossene Projekte haben könne. Ferner wünscht sie sich zu wissen, in welcher Höhe das Honorar für den Strabs-Fachanwalt künftig frei würde, das ja dann nicht mehr benötigt würde.

Die Bürgerinitiative „Einbecker gegen Strabs“ hat unterdessen mitgeteilt, innerhalb kurzer Zeit trotz Corona-Beschränkungen mehr als 500 Unterschriften gesammelt zu haben. Die BI freue sich riesig über die breite Unterstützung aus der Bevölkerung, teilte Sprecherin Anja Linneweber in einer Pressemitteilung mit. Vor nicht allzu langer Zeit habe man in Einbeck gedacht, dass das Projekt Tiedexer Straße eine Ausnahme und die Belastungen der Anlieger „Einzelschicksale“ seien, heißt es von der BI. Kurz danach seien jedoch mit dem Neustädter Kirchplatz, der Hullerser Straße und der Verlegung des ZOB die nächsten Projekte „um die Ecke gekommen“, schreibt die BI. Mittlerweile sei den Bürgern in Einbeck ferner aufgefallen, dass das Thema eine ungeheure Rechtsunsicherheit berge. Was gestern noch stimmte, darauf könne sich morgen schon niemand mehr verlassen, meint die BI: „Es hat ja einen Grund, warum die Stadt Einbeck sich immer wieder von einem Fachanwalt aus Hannover beraten lässt. Das finanziert die Stadt mit unseren Steuergeldern.“

Es ergebe keinen Sinn, warum für die Verlegung eines Busbahnhofes von der einen Straßenseite auf die andere Straßenausbaubeiträge erhoben werden sollen, meint die Bürgerinitiative. Die rechtliche Argumentation eines „individuell zurechenbaren Vorteils für die Anlieger“ ist aus Sicht der BI den Bürgern überhaupt nicht vermittelbar. Die Frage „Wann ist Deine Straße dran?“ werde mittlerweile sehr ernst genommen und müsse sich wohl jeder in Einbeck inzwischen stellen. Mal laute die Aussage aus dem Rathaus „Archäologische Kosten werden nicht über die Strabs auf die Bürger umgelegt“ und Tage später müssten Bürger selbstverständlich auch für archäologische Kosten aufkommen, schreibt die BI. Interessanter Weise seien diese archäologischen Kosten nie geplant worden, da man „ja gar nicht abschätzen kann, was für Kosten entstehen“. Diese Aussage habe man den Anlieger der Tiedexer Straße serviert. „Das wird ein Fass ohne Boden“, erklärte BI-Sprecherin Margharet Feldgiebel: „Die Tiedexer Straße gehört zu den ältesten Straßen Einbecks und wurde noch nie archäologisch untersucht. Diese immensen Kosten, die einzelne Bürger treffen können, sind den Einbecker Bürgern nicht vermittelbar, hat uns ein Ratsherr vor einigen Tagen gesagt. Aber welche Alternative haben wir in der Finanzierung?“

Es gebe bei solchen Bauvorhaben keine gesicherte und verlässliche Kostenplanung, kritisiert die BI. Und darin liege vor allem die Tücke der Strabs-Satzung, die die Bürger unzureichend über Endkosten aufkläre. Anja Linneweber und Margharet Feldgiebel: „Es müssen alle Rechnungen am Ende addiert werden, und erst dann kann es einen verlässlichen Kostenüberblick geben. So kann es passieren, dass die Beiträge am Ende einer Baumaßnahme noch förmlich explodieren. Der erste Gebührenbescheid wird hinfällig und von einem noch höheren Endbescheid übertroffen. Auch die Verträge mit z.B. Architekten und Planungsbüros werden an das Bauvolumen gekoppelt. Je teurer das Projekt wird, umso mehr verdient der Planer“.

Die Bürgerinitiative wird nach eigener Darstellung bei ihrer weiterhin laufenden Unterschriftensammelaktion zur Abschaffung der Strabs aus unterschiedlichsten Bereichen unterstützt. Listen liegen aus in Geschäften, Restaurants und bei Ärzten. Ob Versicherungsagentur, Friseur oder Apotheke – allen sei bewusst geworden, dass es so nicht mehr weitergehen könne und man gemeinsam etwas unternehmen müsse.

In diesen Geschäften liegen die Unterschriftenlisten aus: Fotogen Einbeck, Tiedexer Str. 4-6, Lindenhof Naturkost, Tiedexer Str. 5, Einbecker Kaffeerösterei, Marktplatz 25, Sattler Optik und Hörgeräte, Marktstr. 26, Ristorante Italia, Altendorfer Str. 48, Trattoria La Piazza, Möncheplatz 6, Ilme-Apotheke, Grimsehlstr. 2, Friseurteam Lassig, Rosental 3, Feldgiebel & Kleinhans Versicherungsservice GmbH Einbeck, Bismarckstr. 1 A, Reichhardts Blumenecke, Stadtgrabenstr. 20, Motorradbekleidung Hornung, Hullerser Straße 40, Weinhaus Jörns, Inh. Heiko Jörns e.K., Saalfeldstr. 1, Chirurgische Praxis Einbeck -Dipl.-Med. Rüdiger Blume, Tiedexer Tor 2, Kieferorthopädische Praxis Dr. Sarah Batschkus, Tiedexer Tor 2, LVM Versicherung Wartmann-Versicherungsagentur, Tiedexer Tor 2, Süßes Kaufhaus, Marktstraße 18, Schuh-Mann, Marktstr. 16.

Strabs bremst den Busbahnhof

Die Zeit für Wahlgeschenke ist gekommen. Vier Monate vor der Stadtratswahl möchte offensichtlich keine Fraktion in Einbeck mehr an der umstrittenen Straßenausbaubeitragssatzung, kurz Strabs, auf Dauer festhalten. An der Strabs, die in Einbeck erst im vergangenen Jahr nach heftigsten Diskussionen geändert und abgesenkt worden war. Schon damals forderten einige die komplette Abschaffung, allen voran Grüne und FDP. CDU und SPD wollten davon noch nichts wissen. Doch je ungemütlicher die Debatten bei nahezu jedem Infrastrukturprojekt der Stadtentwicklung werden, desto weniger verspüren die großen Fraktionen offenbar die Neigung, mit diesem Gegenwind in den Wahlkampf zu gehen.

Deutlich wird: Wer am 12. September gewählt werden will, wird die Strabs zumindest mittelfristig abschaffen müssen, und das ist spätestens demjenigen klar geworden, der gestern an der Fortsetzung der technisch bedingt unterbrochenen Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses teilgenommen hat. Wer am 12. September gewählt werden will – und diese Konsequenz vergessen die meisten leider – muss dann aber bitte auch noch vor dem Wahltag sagen, woher das öffentliche Steuergeld denn kommen soll, wenn bei Baumaßnahmen die Strabs-Spritze der Anlieger wegfällt. Welche Projekte kann sich die Stadt Einbeck dadurch deutlich später oder gar nicht mehr leisten? Auf diese Frage ist eine ehrliche Antwort gefragt. Denn Bauprojekte wie der Neustädter Kirchplatz oder der ZOB-Umbau werden ja nicht billiger, wenn es keine Strabs mehr gibt. Das Geld kommt dann nur aus einer anderen Kasse mit Steuergeld. Und es kommt auch keine gute Fee von irgendwo, die das fehlende Geld herbei zaubert. Wenn es dadurch über kurz oder lang zur Erhöhung beispielsweise der Grundsteuer kommen sollte, ist das eine klassische Umverteilung. Das kann man machen. Aber dann sollte das der Wähler auch rechtzeitig wissen.

Der Stadtentwicklungsausschuss hat gestern auch beim vierten Anlauf außer vollmundigen, positiven (einige sagen gerne zukunftsorientierten) Absichtserklärungen keine abschließende Entscheidung zum Umbau des ZOB und des Bahnhofsvorplatzes getroffen. Das Gremium hat lediglich einen technischen Beschluss gefasst, welcher dem Stadtrat empfiehlt, das Projekt im „Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzeptes (IEK) des Netzwerkes der Stadt Einbeck“ fortzuschreiben, was später einmal für Förderanträge wichtig ist.

Das eigentliche Projekt jedoch liegt auf Eis, weil inzwischen erkennbar alle Fraktionen keine Mit-Finanzierung mehr über die Strabs wünschen. Die Verwaltung ist nun einstimmig beauftragt worden, den ZOB-Umbau neu ohne Strabs-Bestandteile zu rechnen. Dem Finanzausschuss soll außerdem eine Abschaffung der Strabs vorgelegt werden. Dafür müssten Auswirkungen auf den Haushalt errechnet werden. Ob dies bereits bis zur nächsten Sitzung am kommenden Dienstag geschehen kann, ist zunächst offen und eher unwahrscheinlich. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erteilte dem ob der wenigen Tage Vorlauf bereits eine dezente Absage, der parteilose Ratsherr Udo Harenkamp schob indes wenige Minuten nach Sitzungsende einen Dringlichkeitsantrag für den Finanzausschuss am 18. Mai nach, der die sofortige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Einbeck fordert.

Zur gestrigen Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses hatte die Verwaltung der Politik eine veränderte Kostenrechnung für das 2,5-Millionen-Euro-Projekt präsentiert. War bislang das Teilstück der Beverstraße ohne Strabs-Beteiligung gerechnet worden, soll es nun doch Strabs-pflichtig werden. Rund 222.000 Euro sollen für die anliegenden Grundstücke fällig werden. Die Stadtverwaltung hatte für die Neuberechnung einmal mehr die Expertise des Fachanwalts und Strabs-Experten Dr. Christian von Waldthausen (Hannover) eingeholt. Unter dem Strich sollen die Projektteile ZOB und Bahnhofsvorplatz über eine Sondersatzung später abgerechnet werden. Im besten Juristendeutsch heißt es in der Vorlage, dass die öffentlichen Einrichtungen ZOB und Bahnhofsvorplatz einen „atypischen Fall“ darstellen, „bei dem die Einrichtungen in einem stärkeren Maß von der Allgemeinheit in Anspruch genommen werden als von den Anliegern“. Wer hätte das bei einem Busbahnhof ahnen können…

„Das kann niemand draußen mehr nachvollziehen“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki. „Das Ergebnis ist untragbar, nicht vermittelbar und nicht umsetzbar.“

Rolf Hojnatzki (SPD).

„Die Anwendung der Satzung hat den Verständnishorizont der Bürger verlassen“, kritisierte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP). Die Strabs sei ein „Bürokratiemonster“, das im Rathaus offenbar ohne einen Fachanwalt gar nicht mehr aufklärbar sei.

„Die Strabs verhindert die Weiterentwicklung der Stadt“, sagte Grünen-Fraktionschef Dietmar Bartels. „Wir ecken an allen Enden an.“

Dietmar Bartels (Grüne).

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Sachgebietsleiter Thomas Kreykenbohm machten in der Sitzung deutlich, dass ohne Beschlüsse auch bis Ende Mai nicht wie geplant die notwendigen Förderanträge gestellt werden könnten. Das werde das Projekt um mindestens ein Jahr verschieben. Michalek an die Ausschussmitglieder: „Das muss Ihnen klar sein.“ Förderanträge könne die Stadt nur auf der Grundlage geltenden Rechts stellen, und aktuell sei die Maßnahme nun mal strabspflichtig.

Eine Verschiebung des Projekts sah Rolf Hojnatzki (SPD) nicht als problematisch an. „Wir haben ja einen ZOB.“

Bahnhofsvorplatz in Einbeck an der Beverstraße (links).

Die Strabs ist auf der politischen Tagesordnung zurück

Eigentlich war sie als Thema in der Kommunalpolitik nie ganz verschwunden, selbst wenn es zuletzt etwas ruhiger geworden war, seit der Ausbau der Tiedexer Straße auf Eis gelegt wurde. Spätestens seit Sonnabend ist die Straßenausbaubeitragssatzung, kurz Strabs, allerdings wieder zurück auf der politischen Tagesordnung, rechtzeitig vor der Kommunalwahl im September. „Einbecker gegen Strabs“ nennt sich die bisherige Bürgerinitiative Tiedexer Straße jetzt, weil ja auch Neustädter Kirchplatz und ZOB aktuell und direkt betroffen seien und es eine zunehmende Ungleichbehandlung von Anliegern gebe, sagten die Sprecherinnen Anja Linneweber und Margharet Feldgiebel.

Mehr als 200 Unterschriften kamen am Sonnabend in der Fußgängerzone zusammen.

In der Fußgängerzone sammelten Mitglieder der BI in Warnwesten Unterschriften für die Abschaffung der Strabs. Mehr als 200 Unterschriften seien innerhalb von zwei Stunden zusammengekommen, berichtete Sprecherin Anja Linneweber anschließend. Auf der Facebook-Seite der BI war gar von 250 Unterschriften die Rede.

Die Strabs-BI will in den nächsten Woche weitere Unterschriften sammeln. Die Listen sollen dann in einigen Wochen an die Bürgermeisterin überreicht werden. Ein nächster Unterschriftensammlung-Stand ist vor dem Marktkauf-Warenhaus geplant, ein genauer Termin wird noch bekannt gegeben. Schon jetzt liegen Unterschriftenlisten in mehreren Geschäften aus, unter anderem bei Fotogen, Friseurteam Lassig, Einbecker Kaffeerösterei und bei Sattler Optik. Vor der Stadtratswahl will die Bürgerinitiative jeden Sonnabend einen Infostand auf dem Marktplatz anbieten.

Mitglieder der Bürgerinitiative sammelten in Warnwesten Unterschriften gegen die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs).

Just am Sonnabend veröffentlichte die Einbecker CDU eine Position zur Strabs und regt eine Sondersatzung für den Neustädter Kirchplatz an. Für den derzeit bereits laufenden Umbau des Neustädter Kirchplatzes will die CDU auf eine zusätzliche Erörterung mit Politik und Verwaltung drängen, um für eine ausgewogene und gerechte Finnazierungsbeteiligung zu sorgen und um mögliche Härten zu minimieren. Das teilte CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht am Sonnabend mit. Konkret regen die Christdemokraten eine Sondersatzung an. Man habe dazu Gespräche in Richtung der anderen Fraktionen sowie zur Verwaltung initiiert, heißt es in einer Mitteilung. Ziel soll ein Konsens sein, der alle Interessen ausgleiche und ein öffentliches Bauen dennoch ermögliche. Diese Diskussion könne man in einem weiteren Schritt auch öffentlich führen, dazu würden sich digitale Formate anbieten und Chancen bieten, rasch vorwärts zu kommen und möglichst noch vor der Kommunalwahl für Klarheit zu sorgen, schreibt die CDU.

Sie macht aber auch deutlich, dass eine zuverlässige und möglichst gerechte Lösung noch nirgends gefunden worden sei. Auch in Einbeck seien die verschiedenen Varianten unter Einbindung von fachjuristischem Rat intensiv diskutiert worden. Eines sei dabei klar geworden, meint die CDU: „Eine Abschaffung klingt zwar zunächst einfach, löst das Problem aber nicht und verschiebt letztlich nur die Debatte in die Zukunft.“ In Kommunen, in denen derzeit keine Straßen und Plätze renoviert, ertüchtigt oder eben neue gebaut würden, könne man leicht sagen, man schaffe die Ausbausatzung ab. Leider bleibe man die entscheidende zweite Frage, nämlich die der künftigen Finanzierung, dann schuldig.

Die Bauarbeiten rund um den Neustädter Kirchplatz laufen, die Benser Straße (vorne) ist zurzeit voll gesperrt.

Treppenanlage soll solar beleuchtet werden

Die Treppenanlage in der Verlängerung der Kapellenstraße zum Negenborner Weg wird Solarleuchten bekommen, die als Modellanlage der Stadtwerke in Einbeck dienen sollen. Das hat der Bauausschuss einstimmig empfohlen und damit einen Antrag von Ratsherr Alexander Kloss (parteilos) zumindest in Teilen umgesetzt. Kloss hatte ursprünglich vorgeschlagen, den gesamten Weg mit bislang komplett fehlender Straßenbeleuchtung auszustatten, da dieser Fuß-/Radverbindungsweg von vielen früh morgens genutzt werde.

An der Treppenanlage sollen Solar-Straßenleuchten installiert werden.

Die Stadtverwaltung hatte zum Kloss-Vorschlag vorgebracht, auf dem gesamten Weg-Abschnitt etwa neun oder zehn Leuchten installieren zu wollen, die Verkabelung der Kapellenstraße sei aus Richtung Negenborner Weg bis unterhalb der vorhandenen Treppenanlage bereits vorhanden, weiter jedoch nicht. Deshalb seien Tiefbau- und Leitungsarbeiten für insgesamt rund 36.000 Euro notwendig. Nach Einschätzung der Bauverwaltung wäre diese Maßnahme für die Anlieger außerdem beitragspflichtig.

Diesen Hinweis nannte Ratsherr Alexander Kloss „bizarr“, das sei ja ebenso wie bei der jüngsten Debatte um den ZOB, meinte er. Es gebe in diesem Bereich der Straße gar keine Anwohner, keinerlei Wohnbebauung. „Die angrenzenden Flächen werden ausschließlich durch die Kleingartenkolonie Ostland, einige städtische Gartenflächen sowie ein landwirtschaftliches Versuchsfeld der KWS gebildet“, sagte Kloss. Nutznießer der Beleuchtung seien jedoch fast durchweg Berufspendler zu Fuß oder per Fahrrad, Kindergartenkinder mit ihren Eltern oder alleine sowie Schulkinder und Friedhofsbesucher.

Die Aussage der Stadtwerke in der Beratungsvorlage, eine Installation solarbetriebener Leuchten mache wegen zu geringer Sonnenstunden keinen Sinn, wirke „geradezu absurd“, sagte Kloss. Schließlich vermarkten doch die Stadtwerke selbst seit einiger Zeit ein Photovoltaik-Programm für Hausdächer. „Wenn bei unseren Stadtwerken bislang keine Praxiserfahrungen mit solarbetriebenen Straßenleuchten vorliegen, dann wird es höchste Zeit, sie zu sammeln“, forderte der parteilose Ratsherr. Die Leuchten müssten ohnehin nicht die ganze Nacht hindurch eingeschaltet bleiben, sondern könnten von 0 bis 4 Uhr in einen Stromsparmodus versetzt oder sogar ganz ausgeschaltet werden.

Dietmar Bartels (Grüne) und Armin Hinkelmann (GfE) hatten sich die Örtlichkeiten persönlich angeschaut, wie sie in der Diskussion sagten, und plädierten für den Kompromiss. Karsten Armbrecht (CDU) sagte, er kenne den Weg aus Feuerwehreinsätzen während der Brandstiftungsserie im vergangenen Jahr und signalisierte ebenfalls Zustimmung zur Solarleuchten-Variante. Rolf Hojnatzki (SPD) hätte den Antrag am liebsten nochmal eine Planungsschleife drehen lassen, mit Blick auf Straßenausbaubeiträge hätte er gerne noch die Kostenaufteilungen ermitteln lassen, schloss sich dann aber der Mehrheit für einen Konsensvorschlag an, den Dietmar Bartels unterbreitet hatte.

Vom Negenborner Weg führt der Fuß-/Radweg über die Treppe auf die Verlängerung der Kapellenstraße in Richtung Friedhof.

Jetzt gibt’s auch am ZOB Ärger mit der Strabs

Die Planungen für den neuen Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) in Einbeck hat der Stadtentwicklungsausschuss in seiner jüngsten Sitzung noch nicht abschließen und das Projekt noch nicht auf den weiteren Weg bringen können. Vor 2022 soll hier ohnehin nicht gebaut werden, allerdings hatte die vorgesehene Umgestaltung bereits nach der Dezember-Sitzung eine weitere Planungsschleife gedreht. Die SPD bemängelte jetzt eklatante Mängel in der Anlieger-Kommunikation und der Kostenkalkulation, die die Stadtverwaltung vorgelegt hatte. Für viele überraschend tauchten dort nun Straßenausbaubeiträge auf. „Das war bislang nie Thema, wer denkt denn bei einem ZOB daran“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki. Sein Antrag, das Thema noch einmal zu vertagen und die Verwaltung mit den betroffenen Anliegern sprechen und erneut rechnen zu lassen, fand mit 10:3-Stimmen eine breite Mehrheit im Ausschuss, lediglich aus der CDU gab es Stimmen dagegen.

Entwurfsplanung für den neuen ZOB in Einbeck an der Beverstraße. Rot=gepflasterte Flächen, gelb=Grünflächen. Vor dem Bahnhof sind insgesamt 32 Parkplätze und eine E-Ladestation vorgesehen. (c) Ludwig & Partner (Dassel) und eigene Beschriftungen

„Nicht professionell, nicht ordentlich vorbereitet“ empfand SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki die Zahlen, die keine Grundlage für eine Diskussion und Entscheidung sein könnten. Da erfahre man so nebenbei, dass es zumindest für den Bereich des Bahnhofsvorplatzes und für den ZOB Straßenausbaubeiträge geben soll. „So geht das nicht“, richtete Hojnatzki seinen Vorwurf direkt an die Bürgermeisterin, Baudirektor Joachim Mertens nahm er von seiner Kritik aus. Die vorliegenden Zahlen der Kostenberechnungen zu diskutieren und auf deren Grundlage zu beschließen mache keinen Sinn, begründete der Sozialdemokrat. „Wer seine Hausaufgaben nicht macht, muss nacharbeiten.“

Er solle doch nicht so übertrieben ahnungslos und blauäugig tun, entgegnete Heidrun Hoffmann-Taufall (CDU). Er, Hojnatzki, sei doch lange genug in der Politik aktiv. Da wisse man, dass Straßenausbaubeiträge anfallen. Und natürlich müsse den Anliegern transparent vermittelt werden, welche Kosten auf sie zu kämen, aber für die von Hojnatzki kritisierten noch nicht erfolgten Kontaktaufnahmen mit den Anliegern müssen man diesen eben auch konkrete Zahlen nennen können.

Dietmar Bartels (Grüne) bat Hojnatzki darum, seine „Krokodilstränen“ doch nicht so sichtbar zu vergießen, wie er sagte. Es seien die Grünen und die FDP, die Straßenausbaubeiträge seit langem abschaffen wollten, und es sei unter anderem die SPD, die das nicht wolle. Ohne Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) in Einbeck würde man das Problem jetzt gar nicht mehr haben.

Baudirektor Joachim Mertens bezeichnete die in der aktuellen Kalkulation genannten Zahlen für Straßenausbaubeiträge als eine „erste Schätzung, das kann sich noch ändern“. Die Stadtverwaltung halte sich wie bereits bei anderen Projekten mit Straßenausbaubeiträgen an die gesetzlichen Regelungen, die eine Information der betroffenen Anlieger drei Monate vor einer Baumaßnahme vorsehen. „Davon sind wir noch weit entfernt“, sagte Mertens. Im Übrigen habe es bereits erste Nachfragen aus der Politik und auch von potenziell beitragspflichtigen Anliegern bei der Verwaltung gegeben, neu sei das Thema also nicht.

„Drei Monate vorher ist nicht die Art der SPD-Fraktion“, fuhr Dirk Heitmüller (SPD) den Baudirektor an, „und Sie können es noch drei Mal sagen“.

Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek verteidigte das Vorgehen ihrer Verwaltung. Schließlich müsse man erst ermitteln, ob und wer und wie hoch die Beiträge sein werden, bevor man die Anlieger kontaktiere. „Wir können doch mit den Menschen nicht über ungelegte Eier reden.“ Im Übrigen sei es ja wahrlich nicht neu, dass es in Einbeck eine Strabs gebe, erinnerte die Rathauschefin an vergangene Debatten, beispielsweise in der Tiedexer Straße und auch am Neustädter Kirchplatz.

Die Pläne für den neuen ZOB sind dreigeteilt: in den eigentlichen Busbahnhof, die Veränderung der anliegenden Beverstraße und den Bahnhofsvorplatz. Nur für Bahnhofsvorplatz und ZOB werden Straßenausbaubeiträge erhoben, der Abschnitt der Beverstraße, der erneuert werde, sei für eine Beitragserhebung zu kurz, sagte Baudirektor Joachim Mertens.

Insgesamt wird mit Kosten von rund 2,5 Millionen Euro kalkuliert. Davon werden rund 1,1 Millionen Euro für den ZOB, rund 837.000 Euro für den Teilausbau Beverstraße und rund 660.000 Euro für den Bahnhofsvorplatz fällig. Eingeplant sind allerdings Förderungen von insgesamt 54 Prozent, so dass noch ein städtischer Anteil von knapp 770.000 Euro bleibt, bislang geplant für die Haushalte 2022 ff..

Für den ZOB werden nach der aktuellen Übersicht Straßenausbaubeiträge in Höhe von etwa 256.000 Euro veranschlagt, für den Bahnhofsvorplatz in Höhe von rund 167.000 Euro.

Kein Geheimnis ist, dass es am Bahnhof nur wenige Anlieger gibt, vor allem den Bahnhofsgebäude-Eigentümer Ilmebahn. Mit der Ilmebahn ist die Stadt schon seit längerer Zeit im Gespräch, ein öffentliches WC für den neuen ZOB in Räumen des Bahnhofs unterzubringen. Dirk Heitmüller (SPD) formulierte das Problem in Richtung Verwaltung und Bürgermeisterin wenig diplomatisch: „Sie wollen von der Ilmebahn das WC und stoßen sie mit den Straßenausbaubeiträgen vor den Kopf.“

Der Stadtentwicklungsausschuss diskutierte über die Planung für den neuen ZOB in Einbeck. Screenshot der Hybridsitzung

Neustädter Kirchplatz: Straßenarbeiten ab August

Die Arbeiten am Neustädter Kirchplatz in Einbeck sollen im August fortgesetzt werden. Das sagte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek im Stadtrat.

Benser Straße in Richtung Löwenkreuzung am Neustädter Kirchplatz in Einbeck.

Der Abbruch auf dem Platz ist inzwischen abgeschlossen. Zurzeit werde die Ausschreibung für die Straßenbauarbeiten der umliegenden Straßen erstellt. Geplanter Baubeginn sei im August, sagte Michalek.

Vor der eigentlichen Platzneugestaltung werden die Benser und Hullerser Straße sowie die Papenstraße in den Abschnitten ringsum um das Platz-Viereck erneuert.

Wie Baudirektor Joachim Mertens sagte, seien die Anlieger und potenziell Beitragspflichtigen für Straßenausbaubeiträge schriftlich informiert worden, das sei drei Monate vor Baubeginn verpflichtend. Eine ursprünglich geplante Informationsversammlung habe man wegen der Corona-Pandemie nicht durchführen können. Die Anwohner rund um den Platz sollen in den nächsten Wochen über die bevorstehenden Bauarbeiten ins Bild gesetzt werden.

Zunächst werden die Straßen rund um den Neustädter Kirchplatz erneuert, hier die Hullerser Straße an der Einmündung zum Amtsgericht.

Strabs mit 80 Prozent

Die angeblich so notwendige Sondersitzung des Finanzausschusses und des Bauausschusses war heute nach noch nicht einmal 30 Minuten erledigt. Dann war der politische Kompromiss bei der Straßenausbaubeitragssatzung gefunden und begründet, hatten die beiden Fachausschüsse mit deutlicher Mehrheit dem am Mittwoch tagenden Stadtrat empfohlen, die Strabs zu ändern und die Beitragsgrundlage auf 80 Prozent zu senken. Mögliche Zuschüsse sollen vorher abgezogen werden können. Nur FDP und Grüne kämpften weiter wacker gegen die Strabs, stimmten gegen den Konsensbeschluss und betonten einmal mehr, dass sie eine komplette Abschaffung besser gefunden hätten. Kämmerin Brigitte Hankel gab vor der Abstimmung zu Protokoll, dass mit der Absenkung von 100 auf 80 Prozent für den städtischen Haushalt ein Risiko entsteht, das möglicherweise dazu führen könnte, dass auf Jahre keine Straße mehr grundsaniert werde und das Problem auf die nächste Generation verschoben werde. Wer sich die Beispielrechnung für die ja gar nicht mehr aktuell auf der Tagesordnung stehende Tiedexer Straße ansieht mit den verschiedenen Varianten (zwischen 95 und 65 Prozent), die die Verwaltung ausgerechnet hatte, der sieht, dass mit dem Konsens die Anlieger rund 135.000 Euro sparen (und insgesamt immer noch 540.000 Euro aufbringen müssten). Es hätten durchaus auch 235.000 Euro sein können (bei 65 Prozent), die die Anlieger sparen könnten. Aber dazu konnte sich die Mehrheit nicht durchringen, sondern votierte für den Mittelweg. Immer im Hinterkopf, dass bei einer stärkeren Absenkung das fehlende Geld im städtischen Haushalt an anderer Stelle eingespart werden müsste.

Nachtrag 12.03.2020: Der Stadtrat hat die Empfehlung der Fachausschüsse nahezu mit dem gleichen Abstimmungsergebnis bestätigt, damit ist die Strabs abschließend wie oben ausgeführt geändert. Gegen die Änderung stimmten Dietmar Bartels und Manfred Helmke (beide Grüne) sowie Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) und Udo Harenkamp (AfD), es gab zwei Enthaltungen (Dr. Reinhard Binder, FDP, und Heinz-Hermann Wolper, CDU). SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki räumte ein, dass der gefundene Kompromiss nicht allen Wünschen gerecht werden könne. Gerechtigkeit sei bei Gebühren und Beiträgen sowieso nahezu unmöglich. Drei Viertel der Bevölkerung werde nie Anliegerbeiträge nach der Strabs zahlen müssen. Populistisch aber seien Forderungen nach Abschaffung der Strabs, denn dadurch würden die Probleme einer Finanzierung ja nicht beseitigt. Ohne Strabs müssten die Steuern oder würden die Schulden steigen. Er schließe sich den Ausführungen zur Begründung der Satzungsänderung dem SPD-Fraktionschef an, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Ebrecht in seltener Einigkeit. Man habe nach langer Debatte und mit hohem Beratungsaufwand das erreicht, was im Moment möglich sei. Eine Abschaffung der Strabs wie in Northeim sei ein „Irrweg“, sagte Ebrecht, denn dort steige jetzt zum Ausgleich unter anderem die Hundesteuer. Als „Wahlgeschenke einer ganz großen Koalition“ bezeichnete Dietmar Bartels (Grüne) die Strabs-Änderung, die mehr als 500.000 Euro koste, „Geld, das wir nicht haben.“ Die Ungerechtigkeiten würden nicht beseitigt. Die Vorschläge der Grünen nach wiederkehrenden Beiträgen als Ersatz seien kaputt geredet worden. „Wir sollten uns nicht kaputt sparen“, warnte Bartels. Steuern anheben oder Neuverschuldung seien Möglichkeiten, um doch noch Straßenerneuerung zu finanzieren. Der Kompromiss sei ein Entgegenkommen, eine gerechte Strabs könne es nicht geben, sagte Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE). „Leisten können wir es uns nicht.“ Im Gegenzug für eine Strabs-Abschaffung die Grundsteuer zu erhöhen wäre aktuell fahrlässig, sagte Pfefferkorn, stehe doch die Bemessung dieser Steuer gerade noch auf dem Prüfstand vor dem Bundesverfassungsgericht. Er habe sich durch die Landesgesetzänderung mehr Entlastung durch das Land erhofft, eine echte Erleichterung sei aber ausgeblieben. Udo Harenkamp (AfD) kritisierte, dass das Land die Kommunen mit den Problemen allein lasse, er stimme deswegen dagegen, um ein Zeichen nach Hannover zu senden. Die beschlossene Änderung nehme nur die Spitzen für die betroffenen Anlieger, kritisierte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP). Das Geld für die Strabs fehle den Hauseigentümern zur Sanierung ihrer Häuser. Keine Strabs zu haben wie in Northeim oder Bad Gandersheim werde jetzt zum Standortvorteil für diese Kommunen, Einbeck habe das Nachsehen, meinte die Freidemokratin.

Wie viel Prozent Strabs?

Die mit Spannung erwartete wichtigste Entscheidung des mehr als vierstündigen Sitzungsmarathons fiel gestern schon gleich wenige Minuten nach dem Beginn. Und unspektakulär: Ohne Aussprache und mit deutlicher Mehrheit haben der Finanz- und der Bauausschuss dem Stadtrat empfohlen, an der bisherigen Finanzierung von Straßenausbauten durch Ausbaubeiträge festzuhalten. Die Strabs soll bleiben, aber verändert werden. Lediglich Dietmar Bartels (Grüne) stimmte dagegen, Dr. Reinhard Binder (FDP) enthielt sich. Deren Fraktionen hatten sich zuletzt immer für eine komplette Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) stark gemacht. Den nächsten Schritt, wie in der Tagesordnung vorgesehen die Satzung zu ändern und Prozentsätze für die Anliegerbeiträge festzulegen, scheuten die Kommunalpolitiker dann jedoch. Sie entschieden einhellig (bei Enthaltung von Dietmar Bartels, Grüne), diese Entscheidung erst in einer Sondersitzung des Finanzausschusses treffen zu wollen, die noch vor der nächsten Ratssitzung (11. März) stattfinden soll. Finanzausschuss-Vorsitzender Frank-Dieter Pfefferkorn möchte die von der Verwaltung vor Wochen vorgelegten ausführlichen Rechenbeispiele erst nochmal in Ruhe durchrechnen und unter anderem auch Möglichkeiten weiterer Veränderungen der Strabs abwägen, wie er sagte. „In Ruhe“, so Albert Eggers (CDU), müsse man auch die Gegenfinanzierung überlegen, wenn man sich schon für geringere Prozentsätze der Anliegerbeiträge entscheide. Man konnte als Beobachter den Eindruck gewinnen als seien diese Themen Überraschungen auf der politischen Agenda – wenn man nicht wüsste, dass sich die Ratsmitglieder seit Monaten intensiv mit diesen Fragen beschäftigen – selbst wenn der Ausbau der Tiedexer Straße ja bekanntlich gar nicht mehr im Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen ist. Die Chance, jetzt endlich nach ausführlicher Strabs-Debatte des Pro und Contras auch mal Entscheidungen zu treffen, haben die vereinigten Finanz- und Baupolitiker leider verpasst. Hätte nur noch gefehlt, zunächst einen Arbeitskreis einzusetzen.

Strabs-Streit. Archivfoto/Symbolbild Tiedexer Straße.

Anja Linneweber, Sprecherin der Bürgerinitiative Tiedexer Straße, gab „mit Erschrecken“ zu Protokoll, dass in Einbeck an der Strabs festgehalten werde. Ihre Mitstreiterin Margharet Feldgiebel ergänzte, dass alle Einwohner die Innenstadt-Straßen nutzen würden, dann dürften diese nicht zum Großteil ausschließlich von den Anliegern bezahlt werden. Die Strabs-Kosten für die Hauseigentümer provozierten außerdem weiteren Leerstand in den Häusern. Als „unprofessionelle Aussage“ kritisierte Linneweber die Worte von Kämmerin Brigitte Hankel, die zum Start in die Debatte die Politiker davor gewarnt hatte, „zu große Geschenke an die Anlieger zu machen“. Diese seien sonst an anderer Stelle im Haushalt auszugleichen, gab die Finanzchefin zu bedenken. „Es soll keine Drohung sein“, sagte Linneweber, aber bei der bevorstehenden Bürgermeisterwahl würden sich die Bürger die Programme der Kandidaten ganz genau ansehen. „Wir machen hier keinen Wahlkampf, wir versuchen eine Satzung anzupassen“, antwortete Bürgermeisterin-Stellvertreter Dr. Florian Schröder. Auf die Frage unter anderem von Tiedexer-Straße-Anlieger Wolfgang Erbach, warum denn andere Städte wie Northeim und Holzminden die Strabs hätten abschaffen können, antwortete Kämmerin Brigitte Hankel, dass diese zum einen in ihrer mittelfristigen Finanzplanung keine Straßenbau-Projekte gehabt hätten und zum anderen als Ausgleich die Grundsteuer deutlich angehoben hätten. Mit Unterstützung des Verwaltungsjuristen Dr. Christian von Waldthausen (Hannover) versuchte die Verwaltung die Vorstellung einiger Bürger zu korrigieren, dass der Neustädter Kirchplatz über die Strabs und Anliegerbeiträge finanziert werde. Der eigentliche Platz falle gar nicht unter die Satzung, lediglich die Maßnahmen an den umlaufenden Straßen seien beitragspflichtig für Anlieger, erklärte Rathaus-Justiziar Dr. Florian Schröder. Von Waldthausen wandte sich auch noch einmal gegen den Vorwurf, ein Straßenausbau nutze nicht dem Wert der anliegenden Häuser. Das sei wie bei Versorgungsleitungen, die ja auch über die Gebühren bezahlt würden und die jeder im Haus haben möchte. Selbstverständlich nutze eine neue Straße auch den anliegenden Häusern, sagte der Fachanwalt: „Sonst könnten sie sie ja nur anfliegen.“

Was eine Strabs-Änderung möglich machen soll

Der Dauerbrenner Straßenausbaubeiträge steht auf der Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung des Finanz- und Bauausschusses am Mittwoch, 19. Februar, ab 17 Uhr im Alten Rathaus. Die Verwaltung legt der Politik eine Möglichkeit vor, wie das seit Monaten die Gemüter erhitzende Thema zumindest heruntergekühlt werden könnte.

An der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs), die vielerorts bereits komplett abgeschafft wurde, möchte das Rathaus aber festhalten. Aber durch neue landesgesetzliche Möglichkeiten soll die Satzung in Einbeck so verändert werden, dass die Anteile von Anliegern an den Ausbaukosten reduziert werden können; für die Bemessung der Beiträge soll nur ein Teil des Aufwandes zugrunde gelegt werden. Auch Zuschüsse (beispielsweise Fördergelder) sollen angerechnet werden können. Die Verwaltung macht darauf aufmerksam, dass durch die Reduzierung jedoch der städtische Haushalt stärker belastet wird. Die Politik muss sich nun entscheiden, ob diese Variante mehrheitlich als Lösungsmöglichkeit gesehen wird und dann den Prozentsatz festlegen; der Satzungsentwurf macht deutlich, dass eine Strabs-Änderung für bereits abgeschlossene Baumaßnahmen (Hullerser Landstraße, Ortsdurchfahrten Vardeilsen und Wenzen) nicht mehr gelten soll. Die Verwaltung hat die möglichen Veränderungen einmal anhand des Beispiels Tiedexer Straße durchgerechnet – auch wenn diese Maßnahme ja aktuell nicht mehr in der mittelfristigen Finanzplanung steht. Bei geschätzten Gesamtkosten von etwa 1,4 Millionen Euro waren rund 757.000 Euro für den städtischen Haushalt und rund 673.000 Euro für die Anlieger vorgesehen. Ausgerechnet sind Varianten von 95 Prozent bis 65 Prozent, wodurch sich der Anliegerbeitrag auf bis zu 437.000 Euro reduzieren lässt.

Die Finanzexpertinnen des Neuen Rathauses weisen in ihren umfangreichen Unterlagen und Rechenbeispielen für die Sitzung darauf hin, dass die dann drohende Mehrbelastung des Haushaltes nicht durch Mehreinnahmen aus der Senkung des Kreisumlage ausgeglichen werden kann, wie sich das viele gedacht hatten. Eine dauerhafte Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen aus Einsparungen bei der Kreisumlage sei „nicht darstellbar“, heißt es. Durch die deutliche Erhöhung der Schlüsselzuweisungen steigt die der Berechnung der Kreisumlage zugrunde liegende Steuerkraftmesszahl im Verhältnis stärker, als der Hebesatz der Kreisumlage gesenkt worden ist. „Daher ist die durch die Senkung bedingte Reduzierung unter dem Strich nicht mehr erkennbar“, teilen die Expertinnen um Kämmerin Brigitte Hankel mit. Der Finanzausschuss soll bereits in seiner Sitzung am 11. Februar einen ersten Nachtragshaushalt auf den Weg bringen. Dieser wird aus Rathaussicht notwendig, weil sich eben diese Berechnungsgrundlage für den kommunalen Finanzausgleich geändert hat. Die durch den Nachtragsetat frei werdenden Mittel sollen in erster Linie zur angestrebten Entschuldung in Höhe von jährlich 450.000 Euro verwendet werden.

Abriss-Arbeiten auf dem Neustädter Kirchplatz am ehemaligen Gemeindehaus am 5. Februar 2020.

Eines der ersten Projekte, bei dem eine veränderte Strabs angewendet werden könnte, wäre die Umgestaltung des Neustädter Kirchplatzes. Der Abriss läuft bereits. Der Bauausschuss beschäftigt sich am 19. Februar in seiner Sitzung nach der möglichen Strabs-Änderung mit den konkreten Planungen für die Gestaltung des Innenstadt-Platzes. Da wird es um das Natursteinpflaster gehen, das verwendet werden soll, die Straßenbeleuchtung, die stadtklimafesten Baumarten, die Holz-Sitzbänke – und natürlich die Anzahl der Parkplätze. Die Planer des Berliner Büros Planorama werden in der Sitzung ihre Vorstellungen vortragen; die Variante mit 23 zusätzlichen Parkplätzen auf dem Platz wird im Rathaus nicht favorisiert. Dort möchte man es bei den 32 Stellplätzen entlang der Papenstraße belassen, das wären elf weniger als heute. Die Politik wird außerdem entscheiden müssen, was sie zu den Plänen für den Pavillon sagt. Planorama stellt ein 110 Quadratmeter großes multifunktionales Gebäude inklusive barrierefreier WC-Anlage vor, das in farbigem Sichtbeton um den (bereits stehenden) neuen Trafo herumgebaut wird an der Nordostecke des Platzes in Verlängerung einer Baumreihe zur Hullerser Straße. Der im Gewinnerentwurf des Architektenentwurfs noch vorgesehene Brunnen wird nur noch als „Platzhalter“ mitgedacht von den Planern, weil die Finanzierung nicht gesichert sei. Aktuell gehen sie von Gesamtkosten von 3,3 Millionen Euro aus, davon entfallen 682.000 Euro auf den Pavillon.

So soll der Neustädter Kirchplatz nach der Umgestaltung aussehen, schlägt das Planungsbüro Planorama vor. (c) Planorama Berlin

Bürgermeisterwahl: Wen unterstützt die FDP?

Dreikönigspressegespräch: Christian Grascha und Dr. Marion Villmar-Doebeling.

Die erste kommunalpolitische Wortmeldung des neuen Jahres kommt auch 2020 von der Einbecker FDP: Beim „Dreikönigsgespräch“ mit den Medien heute haben die Ortsverband-Vorsitzende Dr. Marion Villmar-Doebeling und der Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Christian Grascha vor allem die Bürgermeisterwahl in Einbeck in den Blick genommen. Wen die Freidemokraten dabei unterstützen, ist noch nicht ausgemacht. Morgen Abend jedenfalls treffen sich die Spitzen der Liberalen mit Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek (CDU), die am 13. September als Einzelbewerberin kandidieren wird und bisher lediglich von der CDU getragen wird. Sobald der Kandidat oder die Kandidatin der SPD Mitte März feststeht, werde man auch mit den Sozialdemokraten sprechen und die Bewerbung inhaltlich verorten, kündigte die FDP an. Möglicherweise gebe es ja auch noch einen Überraschungskandidaten, den man unterstützen könnte. Jemand von der AfD wäre das definitiv nicht, machte Christian Grascha dabei klar. Dr. Marion Villmar-Doebeling erklärte, sie selbst werde nicht kandidieren. 

Die FDP macht ihre Unterstützung von inhaltlichen Fragen und gemeinsamen Schnittmengen abhängig. Mit dem politischen Stil und dem Umgang der heutigen Bürgermeisterin sei man sehr zufrieden, sagte Villmar-Doebeling. Es komme aber auch auf Themen an, beispielsweise eine bessere Ausstattung der Schulen, einen Inklusionsumbau mit Augenmaß und vor allem die Frage nach der Zukunft der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs). „Wenn sie unsere Zustimmung haben möchte, muss sie sich bewegen“, sagte Christian Grascha in Richtung Rathauschefin. Die FDP plädiert für eine komplette Abschaffung der Strabs, hat dazu mit ihrem Grünen-Gruppenpartner aktuell einen entsprechenden Antrag in der politischen Beratung. Die Bürgermeisterin hatte sich stets anders geäußert und lediglich eine Strabs-Modifikation in Aussicht gestellt. Auch wie Michalek die Mehreinnahmen durch die Senkung der Kreisumlage nutzen will, werde interessant zu hören sein, sagen die FDPler. Kritisch vor allem aus finanziellen Gründen stehen die Liberalen zum Millionen-Projekt „Wissensquartier“. Könne sich Einbeck das angesichts rückläufiger Bevölkerungszahlen leisten, wo die Stadt doch schon heute ihre eigene Finanzstrategie, jährlich 450.000 Euro Schulden zu tilgen, unterlaufe? Auch diese Frage könnte zum Lackmustest werden, ob Dr. Sabine Michalek wie vor sieben Jahren auf die Unterstützung der FDP setzen kann.

Auf Kreisebene haben die Freidemokraten im beginnenden Jahr ebenfalls eine Wahl im Auge: bereits die Kommunalwahl 2021 und die Landratswahl, die dann zeitgleich wieder ansteht. Dort sei allerdings noch weniger klar, wer für den Chefposten im Kreishaus außer der Amtsinhaberin Astrid Klinkert-Kittel (SPD) kandidieren wird. Mit der Arbeit der Landrätin jedenfalls sei man zufrieden, sagte Grascha. Bei der vergangenen Landratswahl hatten die Liberalen noch mit Jörg Richert einen eigenen Kandidaten unterstützt, der inzwischen zum Ersten Kreisrat gewählt ist. Ziel der FDP sei 2021 in jedem Fall, einen Sitz mehr (also fünf) im Kreistag bei den nächsten Wahl zu erreichen. Bei einer Klausur des Kreisvorstandes am kommenden Freitag werde man sich vor allem mit Inhalten für die Kreistagswahl 2021 befassen. Die FDP denkt über einen „smart Landkreis“ nach, möchte Ideen bündeln für die Zeit, wenn der flächendeckende Breitbandausbau erledigt sei und sich die Frage der Digitalisierung in verschiedenen Bereichen stelle, wie Christian Grascha erläuterte. Wie kann das Projekt Ecobus in einem vernetzten Personennahverkehr weitergedacht werden, benötigt die Kreisverwaltung in Zukunft noch den heutigen Raumbedarf, können statt eines großen Kreishaus-Neubaus viele Mitarbeiter Homeoffice leisten, meldet künftig die Mülltonne, wann sie voll ist und intelligent umweltfreundlich geleert werden sollte statt regelmäßiger Abfuhren – das alles sind da nur einige Fragen, auf die die FDP nach politischen Antworten sucht.

Tiedexer Straße wieder mal im Kernstadtausschuss Thema

Wer gedacht hatte, das Thema Tiedexer Straße wäre von der politischen Tagesordnung verschwunden, weil der mit Anliegerbeiträgen finanzierte Ausbau nicht mehr in Haushalt und Finanzplanung steht und auch in den Haushaltsberatungen bislang nicht wieder dort eingesetzt wurde, konnte im Kernstadtausschuss am Montag das Gegenteil beobachten. Der schlichte Tagesordnungspunkt „Tiedexer Straße: Straßenunterhaltung“ genügte, um die Bürgerinitiative mit einem guten halben Dutzend Anlieger zu mobilisieren. Dabei wollten die Kommunalpolitiker nur einmal darüber diskutieren, wie die in die Jahre gekommene Innenstadt-Straße mit einfachen Mitteln verbessert werden könnte. Die Anlieger ließen in der emotionalisierten Debatte schnell unverblümt wissen, dass sie unvermindert zum Protest bereit stehen, sollten die Anlieger zur Kasse gebeten werden. BI-Sprecherin Anja Linneweber brachte auch einen „fetten Rechtsstreit“ ins Spiel, der möglich wäre, wenn man der Stadt nachweisen könnte, die Tiedexer Straße über Gebühr schlecht unterhalten zu haben. Mit einer Instandsetzung könne man dagegen leben, erklärte Linneweber für die Anlieger. Denn dafür würden ja keine Ausbaubeiträge fällig.

Während sich SPD-Vertreter für die Erneuerung von Gehwegsteinen und einer Unterhaltungsmaßnahme bei der Asphaltschicht durchaus erwärmen könnten, war bei CDU-Vertretern die angezogene Handbremse förmlich zu spüren. Großartig solle man nichts anfassen, wer wisse schon, was da noch komme – lautete da eher der Tenor. Eine auch nur aufgemöbelte Fahrbahndecke wäre verschenktes Geld und nur doppelte Kosten, wenn man sich in wenigen Jahren doch noch dazu entschließen sollte, eine Grundsanierung ins Auge zu fassen.

Am Ende beschloss der Kernstadtausschuss einstimmig, von der Verwaltung die Kosten und die Haltbarkeitsdauer ermitteln zu lassen für Maßnahmen in der Tiedexer Straße im Rahmen der gewöhnlichen Straßenunterhaltung, was meint: neues Gehwegpflaster und eine aufgesprühte Asphaltemulsion, die durch eine Schotterschicht von den Autofahrern einige Wochen lang verfestigt wird. Dieses Modell wird seit einigen Jahren in Einbeck praktiziert. Es ist nach Expertenangaben kostenschonend und verlängere die Lebensdauer einer vorhandenen Asphaltschicht deutlich.

Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass der Kernstadtausschuss kein haushaltsrelevanter Fachausschuss des Stadtrates ist, er berät keinen einzigen Teilhaushalt. Den Auftrag für eine Neupflasterung des Gehweges beispielsweise, sobald dann die Kosten ermittelt sind, müsste ohnehin der Bauausschuss erteilen. Weshalb ja die Zuständigkeit für die Tiedexer Straße nach anfänglicher Debatte im Kernstadtausschuss auch in den Bau- und Finanzausschuss gewechselt war. Ich wiederhole mich außerdem ja ungern, aber wieder einmal wurde hier deutlich, wie überflüssig dieser Ratsausschuss ist und wie verschenkt die Zeit der dortigen Diskussion. Und vielleicht sogar für das Vertrauen zwischen Bürgern und Kommunalpolitikern gefährlich, weil hier eher Beruhigungspillen verteilt werden, die nicht wirken werden.

Welche Bedeutung dem Kernstadtausschuss im Rathaus offenbar mittlerweile beigemessen wird, konnte jeder sehen: Neben dem Ausschuss-Vorsitzenden Rolf Hojnatzki (SPD) saßen weder Bürgermeisterin noch Stellvertreter, auch kein einziger Fachbereichsleiter bereicherte die Runde. Einzig die Protokollführerin saß als Rathaus-Mitarbeiterin mit am Tisch.

Neustädter Kirchplatz: Warten auf die Trafostation

Neustädter Kirchplatz. Archivfoto März 2019

Die für die Umgestaltung des Neustädter Kirchplatzes notwendige neue Trafostation wird erst im Januar 2020 geliefert und aufgebaut werden und die bisher unterirdische Station ersetzen können. Es gebe sehr lange Lieferzeiten, teilte Sachgebietsleiter Thomas Kreykenbohm gestern im Bauausschuss mit. Mit den Abbrucharbeiten auf dem Platz soll aber noch in diesem Jahr begonnen werden, einen genauen Termin nannte er nicht. Zuletzt war von Oktober die Rede, ursprünglich sollte es schon vor dem Sommer losgehen. Die Umgestaltung beginnt dann 2020 mit den umliegenden Straßen; Parkplätze sollen im Zuge der Bauarbeiten so lange wie möglich erhalten bleiben. Im Haushalt 2020 ff. sind insgesamt 2,6 Millionen Euro für den Umbau veranschlagt, davon 1,1 Million als Zuschuss. In welcher Höhe und wie die Anlieger nach der gültigen Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) der Stadt Einbeck herangezogen werden, soll für die Stadt Einbeck Fachanwalt Dr. Christian von Waldthausen aus Hannover klären, sagte Bauamtsleiter Joachim Mertens. Der Verwaltungsjurist und Strabs-Fachmann erhalte heute den Auftrag dafür, in der komplexen Materie aufzuschlüsseln, wer nach Sach- und Rechtslage als Anlieger gilt und beitragspflichtig werden wird. Noch in diesem Jahr soll es eine Anliegerversammlung mit genauen Infos geben, kündigte Mertens an. Erst dann könne man auch eine konkrete Summe in den Haushaltsplan einsetzen, sagte Kämmerin Brigitte Hankel; derzeit steht für Anliegerbeiträge nur ein Platzhalter von 100.000 Euro im Zahlenwerk. Von Waldthausen hatte im Juni den Bau- und den Finanzausschuss in gemeinsamer Sitzung informiert und dabei unter anderem so einfach wie logisch ausgeführt, dass sich Kosten nicht auflösen. Die Frage sei immer nur, wer die Kosten trage. Die Anlieger über die Beiträge oder der Steuerzahler allgemein.

Freie Fahrt auf der Hullerser Landstraße

Scherenschnitt mit Bürgermeisterin, Bauoberrat, Bauarbeitern, Bewässerungsexperten, Behördenvertretern und Beigeordneten. Das Band in den Stadtfarben gelb-rot wird übrigens mehrmals verwendet.

Zwei Monate früher als geplant ist die Umleitung passé, sind alle Absperrungen abgeräumt, ist wieder freie Durchfahrt auf der Hullerser Landstraße, einer der wichtigsten Straßen nach Einbeck. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, die mit Bauamtsleiter Joachim Mertens zu den Scheren griff und das gelb-rote Band durchschnitt, dankte allen Planern und Bauausführenden für die Rekordzeit. Die nur möglich gewesen sei, weil alle Gewerke gut ineinander gegriffen hätten. Die Rathauschefin dankte auch den Anliegern für die Geduld und die gute Zusammenarbeit während der Bauarbeiten. In jedem anliegenden Unternehmen habe es einen Ansprechpartner gegeben, um die Dinge zu regeln, lobten auch die beauftragten Bauunternehmer (A. Koch Straßen- und Tiefbau GmbH und Negenborner Baugesellschaft mbH) die gute Kommunikation.

Auf der gesamten Länge ist für Radfahrer beidseitig ein 1,50 Meter breiter Schutzstreifen angelegt.

Der Ausbau der 8,50 Meter breiten Hullerser Landstraße, der im Juni 2016 mit dem Kreisverkehr an der Insterburger Straße begonnen hatte, erfolgte in vier Bauabschnitten. Insgesamt entstanden Kosten in Höhe von rund 2,1 Millionen Euro, die zu 60 Prozent gefördert wurden. Mit dem Straßenbau und dem Kanalbau der Stadtentwässerung wurden auch für die Deutsche Telekom Leerlohre verlegt. Die Straßenbeleuchtung der Stadtwerke wurde auf LED-Technik umgerüstet. Auf einer Seite der Straße gibt es einen zwei Meter breiten durchgehenden Gehweg. Fußgänger und Radfahrer haben durch eine Querungshilfe im Bereich der Kreuzung mit der Hansestraße die Möglichkeit, die Fahrbahn sicher zu überqueren. Auf der gesamten 860 Meter langen Strecke gibt es beidseitig einen 1,50 Meter breiten Schutzstreifen für Fahrradfahrer. Auf diesem darf nicht geparkt werden, betonten die Beteiligten. Bislang war es auf der Straße durchaus üblich, dass dort Autos am Fahrbahnrand parkten.

Der letzte Bauabschnitt reichte von der Einmündung Hansestraße bis zur Allensteiner Straße. Eine Querungshilfe wurde auch geschaffen.

Auf der schnurgeraden Hullerser Landstraße gilt Tempo 50. Da sie zum schneller fahren durchaus verleitet, dürfte sicherlich bald „Alice“ hier ein Gastspiel geben, um die Verkehrsteilnehmer blitzend an die Geschwindigkeit zu gewöhnen. Die Anlieger der Hullerser Landstraße, freilich überwiegend große Industriebetriebe, werden zu Ausbaubeiträgen gemäß der geltenden Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) herangezogen. Ob es hier auch Protest geben wird wie andernorts in Einbeck, bleibt abzuwarten, ist jedenfalls bis dato nicht bekannt geworden.

Die Hullerser Landstraße ist auf einer Gesamtlänge von 860 Metern ausgebaut worden.

Tiedexer Straße: Die Diskussion geht weiter

Mit gelben Schildern in den Fenstern wie diesem protestieren die Anlieger seit Monaten gegen die Straßenausbaubeiträge. Symbolfoto

Die Bürgermeisterin hat den heftig umstrittenen Ausbau der Tiedexer Straße von der Agenda genommen. Er steht weder im Haushaltsentwurf für 2020 noch in der mittelfristigen Finanzplanung. Sie hat damit ein Thema abgeräumt oder zumindest den Dampf aus dem Kessel genommen, für das vor allem die Fraktionen der Haushaltsmehrheit einmal eine Lösung für das Ende der politischen Sommerpause versprochen hatten. Davon war im Stadtrat am Mittwoch nichts mehr zu hören. Für den Schritt können ihr die Ratsfraktionen von CDU, FDP, GfE und Grünen allerdings nur begrenzt dankbar sein. Denn Dr. Sabine Michalek sagte in ihrer Haushaltsrede auch: „Wir sollten dennoch die Debatte über die Straßenausbaubeiträge weiter führen.“ Die Strabs müsse angepasst werden. „Es ist und bleibt aus meiner Sicht notwendig, dass wir Straßenausbaubeiträge von den Anliegern erheben“, sagte die Bürgermeisterin. Über die Höhe und die Zahlungsmodalitäten müsse man sich gemeinsam unterhalten und dann mit den Veränderungen und anstehenden Regelungen des Landes beschließen. „Die Einführung wiederkehrender Beiträge oder eine gänzliche Abschaffung wären aus meiner Sicht der falsche Weg.“ Damit dürfte die Debatte weiter gehen, wenn auch vielleicht intensiver zunächst an anderer Stelle: Die Pläne, die Straßen rund um den Neustädter Kirchplatz im nächsten Jahr im Zuge der Platz-Umgestaltung auszubauen, sind unverändert. Sobald der neue Standort für den Trafo dort gefunden ist, soll es auch endlich und noch in diesem Jahr losgehen, sagte die Rathauschefin.

Sie habe sich die Entscheidung, die Umgestaltung der Tiedexer Straße aus dem Haushalt und der Finanzplanung bis 2023 zu streichen, nicht leicht gemacht, sagte die Bürgermeisterin im Stadtrat. „Wir haben nur begrenzt Mittel zur Verfügung und können deshalb nicht alles Notwendige gleichzeitig erledigen.“ Um 6,2 Millionen Euro im kommenden investieren zu können, muss die Stadt rund 3,1 Millionen Euro an neuen Schulden machen. Prioritäten seien notwendig, die Gesamtstrategie und die Priorisierung gebe hier eine klare Richtschnur, meinte Michalek. Die Tiedexer Straße weicht daher dem jetzt wieder auf die Agenda rückenden Umbau des ZOB, und außerdem zugunsten der Kita Münstermauer und der Umbauten zu inklusiven Grundschulen, die bis 2024 gesetzlich zwingend sind.

Die Sozialdemokraten (und vielleicht nicht nur die) werden sich vermutlich die Frage stellen, warum sie noch im Juni dann mit ihren Initiativen, die Tiedexer Straße aus der Prioritätenliste zu nehmen, nicht durchgedrungen sind bei Mehrheit und Bürgermeisterin. Denn dort stand die Tiedexer Straße noch drin.

Protest vor dem Rathaus vor der Sitzung des Stadtrates.

Vor der Sitzung des Stadtrates protestierten Anlieger der Tiedexer Straße erneut mit großen Transparenten vor dem Rathaus. Da wussten nur einige schon, dass die Bürgermeisterin das Projekt aus dem Haushalt genommen hat. Die Sprecherin der Bürgerinitiative Tiedexer Straße, Anja Linneweber, fragte die Bürgermeisterin in der Einwohnerfragestunde am Ende der Sitzung: „Wie sicher und zuverlässig sind diese Worte?“ Michalek verwies darauf, dass ihre Verwaltung und sie den Entwurf des Haushalts vorgelegt haben. „Das ist unser Vorschlag.“ Dieser komme jetzt in die politische Diskussion und werde dann am Ende vom Stadtrat beschlossen. Änderungen sind also vorbehalten. Die Diskussion geht weiter.

Am Haushalt scheiden sich die Geister

Es bleibt dabei: Die SPD bleibt im Stadtrat als einzige Fraktion anderer Meinung, wie Finanzpolitik in Einbeck organisiert werden soll. Den so genannten Projektierungsbeschluss für den Haushalt 2020, in dem in einer Prioritätenliste alle Investitionen nach Rangfolge und in einem komplexen System aufgelistet sind, trägt die SPD nicht mit. Der Beschluss wurde mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der Sozialdemokraten gefasst. In der jüngsten Finanzausschuss-Sitzung hatte sich die SPD noch der Stimme enthalten. Damals habe man noch die leise Hoffnung gehabt, die Frage der Straßenausbaubeiträge, speziell die in der Tiedexer Straße, lösen zu können, sagte Fraktionschef Rolf Hojnatzki im Stadtrat. Doch die Mehrheit wolle offenbar „nur ganz oder gar nicht“, für Sozialdemokraten sei das nicht vertretbar, allenfalls Instandsetzungarbeiten in der Tiedexer Straße würden auf Zustimmung stoßen. Ein neuerlicher SPD-Antrag, wie bereits im Finanzausschuss, die Projekte Tiedexer Straße und Tiedexer Tor aus der Prioritätenliste herauszunehmen, fand auch im Stadtrat keine Mehrheit, sondern nur 17 Ja-Stimmen aus den SPD-Reihen (die 19-köpfige Fraktion war bei der Sitzung nicht vollständig anwesend).

Schon im Finanzausschuss hatte Marcus Seidel (SPD) kritisiert, für ihn gehöre es zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit, dass Projekte erst beschlossen werden können, wenn die Finanzierung klar sei. Bei dem Umbau der Tiedexer Straße und den Beteiligungen der Anlieger durch Straßenausbaubeiträge sei das aber noch gar nicht der Fall. Überhaupt gebe es bei dieser Prioritätenliste für den Projektierungsbeschluss „Probleme mit der Matrix, der Algorithmus entwickelt ein Eigenleben“, sagte Seidel. Häufig sei gar nicht nachvollziehbar, warum Maßnahmen einen Rang nach oben rutschen oder überhaupt erst auf der Liste auftauchen. Kritik an dieser neuen Haushaltsführung, die zur von der SPD ja erst im letzten Augenblick mitgetragenen Gesamtstrategie der Stadt Einbeck gehört, kommt auch von Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste), der sich wie manche andere Ratsmitglieder finanzielle Dimensionen als Angabe auf der Prioritätenliste wünscht, um besser politisch steuern zu können.

Neustädter Kirchplatz: Abriss erst ab Oktober

Wird abgerissen: das einstige Sparkassen- und Gemeindehaus auf dem Neustädter Kirchplatz. Archivfoto März 2019

Die Bauarbeiten auf dem Neustädter Kirchplatz werden erst ab Oktober starten. Zeitweilig war bei dem bis heute politisch hoch umstrittenen Projekt einmal von einem Abrissbeginn ab Mai die Rede gewesen. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erklärte gestern im Stadtrat, dass im Rathaus der Bauablauf derzeit so geplant sei, dass die Trafostation auf Straßenniveau in den Bereich des geplanten Pavillons verlegt werden soll, dann das ehemalige Gemeindehaus abgerissen werden könne, ebenso die Toilettenanlage sowie die Waschbetonteile und die Treppen in der Parkanlage. Auch die archäologischen Arbeiten sollen noch in diesem Jahr beginnen. Durch diesen Ablauf blieben alle Parkplätze zunächst weiter erhalten. Noch 2019 wolle man außerdem die Entwurfsplanung abschließen, um dann 2020 die Straßenzüge Hullerser Straße, Benser Straße und Papenstraße auszubauen. 2021 soll der Platz neu gebaut werden, erklärte die Bürgermeisterin.

Bauamtsleiter Joachim Mertens hatte bereits in der jüngsten Finanzausschuss-Sitzung angedeutet, dass es Probleme bei der Verlegung der derzeitig unterirdischen Trafostation gebe, es gebe Lieferschwierigkeiten bei Trafostationen. Beginnen könne man erst im vierten Quartal dieses Jahres.

Noch in diesem Jahr indes soll es eine öffentliche Veranstaltung für alle Anlieger rund um den Neustädter Kirchplatz geben, bei der die bereits in der Tiedexer Straße heftig umstrittene Frage der Straßenausbaubeiträge auch für dieses Projekt besprochen werden soll. Einen Fachanwalt hat die Stadt Einbeck bereits hinzu gezogen.

Tiedexer Straße: Anlieger lassen nicht locker

Protest im Finanzausschuss: BI-Sprecherin Anja Linneweber (stehend) mit Mitstreitern und Plakaten, auf dem rechts steht: „Laut Bauamtsleiter Look: Wer nicht zahlen kann, erhält einen Grundbuch-Eintrag. (Enteignung)“

Wird es noch eine Lösung geben, die bei den Anliegern nicht sofort den Blutdruck nach oben treibt? Kann es eine solche Lösung für die Tiedexer Straße überhaupt noch geben, jedenfalls wenn man an den Ausbauplänen festhalten will? Oder wird von den Bürgern nur noch das akzeptiert, was der eigenen Meinung entspricht? Kompromiss, Konsens? Nicht vorgesehen scheinbar. Hitzig war im Finanzausschuss die neuerliche Debatte zum Thema Straßenausbaubeiträge nicht allein deshalb, weil der Sommer richtig aufgedreht hatte und der heißeste Sitzungssaal des Neuen Rathauses für die Diskussion bereit gehalten wurde. Emotional wurde es auch, weil die Anlieger bei dem Thema nicht locker lassen, sich nicht weiter vertrösten lassen wollen. Sondern eine „bürgerfreundliche Finanzierung“ fordern, wie Bürgerinitiative-Sprecherin Anja Linneweber in der Einwohnerfragestunde sagte und einen „moralischen Appell“ an die Ratsmitglieder richtete. Sie habe den Eindruck, aus strategischen Gründen sollten „die Bürger in die Knie gezwungen“ werden, wie sie sagte. „Uns ist eine sozial gerechte Lösung versprochen worden“, sagte Linneweber, „aber wir tappen immer noch im Dunkeln.“ Seit März sei nichts passiert. Versprochen worden sei anderes, vor allem von der Haushaltsmehrheit, die den Ausbau der Tiedexer Straße noch realisiert sehen möchte.

„Wir haben seitdem nicht nur herumgesessen“, erinnerte sich CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht an seine Worte vom März; hinter den Kulissen habe man sich über verschiedene Möglichkeiten informiert, im Treffen mit einem Fachanwalt wolle man sich weiter „aufschlauen“ lassen, sagte Ebrecht. Danach und mit den verschiedenen Optionen versehen wolle man mit den Anliegern wie versprochen ins Gespräch kommen und an einer Lösung arbeiten.

SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki hielt dem entgegen, dass es ausschließlich der Beschluss der Mehrheit sei, der die Anlieger im Unklaren lasse. „Das hätte so nicht sein müssen.“ Wenn es keine Lösung gebe, dann gehöre das Projekt nun mal nicht in den Haushalt eingeplant, es hätte Alternativen zum derzeitigen Vorgehen der Haushaltsmehrheit im Stadtrat gegeben, erinnerte Hojnatzki an Vorschläge der SPD.

Beim so genannten Projektierungsbeschluss für den Haushalt 2020 scheiterte die SPD-Fraktion im Finanzausschuss damit, das Projekt Tiedexer Straße ans Ende der langen Warteliste zu setzen – und damit imgrunde auf den berühmten St. Nimmerleinstag zu verschieben. Die Haushaltsmehrheit belässt es dabei, die Tiedexer Straße auf Rang 3 der Prioritätenliste zu führen. Dr. Reinhard Binder (FDP) sieht es dort aber als einen „Platzhalter“ bis man eine Lösung gefunden habe, so umgesetzt werde es nicht. Die Anlieger hatten für solche Feinheiten im Finanzausschuss keinen Sinn, sie forderten das Projekt komplett zu kippen. Nur das würde Vertrauen wieder herstellen, hieß es. Vor den Sommerferien dürfte freilich nichts mehr entschieden werden, wahrscheinlich ist eher ein Beschluss zur Strabs in der September-Ratssitzung.

Was wird nun mit der Strabs?

Mit gelben Schildern protestieren die Anlieger gegen die Beiträge.

Die Suche nach dem Kompromiss bei der Straßenausbaubeitragssatzung (kurz Strabs genannt) zieht sich hin. Im März waren die Anlieger der Tiedexer Straße auf eine gemeinsame Sitzung des Finanz- und Bauausschusses verwiesen worden. Nachdem heute die Tagesordnung für das Treffen am 6. Juni um 17 Uhr (Altes Rathaus) bekannt gemacht wurde, ist klar, dass an diesem Abend zwar viel über das Thema gesprochen, aber nichts entschieden werden dürfte. Denn einen Beschlussvorschlag enthalten die Sitzungsunterlagen nicht. Dafür haben „alle Anwesenden die Möglichkeit, sowohl während des Vortrages als auch im Anschluss Fragen an Herrn Dr. von Waldthausen zu richten“, wie es heißt. Dr. Christian von Waldthausen aus Hannover ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und beauftragt, über Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle der Refinanzierung von Straßenausbaumaßnahmen vorzutragen.

Wollen am liebsten die Strabs abschaffen, als Notlösung in Einbeck höchstens aber wiederkehrende Beiträge: die FDP-Politiker Dr. Marion Villmar-Doebeling, Jan-Christoph Oetjen, Melanie Bludau-Kater und Christian Grascha.

Politisch positioniert zu dem Thema haben sich in dieser Woche (erneut) die FDP und die SPD. Die FDP hatte im März ihren gemeinsam mit den Grünen gestellten Antrag auf wiederkehrende Beiträge statt Straßenausbaubeiträgen ja zunächst zurück gestellt. Man hoffe weiterhin, eine Mehrheit im Rat für diese Idee begeistern zu können, sagte Ratsfrau Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP). „Das ist eine Frage des politischen Willens.“ Eine Entscheidung dürfte vermutlich der Stadtrat im September treffen. Der Vorschlag der grün-gelben Gruppe im Rat sieht vor, die Stadt in verschiedene Abrechnungsgebiete einzuteilen und dann so genannte wiederkehrende Beiträge zu erheben. Wiederkehren bedeutet laut FDP, dass pro Maßnahme alle in dem betroffenen Gebiet einen Beitrag bezahlen müssen, der sich im niedrigen dreistelligen Bereich bewegen solle – und damit deutlich unter den befürchteten Straßenausbaubeiträgen liegen wird. Dass wiederkehrende Beiträge nicht rechtssicher und mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden sein könnten, will die FDP nicht gelten lassen, sondern lieber 100.000 Euro in den Haushalt einstellen, damit ein erfahrenes Beratungsunternehmen hinzugezogen werden kann, um die wiederkehrenden Beiträge in Einbeck einzuführen.

Ideal sei diese Lösung zwar nicht, sagte der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha, die Freidemokraten seien landesweit unverändert für die ersatzlose Abschaffung der Strabs, gegenfinanziert durch einen 50-Millionen-Euro-Topf. Das hat auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan-Christoph Oetjen, kurz vor einer Anhörung zu dem Thema im Landtag noch einmal unterstrichen. Die FDP werde nicht aus wahltaktischen Gründen bis 2021 abwarten, sondern unabhängig vom Kommunalwahltermin „eine gute Entscheidung für unsere Stadt“ treffen, alles andere wäre unverantwortlich, erklärte Christian Grascha. „Ich hoffe noch, dass die anderen zur Besinnung kommen.“

Im Strabs-Fokus: die Tiedexer Straße mit den gelben Protestschildern.

Die SPD sei unverändert dafür, die Straßenausbaubeiträge in der Höhe besser zu staffeln und für touristische Straßen wie die Tiedexer abzusenken, sagte Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki. Im Haushalt stehe, dass die Anlieger etwa 47 Prozent bzw. rund 5400 Euro im Durchschnitt und bis zu 17.600 Euro für Private tragen sollen. Derzeit gelte unverändert die Straßenausbaubeitragssatzung. Hojnatzki: „Wir haben darauf hingewiesen, dass für eine Straße mit touristischem Schwerpunkt diese Belastung unzumutbar ist. Wenn wir aber zu Beiträgen kommen, die noch sozial verträglich sind, wäre der Haushalt überfordert. Deshalb sollte das Projekt, so das einstimmige Votum des Fachausschusses zunächst zurückgestellt werden. Davon ist jetzt keine Rede mehr.“ Eine Lösung schon am 6. Juni wie einmal gedacht schon zu finden, sieht der Sozialdemokrat nicht und ärgert sich darüber, dass die Anlieger weiter in der Schwebe gelassen werden: „So kann man keine Politik machen und mit den Leuten umgehen.“

Tiedexer Straße: Anlieger wollen Antworten

Fachwerkmeile Tiedexer Straße.

Die Anlieger der Tiedexer Straße fürchten, dass ihnen die Zeit wegläuft. Dass sie nur vertröstet werden – und am Ende doch für den Ausbau der Straße bezahlen müssen. Sie wollen Anworten auf Fragen, welche allerdings die Fraktionen des Stadtrates in Einbeck zurzeit vor allem intensiv hinter den Kulissen diskutieren. Die Kompromiss-Suche läuft auf Hochtouren. Einen Antrag, die Straßenausbau-Beitragssatzung (Strabs) abzuschaffen, hat die Gelb-Grüne-Gruppe selbst zunächst wieder zurück gestellt bis zur gemeinsamen Sitzung von Bau- und Finanzausschuss am 6. Juni. Einblick in den Diskussionsstand haben Vertreter der Ratsfraktionen in der Einwohnerfragestunde des Finanzausschusses gestern gegeben. Jamaika-Plus hatte den Ausbau der Tiedexer Straße bekanntlich in die Finanzplanung für 2020 geschoben und sich damit für eine Lösungssuche ein wenig Luft verschafft. Bis zum Sommer freilich will man „durch“ sein, beginnen doch im September die konkreten Haushaltsberatungen für 2020.

Dirk Ebrecht (CDU) bat die Anlieger um ein wenig Zeit bis zu konkreten Aussagen, man sei mitten in den Gesprächen. „Wir werden sie einbinden“, versprach er den Anlieger-Vertretern. Einfach die Strabs abzuschaffen sei nicht die Lösung, Ziel müsse eine gerechte und rechtssichere Lösung sein. Die zudem nicht nur für die Tiedexer Straße gelte. Ebrecht brachte eine Bürgerbefragung ins Spiel, um sich ein Meinungsbild in der Bevölkerung zu besorgen. Entscheiden jedoch müsse am Ende der gewählte Stadtrat.

Rolf Hojnatzki (SPD) warnte vor einer solchen Bürgerbefragung, denn möglicherweise sei ein für die Tiedexer Straße negatives Ergebnis dabei zu erwarten. Die SPD stehe zu dem, was sie immer gesagt habe: Die Anlieger müssten sozial adäquate Beiträge bezahlen. Eine Abschaffung der Strabs sei keine finanzierbare Lösung für den städtischen Haushalt. Und weil es nicht finanzierbar sei, müsse der Ausbau der Tiedexer Straße insgesamt verschoben werden. Er sei gespannt auf die angekündigte rechtssichere Lösung, sagte Hojnatzki.

Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) betonte noch einmal, dass die Debatte wichtig sei und die Finanzierung auf andere Füße gestellt werden müsse. Über Gerechtigkeit könne man bei komplexen Systemen und systemischen Fragen immer philosophieren und streiten.

Udo Harenkamp (AfD) erklärte, die Strabs könne wegen des geltenden Zukunftsvertrages nicht abgeschafft werden.

Fachbereichsleiter Joachim Mertens kündigte an, bei der gemeinsamen Fachausschuss-Sitzung am 6. Juni werde für die Stadt Einbeck auch ein Fachanwalt aus Hannover dabei sein, der Erfahrung und Überblick bei der Thematik Straßenausbaubeiträge habe.

Keine Kommunalaufsicht in Sachen Tiedexer Straße

Die Kommunalaufsicht ist in Sachen Tiedexer Straße weder offiziell um Überpüfung gebeten noch von sich aus tätig geworden. Das erklärte Landkreis-Pressesprecher Dirk Niemeyer auf meine Anfrage. Der ehemalige Einbecker Bürgermeister und langjährige Kommunalverwaltungspraktiker Martin Wehner (SPD) hatte bei der Auftaktveranstaltung zur 150-Jahr-Feier seiner Partei erklärt, das Vorgehen der Mehrheitsfraktionen, die Baumaßnahme Tiedexer Straße für 2020 in die mittelfristige Haushaltsplanung inklusive Straßenausbaubeiträge-Finanzierung zu nehmen, obwohl man diese Beiträge abschaffen wolle, sei Betrug und Täuschung und ein Fall für die Kommunalaufsicht. Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (SPD) als oberste Kommunalaufseherin hatte diese Worte persönlich bei der Veranstaltung gehört.

Dem Rat der Stadt Einbeck stehe es im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung jederzeit zu, sich mit dem Thema „Straßenausbaubeiträge“ zu befassen, erklärte Landkreis-Sprecher Dirk Niemeyer. Dazu gehöre auch, auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu verzichten, wie dies beispielsweise die Stadt Northeim bereits getan habe. „Unbedingt muss in diesem Zusammenhang aber auch beschlossen werden, wie etwaige Ertragsausfälle kompensiert werden können“, machte Niemeyer deutlich. „Speziell darauf wird der Landkreis im Rahmen der Finanzaufsicht achten.“

Die SPD jedenfalls lässt ihren einstigen Bürgermeister offenkundig ziemlich im Regen stehen. Sie lässt ihn das alles sagen und nach der Kommunalaufsicht rufen und von Betrug und Täuschung sprechen, lässt es sogar zu, dass dieses alles in der offiziellen Festschrift-Broschüre der Einbecker SPD wörtlich so steht, handelt aber merkwürdig unsolidarisch und hasenfüßig. „Nein, die SPD-Stadtratsfraktion hat die Kommunalaufsicht nicht um Überprüfung des Sachverhaltes gebeten“, erklärte Fraktionschef Rolf Hojnatzki. „Wir behalten uns dies aber vor soweit es über die politischen Bewertung hinaus erforderlich erscheint.“ Oder sollte Wehner, vom politischen Tagesgeschäft losgelöst, nur mal den Hardliner geben, der einfacher einen Versuchsballon steigen lassen kann? Die SPD jedenfalls verschanzt sich hinter der Unterscheidung von politischer und juristischer Bewertung.

Denn „unabhängig von der juristischen oder haushaltsrechtlichen Wertung“, wie SPD-Ratsfraktionschef Rolf Hojnatzki schreibt, sei die Entscheidung der Ratsmehrheit im Dezember 2018 mehr als irreführend: „Wer in der gleichen Ratssitzung eine Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen fordert und gleichzeitig im Haushalt die vollen Straßenausbaubeiträge für mehrere Projekte beschließt, handelt unaufrichtig. Insofern ist die Aussage unseres Bürgermeisters a.D. Martin Wehner, dass es sich um ‚Betrug oder Täuschung‘ handelt, völlig richtig.“ Entweder, führt Hojnatzki aus, sei es Betrug im haushaltsrechtlichen Sinne, weil ohne die Beiträge nicht die benötigten Mittel zur Finanzierung der Projekte vorhanden wären. Oder es sollten Beitragszahler und damit auch Wähler getäuscht werden, denen man zwar jetzt eine Abschaffung verspreche, von denen man tatsächlich aber zu einem späteren Zeitpunkt nach den Wahlen dann doch die Beiträge erhebe, weil das Geld sonst fehle, macht der SPD-Chefhaushälter seine Rechnung auf.

„Dass wir Sozialdemokraten nur eines möglichen Macht- oder Mehrheitsstrebens bei solchen Spielchen nicht mitmachen können, versteht sich eigentlich von selbst“, schreibt mit Rolf Hojnatzki. „Für alle, die es für sich selbst nicht mehr als wichtig erachten: Wir stehen noch für Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Die Missachtung hat Jamaika schon einmal bei der Kommunalwahl 2011 eingeholt. Das nächste Mal könnte es auch den Rest der Haushaltsmehrheit treffen.“

Für ihre schriftliche Antwort auf meine einfache, per E-Mail gestellte Frage benötigte die SPD übrigens eine geschlagene Woche, und offensichtlich kam die Antwort-Mail genau dann wenige Stunden, nachdem auch aus dem Kreishaus meine Frage beantwortet worden war und die SPD vom Inhalt dieser Antwort Kenntnis hatte.

Gelb-Grün will Strabs abschaffen

Die Einbecker Ratsmitglieder Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP) und Manfred Helmke (Grüne). Foto: FDP/Grüne

Die Gelb-Grüne-Gruppe im Einbecker Stadtrat unternimmt einen neuen Anlauf, die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) in Einbeck abzuschaffen. Einen entsprechenden Antrag hat G³ für den am 26. März tagenden nächsten Finanzausschuss (17 Uhr, Altes Rathaus) gestellt. Bereits im vergangenen Jahr in der heißen Phase der Debatte um die Strabs in der Tiedexer Straße hatten FDP und Grüne einen vergleichbaren Antrag gestellt, im Fachausschuss im Mai 2018 jedoch wieder zurück gezogen.

Wegen der derzeit angespannten Haushaltslage und um weitere Erhöhungen der Grundsteuer zu vermeiden, wie FDP und Grüne schreiben (FDP Grüne Pressemitteilung Abschaffung Strabs FA), haben sich beide Fraktionen in ihrem Antrag als Kompromiss für wiederkehrende Beiträge ausgesprochen. „Große und zum Teil existenzbedrohende Straßenausbaubeiträge für einige wenige Anlieger“ könnten mit dieser Lösung vermieden werden, heißt es in der Mitteilung. „Noch auf unbestimmte Zeit auf eine maßgebliche finanzielle Unterstützung des Landes zu warten, hieße auch weiterhin, das Damoklesschwert der anzuwendenden Straßenausbaubeitragssatzung über den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort pendeln zu lassen“, erklärte Ratsfrau Dr. Marion Villmar-Doebeling. Dieser Schwebezustand sollte aus Sicht von FDP und Grünen so schnell wie möglich beendet werden. Die gegenwärtige Satzung sei ein Hemmschuh für einen hinreichenden Straßenunterhalt, ergänzt FDP-Fraktionsvorsitzender Dr. Reinhard Binder. Die Bürger brauchten Planungssicherheit. Dietmar Bartels (Grüne), Sprecher der Grün-Gelben-Gruppe, hebt hervor: „Eigentlich müssten die Eigentümer historischer Gebäude für ihre Pflegeleistung Geld erhalten, statt zu Straßenausbaubeiträgen herangezogen zu werden.“

„Da die Straßenausbaubeitragssatzung vor Ort in den vergangenen Jahren nicht in jedem Fall angewendet wurde und auch Instandsetzungsmaßnahmen erfolgten, ohne die Straßenbausatzung anzuwenden, wird diese Vorgehensweise von Bürgerinnen und Bürgern als ungerechte Ungleichbehandlung angesehen“, heißt es im Antragstext. „Insofern hat aus Sicht von FDP und Grünen die Straßenausbaubeitragssatzung in der derzeitigen Form keine Zukunft. Aus diesem Grund haben bereits einige Städte in Niedersachsen auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichtet.“ Für Grünen-Ratsherrn Manfred Helmke ist es unverständlich, dass bei einer so guten Kassenlage in Bund und Land den Kommunen kein Geld für den Erhalt der Infrastruktur zur Verfügung gestellt werde.

In ihrer heutigen Mitteilung erklären FDP und Grüne auch, dass in einem kommunalen Haushalt verbindlich immer das Folgejahr beschlossen werde. Gemeint ist damit offenbar, dass in der Regel 2018 der Haushalt 2019 beschlossen wird. „Eine mittelfristige Finanzplanung, wie sie für die anstehenden Großbauprojekte in der letzten Ratssitzung des vergangenen Jahres auf den Weg gebracht wurde, kann durchaus auch wieder geändert werden“, schreiben FDP und Grüne. Damit dürften unter anderem jüngste Äußerungen des ehemaligen Einbecker Bürgermeisters Martin Wehner (SPD) gemeint sein, der nach der Kommunalaufsicht in diesem Fall gerufen hatte.

Die Stadtverwaltung reagiert auf den neuerlichen Strabs-Antrag von G³ übrigens mit dem Hinweis, diesen am 26. März im Finanzausschuss zu vertagen, weil es am 6. Juni eine gemeinsame Sitzung von Finanz- und Bauausschuss zu dieser Frage geben soll; Anlass ist ein Strabs-Antrag der Jamaika-Plus-Fraktionen aus der Ratssitzung im Dezember, der dann beraten werden soll, verbindliche Entscheidungen könnten auch dann noch vor den Sommerferien getroffen werden. Die Möglichkeit einer „Abweichungssatzung“ habe das Rathaus schon im September 2018 vorgelegt, die politischen Gremien hätten damals jedoch nichts beschlossen, teilt die Verwaltung mit.

Tiedexer Straße: Betrug und Täuschung und Ruf nach Kommunalaufsicht

Aus der aktiven Kommunalpolitik hat er sich mit Ausnahme von ganz wenigen Gremien-Mandaten schon länger zurück gezogen, bis zur jüngsten Kommunalwahl 2016 war der einstige Einbecker Bürgermeister (1991 bis 2006) noch Fraktionsvorsitzender der SPD im Northeimer Kreistag. Zum 150. Geburtstag seiner Partei, der Einbecker SPD, hat Martin Wehner die Geschichte seit 1945 in einer lesenswerten Broschüre aufgearbeitet. „Zur aktuellen Politik in unserer Stadt möchte ich nicht Stellung nehmen“, sagte der 72-Jährige bei seinem Vortrag während der Auftaktveranstaltung zum Jubiläumsjahr. Aber Wehner machte dann doch eine Anmerkung, und was für eine: „Die Entscheidung der derzeitigen Ratsmehrheit zum Ausbau der Tiedexer Straße und den Straßenausbaubeiträgen ist nicht nur ein Stück aus dem Tollhaus“, sagte Martin Wehner, sondern sie verstoße auch gegen die Kommunalverfassung. „Hier ist die Kommunalaufsicht gefordert“, sagte der SPD-Politiker. Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (SPD) saß in der Versammlung nur wenige Schritte entfernt, die Kommunalaufsicht hörte also Wehners Worte. „Es kann nicht angehen, dass die Baumaßnahme Tiedexer Straße in voller Höhe im Haushalt steht und zu ihrer Finanzierung Straßenausbaubeiträge eingesetzt sind, die führenden Vertreter der Fraktionen im Rat erklären, dass sie gar keine erheben wollen“, schimpfte Wehner: „Das ist Betrug oder Täuschung“.

Dass die Chemie zwischen SPD und den Mehrheitsfraktionen, aber auch zur Verwaltung und der Rathauschefin zurzeit alles andere als stimmt, ist kein Geheimnis. Die SPD als die mit Abstand größte Fraktion im Stadtrat stelle sich engagiert gegen ein Bündnis aus mehreren Fraktionen und gegen die Stadtverwaltung, „die unter der amtierenden Bürgermeisterin jegliche Form von Neutralität und Respekt gegenüber den Ratsmitgliedern verloren hat“, sagte SPD-Kernstadt-Vorsitzender Peter Traupe in seiner Begrüßung. Fraktionschef Rolf Hojnatzki ergänzte in seinem Grußwort, über die aktuelle Politik öffentlich zu reden, dafür seien seine Ratskollegen und er gewählt, deshalb auch die jüngste hartnäckige Initiative zur Finanzausschuss-Sondersitzung nach Haushaltssperre. Eigentlich müsse die Einbecker SPD eine gesonderte Mitgliederversammlung zu aktuellen Stadtratspolitik machen. Seit 1945 hätten eine Vielzahl von engagierten Sozialdemokraten in über 20 Wahlperioden in den SPD-Fraktionen mitgearbeitet und die Interessen der Wähler vertreten. Er wünsche sich auch für die Zukunft mutige und engagierte Fraktionskollegen, die sich vor allem für diejenigen stellvertretend einsetzen, „die sich nicht durch Geld und Einfluss ihre Lebensqualität kaufen oder durchsetzen können, sondern auf Frauen und Männer, wie uns vertrauen können“.

Peter Traupe begrüßte die Gäste der Versammlung in ungewöhnlicher Reihenfolge, die bewusst gewählt war, wie er später sagte: Vor den Ehrengästen aus seiner Partei hieß er die drei anwesenden Journalisten willkommen. „Wir leben in einer Zeit, in der Pressevertreter sich schon wieder von rechtsnationalen Populisten für ihre freie und liberale Berichterstattung beschimpfen lassen müssen, das haben wir im Kreistag mehrmals erlebt“, sagte der SPD-Kreistagsabgeordnete aus Einbeck. Die SPD wisse eine unabhängige Berichterstattung hingegen zu schätzen, versicherte er.

Am 29. Oktober kommt SPD-Landesvorsitzender und Ministerpräsident Stephan Weil um 18 Uhr nach Einbeck ins Historische Rathaus, dann findet die offizielle Feier zum 150. Geburtstag der Partei in Einbeck statt. Darüber hinaus wird es beim jedes Jahr stattfindenden SPD-Projektsommer im Jubiläumsjahr im Juli und August sechs Veranstaltungen geben, die mit der Einbecker Bürger-, Industrie- und Arbeitergeschichte zusammenhängen, unter anderem stehen Besuche bei der Weberei Oppermann und in der ehemaligen Tapetenfabrik Vereta auf dem Programm. Die aus acht Rollup-Bannern bestehende neu erstellte mobile Ausstellung zeigt die Geschichte der Einbecker SPD und wird bei verschiedenen Veranstaltungen zu sehen sein, kündigten die Einbecker Sozialdemokraten an.

Martin Wehner bei seinem Vortrag während der Auftaktveranstaltung zu 150 Jahre Einbecker SPD, am Vorstandstisch sitzen (v.l.) Peter Traupe, Rita Moos, Marcus Seidel, Uwe Schwarz und Astrid Klinkert-Kittel (verdeckt).

FDP mit erster Wortmeldung 2019

Christian Grascha und Dr. Marion Villmar-Doebeling.

Die erste kommunalpolitische Wortmeldung im neuen Jahr kommt von der Einbecker FDP: Sie möchte mit einem „Dreikönigsgespräch“ eine neue Tradition gründen und hatte – wie bereits in Northeim üblich – zum Pressegespräch eingeladen. Dabei haben die FDP-Ortsverband-Vorsitzende Dr. Marion Villmar-Doebeling und der FDP-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Christian Grascha heute erste politische Ansagen für 2019 gemacht:

  • „Aufgabe von Politik ist nicht die Erinnerung zu konservieren, sondern Zukunftschancen für die nächste Generation zu bieten.“ Mit dieser Aussage hat Christian Grascha noch einmal die Entscheidung des Kreistages als richtig verteidigt, das Jugendfreizeitheim Silberborn aus der kommunalen Trägerschaft abzugeben. Die dadurch eingesparten rund 300.000 Euro sollen besser in die Schulen im Landkreis Northeim investiert werden, das komme angesichts der Belegungsstatistik des Freizeitheimes dann auch wirklich Jugendlichen im Kreisgebiet zugute. Etwa zwei heutige Jahresetats für Schulmobiliar umfassen die 300.000 Euro. Das mache deutlich, sagte Grascha, dass hier das Geld sinnvoller angelegt werden könne. Wie genau, wolle man noch mit dem Kreistags-Partner SPD besprechen. Vor dem am 27. Januar anstehenden Bürgerentscheid zollte der FDP-Mann noch einmal höchsten Respekt: „Das belebt die Demokratie im Landkreis Northeim.“ Nun sollten bitte die Initiatoren keine Angst vor der eigenen Courage bekommen.
  • Mehr Geld für Schulen fordert die FDP in Einbeck. Diese strategische Entscheidung solle in künftigen Haushalten umgesetzt werden, sagte Dr. Marion Villmar-Doebeling. Im Zusammenhang mit bis zum Jahr 2024 anstehenden baulichen Veränderungen an den sieben Grundschulstandorten für mehr Barrierefreiheit wünscht sich die FDP eine „Inklusion mit Augenmaß“. Die bislang vorgesehenen jährlichen 120.000 Euro beispielsweise für Außenfahrstühle könnten eventuell gebündelt werden, um dann zielgerichteter und bedarfsgerechter dort die Barrieren in den Schulen abzubauen, wo dies notwendig ist, und gleichzeitig andere wichtige Investitionen (wie neue WC-Anlagen) effizient gleich mit zu erledigen. Die FDP warnte auch davor, alles ausschließlich auf Rollstuhl-Zugänglichkeit zu fokussieren, andere Einschränkungen von Schülern müssten ebenso berücksichtigt werden. Die Geburten-Kita-Schüler-Statistik gebe für die sich entwickelnde Notwendigkeit gute Anhaltspunkte.
  • Die Gelb-Grüne-Gruppe lebt – und sie funktioniere erfolgreich im Stadtrat, versichert die FDP. Das habe nicht allein die gleiche Auffassung bei Windenergie-Vorranggebieten deutlich gemacht, mit der FDP und Grüne jüngst gegen feste Flächen votiert haben und leistungsstarke Windräder lieber dort bauen möchten, wo viel Wind weht, sagte Villmar-Doebeling. Auch beim Thema Straßenausbaubeiträgen sei die FDP wie die Grünen für eine Abschaffung der Strabs – und das unverändert. Vielleicht wäre es das deutlichere politische Signal gewesen, den aktuell via Haushalt 2019 unverändert mit Anlieger-Beiträgen kalkulierten Ausbau der Tiedexer Straße (und zuvor auch des Neustädter Kirchplatzes) dann nicht wieder unkommentiert in die mittelfristige Finanzplanung für 2020 ff. einzusetzen, räumte die FDP-Ratsfrau ein. Zumal 2019 ohnehin das Jahr sein soll, welches für das Finden einer anderen Lösung genutzt werden soll. Inhaltlich bleibe die FDP unverändert dabei, die Anlieger nicht an einem Ausbau der Tiedexer Straße zu beteiligen, sagte Villmar-Doebeling. Die Anlieger sollten sich von der SPD „keinen Sand in die Augen streuen lassen“, sagte Christian Grascha. Einzig zu sagen, man mache erstmal gar nichts, sei Stillstand. Und wie die SPD dies offenbar vorhabe, auf wieder sinkende Baupreise zu warten, der können ja auch „auf einen Sommer ohne Sonne warten“, sagte der FDP-Mann. Man sei sich politisch ja mal einig gewesen, dass ein touristischer Ausbau der Tiedexer Straße sinnvoll sei. Leider sei die Frage nach Fördermitteln mittlerweile zu einem Streit geworden, wer Recht habe, bedauerte der Landtagsabgeordnete. Es gelte unverändert, dass es für Fördermittel des Landes durchaus Aussichten gebe, man müsse nur mal einen (richtigen) Antrag stellen. Keinen, wie ihn das Rathaus offenbar immer verfolgt habe, nach Unterstützung bei der Erneuerung von Straßenbelag. Entscheidendes Förderkriterium sei die touristische Aufwertung der Tiedexer Straße als Fachwerkhäuserzeile-Verbindung von Stadt und PS-Speicher. Merkwürdigerweise mache auch die SPD keine Anstalten, einen dementsprechenden Förderantrag stellen zu wollen.
  • Die FDP im Landkreis Northeim will einen Gründerpreis ausloben. Mut machende und Vorbild gebende Geschäftsideen sollen nach Auffassung der Freien Demokraten mit einem Jahres-Stipendium von beispielsweise zwölf Mal 1000 Euro honoriert werden. An Einzelheiten feilt die FDP noch. Der Gründerpreis könne die bereits erfolgreich laufenden Gesprächs-Formate für Unternehmensgründer flankieren.

Tiedexer Straße: Zeit gewonnen, aber für was?

Vor Beginn der Stadtrat-Sitzung demonstrierten Vertreter der BI Tiedexer Straße vor dem Rathaus, hier links BI-Sprecherin Anja Linneweber und die Ratsmitglieder Dietmar Bartels (Grüne) und Rolf Hojnatzki (SPD).

Die Tiedexer Straße, deren Ausbau in der Haushaltsplanung um ein Jahr auf 2020 verschoben worden ist, beschäftigt jetzt den Finanzausschuss des Einbecker Stadtrates. In dieses Gremium ist der gemeinsame Antrag von CDU, FDP, Grünen, GfE und Bürgerliste mit dem Titel „Zur Zukunft der Straßenausbaubeiträge – für eine gerechte und rechtssichere Lösung“ überwiesen worden – gegen die Stimmen der SPD. „So wird das nichts, das Ding ist völlig unkonkret“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki zu dem Antrag. Geplant sei offenbar „ein Brainstorming für irgendetwas“. Dabei habe man in den vergangenen Monaten schon ausführlich diskutiert. Nur die SPD stehe dabei gegenüber den Anliegern unverändert zu ihrem Wort – und zum einstimmig gefassten Beschluss des Bauausschusses, das Projekt auf Eis zu legen. „Wir setzen es aus, bis sich die Baukonjunktur beruhigt hat“, sagte Hojnatzki unter dem Gelächter der CDU-Fraktion. „Sie wissen nicht, wohin die Reise gehen soll“, konterte der SPD-Mann.

Die Formulierungen im Antrag seien bewusst offen gehalten, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht, denn offen und transparent wolle man jetzt eine Debatte führen, die nicht ausschließlich der Tiedexer Straße gelte. Dort könnte man es sich leicht machen, schließlich gebe es eine Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs). Doch diese abzuschaffen, wie das beispielsweise Northeim kürzlich gemacht habe, sei so einfach nicht, es gebe viele offene Fragen bei Alternativen wie wiederkehrenden Beiträgen oder Grundsteuer-Veränderungen. Die bei einer Strabs-Abschaffung entstehenden Einnahmeverluste müssten ersetzt werden. Man müsse sich jetzt die Zeit nehmen, diese Punkte zu erörtern, transparent mit den Bürgern. In der Finanzplanung des Haushaltes seien die Beträge nur „technisch bedingt“ aufgenommen, sagte Ebrecht, und klar sei ja auch eines: Irgendwer werde den Ausbau bezahlen müssen, die Anlieger teilweise mit ihren Ausbaubeiträgen oder insgesamt alle Bürger über die Steuern. Das Ergebnis der Diskussion müsse gerecht und rechtssicher sein, wie in Zukunft öffentliche Bauvorhaben in Einbeck bezahlt werden sollen.

Hier setzte Marcus Seidel (SPD) an, der den Haushalt 2019 für angriffsfähig hält. Weil dort der Ausbau des Neustädter Kirchplatzes bei aktuell geltender Strabs enthalten sei. „Sie beschließen den Bau, wollen aber noch diskutieren.“ Diese Art der Planung verstoße gegen die Sorgfaltspflicht und die Kassenverordnung, meint Seidel. „So wie Sie’s anfangen, ist’s ein Schuss in den Ofen.“

Ja, man wolle die Strabs abschaffen, sagte Dr. Marion Villmar-Doebeling (FDP). Wenn es jedoch gelte, die beste Lösung zu finden, „für Einbeck eine Vision zu entwickeln“, müsse man „das Ziel auf der Wegstrecke manchmal nochmal schärfen“. Das solle nun geschehen, denn gefragt sei ja eine gute Gegenfinanzierung nach abgeschaffter Strabs.

Die Sprecherin der Bürgerinitiative Tiedexer Straße, Anja Linneweber, die mit ihren Mitstreitern vor der Ratssitzung auf dem Marktplatz protestiert hatte, war am Ende der Sitzung enttäuscht. Leider habe sie keine verlässlichen Aussagen gehört, es sei lange diskutiert worden, ohne eine Lösung zu finden. „Den Bürgern wird Sand in die Augen gestreut“, ärgerte sich die BI-Sprecherin. Sie sei unverändert sprachlos, warum ein Prestige-Projekt wie die Tiedexer Straße mit hohem Druck durchgebracht werden solle.

Demo vor dem Weihnachtsbaum: Die Abschaffung des Straßenausbaubeitrages und „Kein Erlebnispfad für Touristen mit der Straßenausbaugebühr“

Tiedexer Straße: Anlieger wollen Klarheit

Die Tiedexer Straße in Einbeck mit ihrer charakteristischen Fachwerkhäuserzeile.

Ein Ende der Verunsicherung hat die Sprecherin der Bürgerinitiative Tiedexer Straße, Anja Linneweber, gefordert. Die Anlieger wollten Klarheit darüber, ob wann und wie ihre Straße nun grundlegend saniert werden soll – oder eben nicht, sagte sie heute bei einem Pressegespräch. Die BI reagiert damit wenige Tage vor der letzten Ratssitzung dieses Jahres auf die überraschende mehrheitliche Entscheidung im Finanzausschuss, das zuvor einstimmig eigentlich auf Eis gelegte Projekt für 2020 doch wieder in die Finanzplanung zu nehmen. Die SPD war schockiert über das Ende des Konsens. Fünf Fraktionen (CDU, GfE, Bürgerliste, FDP und Grüne) haben einen gemeinsamen Antrag zur Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) angekündigt mit den Worten, „für die Zukunft zu einer gerechten, finanziell tragbaren und dabei auch rechtssicheren Lösung kommen“ zu wollen, mehr als die Ankündigung dieses Antrages ist jedoch öffentlich bis dato nicht bekannt. Wie eine Lösung aussehen könnte, ist damit noch offen. Anja Linneweber wünscht sich für die Anlieger endlich Klarheit und einen ehrlichen, aufrichtigen Umgang miteinander. Das offenbar bis 2020 gewonnene eine Jahr möchte die BI genutzt wissen für eine tragfähige Kalkulation von wiederkehrenden Beiträgen. Die aktuelle Strabs wünscht sich die BI unverändert komplett abgeschafft. „Diese unfreundliche Satzung ist ein Fass ohne Boden“, sagt Linneweber. Die aktuell im Raum stehenden 750.000 Euro Anliegerbeiträge seien gerade vor dem Hintergrund einer guten Baukonjunktur mit steigenden Preisen keineswegs endgültig festgezurrt. Die Anlieger wüssten dadurch unverändert nicht, welche hohen Kosten auf sie individuell zukommen würden. Was passiere, wenn die eingereichten Handwerker-Angebote für einen Ausbau um 20 bis 30 Prozent über den momentan kalkulierten 1,4 Millionen Euro Gesamtkosten liegen, fragt sich die BI-Sprecherin. Die Anlieger werden nach ihren Worten einem touristischen Zukunftskonzept für die Tiedexer Straße nicht im Wege stehen, dieses dürfe aber nicht auf Kosten der Anlieger bezahlt werden. Es könnte auch mit zusätzlicher Neuverschuldung finanziert werden, wenn die Politik den grundlegenden Ausbau der Tiedexer Straße mehrheitlich wünsche. In jedem Fall solle die Verunsicherung der Bürger aufhören.

Fünf Fraktionen kündigen Strabs-Antrag an

Einen Antrag zum Thema Straßenausbaubeiträge in Einbeck kündigen die fünf Ratsfraktionen CDU, GfE, Bürgerliste, FDP und Grüne für die kommende Ratssitzung am 5. Dezember heute in einer gemeinsamen Mitteilung (PM_Zukunftsprojekte verfolgen_2018_11_20) an. Die Tagesordnung der Sitzung ist bislang nicht öffentlich, der genaue Wortlaut des Antrages daher noch nicht bekannt. Die „Jamaika-Plus-Mehrheit“, die voraussichtlich auch den städtischen Haushalt 2019 mit ihrer Mehrheit beschließen wird, möchte bei den Straßenausbaubeiträgen „für die Zukunft zu einer gerechten, finanziell tragbaren und dabei auch rechtssicheren Lösung kommen“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung. Aktuell sei dabei offen, ob dazu die Ausbaubeiträge abgeschafft gehörten und man zu einer dauerhaften Umlagefinanzierung komme, ob die bestehende Satzung (Straßenausbaubeitragsatzung, kurs Strabs genannt) bleibe oder ob eine andere Lösung das zukunftsweisende Modell darstelle. Ziel der fünf Fraktionen sei es, Zukunftsprojekte zielgerichtet zu verfolgen „und nun endlich in die Umsetzung zu kommen“, heißt es in der Mitteilung. Aufgabe von Politik sei es, Entscheidungen zu treffen und nicht „auf der Stelle zu treten oder sich im Kreis zu drehen“. Der Antrag solle die Diskussion in den Gremien anstoßen und dazu beitragen, eine Lösung zu finden. Gerade für die Projekte Neustädter Kirchplatz und auch für den Ausbau der Tiedexer Straße als zentrale Verbindungsachse zwischen PS-Speicher und Innenstadt müsse es vorangehen. Dabei habe man die berechtigten Interessen der Anwohner selbstverständlich im Blick, heißt es von den fünf Fraktionen. CDU, GfE/BL, FDP und Grüne reagieren damit auch auf eine jüngste Mitteilung der SPD, die sich nach dem Finanzausschuss zu Wort gemeldet und der Mehrheit die Kündigung eines Konsenses vorgeworfen hatte, nachdem die Haushaltsmehrheit überraschend die eigentlich längerfristig auf Eis gelegte Tiedexer Straße für 2020 wieder in die Finanzplanung aufgenommen hatte.

SPD: Haushaltsmehrheit kündigt Konsens zur Tiedexer Straße auf

Tiedexer Straße. Archivfoto.

Gut eine Woche nach der Überraschung im Finanzausschuss zur Tiedexer Straße hat die SPD ihre Sprache wieder gefunden – und erhebt Vorwürfe gegenüber den anderen Ratsmitgliedern. „Ohne ein Konzept und konkrete Vorstellung über die künftige Finanzierung der Maßnahme werden kaltschnäuzig die Anlieger wieder mit den unverhältnismäßig hohen Belastungen konfrontiert“, kritisiert SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki die Entscheidung der Haushaltsmehrheit von CDU, FDP, Grünen, GfE und Bürgerliste, den Ausbau der Tiedexer Straße 2020 doch wieder mit 1,4 Millionen Euro in den Etat aufzunehmen. Diese Fraktionen kündigten damit den Konsens auf, wie er noch im Bauausschuss einstimmig beschlossen worden war, macht Hojnatzki deutlich. Offenkundig habe die Mehrheit im Rat nichts aus den Diskussionen mit den Bürgern und Anliegern gelernt, sondern setze im Gegenteil allen Zusagen an die Anlieger zum Trotz wieder die alten Zahlen mit den hohen Straßenausbaubeiträgen in die Finanzplanung ein. „Aus unerfindlichen Gründen“ scheinen sich die Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und GfE/BL „völlig kopflos mit einem Prestigeprojekt auf Kosten der Bürger profilieren zu wollen“, schreibt der SPD-Fraktionschef in einer Pressemitteilung (PM SPD Tiedexer Straße 18-11-15). Die Ausrede, man habe jetzt ein Jahr Zeit um das Problem der Straßenausbaubeiträge zu lösen, sei leicht durchschaubar, meint Hojnatzki: Erstens solle bereits in 2019 der Neustädter Kirchplatz – ebenfalls nach dem Willen der Haushaltsmehrheit-Fraktionen – auch mit Straßenausbaubeiträgen nach alter Satzung ausgebaut werden. Hojnatzki: „Wer dort die hohen Beiträge für einen Platz mit touristischem Schwerpunkt nimmt, wird nicht ein Jahr später für die Tiedexer Straße etwas anderes begründen können.“ Und zweitens: Selbst wenn die Mehrheit doch geringere Beiträge beschließen und rechtlich einwandfrei umsetzen sollte, bringe das eine derart zusätzliche Belastung für den Haushalt, die nur durch eine weitere Verschuldung zu finanzieren sei. Schon jetzt würden die Einbecker mit höheren Steuern für die Gewerbetreibenden und einer Neuverschuldung belastet. Die SPD-Fraktion steht laut Hojnatzki zu ihren Aussagen gegenüber den Anliegern der Tiedexer Straße und des Tiedexer Tores: „Wir haben von Anfang an eine deutliche Minderung der Beitragssätze gefordert und das Projekt dann im Bauausschuss aufgrund der Haushaltslage abgesetzt. Inzwischen zeichnen sich durch die Konjunktur immer stärker steigende Baukosten ab, die in diesem Fall zu unkalkulierbaren Risiken für die Anlieger und die Stadt führen. Deshalb sollte der Ausbau dieser Straße zu Gunsten einer üblichen Straßenunterhaltung auf absehbare Zeit zurückgestellt werden.“

Thema Straßenausbaubeiträge soll wahlentscheidend werden

Niels Finn und Anja Linneweber, Sprecherin der BI Tiedexer Straße, vor der Informationsveranstaltung mit rund 70 Besuchern in Einbeck.

In Einbeck ist das Thema zunächst von der aktuellen politischen Tagesordnung genommen, der Umbau der Tiedexer Straße auch mit Straßenausbaubeiträgen der Anlieger vom Tisch. Die Brisanz ist deshalb ein wenig raus, dennoch kamen gestern Abend rund 70 Einbecker, vor allem aber nicht nur Anlieger aus der Tiedexer Straße, zu einer Infoveranstaltung zusammen. Die örtliche Bürgerinitiative ist dem Niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge (NBgS) beigetreten. Niels Finn, der Sprecher dieser stetig wachsenden Sammlung von BI’s aus ganz Niedersachsen, hat über die Arbeit des Bündnisses in Einbeck informiert. Dieses wurde erst im Juni formal gegründet, mit 16 BI’s, heute sind es mehr als 40. Finn selbst kämpft schon seit drei Jahren gegen die Straßenausbaubeiträge, mit denen Kommunen die Anlieger zur Sanierung von Straßen heranziehen. Start war in Hanstedt bei Harburg im Forstweg, in dem er lebt. In Einbeck machte er deutlich, dass das Bündnis nur der Kitt sein könne, der die Gruppierungen mit gleichen Interessen zusammen halten könne, ersetzen könne das Bündnis keine einzige BI, die jeweils ihre eigene Arbeit machen müsse. Das gemeinsame Anliegen formulierte Niels Finn eindeutig: Ziel sei, die gesetzliche Grundlage für Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen abzuschaffen. Wie in Bayern, wo im Sommer nach achtjähriger Debatte das Gesetz geändert wurde und die wegfallenden Mittel für die Kommunen jetzt durch einen geänderten Finanzausgleich aufgefangen werden. Das bestehende System, so Niels Finn, sei ungerecht und unsozial, wenige tragen durch die Ausbaubeiträge die Lasten für viele. Öffentliche Straßen nutzten jedoch alle, und deshalb müssten auch alle bezahlen, wie das ja auch bei Schulen oder Feuerwehrhäusern geschehe, die aus dem allgemeinen Haushalt saniert werden. Als Bündnis von Betroffenen nehme das NBgS überparteilich, sachorientiert und aktiv an der Willensbildung teil. Niels Finn rief in Einbeck die Zuhörer dazu auf, aktiv zu werden, mit Demos, Plakaten, Mahnwachen. Die Menschen sollten Leserbriefe schreiben, außerdem ihren örtlichen Landtagsabgeordneten schreiben und diese „bearbeiten“, wie Finn es nannte, vor allem denen aus den Regierungsfraktionen SPD und CDU schreiben. Die SPD verweigere leider die Debatte, antworte nicht mal, sagte Finn. Die FDP sei der Freund des Bündnisses, habe sich früh auf deren Seite gestellt. Das Bündnis werde das Thema Straßenausbaubeiträge so populär machen, dass es bei der nächsten Landtagswahl in Niedersachsen wahlentscheidend sein werde, kündigte er an. Schon Ende November könnte das SPD-geführte Rathausbündnis in der Landeshauptstadt Hannover die dortige Ausbau-Satzung kippen, das könne dann zu einem unlösbaren Problem für Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) werden. Finn: „Daran arbeiten wir.“ Mehrmals während seines Vortrages ließ der Sprecher des Bündnisses den Satz einfließen: „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“

Tiedexer Straße bleibt wie sie ist

Der Ausbau der Tiedexer Straße ist vom Tisch. Der nun zuständige Bauausschuss hat sich am Abend einstimmig gegen die seit Monaten geplante und diskutierte Umgestaltung der Fachwerk-Vorzeigestraße ausgesprochen. Der politische Abschied von den ursprünglichen Plänen hatte sich schon länger abgezeichnet. Nun wurde er vollzogen, die im Haushaltsentwurf 2019 noch vorgesehene Summe hat der Fachausschuss gestrichen, ebenso die Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung. Der Anlieger-Protest gegen die zu zahlenden Straßenausbaubeiträge war der Politik am Ende zu laut. Die zuletzt angebotenen Rabatte zu niedrig. „Das sind immer noch erhebliche Beträge“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki. In der Spitzenbelastung beispielsweise würden für Anlieger statt 17.600 Euro immer noch 14.800 Euro fällig, rechnete er vor. Für die CDU-Fraktion sah das Willi Teutsch genauso, die Rabatte seien nicht ausreichend, die von den Anliegern zu zahlenden Beiträge würden die Sozialbindung des Eigentums um einiges überschreiten und den Anliegern keine Wertsteigerung in dem Maße bringen.

Die Sprecherin der Bürgerinitiative Tiedexer Straße, Anja Linneweber, zeigte sich am Ende der Sitzung überrascht über den Ausschuss-Beschluss: „Das habe ich so nicht erwartet, aber ich bin sehr glücklich über den Verlauf.“ Die touristische Entwicklung dürfe nicht auf dem Rücken einiger weniger Bürger ausgetragen werden. „Ich bin froh, dass in den politischen Köpfen die Vernunft gesiegt hat“, sagte Linneweber. Die kluge, weise Entscheidung des Bauausschusses habe „kleine Katastrophen verhindert“, sagte die Anlieger-Sprecherin. Einige Bürger würden dadurch vor dem finanziellen Ruin bewahrt. „Diese Familien werden ruhiger schlafen.“

Interessanter als die aktuelle Entscheidung des Bauausschusses, die ja noch durch den Finanzausschuss, den Verwaltungsausschuss und letztlich mit dem Haushalt durch den Stadtrat muss, ist allerdings, wie es nun weiter geht. Der letzte Satz in der heutigen Ausschusssitzung des Vorsitzenden Willi Teutsch (CDU) dürfte sich bewahrheiten. „Es wird uns wieder einholen.“ Zu klären sein wird:

  • Will Ratspolitik immer und immer wieder viel Geld für Planungen ausgeben und dann am Ende und nach vielen ermüdenden Sitzungen sagen, dass die Stadt sich die Pläne nicht leisten kann? Planungsbüros dürfte das freuen, den Steuerzahler weniger.
  • Soll es in Einbeck grundsätzlich bei Straßenausbaubeiträgen bleiben? Dann wäre bei der nächsten Planung für die nächste Straße die Diskussion wieder die gleiche und würde nach selbem Muster ablaufen. Andererseits: Schafft Einbeck diese Beiträge ab, muss das für Projekte notwendige Geld aus anderen Töpfen kommen. Die Befürworter sollten so ehrlich sein, das zu sagen. Es bleibt unser aller Steuergeld. Die SPD hat durchblicken lassen, dass sie sich für die Tiedexer Straße eine stärkere Absenkung der Ausbaubeiträge vorgestellt hätte. Von einem völligen Verzicht war da nicht die Rede. Die CDU möchte das Thema noch grundlegender durchdenken, könnte sich eventuell für wiederkehrende Straßenausbau-Beiträge erwärmen. Die fordern seit langem die Grünen. Die BI Tiedexer Straße jedenfalls hat sich dem niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge (NBgS) angeschlossen und wird am 17. Oktober um 18 Uhr im Hotel Panorama den Sprecher Niels Finn zu einer Diskussion begrüßen. Ziel ist, die Ausbaubeiträge im gesamten Stadtgebiet Einbeck abzuschaffen.
  • Wird es Einbeck gelingen, für Projekte in Hannover und andernorts mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen? Der FDP-Antrag auf Fördergelder-Anträge für die Tiedexer Straße ist formal noch nicht entschieden, durch die Bauausschuss-Entscheidung muss er nicht komplett überflüssig werden. FDP-Ratsfrau Dr. Marion Villmar-Doebeling sprach sich jedenfalls dafür aus, die Stadtverwaltung solle doch mal nach Hannover fahren, mit Bau-Staatssekretär Frank Doods (SPD) über die Möglichkeiten sprechen, die Landtagsabgeordneten Christian Grascha (FDP) und Uwe Schwarz (SPD) in die Lobbyarbeit einbeziehen. Ist diese Forderung nur politische Folklore? Die Bürgermeisterin jedenfalls betonte erneut, dass die Stadtverwaltung natürlich in Hannover gefragt und gesprochen und geprüft habe. Und es habe eine deutliche Antwort gegeben: Negativ.

Straßenbeitragsrabatt

Und – nun? Kunstinstallation in der Tiedexer Straße, der Fachwerk-Häuserzeile. Archivfoto

Die Politik hat sich noch nicht entschieden, ob sie der Verwaltung den Auftrag geben soll, einen weiteren Förderantrag für die Umgestaltung der Tiedexer Straße zu stellen. Der Verwaltungsausschuss hat den entsprechenden FDP-Antrag in der vergangenen Woche jedenfalls in seiner wie üblich nicht-öffentlichen Sitzung laut Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek zunächst vertagt und will erst im Rahmen der Haushaltsberatungen darüber befinden. Das Rathaus sieht keine Fördermöglichkeiten wie sie die FDP – auch nach Intervention ihres Landtagsabgeordneten – vorschlägt zu beantragen. Wie von der Verwaltungschefin jüngst im Stadtrat bereits angekündigt, hat das Rathaus heute für die nächste Bauausschuss-Sitzung (27. September, 17 Uhr, Altes Rathaus) eine veränderte Kalkulation vorgelegt, wie die Straßenausbaubeiträge für die Anlieger berechnet werden sollen. „Nach nochmaliger intensiver Prüfung der Sach- und Rechtslage“, wie es in der Vorlage heißt, möchte die Verwaltung maximal einen geringen Rabatt bei den Prozentwerten geben. Das Rathaus hat in dem Zusammenhang deutlich zu verstehen gegeben, dass die dadurch wegfallenden 106.000 Euro an den auf 1,4 Millionen Euro taxierten Gesamtkosten anderweitig im Haushalt gedeckt werden müssten. Folgende Rabatte bei den verschiedenen Ausbaubereichen seien aber möglich: Bei der Fahrbahn eine Reduzierung um 10 Prozentpunkte von 40 auf 30 Prozent der Kosten; bei den Gehwegen eine Reduzierung um 5 Prozentpunkte von 50 auf 45 Prozent; bei den Parkplätzen eine Reduzierung um 10 Prozentpunkte von 65 auf 55 Prozent. Das Rathaus sieht die Tiedexer Straße unverändert als „eine Straße, welche dem starken innerörtlichen Verkehr zuzuordnen ist“, es soll durch den Straßenausbau aber auch „eine touristisch attraktive Anbindung der Einbecker Innenstadt an den PS-Speicher erfolgen“. Man beachte die Reihenfolge: der Innenstadt an den PS-Speicher, nicht umgekehrt. Ob dieses Rabattangebot den seit Wochen erzürnten Anliegern gefallen wird, kann man getrost bezweifeln. Es wird ihnen nicht genügen.

Gebühren rauf, Steuern lieber nicht

In seiner nächsten Sitzung (5. September) wird sich der Einbecker Stadtrat vor allem mit Geld beschäftigen. Was in einer Sitzung, in der traditionell der Haushalt des kommenden Jahres von der Bürgermeisterin eingebracht, also vorgestellt wird, nicht gänzlich ungewöhnlich ist. Aber auch fast alle anderen Tagesordnungspunkte der öffentlichen Sitzung (und vermutlich auch einige des nicht-öffentlichen Teils) drehen sich um Finanzen. Angefangen vom Hochwasser-Katastrophenfonds, den AfD-Ratsherr Udo Harenkamp fordert, um die Folgen von Hochwasser für die Bürger abfedern zu können, geht es in der Tagesordnung weiter mit einem FDP-Antrag, der zu Förderanträgen für die Tiedexer Straße auffordert. Dabei wird es spannend zu beobachten sein, wie die offenkundig unterschiedlichen Lesarten oder gar Antworten aus Hannover auf eine Frage des FDP-Landtagsabgeordneten Christian Grascha zu sehen sein werden. Denn während Grascha nach der ihm vorliegenden Antwort Fördermöglichkeiten sieht, hat die Stadt Einbeck in parallelen Fragen in Hannover als Auskunft erhalten, dass es keine Möglichkeiten gibt.

Viel spannender jedoch dürften die Diskussion über Steuererhöhungen und Gebührenerhöhungen sein. Während der zuständige Bauausschuss bereits einstimmig die drastische Erhöhung von Straßenreinigungsgebühren empfohlen hat, vor allem die in der Fußgängerzone, und zwar ohne groß inhaltlich zu debattieren und beispielsweise den Sinn oder Unsinn von fünfmaliger Reinigung zu hinterfragen, weil gesetzliche Vorschriften zur Erhöhung zwingen, hat der Finanzausschuss einstimmig nicht empfohlen, die Steuern zu erhöhen, wie das Kämmerin Brigitte Hankel der Politik dringend angeraten hatte, wolle Einbeck noch seine Aufgaben erfüllen und nach Ende des Zukunftsvertrages nicht wieder dort stehen, wo es vor dem Zukunftsvertrag stand – ohne Geld und weiterhin mit drückenden Schulden. Sie wisse selbst natürlich, dass Steuererhöhungen niemals gut ankommen und politisch schwer zu verkaufen seien. „Ich bin gespannt auf unsere Haushaltsberatungen“, sagte Hankel im jüngsten Finanzausschuss nach der Ablehnung der Erhöhung durch die Politik. Denn das Geld sei nicht einfach dadurch einzusparen, eine Investition zu streichen. Eine nicht erfolgende Erhöhung von Grundsteuer B und Gewerbesteuer habe Auswirkungen auf vieles. Die Grundsteuer B soll nach Vorschlag des Rathauses erstmals seit 2009 um 10 Prozentpunkte erhöht werden, die Gewerbesteuer erstmals seit 1993 (!) um 20 Prozentpunkte. Insgesamt könnte man mit rund 700.000 Euro Mehreinnahmen dadurch rechnen.

Man müsse sich genau anschauen, was eine Steuererhöhung bringe und was sie koste, beispielsweise die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Einbeck, erklärte Dirk Ebrecht (CDU), der dafür plädierte, sich gemeinsam nochmal lieber die Ausgabeseite anzuschauen. Eine Erhöhung zum aktuellen Zeitpunkt sei falsch, sagte Rolf Hojnatzki (SPD), der das Thema als Teil der künftigen Finanzstrategie sieht. Und auch Grüne (Manfred Helmke: „In der Hochkonjunktur die Steuern erhöhen? Nein.“) und GfE (Udo Mattern: „Wir wollen den Druck weiter zu sparen“) lehnten die Steuererhöhung im Finanzausschuss ab.

Es soll nun aber nicht alles teurer werden oder so bleiben wie es ist, der Stadtrat wird sich in nächster Sitzung auch mit einer Preissenkung beschäftigen. Es soll die „Satzung über die Höhe der Ausgleichsbeiträge für nicht herzustellende Kraftfahrzeugeinstellplätze (Ablösesatzung)“ angepasst werden – und zwar nach unten! Wenn für ein Bauvorhaben die notwendigen Pkw-Stellplätze nicht hergestellt werden können, kann man sich als Bauherr freikaufen. 2000 Euro kostet das bislang pro Stellplatz. In Zukunft sollen in der City 1850 Euro fällig werden, 1500 Euro in der restlichen Kernstadt und 1250 Euro auf dem Dorf. Mit deutlichen Mindereinnahmen rechnet das Rathaus nicht und bleibt bei einem Haushaltsansatz von 10.000 Euro. Die Ablösebeträge seien in den vergangenen Jahren äußerst selten vorgekommen.

Nachtrag 06.09.2018: Der Hochwasserschutz-Antrag von AfD-Ratsherr Udo Harenkamp wurde von der Tagesordnung der Sitzung genommen, da der Ratsherr gestern entschuldigt nicht anwesend war und daher keine Erklärung seines Katastrophenfonds-Vorstoßes durch ihn selbst erfolgen konnte. Auch der Versuch einer Erläuterung der Antragsabsicht durch Dr. Reinhard Binder (FDP) konnte eine Absetzung nicht verhindern.

Beschlossen hat der Stadtrat die Erhöhung der Winterdienst- und Straßenreinigungsgebühren in der Höhe wie vorgeschlagen. Auf eine Anregung von Dr. Reinhard Binder (FDP) zu überlegen, ob eine private Reinigungsfirma nicht preisgünstiger als der Bauhof sein könnte, erläuterte Bauhof-Chef Dirk Löwe die der Erhöhung zugrunde liegende Kalkulation und Wirtschaftlichkeitsberechnung. Marcus Seidel (SPD), der Vorsitzende des Bauhof-Ausschusses, fühlte sich durch den Binder-Vorschlag dazu veranlasst zu betonen, dass die Erhöhung gesetzliche Notwendigkeit habe und man die Gebühren nicht gedankenlos erhöhe. Seidel bezweifelte auch, dass eine Privatfirma günstiger wäre, denn diese müsse u.a. einen höheren Mehrwertsteuersatz berechnen und die Reinigungsleistung müsse teuer europaweit ausgeschrieben werden. Es sei eben nicht immer, auch wenn das gerne von vielen behauptet werde, der Bauhof schuld.

Die geplante Erhöhung von Grundsteuer B und Gewerbesteuer wurde einstimmig vertagt. Darüber dürfe man nicht losgelöst diskutieren, sondern müsse sorgsam und zurückhaltend vorgehen, habe doch eine Erhöhung eine Wirkung nach außen, sagte Rolf Hojnatzki (SPD) – und fand dafür lobende Worte von Dirk Ebrecht (CDU). Man werde darüber in den Haushaltsberatungen diskutieren.

Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen beschlossen wurde die neue Ablösesatzung für Kfz-Stellplätze. Heidrun Hoffmann-Taufall (CDU) gab zu Protokoll, sie könne die Senkung nicht mittragen, wenn gleichzeitig die Grundsteuer erhöht werden solle. Das habe nichts miteinander zu tun, sagte Rolf Hojnatzki (SPD), man sei hier gesetzlich gezwungen, anzupassen. Dr. Reinhard Binder (FDP) schlug vor, das Thema auch zu vertagen wie die Steuererhöhung, was sich nicht durchsetzte.

Tiedexer Straße kann gefördert werden

Die Tiedexer Straße ist die längste Fachwerkhäuserzeile in Einbeck. Archivfoto

Anfragen an die Landesregierung sind beliebte Instrumente von Oppositionspolitikern. Denen die Macht, Verzeihung, Gestaltungskraft und direkten Drähte in Ministerien fehlen, etwas elegant unmittelbar in Regierungshandeln umzusetzen. Anfragen legen gerne mal den Finger in die Wunde und fördern oftmals interessante Details ans Tageslicht für die politische Debatte. Die zu (weiteren) Fragen veranlassen, von denen manche die Politiker dann nicht mehr so gerne beantworten. Und die auch Administrationen manchmal nicht zur Ehre gereichen. Der Einbecker FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha hat jetzt die Antworten (18-01052 Anfrage Grascha) auf seine Anfrage zur Tiedexer Straße veröffentlicht. Diese Fachwerk-Magistrale soll ja bekanntlich umgestaltet werden, wogegen sich heftigster Anlieger-Protest entzündet hatte, weil die Hausbesitzer über die Straßenausbau-Beitragssatzung einen hohen Beitrag zum Umbau leisten sollen. Die Einbecker Politik hatte sich nach dem Sturm in der Fachwerk-Straße von den bisherigen Plänen zunächst verabschiedet und denkt nochmal nach. Grascha hatte sich eingeschaltet und auch den Landesbeauftragten Matthias Wunderling-Weilbier nach Einbeck geholt, um die Fördermöglichkeiten auszuloten. Offenbar mit Erfolg.

Fazit der Antwort auf Graschas Anfrage (2018-08-17 Tiedexer Str FDP Grascha): Wenn durch die Aufwertung der Tiedexer Straße der Tourismus in Einbeck gefördert wird, dann kommen hierfür auch touristische Förderprogramme des Landes als Zuschüsse in Frage. Bislang hatte die Stadt 2017 lediglich eine Städtebauförderung für eine barrierefreie Umgestaltung in Höhe von 412.000 Euro beantragt und zugesagt bekommen. „Nachdem das Land mit 840.000 Euro den PS-Speicher aus der Tourismusförderrichtlinie gefördert hat, ist nun die Anbindung des PS-Speichers an die historische Innenstadt von Einbeck der nächste Baustein der touristischen Förderung“, folgert Grascha aus entsprechenden Hinweisen in der Landesregierung-Antwort, die vom Staatssekretär im für Bauen zuständigen Umweltministerium in Hannover, Frank Doods (SPD), unterzeichnet worden ist. Einbeck könne nur von den vielen tausend Besuchern des PS-Speichers insgesamt profitieren, wenn es eine hochwertige Verbindung in die Innenstadt gebe, erklärte Grascha. Aus einem Schreiben von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) an den Einbecker Abgeordneten geht laut Grascha ebenfalls hervor, dass Attraktivitätssteigerungen von touristisch überregional bedeutsamer Infrastruktur durchaus gefördert werden können.

Mir stellen sich dazu folgende Fragen, auch wenn ich natürlich weiß, dass die berühmte Förderkulisse eine komplizierte ist: Warum werden solche Hinweise auf Förderchancen nicht früher gegeben, zumal ja der Antwort-Unterzeichner nicht nur Umwelt-Staatssekretär in Hannover, sondern auch Ratsherr und Ratsvorsitzender in Einbeck ist und damit das Projekt Tiedexer Straße aus der Sicht der Kommune gut kennen müsste? Warum werden Landtagsabgeordnete von einer Stadtverwaltung nicht von Beginn an um Vermittlung und Fürsprache in Hannover gebeten? Das ist Teil ihres Jobs. Parteibücher sollten dabei übrigens keine Rolle spielen. Einbeck-Lobbyisten sind gefragt. Der FDP-Politiker Christian Grascha hatte sich selbst ins Spiel gebracht und kündigte jetzt an, in Hannover weiterhin für das Projekt und mögliche Anträge der Stadt Einbeck zu werben.

Selbst wenn es so ist, dass eine weitere Förderung nur den öffentlichen Teil einer Umbau-Finanzierung mindert: Es bleibt der Stadt dann ja vielleicht die finanzielle Puste, den eigentlich von den Anliegern eingeplanten hohen Anteil wesentlich zu stemmen. Die Verwaltung habe „flexibel und bürgerorientiert reagiert und arbeite an anderen Lösungen“, schreibt Grascha, erneut ohne Details zu nennen. Es gibt Straßen-Beispiele, wo Einbeck auf Straßenausbaubeiträge verzichtet hat. Es würde schon helfen und sicherlich viele Anlieger besänftigen, wenn die Beiträge deutlich gesenkt werden. Ganz ohne sollten die Immobilienbesitzer nicht bleiben. Die Tiedexer Straße mag eine hohe touristische Bedeutung haben, sie ist aber ebenso eine „normale“ Innenstadtstraße, und die Anlieger profitieren von einem Ausbau der Straße vor ihren Häusern. Auch wenn einige das nicht wahrhaben wollen.

Nachtrag 22.08.2018: Die FDP hat für die nächste Sitzung des Stadtrates am 5. September einen Antrag gestellt, die Stadtverwaltung möge für die Tiedexer Straße einen entsprechenden Förderantrag für Tourismusförderung stellen. Dadurch könne der Beitrag der Anlieger reduziert werden. FDP-Ratsfrau Dr. Marion Villmar-Doebeling erklärte: „Es liegt im Interesse aller Beteiligten, hier eine angemessenere Lösung zu finden. Die Tiedexer Straße soll verbinden, nicht trennen.“

Förderung für Tiedexer Straße?

Matthias Wunderling-Weilbier (Mitte) schaute sich auf Einladung von MdL Christian Grascha (r.) in der Tiedexer Straße um. Foto: FDP

Eine Antwort der Landesregierung auf seine Anfrage zur Tiedexer Straße hat der FDP-Landtagsabgeordnete noch nicht. Christian Grascha hatte jetzt aber Besuch direkt vor seinem Wahlkreisbüro in der Tiedexer Straße, der nach Graschas Worten nun prüft, ob es doch noch Fördermöglichkeiten für den Ausbau der Fachwerkstraße zur Magistrale der Baukultur gibt. Der Landesbeauftragte Matthias Wunderling-Weilbier, personell einer der Köpfe des von Grascha schon öfter kritisierten Südniedersachsenprogrammes der SPD-geführten Landesregierung, soll bei der Suche nach einer Fördermöglichkeit vor allem die touristische Aufwertung der Straße im Fokus haben, wünscht sich der FDP-Landespolitiker. Grascha begrüßt es, dass der Stadtrat sich offensichtlich von der bisherigen Planung verabschiedet habe. Auch die Stadtverwaltung habe inzwischen flexibel und bürgerorientiert reagiert und arbeite an anderen Lösungen. Welche das sein können, nannte Grascha in seiner Mitteilung heute nicht. Der Einbecker Freidemokrat hofft, dass es mit überregionalen Fördermitteln gelingen kann, die Baumaßnahme durchzuführen und den Beitrag der Anwohner deutlich zu reduzieren oder ganz auf ihn zu verzichten. An dem Termin mit Wunderling-Weilbier nahmen von der Stadt Einbeck Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek und Fachbereichsleiter Frithjof Look teil, außerdem die Sprecherin der Bürgerinitiative Tiedexer Straße, Anja Linneweber, mit Eckhard Ilsemann als weiteren Anlieger-Vertreter und Northeimer FDP-Kommunalpolitiker, die Leiterin des Projektbüros für das Südniedersachsenprogramm, Dr. Ulrike Witt, sowie die FDP-Stadtratsfraktion mit Dr. Reinhard Binder und Dr. Marion Villmar-Doebeling.

Abschied von der Tiedexer Straße

Anlieger der Tiedexer Straße protestierten beim Finanzausschuss, unter anderem mit einem Bertolt-Brecht-Zitat.

Die Politik ist den nächsten Schritt gegangen, sich nach und nach und möglichst gesichtswahrend vom geplanten Ausbau der Tiedexer Straße zu verabschieden. Der Finanzausschuss hat einstimmig beschlossen, die bestehende Haushaltssperre für weitere Planungsmittel für die Tiedexer Straße nur in soweit aufzuheben, dass die noch offenen Schlussrechnungen der bereits fertiggestellten Entwurfsplanung bezahlt werden können. Eine hohe sechsstellige Summe, die für eine Weiterplanung gedacht war, bleibt von der Haushaltssperre weiterhin belegt, Geld für weitere Planung ist also zunächst nicht da. Nach ausführlicher Debatte im Ausschuss haben die Grünen ihren Antrag zurück gezogen, einen wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag einführen zu wollen. Angesichts der rechtlichen Bedenken und des finanziellen Aufwandes sei man überzeugt worden, dass dieses Vorhaben derzeit zu früh sei, sagte Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartels nach einer zehnminütigen Sitzungsunterbrechung. Nach Vorstellung der Grünen wären wie bei einer Versicherung in unterschiedlichen Bezirken regelmäßige Umlagen erhoben worden, um kostspielige Schäden abwenden zu können. Erwartet wird nun, dass die SPD ihren schon mehrfach gemachten Vorschlag, eine vierte Kategorie in der Straßenausbau-Beitragssatzung für touristisch relevante Altstadtstraßen einzuführen, in einen Antrag verwandelt.

Anlieger der Tiedexer Straße nutzten die Finanzausschuss-Sitzung, um noch einmal auf die ihrer Ansicht nach deutlich zu hohen Anliegerbeiträge für einen Ausbau der Fachwerkstraße aufmerksam zu machen. Zunächst sachlich, mit fortschreitender Zeit immer emotionaler und applausheischend wie in einer Theatervorstellung. Nach knapp 45 Minuten Einwohnerfragestunde gab Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek zu Protokoll: „Ich glaube die Stimmung kippt.“ Ein paar Minuten lang wurde es dann auch wieder nüchterner, bis der Finanzausschuss-Vorsitzende Frank-Dieter Pfefferkorn die Fragestunde beendete und zur Tagesordnung leitete. Es schien auch alles gesagt. Wenn auch vielleicht noch nicht von jedem.

In der Debatte des Finanzausschusses über die Grünen-Pläne, einen regelmäßigen Straßenausbaubeitrag einzuführen und dafür verschiedene Abrechnungsgebiete einzuführen, wurde mit fortschreitender Zeit immer deutlicher, wie komplex und unsicher ein solches Unterfangen wäre. Für sie als Kämmerin hätten wiederkehrende, als feste Größe kalkulierbare Beträge natürlich zunächst einmal Charme, sagte Brigitte Hankel. Um diese Beiträge jedoch zu erhalten, wären Vorbereitungen notwendig, die kostspielig und zeitaufwändig und zudem noch rechtlich unsicher wären. Hankel stimmte Aussagen von Marcus Seidel (SPD) zu, dass ein System, das funktioniert, ersetzt würde durch eines, was nicht funktioniere. Und auch das neue System hätte Gewinner und Verlierer und nur eine gefühlte Gerechtigkeit, meinte Hankel. Schließlich würde es für beispielsweise die Kernstadt und Hullersen oder Hallensen gebietsbezogen unterschiedliche Beiträge geben.

Zunächst war die SPD nach Seidels Worten ebenso wie auch die CDU nach Worten von Albert Eggers bereit, den Grünen-Vorschlag mitzutragen, weil durch ihn Informationen zusammengetragen würden. Mit Verlauf der Diskussion wurde aber immer deutlicher, dass man letztlich bei einem unerprobten System von Abrechnungsgebieten „ein bisschen im Dunkeln tappen“ würde in einem rechtsfreien Raum als Pilotkommune, wie Eggers es ausdrückte. Denn ein solches neues System gibt es bislang in keiner anderen Kommune. „Wir müssen ja nicht unbedingt hierbei die Ersten sein“, meinte Ulrich Vollmer (CDU), der lieber von anderen Städten lernen möchte. Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE) brachte es auf den Punkt: „Ich bin nicht bereit, auch nur einen Euro für etwas auszugeben, was ich nicht gebrauchen kann.“ Denn unerlässliche Eckdaten, welche Straßen im gesamten Stadtgebiet denn wann wie erneuert werden müssten und was das dann kosten würde, seien noch gar nicht bekannt, seien aber für eine belastbare Berechnung von wiederkehrenden Beiträgen unerlässlich zu ermitteln.

Eine ganz eigene Bewertung der jüngsten, zugegeben emotionsgeladenen Debatten über die Tiedexer Straße hat die Rathausspitze mit dem aktuellen von Justiziar Dr. Florian Schröder verantworteten E-Paper Nummer 9 von „Rathaus intern“ vorgelegt. Ist’s Satire? Oder wenigstens ironisch gemeint? Das bleibt zu hoffen. Beim Trump-Vergleich ebenso wie bei der Aussage am Ende des E-Papers, bei einer nach Meinung des Betroffenen nicht so treffenden Berichterstattung über einen Vortrag diese Berichterstatter-Funktion dann im Rathaus künftig gleich besser selbst übernehmen zu wollen.

SPD sucht nach Lösungen

Rolf Hojnatzki (l.) und Marcus Seidel.

Bei den beiden aktuellsten Themen der Stadtentwicklung sucht die Einbecker SPD zurzeit nach Lösungen. Über ihre Standpunkte haben der  Fraktionsvorsitzende Rolf Hojnatzki und Parteivorsitzender Marcus Seidel in einem Pressegespräch informiert. Bei den Vorranggebieten für Windenergieanlagen verfolgen die Sozialdemokraten im Einbecker Stadtrat das Ziel, mit den Änderungen auf jeden Fall einen rechtssicheren Flächennutzungsplan zu erhalten. Unrealistische Hoffnungen aufzubauen, beispielsweise im nicht mehr vorhandenen Wald bei Ahlshausen Windräder zuzulassen, sei „verlogen“, sagte Seidel. Dort sei auch nicht, wie immer behauptet werde, die Akzeptanz höher. „Abenteuerliche Konstruktionen“, nach denen dort Windräder so lange stehen dürften, bis die Bäume nachgewachsen sind, sind nach Auffassung der SPD „nicht seriös“. Wenn man aber keine Vorrangflächen plane, werde die Gefahr größer, Windräder an vielen Stellen zu bekommen, weil dann der Landkreis Genehmigungsbehörde sei und Anträge genehmigen müsse. Die ausgewiesenen Flächen müssten aber mit ihren Auswirkungen auf Mensch und Natur so gering wie möglich gehalten werden. Vor allem die für die Menschen. „Dass die Natur dafür sorgt, dass der Mensch mehr beeinträchtigt wird, kann nicht überzeugen“, zweifelt die SPD-Führung. Ein jüngster Ortstermin in Dassensen hat bei der SPD den Eindruck bestätigt, dass die jetzigen Planungen dort nicht umzusetzen sind. „Man hat das Gefühl der Umzingelung“, sagte Seidel. Aus den bei Ahlshausen weggefallenen 80 Hektar seien zusätzliche 200 Hektar bei Dassensen geworden, das funktioniere so nicht. Die SPD hat im Rathaus eine Anfrage gestellt, warum es zu diesem Flächenzuwachs gekommen sei und ob es nicht noch andere Möglichkeiten gebe. Die Antwort der Verwaltung liege ihnen auch vor, „sie macht Handlungsoptionen auf“, man müsse darüber jedoch zunächst noch intensiver in der Fraktion beraten, bis man mehr dazu sagen könne. Wenn es noch Möglichkeiten gibt, die Situation in Dassensen zu entschärfen, sieht die SPD für die großen Flächen bei Dassensen auch keine Mehrheit im Stadtrat. Die CDU-Ratsfraktion hatte sich kürzlich ebenfalls bei Dassensen vor Ort informiert (CDU besichtigt Vorrangegebiete für Windenergie 18-05-05). Ob es wie geplant im Juni zur Windenergie-Beschlussfassung in den Gremien kommen wird, halten die Sozialdemokraten nach neuer Sachlage für durchaus offen.

Bei dem momentan intensiv diskutierten Ausbau der Tiedexer Straße schließen die Sozialdemokraten nicht aus, dass die Straße das gleiche Schicksal ereilen könnte wie die Marktstraße, deren Ausbau verschoben worden war. Und das habe nichts mit Anbiederung an die protestierenden Anlieger zu tun, betont die SPD-Spitze. Für die SPD ist jedenfalls klar, dass sie zugunsten des Tiedexer-Ausbaus keine anderen Projekte aus dem Haushalt 2019 ff. kippen wird, wenn der Anliegeranteil niedriger und der der Stadt ohne Fördermittel höher würde. Die Fraktion werde wie bereits von Ratsherr Alexander Kloss im Kernstadtausschuss beantragt anstreben, eine vierte Kategorie in die Straßenausbau-Beitragssatzung für touristisch relevante Innenstadt-Straßen wie die Tiedexer aufzunehmen. Es werde Ausbaubeiträge geben, aber mit der SPD keine in der aktuell möglichen Höhe: 65 Prozent für den Ausbau des gepflasterten Parkplatzes vor dem Haus zu bezahlen, der aber kein Anwohnerparkplatz ist, sei nicht vermittelbar. Überhaupt sei das Vorgehen des Rathauses, die Anlieger spät einzubeziehen, „Murks“ gewesen, sagten Seidel und Hojnatzki. Viel frühzeitiger hätte man den Anliegern erklären müssen, welche Ausbaubeiträge da vermutlich auf sie zu kommen. Vom Tiedexer Torhaus ganz zu schweigen. Die Beitragssatzung komplett abzuschaffen oder wiederkehrende Beiträge zu erheben, sei nicht nur ungerecht, sondern könne außerdem zu haushalterischen Folgeproblemen führen, beispielsweise eine höhere Kreisumlage auf höhere Einnahmen zahlen zu müssen. Auf Einnahmen einfach so freiwillig zu verzichten, verstoße unter anderem gegen den Zukunftsvertrag. Überlegen müsse man jedoch, ob man unabhängig vom Total-Ausbau in der touristisch wichtigen Fachwerkstraße die Gehwege neu pflastere und eine neue Asphaltdecke ziehe, die nicht wirklich in einem guten Zustand seien, dann aber wie andernorts auch aus Haushaltsmitteln der Straßenunterhaltung finanziert. Die SPD wird einen Antrag stellen, dafür die Kosten zu ermitteln – für den gesamten Bereich zwischen PS-Speicher am Tiedexer Tor und der Einmündung der Tiedexer zur Pastorenstraße.

Die SPD-Spitze bedauert, dass Bauamtsleiter Frithjof Look Einbeck verlässt. „Es wird schwer, einen Nachfolger zu finden“, erklärten Hojnatzki und Seidel. An Look habe es keine fachlichen und menschlichen Zweifel bei den Sozialdemokraten gegeben, und mangelndes Engagement könne man dem 31-Jährigen erst recht nicht vorwerfen. Bei der Ausschreibung für die Nachfolge will die SPD darauf achten, dass die Position mit A15 dotiert wird und sich ausschließlich auf die Themen Bauen und Planen beschränkt: „Wirtschaftsförderung ist Chefinnensache.“ Look hat als Fachbereichsleiter auch die Wirtschaftsförderung im Rathaus geleitet. Ziel müsse sein, die Fachbereichsleiter-Stelle so früh wie möglich wieder zu besetzen. Das sei auch für den Bereich der Bauaufsicht sehr wichtig, damit Einbeck diese nicht eines Tages abgeben müsse.

Tiedexer Straße: Grascha will’s wissen

„Ohne Fördermittel keine Magistrale“ lautet ein Transparent-Spruch bei der Demo der Anlieger.

Christian Grascha. Foto: FDP

Christian Grascha will’s wissen: Der Einbecker FDP-Landtagsabgeordnete hat sich in die Debatte über den Ausbau der Tiedexer Straße eingeschaltet und in diesem Zusammenhang eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Drei kompakte Fragen richtet der Freidemokrat an die SPD/CDU-Regierung: „Hat die Stadt Einbeck Förderanträge für diese Baumaßnahme gestellt, wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis? Welche Förderprogramme vom Land, Bund und der EU kommen für derartige Baumaßnahmen in Frage? Welche Förderprogramme kommen insbesondere für derartige touristische Investitionen in Frage?“ Eine Antwort aus Hannover dürfte spannend werden; sie liegt noch nicht vor. Gibt es doch mittlerweile lokal auch mehrere Lesarten, ob ein Antrag gestellt wurde oder aber ob er erst gar nicht gestellt wurde, weil er ohnehin nicht erfolgversprechend war. Wenn sich Grascha jetzt mit diesem Mittel der Kleinen Anfrage (einem durchaus üblichen Instrument für Oppositionspolitiker) einschaltet, darf man davon ausgehen, dass der örtliche Landtagsabgeordnete (der noch dazu sein – gemietetes – Wahlkreisbüro in der Tiedexer Straße hat) bislang vom Einbecker Rathaus nicht eingeschaltet worden ist – als Türöffner, als Vermittler oder als was auch immer. Christian Grascha: „Die geplante Maßnahme verbessert sicherlich die Anbindung zwischen unserer historischen Innenstadt und dem PS-Speicher. Davon wird die gesamte Stadt profitieren, aber auch unsere Region insgesamt. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass hierfür auch überregionale Mittel zur Verfügung gestellt werden können.“ Verständnis zeigte der FDP-MdL für den Unmut der Anwohner der Tiedexer Straße und des Tiedexer Tores. „Dass in dieser Größenordnung nun die Straßenausbausatzung zum Tragen kommen soll, ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Die touristische Verbesserung unserer gesamten Stadt kann ja nicht zum ‚Privatvergnügen‘ von einigen wenigen werden“, meint Grascha. Die Einbecker FDP spricht sich dafür aus, die Straßenausbau-Beitragssatzung abzuschaffen (FDP Straßenausbaubeiträge 18-05-03).

Gesucht wird der Tiedexer Kompromiss

Protest mit Plakaten: Beim Ortstermin des Kernstadtausschusses demonstrieren Anlieger der Tiedexer Straße gegen die Pläne.

Der Protest kommt geballt. Das wird nicht nur mitten auf der Tiedexer Straße deutlich, wo Transparente den Ortstermin des Kernstadtausschusses dominieren. „Ohne Fördermittel keine Magistrale“, „Abschaffung Straßenausbaubeitrag“, „Nicht mit uns“, „Denkt an die nächste Wahl“ und „Der Rat sollte die Interessen der Bürger vertreten“ steht auf den Plakaten und Bannern. Gut 80 Zuhörer sitzen dann in der für eine Bürgerdiskussion geöffneten Ausschusssitzung im Rheinischen Hof und machen zweieinhalb Stunden lang ihrem Unmut über Vorhaben und Vorgehen Luft. „Schockiert“ sind sie, „erschüttert“, „katastrophal“ sei der Umgang mit den Bürgern. Die Anlieger der Tiedexer Straße und des Tiedexer Tores lehnen den geplanten Ausbau der historischen Fachwerk-Meile im Zuge einer „Magistrale der Baukultur“ entweder komplett ab oder wollen jedenfalls nicht in dem hohen Maße die Kosten dafür bezahlen wie das zuletzt ausgerechnet und eingeplant worden ist. Binnen weniger Tage ist eine Bürgerinitiative gegründet worden, die Akteneinsicht unter anderem in die Kalkulation verlangt und nun bekommt – auch das verdeutlicht den wirkungsvollen Protest der Immobilienbesitzer. Durch die hohen Beiträge würden die Anlieger nun auch noch bestraft dafür, dass sie seit Jahrzehnten und letztlich Jahrhunderten die Häuser erhalten würden und Einbeck mit der längsten Fachwerkhäuserzeile aus dem 16. Jahrhundert touristisch angeben könne, ärgern sie sich. Gesucht wird der Tiedexer Kompromiss. Wie könnte dieser aussehen?

  • Dass die Politik beim ursprünglichen Vorgehen bleibt, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Die Verwaltung ist ja  bereits beauftragt, noch einmal zu rechnen, ob und wie es für die Anlieger günstiger werden kann. Alexander Kloss hat im Kernstadtausschuss für die SPD-Fraktion vorgeschlagen, eine neue Kategorie in der Satzung einzufügen für touristisch bedeutsame Straßen, bei denen die Anlieger dann deutlich weniger zahlen müssen. Joachim Dörge (CDU) hat für seine Fraktion ins Spiel gebracht, über eine andere Art der Finanzierung nachzudenken. Das geht dann eher in Richtung kompletter Verzicht auf Ausbaubeiträge. Beispiele dafür gibt es.
  • Wenn der Finanzausschuss am 15. Mai eine Änderung der Straßenausbau-Beitragssatzung für den Stadtrat empfiehlt, in der eine wiederkehrende Gebühr eingeführt wird, wie das die Grünen wollen, wäre das faktisch eine zweite Grundsteuer für alle Immobilienbesitzer in Einbeck. Dann würden Grundstückseigentümer in Erzhausen, in Kreiensen, in Hullersen oder anderen Ortschaften genauso wie die in der Kernstadt diese Gebühr bezahlen und nicht ganz abwegig erwarten, dass natürlich ihre eigene Straße als erste neu gemacht wird. Dafür jedoch dürfte das dadurch eingenommene Geld nicht ausreichen, was sicherlich zu politisch ungewollten Debatten führen würde, welcher Straßenbau denn mit der zweiten Grundsteuer als erster bezuschusst werden soll. Und welcher nicht.
  • Wenn die Satzung komplett gekippt wird, was ja neuerdings in Niedersachsen möglich ist und was vor allem die FDP favorisiert, muss die Stadt alles aus dem Steuergeld der Bürger begleichen – das sich auch nicht automatisch vermehrt. Und muss dazu dann noch Fördergelder aus diversen Töpfen einkalkulieren. Aber auch dieses Förder-Geld, das sollte man sich immer vor Augen führen, ob es vom Bund, vom Land und aus welchen Förderprogrammen mit noch so schön klingenden Namen stammt, ist das Geld aller Steuerzahler. Es kommt nur aus einer anderen Quelle.
  • Für das Tiedexer Torhaus muss es eine Ausnahmeregelung geben. Dass dort der Protest am Lautesten ist, kann ich absolut verstehen. Nicht nur wurden die 110 Wohnungseigentümer des Terrassenhauses als letzte ins Boot geholt. Sie haben auch faktisch am wenigsten von einem Ausbau der Straße. Denn das größte Mehrfamilienhaus Einbecks trägt zwar die postalische Adresse Tiedexer Tor, wird aber nahezu ausschließlich (bis auf ein paar Gewerbeeinheiten) von der Stadtgrabenstraße erschlossen und angefahren. Der Hinweis, dass durch den Straßenausbau auch vor dem Tiedexer Tor die Wohnungen im Terrassenhaus an Wert gewinnen, läuft da ins Leere. Eher könnte der Straßenausbau das berühmte Schwert werden, das über den Wohnungsbesitzern schwebt und beispielsweise einen Verkauf mit dieser bevorstehenden „Hypothek“ erschwert.

Die Tiedexer Straße ist die längste Fachwerkhäuserzeile in Einbeck.

Die Politik sollte sich die Zeit nehmen, die Alternativen in dieser wahrlich nicht einfachen Materie sorgsam abzuwägen. Eile ist nicht geboten, die Tiedexer Straße ist nicht so schlecht, dass sich ein Schlagloch ans andere reihen und unmittelbarer Handlungsbedarf bestehen würde. Deshalb ist es gut und richtig gewesen, zunächst einmal im Fachausschuss nur zu diskutieren und erst in der nächsten Sitzung am 26. Juni zu entscheiden. Der am 15. Mai tagende Finanzausschuss täte ebenso gut daran, mit einem Beschluss in der Diskussion keine Lösungsmöglichkeit dem Kernstadtausschuss als inhaltlich zuständigen Fachausschuss vorweg zu nehmen. Welches ist die richtige Lösung? Ich würde vorschlagen, den Ausbau der Tiedexer Straße zunächst einmal auf Eis zu legen, so schön er auch wäre. Die Marktstraße beispielsweise hat die Politik im vergangenen Jahr ohne nennenswerten öffentlichen Protest des Handels auf die lange Bank geschoben, nachdem die Umgestaltungspläne präsentiert worden waren, und das Geld lieber in die Hullerser Landstraße gesteckt, die jetzt mit viel Fördergeld, aber eben auch mit städtischem Geld weiter ausgebaut wird. Nach ausführlicher Suche und mit der notwendigen Geduld wird sich auch einmal die Möglichkeit für die Tiedexer Straße ergeben. Dann muss es für das Tiedexer Torhaus eine Ausnahme geben. Es kann nicht nassforsch als Goldene Gans missbraucht werden, um Geld in die Kasse zu spülen, wenn der Auslauf für diese Gans auf einer ganz anderen Straße liegt.

Welches Pflaster soll es sein bei einem Ausbau der Tiedexer Straße? Ilka Raabe vom Planungsbüro „Schöne Aussichten“ zeigt den Ausschussmitgliedern mehrere Varianten – begleitet von Bürgerprotest.

Mehr Zeit für Diskussion

Sind kämpferisch: die Anlieger der Tiedexer Straße, die sich in einer neuen Bürgerinitiative zusammengefunden haben.

Im frisch entfachten Streit mit zahlreichen Anliegern über den geplanten Ausbau der Tiedexer Straße im Zuge der „Magistrale der Baukultur“ soll es mehr Zeit für Diskussionen geben. Wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek heute auf Anfrage berichtete, hat der Verwaltungsausschuss gestern auf Antrag der SPD und einhelligen Wunsch der Politik dafür gestimmt, in der nächsten Sitzung des Kernstadtausschusses am 2. Mai zunächst ausführlich Raum für Anhörung der Anlieger zu bieten. Die Sitzung beginnt um 17 Uhr im Rheinischen Hof (!), ab 16 Uhr ist zuvor ein Ortstermin in der Tiedexer Straße vorgesehen. Erst im folgenden Kernstadtausschuss-Treffen am 26. Juni soll über die Tiedexer-Straße-Umgestaltung abgestimmt werden. Die Verwaltung ist von der Politik zudem beauftragt worden, nach Möglichkeiten zu suchen, wie sich die Beiträge der Anlieger prozentual absenken lassen, erklärte die Bürgermeisterin. Sie dementierte auf meine Nachfrage ihr zugeschriebene Aussagen, die Stadt habe vergessen Förderanträge für die Tiedexer Straße zu stellen; das sei falsch. Im Förderprogramm „Kleine Städte und Gemeinden“ habe Einbeck einen Antrag gestellt, dieser sei jedoch abgelehnt worden, das Projekt sei dort nicht förderfähig. In der komplizierten Förderkulisse hätte ein Zuschuss ohnehin allein den städtischen Anteil an den Umgestaltungskosten verringert, die aktuell auf 1,4 Millionen Euro kalkuliert werden, nicht den Teil der Anliegerbeiträge. Das und noch manches mehr in der komplexen Gemengelage bringt die Anlieger der Fachwerk-Vorzeigemeile dermaßen in Harnisch, dass sich jüngst eine Bürgerinitiative gegründet hat, die auch rechtliche Schritte nicht ausschließt.

Die Anlieger wollen nicht für einen Straßenausbau hohe Geldbeträge bezahlen, den sie in dieser Form ablehnen. Vor allem betreffe die Tourismus-Straße Tiedexer Straße nicht allein die Anlieger mit ihren Häusern, sondern sei von öffentlichem, mit ihrer Verbindung zwischen PS-Speicher und Marktplatz auch von wirtschaftlichem Interesse für die gesamte Stadt. Und deshalb solle auch die gesamte Stadt bezahlen. Aktuell haben 28 der 37 Hausbesitzer den Ausbauplänen per Unterschrift widersprochen. Sieben Häuser in der Tiedexer Straße gehören der Stadt, einem privaten Eigentümer gehören drei Häuser. Im Tiedexer Torhaus haben 75 von 110 Wohnungen und sieben Gewerbeeinheiten Protest zu Protokoll gegeben, wie mir BI-Sprecherin Anja Linneweber sagte. Vor allem die Eigentümer im Terrassenhaus Tiedexer Tor 2 sind offensichtlich davon überrascht worden, dass sie für den Ausbau der Straße zur Kasse gebeten werden sollen. Die 80 Meter Tiedexer Tor von der Brücke über das Krumme Wasser bis zum historischen Stadttor sind erst vergangenen Sommer in die Planungen aufgenommen worden. Sie waren offenbar schlicht vergessen worden. Bei einer Eigentümerversammlung der Tiedexer Straße auf Einladung der Stadt am 10. April fielen viele von diesen aus allen Wolken.

Bei allen Einschränkungen, die für öffentliche Sitzungen und individuelles Eigentümerrecht gelten, bietet laut Bürgermeisterin die Stadt am 2. Mai den betroffenen Anwohnern mit Immobilienbesitz im Kernstadtausschuss die Gelegenheit, nochmal gemeinsam zu rechnen. Und vor allem ausgiebig zu diskutieren. Am Montag hatte die Stadtverwaltung bereits ausführlich dargelegt, wie die Sach- und Rechtslage beim Thema Straßenausbaubeiträge ist (PM Straßenausbaubeiträge Stadt Einbeck 18-04-23). Der Antrag der Grünen, die Straßenausbau-Beitragssatzung zu ändern, wird im nächsten Finanzausschuss am 15. Mai behandelt.