Unrund am Runden Tisch

Treffen des Runden Tisches am 17. Februar im Gemeindehaus an der Lessingstraße.
Treffen des Runden Tisches in Einbeck am 17. Februar im Gemeindehaus an der Lessingstraße.

Guten Willen möchte ich niemandem der Beteiligten absprechen. Jeder will gerne helfen, möchte sich für Flüchtlinge engagieren, die nach Deutschland, in den Landkreis Northeim und nach Einbeck kommen. Das Problem, das nach zweistündiger Diskussion nach dem zweiten Treffen des Einbecker Runden Tisches zum Thema Flüchtlinge aber deutlicher denn je wurde: Es gibt viele Menschen, die helfen möchten, sie wissen aber noch immer nicht konkret, wohin mit ihren praktischen Hilfsangeboten. Die Bürokratie ist viel langsamer als eher handfest veranlagte Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Oder nachbarschaftlich. Deutlich wird das nicht nur daran, dass der Einbecker Runde Tisch im Oktober (!) vergangenen Jahres initiiert worden ist, sich erst im Januar erstmals und gestern zum zweiten Mal getroffen hat – mit bislang eher mageren Ergebnissen, so man denn überhaupt davon sprechen will. Eine Teilnehmerin brachte ein Dilemma zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen auf den Punkt (das nicht nur bei dieser Thematik anzutreffen sein dürfte): Beruflich mit dem Thema befasste Menschen haben sich an das Tempo, mit dem die Verwaltungsmühlen mahlen, längst gewöhnt. Ehrenamtliche kennen es nicht oder wollen es nicht akzeptieren, das langsame Tempo. Die zwei Flüchtlingssozialarbeiter beim Landkreis Northeim werden voraussichtlich nicht vor Mai mit ihrer Arbeit starten können, „hoffentlich noch vor dem Sommer“, wie es selbst eine Hauptamtliche sagte, die Bewerbungsgespräche laufen erst Anfang März. Und das sind dann zwei Mitarbeiter für den gesamten Landkreis… Es wird also noch dauern, bis man richtig in die Gänge kommt. Hoffentlich nicht zu lange.

Runder Tisch Flüchtlinge: Sprachkurse sind wichtig.
Runder Tisch Flüchtlinge in Einbeck: Sprachkurse sind wichtig für eine Integration.

Wenn ich beispielsweise höre, dass in einigen Fällen unklar ist, ob die dringend notwendigen Sprachkurse „projektbasiert“ zur beantragten finanziellen Förderung passen (und deshalb noch nicht stattfinden) und dass die einen Kurse nur für Asylbewerber mit, die anderen nur für Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus angeboten werden dürfen und andernfalls das EU-Fördergeld nicht fließt, habe ich die Befürchtung, dass wir uns in bürokratischen Bedenken und ihren gleichnamigen Trägern erschöpfen. Und dass sich in dieser Zeit, da die Mühlen langsam mahlen, die Menschen guten Willens wieder enttäuscht abwenden. Weil sie keine Formulare ausfüllen oder Ehrenamtlichen-Schulungen mitmachen wollen – sondern weil sie anpacken möchten, Flüchtlinge beim ersten Gang zum Arzt, zum Amt oder in den Supermarkt begleiten und unterstützen wollen. Dabei will ich die Notwendigkeit nicht kleinreden, dass auch den Helfern geholfen werden muss, weil sie es vielleicht mit traumatisierten Menschen aus fremden Ländern zu tun bekommen, die oftmals unbeschreibliches Leid hinter sich haben und dieses den Helfern schildern. Das muss verarbeitet werden. Damit nicht die Helfer Schaden nehmen, nur weil sie helfen wollen. Und: Natürlich haben auch Flüchtlinge aus fremden Ländern ein Recht auf Datenschutz, aber wir sollten es damit auch nicht übertreiben. Der Integrationswillen, beispielsweise den Betroffenen einen Job zu beschaffen, sollte höher bewertet werden als der Schutz persönlicher Daten. Und: Ortsbürgermeistern mit Hinweis auf den Datenschutz keine Angaben zu den Flüchtlingen, um die sie sich kümmern wollen und ja auch sollen, zu machen, ist unfassbar.

Ein Ergebnis des jüngsten Treffens neben dem Wunsch nach einem Kennenlern-Willkommensfest für Flüchtlinge ist eine (digitale) Austausch-Informationsplattform. Dort sollen sich Ehrenamtliche und Experten gegenseitig Informationen geben und das Dickicht durchdringen. Ein Arbeitskreis des Runden Tisches koordiniert jetzt eine solche Website und klärt, wo diese organisatorisch möglichst neutral angebunden werden kann. Der Wunsch, dass es schlicht eine Unterseite der städtischen Internetseite www.einbeck.de sein könnte, war unüberhörbar. Und wenn für andere Themen solche Seiten problemlos online gehen können, warum sollte das gerade bei der Flüchtlingsthematik nicht funktionieren? Ein Nein aus technischen Gründen wäre schlichtweg peinlich. Inhaltlich pflegen und aktuell halten müssen die Seite alle Engagierten gemeinsam.

Der Runde Tisch in Einbeck will sich übrigens das nächste Mal am 28. April um 14.30 Uhr im EinKiFaBü am Hallenplan treffen. Das Datum sei hier mit Ort und Zeit nur mal festgehalten, weil Medienvertreter vom gestrigen Treffen erst auf Nachfrage einen Tag vorher erfahren hatten.

Nachtrag 26.02.2015: Wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek im Stadtrat sagte, wird die digitale Austausch-Plattform bei der Stadt Einbeck angesiedelt. Eine Arbeitsgruppe beschäftige sich jetzt damit, umfassende Informationen für Menschen aus fremden Ländern sowie für diejenigen bereit zu halten, die Hilfe leisten wollen.

2 Kommentare zu „Unrund am Runden Tisch

  1. Ich möchte an dieser Stelle doch noch einmal darauf hinweisen, dass die Diakonie schnellstmöglich eine Koordinatorenstelle für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer einrichtet.
    Bei allem Verständnis für den Wunsch, gleich anzupacken und den Flüchtlingen frühzeitig zu helfen, sollten bestimmte Rahmenbedingungen geklärt werden. Auch der Informationsfluss zwischen den „Profis“ und den freiwillig Engagierten muss irgendwie geregelt sein. Dass wir dabei die Wege möglichst kurz und die bürokratischen Hürden möglichst niedrig halten, ist selbstverständlich.
    Ich gehe im Übrigen davon aus, dass ein dreiseitiger Bogen zur Erfassung von Freiwilligen, der in 10 Minuten ausgefüllt ist und der für die Vermittlung der Engagierten überaus hilfreich ist, keine große bürokratische Hürde darstellt. Da kann ich den kleinen „Seitenhieb“ im Artikel nicht ganz nachvollziehen. Der Bogen ist übrigens unter http://www.diakoniestiftung-einbeck.de abrufbar. Diese wichtige Information fehlt!
    Des Weiteren weise ich darauf hin, dass der Runde Tisch Integration schon seit langer Zeit besteht und von der Werk-statt-Schule hervorragend koordiniert und geleitet wird. Dabei handelt es sich eigentlich um ein Fachgremium für Beratungsstellen und andere „Profis“, die im Bereich „Migration und Integration“ tätig sind. Das öffentliche Interesse ist recht neu für die Mitglieder des Runden Tisches. Insofern müssen wir uns erst einmal daran gewöhnen, dass die hiesigen Pressevertreter über die Sitzungen berichten möchten. Als Kirchenkreissozialarbeiter berate ich immer wieder Flüchtlinge, die seit langer Zeit mit Kettenduldungen leben, also eigentlich keinen Flüchtlingsstatus haben, sondern mit abgelehntem Asylantrag bei uns leben und nicht abgeschoben werden können. Die Hälfte aller Flüchtlinge, die momentan in den Aufnahmeeinrichtungen einen Asylantrag stellen, kommt aus dem Kosovo bzw. Serbien-Montenegro. Die Chance, als Flüchtling anerkannt zu werden, ist dabei äußerst gering. Auch diese Menschen benötigen Unterstützung, wurden bis dato aber kaum beachtet. Also müssen wir uns auch überlegen, wie wir mit den Flüchtlingen „2. Klasse“ umgehen wollen.
    Diese und ähnliche Fragen sind wichtig und bedürfen der Klärung!
    Bei aller gebotenen Eile sollten wir einen grundlegenden Fehler vermeiden:
    Reflex vor Reflexion!

    1. Danke für die ergänzenden und kommentierenden Informationen. Ich glaube, eine große Irritation ist allein dadurch entstanden, dass hier offenbar zwei Runde Tische (Ehrenamtliche und Hauptamtliche) zusammengeführt worden sind (was sicherlich sachgerecht sein mag), ohne dieses leider ausreichend zu kommunizieren. Ich hatte, bei aller Wertschätzung für den Runden Tisch der Hauptamtlichen, vor allem den Runden Tisch im Blick, der aus der aktuellen Flüchtlingssituation entstanden und von der hiesigen Politik initiiert worden ist. Und an diesem und seiner Arbeit gibt es ein öffentliches Interesse! Weniger an der routinierten, institutionalisierten Gesprächsrunde von Profis. Von daher irritierte mich gestern ein wenig die Uhrzeit, zu der sich der Runde Tisch auch das nächste Mal wieder treffen will, 14.30 Uhr. Viele an ehrenamtlicher Flüchtlingsarbeit interessierte Arbeitnehmer gehen da noch ihrer Erwerbstätigkeit nach.
      Ich will meine befürchtete Problematik nochmal zugespitzt so formulieren: Was machen wir eigentlich, wenn nächste Woche eine größere Gruppe Flüchtlinge vor der Tür in Einbeck steht? Unterbringung etc. ist Sache der Behörden, okay, aber danach muss ja möglichst umgehend die Betreuung für Behördengänge, Schulanmeldung, Supermarktbesuch etc. einsetzen und idealer Weise ein Sprachkursus bereit stehen. Vor allem das meinte ich mit meiner Kritik, dass mir da seit Oktober zu wenig passiert ist.

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