Ein politischer Rückkehrer

Angeblich war der Ort ja reiner Zufall, die politische Symbolik aber war an diesem Spätsommertag unübersehbar. Die FDP stellte ihren Kandidaten für die Bürgermeisterwahl auf dem Dohrenberg vor, mit Panoramablick auf Heldenburg, Salzderhelden und auch Einbeck. Und als Dr. Claudius Weisensee dann auch noch von der FDP-Vorsitzenden Dr. Marion Villmar-Doebeling ein Blumenbukett mit einer großen Sonnenblume überreicht bekam und man weiß, dass der Naturerlebnisraum Dohrenberg ein Herzensprojekt von GfE-Grandseigneur Albert Thormann ist und Weisensee bei ihm anschließend zur Weinprobe war, dann ist das politische Angebot des FDP-Kandidaten an die Grünen und „Gemeinsam für Einbeck“ offenkundig. Die Parteien wollen über ihre Unterstützung in den nächsten Tagen entscheiden.

Claudius Weisensee mit Verlobter Adriana Rodrigues und den symbolträchtigen Blumen.

Seine Kandidatur hat frischen Wind in die beginnende Positionierung der Bewerber um das Bürgermeisteramt in Einbeck gebracht, ohne Zweifel. Die FDP sieht in Claudius Weisensee einen politischen Rückkehrer, der nach ersten beruflichen Erfahrungen andernorts nun wieder in seine Heimatstadt kommt, in der er aufgewachsen ist, auch politisch. Und der nach einem politischen Ausflug zur SPD („Das war nicht die beste Idee meines Lebens“) nun wieder zurückkehrt und bei der FDP Politik machen möchte, wie schon in den vergangenen 24 Jahren. Er habe sich im Februar massiv geärgert, dass Lindner, Kubicki & Co. die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) mit Stimmen der AfD nicht sofort verdammten. Spontan ist Weisensee deshalb damals bei den Freien Demokraten ausgetreten. Weil er sich schon immer als sozialliberal sieht und auch familiär eher sozialdemokratisch geprägt war, wurde Weisensee Mitglied bei der SPD. Er sei dort in Karlsruhe freundlich aufgenommen worden, habe aber schnell gemerkt, dass seine politische Heimat doch die FDP sei und sei wieder bei den Sozialdemokraten ausgetreten. In den nächsten Tagen ist der 40-Jährige dann zurück bei den Freien Demokraten.

Die Einbecker FDP-Mitglieder entscheiden über die Kandidatur formal am kommenden Freitag. Eine breite Zustimmung gilt jedoch als ausgemacht: Die FDP geht mit Dr. Claudius Weisensee ins Rennen, der Vorstand hat den 40-Jährigen schließlich als einzigen vorgeschlagen. Neben Amtsinhaberin Dr. Sabine Michalek (CDU) tritt bislang Dirk Heitmüller (SPD) bei der Direktwahl an. Bei beiden hatte die FDP überlegt, diese zu unterstützen, und sich nach den Gesprächen mit ihnen dann doch für einen eigenen Kandidaten und Dr. Claudius Weisensee entschieden, wie Einbecks FDP-Vorsitzende Dr. Marion Villmar-Doebeling sagte. 

Im Kandidatenfeld könne er eigene Akzente setzen, sagte Weisensee. Er bringe den Blick von Innen und Außen mit. Auch wenn er seit zehn Jahren nicht mehr hier lebe, sondern jetzt im fünf Autostunden entfernten Karlsruhe, sei er immer mit einem Auge und Ohr in Einbeck gewesen, „und mit dem Herzen sowieso“, sagte der 40-Jährige. Sein Ziel ist, zunächst in die Stichwahl zu kommen. „Ich möchte Bürgermeister werden“, macht er deutlich, für eine reine Zählkandidatur wäre er nicht zu haben gewesen, als ihn FDP-Kreisvorsitzender Christian Grascha im Juli angerufen hat. „Wir freuen uns, dass Claudius Weisensee zurückkehrt“, sagte Grascha. „Er ist einfach ein guter Typ.“ Er kenne ihn seit gemeinsamer Zeit bei den Jungen Liberalen vor 23 Jahren. Und er habe Weisensee nicht nur wegen seiner Verwaltungs- und Fachkompetenz gefragt, sondern weil er ein echtes Angebot für alle Bürger und alle politischen Lager des demokratischen Spektrums sei, mit seiner positiven Art Menschen zusammenführen und sich blockierende parteipolitische Grabenkämpfe beenden könne. Christian Grascha: „Für Einbeck ist seine Kandidatur eine echte Chance.“

Claudius Weisensee hat sein Wahlprogramm selbst geschrieben, möchte den Wahlkampf zu einem Wettbewerb der Ideen machen, wie Einbeck 2030 aussehen soll. „Eine Stadt, 46 Ortschaften, 37 Seiten, 719 Zeilen voller Ideen“, hat der Volljurist sein Programm überschrieben und bereits auf seiner Website hochgeladen.

Sich selbst wählen wird Claudius Weisensee nicht können. Der zurzeit als Oberregierungsrat in der Verwaltung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe arbeitende promovierte Verwaltungsjurist kann bis zur Wahl nicht mehr fristgerecht seinen Wohnsitz nach Einbeck verlegen, um hier selbst seine Stimme bei der Wahl abgeben zu können. Für den Wahlkampf hat der Bundesbeamte sich freimachen können, wird den gesamten Oktober in Einbeck sein, außerdem die zwei Wochen bis zur möglichen Stichwahl am 15. November. Im September werde er, wie schon zuletzt, an den Wochenenden in Einbeck weilen und für sein Ziel kämpfen. Auch wenn der Wahlkampf in Corona-Zeiten anders aussehen wird und viele Online-Angebote auch aus Karlsruhe möglich wären. Als bislang einziger Bürgermeisterkandidat hat Weisensee die Vorstellung seiner Kandidatur live bei Facebook ins Internet übertragen, die komplette Aufzeichnung ist dort weiterhin abrufbar.

„Ich möchte Bürgermeister werden“: Dr. Claudius Weisensee (r.) mit der Einbecker FDP-Vorsitzenden Dr. Marion Villmar-Doebeling und FDP-Kreisvorsitzenden Christian Grascha.