Der knapp 48 Kilometer lange Abschnitt der 380-kV-Höchstspannungsleitung zwischen Lamspringe und Hardegsen ist fertiggestellt, alle 127 Masten stehen, die auch westlich an Einbeck vorbei führende Leitung zwischen den beiden Umspannwerken hängt. Netzbetreiber Tennet kündigte bei einem Treffen auf der Terrasse des Einbecker Hotels Hasenjäger vor Vertretern der anliegenden Kommunen und Bürgerinitiativen an, dass der Freileitungsabschnitt bis Oktober in Betrieb genommen werden soll. Zur noch nicht realisierten Anbindung des Pumpspeicherwerks Erzhausen an die Trasse mittels Erdkabel hat die Stadt Einbeck erst jüngst eine deutliche Stellungnahme abgegeben.

Wenn im Oktober der erste Strom durch die Höchstspannungsleitung fließt, sind seit den ersten Planungen im Jahr 2006 dann 16 Jahre vergangen. Tennet-Projektleiter Jens Siegmann dankte allen Behörden, Verbänden, Bürgerinitiativen und Grundeigentümern für den zwar oft kritischen, am Ende überwiegend konstruktiven Dialog bei Planung und Bau der Stromleitung. Während sich BI- und Kommunen-Vertreter mit Tennet zum Gruppenfoto bitten ließen, war das Einbecker Rathaus für einen Termin in Einbeck auffällig dünn vertreten. Denn während andere Gemeinden wie Moringen mit Bürgermeisterin oder Lamspringe mit Bürgermeister und dessen Vorgänger dabei waren, nahm aus dem Einbecker Rathaus die Planungsbeamtenebene teil. Ob dies ausschließlich terminliche Gründe hatte oder anderweitig motiviert war, ließ sich bislang nicht ergründen. Das Stichwort „Leipzig“, das Tennet-Vertreter auf der Hasenjäger-Terrasse durchaus absichtlich fallen gelassen haben dürften, hätte bei der Stadt Einbeck wahrscheinlich auch zu einem Kommentar geführt, wäre Einbeck prominenter vertreten gewesen bei dem Termin.
Denn die Stadt Einbeck hatte bekanntlich ja vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Tennet gestritten – und verloren. Von der Klage hatte der Rathausjurist von Beginn an abgeraten, der Verwaltungsausschuss wollte trotzdem klagen und sah sich am Ende einer Regressforderung gegenüber, die vor gut zwei Jahren für reichlich politische Händel in Einbeck sorgte.
Im März 2024 soll die gesamte, 230 Kilometer lange 380-kV-Leitung zwischen Wahle und Mecklar betriebsbereit sein. Aktuell seien rund 700 Bauarbeiter an 14 Bauabschnitten mit den Arbeiten beschäftigt, im vergangenen Jahr seien es in Spitzenzeiten mehr als 1000 Mitarbeiter gleichzeitig gewesen, sagte Siegmann. Die Corona-Pandemie habe die Bauarbeiten nicht verzögert, auch wenn einzelne Teams zwischendrin mal krankheitsbedingt ausgefallen sind.
Projektleiter Jens Siegmann erinnerte an die Wegmarken des Projekts, vom Raumordnungsverfahren 2010 mit 22.000 privaten Einwendungen und Stellungnahmen gegen die Freileitung bis zum Planfeststellungsbeschluss im September 2017. Neben dem Neubau des Umspannwerks Lamspringe (2018-2021) und dem Umbau des Umspannwerks Hardegsen (2017-2019) begann der eigentliche Leitungsbau im April 2018 südlich von Einbeck mit Mast 72.
Laut Tennet wird bereits mit Inbetriebnahme des Abschnitts zwischen Lamspringe und Hardegsen die Versorgungssicherheit in der Region steigen und nennt es „einen kleinen Meilenstein für die Energiewende“. Mit dem steigenden Strombedarf seien die 220-kV-Leitungen an ihre Grenzen gekommen. Die neue 380-kV-Höchspannungstrasse sei nicht allein eine Nord-Süd-Transportleitung für Windstrom, betonte der Netzbetreiber.
Das Thema Stromleitung ist – unabhängig von der zweiten Trasse Suedlink – noch nicht politisch „durch“ in Einbeck. Der Verwaltungsausschuss des Stadtrates hatte gemeinsam mit dem Ortsrat Erzhausen jüngst eine Stellungnahme der Stadt Einbeck zur Anbindungsleitung (Erdkabel) an das Pumpspeicherwerk Erzhausen abgegeben. Die Stadt rügt in ihrem umfangreichen Schriftsatz, dass es durch den beabsichtigten Bau eines zusätzlichen Mastes und einer Freileitung bis zur Kabelübergabeanlage (KÜA) anstelle eines Änderungsverfahrens vielmehr eines eigenständigen Planfeststellungsverfahrens bedurft hätte. Hintergrund ist ein neuer Standort der KÜA Erzhausen und deren nun knapp 1,7 Kilometer lange Anbindung an die bereits planfestgestellte 380-kV-Haupttrasse sowie eine durch diesen neuen Standort der KÜA bedingte Verschiebung der Erdkabelanbindung um etwa 650 Meter in Richtung Westen hangaufwärts. Auch wenn sich die Entfernung zwischen der KÜA und der Wohnbebauung erhöhe, komme es jedoch im Bereich des Apfelweges im Norden von Erzhausen zu einer Annäherung der Erdkabeltrasse an die Wohnbebauung um 33 Meter auf bis zu 27 Meter, monieren Stadt und Ortsrat in ihrer Stellungnahme.

