Mit einem offenen Brief wenden sich die ehemaligen Goetheschule-Lehrerinnen Karin Reinert, Ulrike Voß-Volger und Angelika Warns-Loges an Landrätin Astrid Klinkert-Kittel und die Kreistagsabgeordneten. In dem Schreiben geht es um die Erweiterungs- bzw. Neubau-Pläne für das Einbecker Gymnasium, mit dem sich der Kreistag aktuell befasst, zuletzt auch bei Ortsterminen.
„Da die Entscheidung über die Erweiterung der Goetheschule demnächst fallen soll, haben die Unterzeichnenden noch einige Fragen zum bisherigen und weiteren Vorgehen“, schreiben Karin Reinert, Ulrike Voß-Volger und Angelika Warns-Loges in dem Offenen Brief. Sie sprechen sich für den Erhalt des jetzigen Standortes an der Schützenstraße aus. Warum übergehe man den Wunsch der Stadt Einbeck und plane weiter einen Neubau am Hubeweg, fragen die drei Unterzeichnerinnen – und haben viele weitere Fragen. Und freuen sich auf Antworten von der Landrätin und den Mitgliedern des Northeimer Kreistages.
Offener Brief im Wortlaut
„Wir bezweifeln, dass dieser [der Neubau am Hubeweg, die Red.] für das erhöhte Verkehrsaufkommen geeignet ist, ganz zu Schweigen von der Behinderung für eventuelle Krankentransporte. Ist jemand von ihnen schon einmal morgens gegen 7.40 Uhr auf dem Hubeweg gefahren? Welche Rolle spielen ökologische Aspekte, wie weitere Bodenversiegelung, Einbecks Frischluftschneise usw.? Wie hoch wäre die jährliche Pacht an die Klosterkammer für das Grundstück? Was ist mit der Nachnutzung der Gebäude an der Schützen- und Seminarstraße? Gibt es Investoren, die an den Liegenschaften interessiert sind? Warum wird der Anbau auch bei einem Neubau der Goetheschule abgerissen. Was passiert mit dem Grundstück?
Es gibt auch noch den Vorschlag, den gesamten Anbau der Goetheschule abzureißen und neu aufzubauen. Ist es wirklich notwendig, den gesamten Anbau zu erneuern? Dieser wurde in drei Bauabschnitten erstellt. Ist geprüft worden, ob die beiden neueren Teile doch eventuell aufgestockt werden könnten? Es ist eigentlich unvorstellbar, dass in den letzten 15 Jahren in ein angeblich völlig marodes Gebäude Millionen investiert wurden (Pausenhalle, Physikräume, Fenster, Isolierung der Außenwände). Wo war da bitte die Bauaufsicht?
Befasst man sich mit beiden Varianten anhand der Informationen, die bisher veröffentlicht wurden, genauer, muss man feststellen, dass bei beiden Varianten die Nachteile überwiegen. Wir fragen uns, warum das Gebäude in der Seminarstraße gar nicht mehr zur Debatte steht. Wie hoch wären die Kosten für eine Sanierung? Anstelle des Hausmeisterhauses könnte man doch auch noch zusätzliche Räume bauen. Wäre das nicht eine kostengünstigere Lösung? Unser Fazit ist: der Neubau am Hubeweg wird als besser dargestellt und damit favorisiert, aber für Kosten von circa 25 Millionen Euro kann ganz sicher kein modernes Gebäude, das alle Wünsche erfüllt, gebaut werden.
Um den Schulstandort zu erhalten, müsste bei einer Sanierung ein kleinerer Teil der Schüler in Containern unterrichtet werden. Das wäre für alle Betroffenen ohne Zweifel eine Belastung, aber nach Abschluss der Maßnahmen könnten alle wieder von den Vorteilen des Standortes profitieren, vor allem der Nähe zu allen Sportstätten und den vielen Kooperationspartnern in der Innenstadt. Auch die weitere Nutzung der wunderschönen Aula für Schul- und außerschulische Veranstaltungen wäre erstrebenswert.
Bei den rückläufigen Schülerzahlen wäre unserer Meinung nach ein neuer Anbau oder ein Neubau für 25 Millionen Euro Steuergelder (Kostensteigerungen nicht eingerechnet) unverhältnismäßig. Es sollte für den tatsächlichen Bedarf geplant werden.
Wir wünschen uns, dass man ernsthaft nach einer Variante, die den Fortbestand des Standortes an der Schützenstraße sichert, sucht und der Architektenwettbewerb dementsprechend ausgeschrieben wird. Das Votum der Stadt Einbeck darf bei der weiteren Planung nicht ignoriert werden!“

Die Aufgabe des repräsentativen Standorts an der Schützenstraße und der Umzug in einen auf höchst wunderbare Weise finanzierten Neubau am Hubeweg wird unweigerlich dazu führen, dass die Tage der Goetheschule als Gymnasium und damit ihres bildungspolitischen Gesamtanspruchs mit Sicherheit zu Ende gehen. In den USA hat der Niedergang des öffentlich finanzierten Schulwesens zu einem Boom an privat betriebenen Schulen geführt, in denen die Schülerinnen und Schüler für viel Geld der Eltern auf die bewusst anspruchsvollen Eingangsprüfungen der Eliteuniversitäten (!) vorbereitet werden. Soll es bei uns auch so weit kommen?
Sehr verehrter Herr Koch! Der Zusammenhang zwischen dem jetzigen Standort der Goetheschule, dem drohenden Neubau am Hubeweg, der gezählten Tage der Goetheschule als Gymnasium sowie der Verweis auf das amerikanische Schulsystem sind mir nicht ganz klar.
Bitte um nähere Erläuterung!
Lieber Herr Ohm, als der „Vater“ der Schulpartnerschaft zwischen der Goetheschule und zunächst einer High School in Ogden/Utah haben meine Gruppen den Unterschied zwischen einer als Riesenorganisation konstruierten staatlichen Schule für alle denkbaren Abschlüsse und das gesamte Begabungsspektrum eines gegebenen Schülerjahrgangs kennengelernt. Meine amerikanischen Partner waren immer so freundlich, die Einbecker Gäste regelmäßig in die jeweils auf dem höchsten Niveau unterrichteten „honors classes“ zu schicken. An der nach dem gleichen Prinzip aufgebauten niedersächsischen Orientierungsstufe wären das die „A-Kurse“ gewesen. „Die sind in den Naturwissenschaften und Mathematik ja mindestens ein bis zwei Jahre hinter unserem Stand!“ Das war eine immer wieder geäußerte erste Erfahrung in all den Jahren, in denen ich diesen Austausch geleitet habe.
Wir können uns ein weiteres Absinken der Leistungsstandards in unserem öffentlichen Schulsystem nicht leisten – wir leben nicht im Paradies sondern stehen im internationalen Wettbewerb. Die gebildeten und deshalb finanzkräftigen Schichten in den USA schicken ihre Kinder mittlerweile auf die sündhaften teuren Privatschulen, in denen ihre Kinder alles das lernen, was sie brauchen, um die bewusst anspruchsvollen Eingangstests der ebenso teuren Eliteuniversitäten bestehen können. Merke: Wenn alle das Abitur haben, dann hat bald niemand mehr das Abitur!
Deshalb ist es elementar wichtig, dass die Goetheschule schon aus symbolischen Gründen an ihrem Standort bleibt, ihre Standards hält und nicht in einem anonymen schulischen Großzentrum verwurstet wird. Letzte Anmerkung: Die rot-grünen Weltverbesserer haben in NRW vor einigen Jahren versucht, gegen den erklärten Willen der Bevölkerungsmehrheit versucht, unter einem etwas anderen Namen diese nur auf dem Papier attraktive Einheitsschule durchzusetzen. Seitdem sitzen sie auf den harten Bänken der Opposition im Düsseldorfer Landtag. Wohl bekomm’s!