SPD: Artern soll als Partnerstadt stärker in den Fokus gerückt werden

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Artern sollte als Partnerstadt Einbecks wieder stärker in den Fokus gerückt werden. Das fordert die SPD-Ratsfraktion nach einem Besuch in der thüringischen Partnergemeinde. Den Anfang habe man als SPD-Fraktion getan, schreiben die Sozialdemokraten in einer Mitteilung. Vorbereitet wurde die Fraktionsfahrt vom Partnerschaftsbeauftragten Andreas Fillips (SPD) und von Ratsherr Klaus-Reiner Schütte.

Arterns Bürgermeister Torsten Blümel und der Arterner Partnerschaftsbeauftragte Frank Meyer empfingen die Delegation im Verwaltungsgebäude in der Brauereistraße. „Das Rathaus ist momentan gesperrt, da dort umfangreiche Sanierungsmaßnahmen stattfinden, unter anderen wird ein Fahrstuhl an das historische Gebäude angebaut“, schreibt die SPD in ihrer Mitteilung. „Da darf die Frage erlaubt sein, wer hier von wem abgeguckt hat?“

Der Besuch führte die Besuchergruppe zum Kyffhäuser-Gebirge mit der Barbarossahöhle und dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Der Aufstieg über die 306 Stufen wurde mit einem herrlichen Ausblick belohnt, heißt es in der Presseinfo. Nach dem Nachmittagskaffee am Kelbra-Stausee wurde die Burg in Großfurra angesteuert, ein mittelalterliches Refugium mit eigenem Charme. Altes Fachwerk, dicke Mauern, ländlich-rustikal und antik möbliert – so lasse sich die ehemalige Wasserburg kurz beschreiben, erklärte die SPD. „Heute in Privatbesitz, kann man nur erahnen, wie viel Geld und vor allem Liebe die Familie Pohl mit bayrisch-göttinger Wurzeln in dieses Projekt gesteckt hat.“ Nach dem gemeinsamen Frühstück am Sonntag wurde die Stadt Artern unter fachkundiger Führung von Frank Meyer und Thomas Jentzsch erkundet. Der Rundgang führte über das alte Salinengelände, das Soleschwimmbad, den Salinepark, in die Altstadt und weiter über den Novaliswanderweg zum Weinberg, Jüngkens Aussicht und zurück zum Hotel. Mit einem gemeinsamen Mittagessen klang das Treffen aus und es wurden weitere Pläne für ein partnerschaftliches Miteinander geschmiedet. SPD-Fraktionsvorsitzender Dirk Heitmüller bedankte sich bei allen Teilnehmern für ein gelungenes Wochenende.

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Die Einbecker SPD-Delegation vor dem Kyffhäuser-Denkmal bei Artern. Foto: SPD Einbeck
Facebook-Post der SPD Einbeck.

2 Kommentare zu „SPD: Artern soll als Partnerstadt stärker in den Fokus gerückt werden

  1. Seit Februar 1990 besuchen Freunde und ich Artern. Zusammen mit dem evangelischen Pfarrer Manfred Gerboth aus Artern wollte ich über die Partnerschaft Artern-Einbeck ein Buch schreiben. Leider wurde bedingt durch den frühen Tod des Pfarrers nichts daraus. Mein Manuskript dazu wurde vom Geschichtsverein ARATORA im Band 8 veröffentlicht. Falls Interesse an einer Kopie besteht, bitte melden.
    Nachstehend meine Aufzeichnung vom 8. Februar 1990.
    8. Februar 1990 Donnerstag
    Ich bin das erste Mal in Artern. Meine Freunde Albert Hoppert und Hubert Pollack sind mit von der Partie. Im Ortsschild ist „Bezirk Halle“ mit „Thüringen“ überklebt. Der erste Eindruck von unserer eventuellen Partnerschaft ist für mich nicht gerade überwältigend. Es ist ein kalter Wintertag. Die Kläranlage dampft, über dem kleinen Städtchen (7500 Einw.) liegt eine Dunstglocke und der bittere Braunkohlerauch reizt unsere Schleimhäute. Alles sieht so grau aus, die Straßen und viele Häuser sind in einem sehr schlechten Zustand. Man muss schon etwas genauer hinsehen, um erkennen zu können, dass diese Stadt auch im Grunde schöne Häuser vorzuweisen hat, die jedoch dringend Renovierung brauchen. Erst mit der Zeit, als ich Artern besser kennenlernte, offenbarte sich mir doch der Charme dieser kleinen Stadt an der Unstrut.
    Nach einem Mittagessen im Hotel Stadt Artern besuchen wir dann unangemeldet Manfred Gerboth in der Kirchstraße 3. Der Pfarrer der Marienkirche ist Mitbegründer der Bürgerbewegung in Artern, Leiter des „Runden Tisches“ des Kreises Artern und Mitglied der Kommission zur Untersuchung von Amtsmissbrauch und Korruption. Nachdem wir uns vorgestellt und die Ziele der Bürgerinitiative näher erläutert hatten, bittet M. Gerboth uns zu sich in sein Arbeitszimmer.
    Wir hören, dass die Stimmungslage in der Bevölkerung der DDR immer zwiespältiger wird. Trotz offener Grenzen haben viele den Mut verloren, nach der friedlichen Revolution an der Erneuerung weiter mitzuarbeiten. Misstrauisch auch gegenüber den neuen Gruppierungen und ihren Kompetenzen suchen immer noch viele ihr Heil in der Bundesrepublik. Niemand weiß so recht, wie die katastrophale Situation, in fast allen Bereichen des täglichen Lebens absehbar, verbessert werden könnte. Besonders betroffen reagieren alte Leute. Hingewiesen wird insbesondere auf die Stasi-Aktivitäten, die sich immer noch nicht im Griff der Regierung befinden. Immer wieder tauchen – auch im Kreis Artern – versteckte Waffenlager der Stasi auf. Mit Leidenschaft trägt unser Gastgeber seine Idee vom Umbau des Verwaltungsgebäudes der SED-Kreisleitung in Artern in ein Altenheim vor.
    Wir verabreden mit M. Gerboth einen Besuch in Einbeck. Wir wollen ihm Gelegenheit geben, vor führenden Vertretern der Einbecker Wirtschaft und vor engagierten Bürgern über seine Erlebnisse, Erfahrungen und Sorgen berichten zu können und aufzuzeigen, wie wir helfen können.
    Wir verlassen den Pfarrer tief beeindruckt und diskutieren angeregt während der gesamten Rückfahrt. Für uns steht fest: wir werden die neuen demokratischen Kräfte mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und mit aller Kraft unterstützen.
    In den verbleibenden Tagen versenden wir 146 persönliche Einladungen zur geplanten Diskussion mit M. Gerboth und führen zahlreiche Gespräche in diesem Zusammenhang.

  2. 15. Februar 1990 Donnerstag
    Zusammen mit Rainer Koch begrüße ich das Ehepaar Gerboth in Einbeck vor zahlreichen Einbecker Bürgern. Die Einbecker Freimaurerloge hat uns freundlicherweise ihre Räume zu dieser Informationsveranstaltung zur Verfügung gestellt. Mit nachdenklichen, teils für die Anwesenden erschütternden Worten, wendet sich M. Gerboth an die Zuhörer.
    Nachfolgend ein paar Auszüge aus der Einbecker Zeitung „EULE“ vom 25. Februar 1990:
    „Ich bin ein Kind der DDR“, bekennt der Pfarrer und schildert kurz seinen Werdegang. Dann beginnt er seine „Hoffnungen und Ängste im Leben nach der Wende“ zu erzählen. Durch viele Gespräche im Sommer 1989 hat M. Gerboth erfahren, dass es 100 Gründe gibt, die DDR zu verlassen“. Doch weiter habe er an die Ausreisewilligen appelliert, in ihrer Heimat zu bleiben. Im September 1989 ging der Pfarrer in die Offensive, deren Gefährlichkeit er erst später richtig erkennen sollte. „Jeder der geht, lässt uns einsamer zurück!“, erklärt der Geistliche in einem Gemeindebrief und setzte sich damit der Drangsalierung der „Stasi“ aus. Schaukästen an der Kirche seien inspiziert worden, unliebsame Schriften wurden von Volkspolizisten entfernt. Mit Richtfunk und Infrarotkamera überwachte fortan die „Stasi“ das Pfarrhaus. Die SED drohte außerdem damit, der „Konterrevolution ein Ende zu setzen – Vorbild China“. Zu einem geschichtlichen Tag wurde dann nach Aussage von Manfred Gerboth der 6. November 1989. In einer offenen Volksaussprache in der Marienkirche, zu der der Pfarrer eingeladen hatte, kamen ca. 800 Menschen. Von der Staatssicherheit umkreist, skandierte man auch hier Parolen, für die man bisher jahrelang ins Zuchthaus gesperrt worden wäre. Doch es sei wie ein Wunder gewesen, erzählt Gerboth immer mit bewegter Stimme. Über zwei Stunden hätten sich anschließend an seine Worte die Menschen „freigeredet“. Man sei um vierzig Jahre des Lebens betrogen worden, war dort immer wieder zu hören.
    Am 27. November 1989 habe man in Artern das Neue Forum und den Demokratischen Aufbruch gegründet und schließlich am 12. Dezember das „Haus der Stasi“ ausgeräumt. Etliche alte Akten seien dort bereits vorher leider durch den Reißwolf gegangen. Im Gemeindesaal konstituierte sich der „Runde Tisch“, dessen vornehmlichste Aufgabe M. Gerboth dahingehend beschreibt, dass man „eine besondere Revolution begonnen habe und dass diese nun auch besonnen beendet werden muss“.
    Auszüge aus dem Bericht über den Vortrag vom 15. 2. 1990 in der Zeitung EINBECKER MORGENPOST vom 17.2.90:
    Manfred Gerboth berichtet, die SED habe den Apparat noch in den Händen, die Menschen brauchten Zeichen. Deshalb will die Opposition den Sitz der SED-Kreisleitung, ein komfortables Gebäude, in dem 76 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt waren, zu einem Altersheim umbauen. Bis zu 45 Plätze könnten hier für die älteren Arterner geschaffen werden, für „die großen Verlierer des SED-Regimes“, wie der Pfarrer sie nannte. Im gesamten Kreis Artern gibt es nur zwei Altenheime, in Artern selbst keines. Nicht nur Gelder, sondern auch Sachspenden seien dringend erforderlich.
    Nach den Ausführungen von M. Gerboth schließt sich eine rege Diskussion an. Danach bieten viele Bürger, Firmen und Organisationen ihre Hilfe an. Rainer Koch und ich sammeln Angebote und Anregungen.
    Spontan beschließen wir, einen Gegenbesuch zu organisieren. Wir wollen in Artern „Flagge zeigen“ und den Bürgern dort ein Zeichen setzen, dass wir sie in so schweren Zeiten nicht allein lassen. M. Gerboth bittet uns, bei dem Besuch als Gäste der Opposition „Demokratischer Aufbruch“ über die Soziale Marktwirtschaft zu referieren.
    17. Februar 1990 Sonnabend
    Eine Delegation der Oppositionsgruppen aus Artern, etwa 14 Mitglieder des DA, der SPD und des NF, besucht Einbeck. Rainer Koch und ich sind auch eingeladen. Dem Empfang im Rathaus schließt sich ein gemeinsames Mittagessen an. An-schließend folgt ein Bummel durch die mittelalterliche Innenstadt. Abends sitzen wir bis weit nach Mitternacht in der Brauherrenschänke am Marktplatz beim Einbecker Bier und unterhalten uns lebhaft. Wir mögen uns.

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