
Die SPD im Einbecker Stadtrat hält die geplante Gesamtstrategie für Einbeck, die seit einigen Monaten von Rathaus und großen Teilen der Politik gemeinsam erarbeitet wird, für sachlich falsch, der vorgelegte Entwurf setze falsche Prioritäten, sei inhaltsleer und undemokratisch zustande gekommen. Das Urteil, das die Sozialdemokraten über die Tabelle mit dem Titel „Priorisierung strategische Oberziele Stadt Einbeck“ geschrieben haben, ist vernichtend. In der jüngsten Ratssitzung hatte die SPD-Fraktion ihr Missfallen bei dem Thema dadurch ausgedrückt, dass sie aufgestanden und gegangen war bei dem Tagesordnungspunkt. Jetzt hat die Fraktionsspitze wie angekündigt erläutert, warum sie gegen die Strategie für Einbeck ist, so wie sie bislang vorliegt. Die Sozialdemokraten haben eine Sondersitzung des Finanzausschusses direkt nach den Sommerferien beantragt und möchten an ihren Eckpunkte-Vorschlag für die Finanzplanung anknüpfen; schließlich schränke der Zukunftsvertrag mit seinen Fesseln eine Gesamtstrategie imgrunde zu sehr ein, eine Strategie mache erst Sinn, wenn Einbeck aus dem Zukunftsvertrag ausgestiegen und wieder handlungsfähiger sei. Auch einen Bedarfsplan Kindertagesstätten werde man beantragen, man sei als Kommunalpolitiker schließlich gewählt, inhaltlich konkret zu arbeiten und nicht nur allgemein formulierte Ziele vorzugeben und ansonsten die Verantwortung abzugeben, sagten Rolf Hojnatzki, Eunice Schenitzki und Marcus Seidel im Pressegespräch.
Die SPD möchte die bereits formulierten inhaltlichen Strategie-Ziele vor einem Beschluss in den Fachausschüssen des Stadtrates diskutieren, da gehören sie nach Ansicht der Sozialdemokraten nämlich hin, dort seien die gewählten Vertreter. Die für Juli/August jetzt vorgesehene Bürgerbeteiligung kommt nach SPD-Ansicht zu spät, denn die Strategie sei ja schon formuliert, wie solle sich der Bürger da beteiligen, fragen sich die Sozialdemokraten. Warum nun alles so schnell innerhalb eines Jahres umgesetzt werden soll, obwohl es die Doppik schon seit 2008 gebe, ist der SPD ebenfalls nicht klar, sie würde einer Diskussion über die ja gesetzlich vorgesehenen Ziele und Kennzahlen gerne mehr Raum geben, in den Fraktionen diskutieren, die Bevölkerung stärker und frühzeitiger einbinden. Die Arbeitsgruppe, die das jetzt vorliegende Papier erarbeitet hat, das im September vom Stadtrat beschlossen werden soll, sei eher durch Zufallsprinzip zusammen gesetzt worden, jedenfalls nicht paritätisch den Fraktionsgrößen entsprechend. Das durchgeführte Verfahren mit roten Klebepunkten an einer Themenwand empfinden die Sozialdemokraten als willkürlich, um eine Prioritätenlisten zusammenzustellen. In keinem Gremium sei überhaupt beschlossen worden, dass es eine Gesamtstrategie geben solle. Die SPD habe sich anfangs trotzdem dem Thema nicht verschlossen und sei erst im März aus der Arbeitsgruppe ausgestiegen als deutlich geworden sei, dass auf ihre Bedenken und Anregungen nicht eingegangen werde, sondern alles „nach Schema F des Moderators durchgezogen“ werden sollte, sagte Marcus Seidel. Wer habe den eigentlich beauftragt und welches Honorar bekomme der?
Die Sozialdemokraten sehen sich bevormundet – „wie im Kindergarten“, sagt Eunice Schenitzki, habe sie sich gefühlt. „Ich bin aber kein unmündiges Kind.“ Es könne doch nicht sein, dass die Politik nach verabschiedeter Strategie nicht mehr über die geplanten Einzelmaßnahmen diskutiere, sondern imgrunde der Verwaltung nur noch jährlich die 51 Millionen Euro aus dem Haushalt übertrage, damit diese das Geld dann der einmal festgelegten Strategie folgend ausgebe. Es sei Aufgabe der Politik, die Gestaltung nicht abzugeben, sondern sich im Wettstreit der Meinungen und Ideen am Ende als gewählte Vertreter der Bürger mit Mehrheiten um die Zukunftsgestaltung zu kümmern. Eine Kommune sei eben nicht wie eine Firma zu führen, man verkaufe ja kein Produkt. Und die Politik habe auch eine andere Aufgabe, nämlich als Souverän die Verwaltung zu kontrollieren, machte Schenitzki deutlich.
Überhaupt seien diese definierten Prioritäten-Ziele nicht nur völlig willkürlich entstanden, sondern auch zu schwammig formuliert. Und die Reihenfolge sei ja geradezu aberwitzig, wenn auf den hintersten Plätzen Familienfreundlichkeit und Stärkung des Ehrenamtes notiert seien. Den Schuldenabbau zu einer neuen Strategie zu erklären, sei schon reichlich merkwürdig, sagte Rolf Hojnatzki. Als dann in der Arbeitsgruppe vom Schuldenabbau bei der Stadt und den städtischen Beteiligungen die Rede gewesen sei und der Moderator die Pro-Kopf-Verschuldung in schwärzesten Farben gemalt habe, habe er gemerkt: „der betriebswirtschaftliche Sachverstand tendiert gegen Null“. Denn den Schulden bei den Töchtern wie Stadtwerke, Stadtentwässerung oder Einbecker Wohnungsbaugesellschaft stehe doch Eigenkapital und Vermögen gegenüber. Das könne man also nicht einfach in die Verschuldung hineinrechnen. Oder verfolge da jemand zum Schuldenabbau eine Privatisierungsstrategie, fragt sich Hojnatzki.
Nachtrag 02.07.2018: Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek ist heute mit einer Pressemitteilung einigen Aussagen der SPD entgegen getreten: Aussagen über den von der Stadtverwaltung beauftragten Moderator seien „inhaltlich unzutreffend und für den Moderator geschäftsschädigend“, heißt es in der Mitteilung (Wortlaut: PM Gesamtstrategie Stadt Einbeck 18-07-02). Der Vorwurf mangelnder Fachkompetenz gehe fehl. Die Bürgermeisterin und ihr Rathaus begrüßen es, dass sich die SPD entschieden habe, die laufenden Arbeiten zur Entwicklung einer Gesamtstrategie für die Stadt Einbeck zu begleiten. Zwar sei das von der SPD vorgeschlagene Vorgehen zur Erarbeitung einer Finanzstrategie noch etwas zu früh, da die Entwicklung von thematischen Einzelstrategien erst der nächste Schritt nach der Gesamtstrategie sei. Aber wenn jetzt die SPD-Fraktion teilnehmen wolle, seien dadurch wenigstens doch noch auch diejenigen Bürger bzw. Wähler beteiligt, die durch die Ratsmitglieder der SPD vertreten würden, heißt es in der Mitteilung aus dem Rathaus.
Nachtrag 08.07.2018: Die SPD-Fraktion hat in einer Pressemitteilung erklärt, dass sie jetzt wie angekündigt eine Sondersitzung des Finanzausschusses für Anfang August beantragt habe, damit ein Fachausschuss die Thematik öffentlich beraten habe, bevor der Stadtrat die Gesamtstrategie beschließen soll (PM SPD beantragt Sondersitzung Finanzausschuss 18-07-08). Gerade im Finanzbereich sollen nach Auffassung der SPD offenbar falsche oder unzureichende Schlussfolgerungen aus der internen Strategiedebatte gezogen und für kommende Beratungen der Gremien unverrückbar beschlossen werden. Dazu gehöre insbesondere der Umgang mit den städtischen Beteiligungen, zu denen vor allem die Stadtwerke, die Stadtentwässerung und die Einbecker Wohnungsbaugesellschaft gehörten. Im August-Finanzausschuss will die SPD außerdem angesichts der drängen Fragen zur Finanzierung herausragender Projekte und Maßnahmen unverzüglich die möglichen Spielräume des Haushaltsjahres 2018 aufdecken, bewerten und in einem Nachtrag die ursprünglichen Ziele neu justieren, heißt es in der Mitteilung.