
Ist der Drops gelutscht? Beim heutigen Arbeitskreistreffen für den Zukunftsstandort des Hauses der Jugend hat der im Rathaus für das Thema Jugend zuständige Fachbereichsleiter Albert Deike die ermittelten Kosten für die verschiedenen Varianten so geschickt vorgetragen, dass alles auf das Gemeindezentrum der Neustädter Kirche St. Marie zulaufen musste. Das sei wegen der Möglichkeit der zukunftsweisenden Jugendarbeit der Favorit der Verwaltung und ebenso der der Bürgermeisterin, erklärte Deike. Und ließ im heute im Wesentlichen aus Ratspolitikern und Mitarbeitern bestehenden Arbeitskreis am Ende noch darüber abstimmen (breite Zustimmung für das Gemeindehaus), was ihm Rückendeckung für eine entsprechende Verwaltungsvorlage für die Fachausschuss-Sitzung am 1. April gibt. Die Rathauschefin, die den Arbeitskreis-Termin zweimal verschoben hatte, war heute selbst nicht dabei. Auch die FDP fehlte als einzige Ratsfraktion.
Seit Donnerstag Nachmittag liegen die Zahlen auf dem Tisch, sind die Kostenschätzungen des Bauamtes im Rathaus bekannt. Jenseits pädagogischer und konzeptioneller Vorlieben entscheiden am Ende nicht unerheblich die Kosten bei verschiedenen diskutierten Varianten, welche von ihnen letztlich realisiert wird. Der Zeitfaktor lässt längst keine vollkommen freie Wahl mehr. Das heutige Jugendzentrum ist eine Großbaustelle, die Nachbargebäude sind bereits abgerissen, Bagger bauen den Parkplatz der Erlebnisausstellung PS-Speicher, die noch dieses Jahr eröffnen will.
Kein Geheimnis mehr ist längst, dass die Stadt aus dem Erlös für Haus der Jugend und Jugendgästehaus rund 560.000 Euro zur Verfügung hat. Und dass zwischen 800 und 900 Quadratmeter Nutzfläche benötigt werden für ein neues Haus der Jugend.

Die heute präsentierten Kostenschätzungen liegen sämtlich über dieser Summe. Ein Neubau würde 1,6 Millionen Euro kosten. „Das können wir abhaken“, sagte Deike. Auch die gemeinsame Lösung mit einem vom DRK betriebenen Jugendgästehaus in einem dann um einen Anbau zu erweiternden Flüchtlingswohnheim habe sich vergangene Woche zerschlagen. Das auf der Suche nach einer neuen Heimat befindliche Rote Kreuz, das aus dem ehemaligen Schützenhaus neben dem Haus der Jugend ausziehen musste, weil dort die Kulturstiftung Kornhaus einzieht, möchte nicht sein neues Gästehaus am Kohnser Weg ansiedeln, berichtete Fachbereichsleiter Albert Deike. Aktuellste Idee für einen Standort des Jugendgästehauses ist offenbar das leer stehende Baudenkmal Walkemühle, erweitert um einen Neubau auf einem Nachbargrundstück. Das jedenfalls wurde am Freitag bei einem Umsetzungstreffen des IEK-Konzeptes bekannt.
Auch die Stadtbibliothek als möglicher zentraler Standort für das Haus der Jugend scheidet laut Deike aus: 786.000 Euro sind als Kosten kalkuliert, hinzu kommt aber die ungelöste Frage, wohin dann die Bücherei ausweichen könnte und was das zusätzlich kosten würde. Ebenso die Frage nach der Bebaubarkeit des von Kommerzienrat August Stukenbrok einst geschenkten Parkgrundstückes ist ungeklärt und ungewiss. Das Areal, so Deike, sei außerdem aufgeschüttet, was als Baugrund nicht günstig sei.
Die beiden Varianten Gemeindehaus und ehemaliges Flüchtlingswohnheim seien als neuer Jugendzentrum-Standort finanziell auf einer Höhe und vergleichbar, berichtete der Jugend-Fachbereichsleiter. Seinen Angaben zufolge liegen die Kosten beim Gemeindehaus bei insgesamt 740.000 Euro plus 105.000 Euro für den Kauf des Gemeindezentrums von der Kirche. Für den Umbau des 400 Quadratmeter großen Gemeindehauses sind 292.000 Euro kalkuliert, für einen 25 x 14 Meter großen benachbarten Neubau (300 Quadratmeter Nutzfläche) kommen 448.000 Euro hinzu. Dieser Neubau könnte aber auch kleiner ausfallen, um Kosten zu sparen. Zur Verfügung für Veranstaltungen steht zusätzlich die 400 Quadratmeter große Kirche.
Beim ehemaligen Flüchtlingswohnheim sind die Sanierungskosten auf 630.000 Euro geschätzt. Hinzu kommt auch hier der Kaufpreis für das Grundstück in einer Höhe, die Deike nicht nennen wollte. Räumlich seien die zwei Gebäude des einstigen Wohnheims am Kohnser Weg (je 560 Quadratmeter) ein Stück weit überdimensioniert und teurer, was Bewirtschaftungskosten betrifft; auch mit dem vorhandenen Personal die großen Räumlichkeiten dort zu betreiben sei schwierig.
Was das Pendel zusätzlich in Richtung Gemeindehaus ausschlagen lässt: Mit einer Lösung im Gemeindehaus der Neustädter Kirche St. Marien ergebe sich eine große Chance, integrativ kirchliche und kommunale Jugendarbeit an einem Standort zusammen zu führen, sagte Stadtjugendpfleger Henrik Probst. Das könnte richtungsweisend und unter Umständen sogar deutschlandweit einzigartig sein. Die evangelische Jugendkirche Marie zieht aus dem Gemeindehaus in das benachbarte, jetzt leer stehende Pfarrhaus. Die Kirche können beide Jugendzentren dann gemeinsam nutzen.
Für die Lösung Gemeindehaus kündigte Albert Deike die Möglichkeit von Drittmitteln in Höhe von 100.000 Euro an, die zur Verfügung stehen könnten. Von wem, sagte er nicht. Reine Spekulation dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass jemand das Geld für einen Standort geben könnte, weil er das Jugendzentrum nicht in seiner Nachbarschaft haben möchte.
Dass viele nicht glücklich sind, weil der Jugend-Fachbereich im Rathaus ein Jahr lang nach einem Standort suchen durfte, das Bauamt innerhalb von drei Monaten die Fakten errechnen musste und die Politik nun lediglich drei Wochen Zeit hat, um zu entscheiden, was faktisch entschieden ist, kann ich sehr gut verstehen.
