
Der zwischen den Ratsfraktionen ausgehandelte Kompromiss musste zunächst mühsam gefunden werden: Aus drei, erst zur Sitzung vorliegenden Text-Entwürfen der SPD, CDU und der Verwaltung hat der Stadtrat eine gemeinsame Version formuliert. Sozusagen in einer großen Redaktionskonferenz, in der die Textbausteine zusammengesetzt wurden.
Mit der am Ende einstimmig beschlossenen Resolution gegen die geplante 380-kV-Höchstspannungstrasse als Freileitung hat die Stadt Einbeck deutlich gegen den Netzbetreiber Tennet Position bezogen – nicht zum ersten Mal. Die Stadt werde im unmittelbar bevorstehenden Planfeststellungsverfahren alle Möglichkeiten ausschöpfen und im Zweifelsfalle auch klagen, um den Schutz von Mensch und Natur durchzusetzen, heißt es in dem Text. Sowohl der Einbecker Stadtrat als auch der frühere Gemeinderat Kreiensen hatten sich bereits in Stellungnahmen gegen die 380-kV-Leitung ausgesprochen und eine Erdverkabelung gefordert. Dieser Appell an Hannover und Berlin, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erdverkabelung in HGÜ-Gleichstromtechnik zu schaffen, findet sich auch in der aktuellen Positionsbestimmung. Die Menschen in und um Einbeck seien „in unzumutbarer Weise betroffen“, die Trasse hätte erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität, heißt es in der neuen Resolution, der Trassenverlauf nördlich von Einbeck sei von Tennet „vollkommen intransparent“ und ohne Rücksicht auf das „Schutzgut Mensch“ bewertet worden, die Orte Erzhausen, Brunsen, Hallensen und Voldagsen würden förmlich durch die Stromautobahn „umzingelt“.
Die politische Willensäußerung des Rates könne nur noch einmal ein Aufrütteln sein, sagte Frank-Dieter Pfefferkorn (GfE/Bürgerliste). Ändern müsse sich das Bundesgesetz. Die Stadt aber mache mit der Position deutlich, dass sie im bevorstehenden Verfahren alle Chancen ausnutzen werde und am Ende eine Klage nicht scheue. Auch Frank Doods (SPD) begründete die Resolution damit, dass es wichtig sei, jetzt erneut ein Signal zu setzen und alle Verfahrensmöglichkeiten zu nutzen.
Nicht durchsetzen konnte sich die FDP mit ihrer Forderung, in den Resolutionstext ein grundsätzliches Bekenntnis zur Energiewende aufzunehmen. CDU und Grüne hatten die Liberalen dabei zwar auf ihrer Seite; SPD und GfE/Bürgerliste und damit die Mehrheit war dagegen.
Ein interessantes Detail hat die Rats-Redaktionskonferenz immerhin ergeben. FDP-Fraktionschef Dr. Reinhard Binder, der sich unbedingt zu den Zielen der Energiewende bekennen wollte, hat – wie er erzählte – schon Anfang der 80-er Jahre in Brokdorf gegen Atomkraftwerke demonstriert…
Nachtrag 15.03.2014: Mehrere SPD-Ratsmitglieder ärgern sich über meine Formulierung, dass die Text-Entwürfe erst zur Sitzung vorgelegen hätten. Der Text der SPD sei schon früher zwischen den Fraktionen kursiert. Einzig der CDU- und der (fast deckungsgleiche) Verwaltungstext hätten erst am Tag der Stadtratssitzung vorgelegen. Das mag so sein. Mir geht es jedoch in diesem Falle darum, dass die Zuhörer der Sitzung (ebenso wie wir Journalisten) erst zur Sitzung mit den Tischvorlagen versorgt wurden und besonders die Bürger dementsprechend schwer folgen konnten, wenn sie nicht elektrisiert im 380-kV-Thema stecken…