Sommertour-Selfie

Lächeln fürs Selfie vor dem Rathaus in Einbeck: Christian Dürr (l.) und Christian Grascha.
Lächeln fürs Selfie vor dem Rathaus in Einbeck: Christian Dürr (l.) und Christian Grascha.

Zum Abschluss des Gesprächs gab’s nicht nur ein Pressefoto, sondern auch das heute beinahe selbstverständliche Selfie, also das am langen Arm selbst gemachte Lichtbildnis mittels Smartphone. Und so begab es sich heute vor dem Rathaus, dass der FDP-Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, Christian Dürr, sein Handy zückte, mit „seinem“ parlamentarischen Fraktions-Geschäftsführer Christian Grascha vor dem Rathaus in dessen Heimatstadt um die Wette strahlte. Wobei sich die Einbecker Journalisten-Kolleginnen und -Kollegen inzwischen einig sind, wer das Selfie erfunden hat, wer es jedenfalls schon praktizierte, als an Smartphones noch gar nicht zu denken war: Ball-Ricco, Einbecks 2009 verstorbener bekannter Kinderclown, hatte schon in den 80-ern immer eine Kamera dabei, mit der er sich und seine „Jeder-einmal-Rastelli“-Laienjongleure knippste…

Christian Dürr ist auf sommerlicher Tour durchs Land Niedersachsen, nach seiner Einbeck-Visite hatte sich der 37-Jährige heute noch in Bad Gandersheim mit den Geschäftsführern der Gandersheimer Domfestspiele verabredet. Ein Theaterstück vor der Stiftskirche anzuschauen, dazu fehlte dann allerdings die Zeit. Einbeck kennt der aus Ganderkesee stammende FDP-Politiker schon vergleichsweise gut: Erst kürzlich war er beim Sommerfest der südniedersächsischen FDP auf der Heldenburg in Salzderhelden zu Gast, auch die Einbecker Brauerei hat Dürr bei einem Besuch vor einem Jahr schon von Innen gesehen. Beim heutigen kurzen Stadtbummel gab’s dann noch einen schnellen Eindruck von Hallenplan (inklusive neuer Pflasterung am Rande) und Marktplatz, der „guten Stube“.

Viel inhaltlich Neues hatten die Liberalen heute nicht im Sommertour-Gepäck. Die Kritik an der IGS, speziell an der in Einbeck ab September startenden, ist bekannt, sie werde dem Gymnasium schaden, und die IGS Einbeck sei eine ganz besonders politisch motivierte Gesamtschule, da sie (fast) im Wahlkreis der niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) liegt, die ja auch als Kreistagsabgeordnete die neue Schule mit auf den Weg gebracht hat. Und die könne sich da keine Schwäche leisten, meinten die Liberalen.

Ganz besonders ins Herz geschlossen hat die FDP offenbar den Südniedersachsenplan – und ganz besonders das, was aus ihm bürokratisch geworden ist. Schon Ende Mai hatte Christian Grascha aus allen Oppositionsrohren gegen den neuen  Regionalbeauftragten und die neue Göttinger Projektbüroleiterin geschossen, hatte bei einer von mehreren Anfragen im Landtag zum Thema auch wissen wollen, ob der Regionalbeauftragte nicht versteckte Wahlkampfhilfe für die (am Ende erfolgreiche) SPD-Bürgermeisterkandidatin Franziska Schwarz geleistet hat. Die Landesregierung, das geht aus der inzwischen vorliegenden Antwort (LT-DS 17-1725) hervor, sieht das (erwartungsgemäß) nicht so, den Termin bei der SPD habe Matthias Wunderling-Weilbier privat absolviert – und da ende die Auskunftspflicht der Landesregierung.

Man muss kein Freund liberaler Kritik und Politik sein, aber allmählich beschleicht auch die wohlmeinensten Zeitgenossen das Gefühl, dass von den angekündigten 50 Millionen, die den Kommunen in Südniedersachsen versprochen sind, viel Geld im System hängen bleibt. Es wird Zeit für konkrete Projekte, Meldungen über immer neue Steuerungsausschüsse oder andere Planungsgremien haben wir genug gelesen. Es bleibt ohnehin wie früher, wie vor der Einsetzung der Regionalbeauftragten: Entscheidungen über Fördergelder trifft das Ministerium, nicht der Beauftragte. Die seien nur bessere Türsteher, sagte heute FDP-Mann Christian Dürr und schränkte das sprachliche Bild auch gleich selbst wieder ein: Ein Türsteher entscheide ja schließlich, wer rein kommt und wer nicht… Und Fördergelder für bedeutende Projekte in die Region zu holen, das sei auch schon vor dem Regionalbeauftragten-System gelungen, sagte Christian Grascha. Als Einbecker Landtagsabgeordneter habe er sich besonders beim damaligen Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) dafür eingesetzt, dass der kürzlich eröffnete PS-Speicher in Einbeck Geld vom Land erhalten hat.

Journalisten geben ja ungerne Fehler zu, und eigentlich ist es ja auch nur ein Versäumnis 😉 Das allerdings ist beschämend genug, das räume ich offen ein. Ich bekenne mich dazu, dass ich heute beim Pressegespräch mit dem FDP-Fraktionschef vergessen habe, nach den aktuellen FDP-Wahlwerbungen in Brandenburg („Keine Sau braucht die FDP“) und Thüringen („Wir sind dann mal weg!“) zu fragen. Ob das die neue, erfolgversprechende Masche ist, wieder über fünf Prozent zu kommen? Aber vielleicht antwortet ja Christian Dürr noch nachträglich hier, mit einem Kommentar…

Und so sieht das Sommertour-Selfie übrigens von vorn aus:

 

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2 Kommentare zu „Sommertour-Selfie

  1. Der Autor hatte ja nach einer Kommentierung der FDP Kampagnen in Thüringen und Brandenburg gefragt – dem komme ich natürlich gerne nach 🙂 Kurz gesagt: es geht darum deutlich zu machen, dass die Politik auf Pump der anderen Parteien alles andere als zeitgemäß ist. Natürlich freut sich jeder Betroffene über einen früheren Renteneintritt. Natürlich freuen sich Investoren von Photovoltaikanlagen über eine zweistellige Rendite und das auf 20 Jahre garantiert. Aber ich glaube es braucht auch eine Partei, die an der richtigen Stelle Wasser in den Wein kippt. Mag nicht immer populär sein, aber meines Erachtens unverzichtbar. Und genau das rücken die beiden Kampagnen in den Mittelpunkt – passt also 🙂

    1. Danke für die schnelle Antwort 🙂 Die Kampagnen wollen also mit den zitierten Sprüchen (Medien-)Aufmerksamkeit wecken, Ziel erreicht würde ich sagen, jetzt werden ja die provokanten Sprüche mit mehr inhaltlichen überklebt. Da guckt sicher jetzt mancher noch ein zweites Mal hin. Ob ich allerdings Wasser im Wein so gut finde, lasse ich mal unkommentiert 😉

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