
Statistik ist eine feine Sache. „Statistisch gesehen ist bei Ihnen die Welt noch in Ordnung“, sagt der Interessenvertreter der Kassenärzte, Mark Barjenbruch. Und auch in Zukunft: Im Jahr 2030 sei im Raum Einbeck die ambulante medizinische Versorgung noch zu 121 Prozent erfüllt. Doch das sind Zahlen der Statistik. Gefühlt sei es schon heute anders, räumt er ein. Dieses Gefühl haben imgrunde alle Einbecker, die wenigstens manchmal Kontakt zu ihrem Hausarzt haben. In den nächsten fünf Jahren wird die Hälfte der Einbecker ihren Hausarzt verlieren, weil dieser in den Ruhestand geht: Das sagt Dr. Florian Schröder, Allgemeiner Vertreter im Einbecker Rathaus. Diese und weitere alarmierende Zahlen diskutiert aktuell bereits ein Runder Tisch zur hausärztlichen Versorgung in Einbeck. Noch müsse die Kommune nicht die Reißleine ziehen, begleite die Debatte aber und bringe Mediziner zusammen: „Die Not beschleunigt das ein bisschen“, sagt Schröder. In Kürze wird eine eigene Website freigeschaltet, mit der der Runde Tisch über die Lage und Lösungsmöglichkeiten informieren will.

Wie soll die ambulante und stationäre medizinische Versorgung in Zukunft aussehen – und welche Rolle kann und soll dabei das Einbecker Bürgerspital einnehmen? Darüber haben auf Einladung des CDU-Arbeitskreises Gesundheit im Landkreis Northeim der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Mark Barjenbruch, der medizinische Geschäftsführer des Bürgerspitals, Dr. Olaf Städtler, der Northeimer CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne und Einbecks Rathaus-Vize Dr. Florian Schröder diskutiert. Ein paar Besucher mehr wären der informativen Veranstaltung zu wünschen gewesen, über die mehr als unglückliche Terminierung habe ich mich ja bereits ausgelassen. Ein Fazit nach rund dreistündiger, munterer, gesunder Frühstücks-Debatte: Niedergelassene Ärzte werden enger zusammenarbeiten (müssen), kommunale Versorgungszentren werden entstehen. Der Hausarzt der Zukunft wird weiblich sein und eher in Teilzeit arbeiten – diesen Trend nannte Mark Barjenbruch von der KVN. Rund um die Uhr einen „Leib-und-Seele-Hausarzt“ werde es immer seltener geben, es seien andere Konzepte gefragt, begrüßte der Northeimer CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne neue Versorgungsideen im ländlichen Raum. Gesetzliche Möglichkeiten habe man dafür jedenfalls geschaffen.
Wie erfolgreich beim Bürgerspital geschehen, einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in Einbeck, müssten auch bei den niedergelassenen Medizinern alle gesellschaftlichen Kräfte zusammengebracht werden, fordert der Wirtschaftsförderer im Einbecker Rathaus, Dr. Florian Schröder. Offen für neue Strukturen in der ambulanten Versorgung in Gesundheitszentren zeigt sich der medizinische Geschäftsführer des Einbecker Krankenhauses, Dr. Olaf Städtler. Als Haus- und Fachärzte gemeinsam wie beim Bürgerspital etwas zu unternehmen, das könne erfolgreich sein, ist er optimistisch: „Das funktioniert.“ Der von ihm eigentlich erwartete Neugier-Effekt nach der Klinik-Neubau-Eröffnung in Northeim sei in Einbeck übrigens nicht spürbar gewesen, das Haus konsolidiert und bei einer rosaroten Null angelangt. Von der Politik fordert Dr. Olaf Städtler Neutralität gegenüber den Kliniken: „Behandelt uns genauso wie die anderen Anbieter ringsum.“ Das Einbecker Bürgerspital werde bundesweit beobachtet, gelte als interessantes Modell, das in der regionalen Verwurzelung seine Chance habe, berichtete Gesundheitspolitiker Dr. Roy Kühne.
Ganz besonders wachsam, das hat die Diskussion gezeigt, werden die Einbecker sein, sobald sie mitbekommen, das ein benachbarter Klinikkonzern im Raum Einbeck und Dassel Arztsitze aufkauft und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) daraus bildet. Der Patient sei zwar in erster Linie froh, wenn überhaupt noch ein Arzt vor Ort sei. Doch wenn über die Hintertür MVZ einseitig Überweisungen und Zuweisungen generiert werden sollten, werden maßgebliche Kräfte in Einbeck nicht scheuen, entsprechend dagegen tätig zu werden, das wurde in der Diskussion sehr deutlich. Bis dato ist dem KVN-Vertreter Mark Barjenbruch noch kein Monopolverfahren bekannt gewesen.
