
Mit Planungen und Konzepten ist das ja so eine Sache. In der Regel beauftragt die ehrenamtliche Kommunalpolitik die hauptamtliche Stadtverwaltung oder externe Fachleute damit, wenn sie Pläne oder Konzeptionen entworfen sehen möchte. Denn im Rathaus oder (immer öfter) in beauftragten Fachbüros sitzen die Experten für oftmals hochkomplexe Themen wie Personennahverkehr. Die abschließende Entscheidung liegt natürlich bei der Politik, sie ist der Souverän, dem Planentwürfe und Konzepte vorgelegt werden. So geschehen jetzt auch mit dem Mobilitätskonzept der Stadt Einbeck. Umfangreiche Vorarbeiten mit Beteiligung der Öffentlichkeit (Infostand) und der Ortsräte sind vorausgegangen. Seit der Fusion mit der Gemeinde Kreiensen 2013 ist es allgemeiner Wunsch, dass die Anbindung vor allem von Greene und Kreiensen an die Kernstadt Einbeck über den Personennahverkehr verbessert werden soll. Intern wurde eine Leistungsbeschreibung für den Auftrag Mobilitätskonzept erarbeitet, der Auftrag wurde schließlich im Februar vergangenen Jahres an das Planungsbüro „Planersocietät – Stadtplanung, Verkehrsplanung, Kommunikation“ aus Dortmund von der Politik vergeben. Projektleiter Rolf Alexander hat in dieser Woche das Konzept im Stadtentwicklungsausschuss präsentiert (zu den Inhalten weiter unten). Die sich anschließende politische Diskussion war dann allerdings schon ein wenig schräg. Die genannte Zahl der Mehrkosten in Höhe von 820.000 Euro pro Jahr hat da wohl einige erschüttert. „Die Verbesserung der Mobilität ist mit Investitionen verbunden“, machte Alexander klar. Im Klartext: Busverkehr kostet Geld. Was freilich keine neue Erkenntnis sein dürfte, ebenso wenig wie die Einsicht, dass die Stadt Einbeck heute und in den nächsten Jahren imgrunde keinen finanziellen Spielraum für Mehrausgaben hat. Dass kein Geld da ist, weiß jeder Kommunalpolitiker. Es können nur andere Prioritäten gesetzt werden, die vorhandenen Mittel auszugeben. Hat etwa jemand erwartet, dass da ein Konzept vorgelegt wird mit zusätzlichen Busverbindungen und flexiblen Buslösungen und dass jemand sagt, das alles kostet nicht einen Cent mehr?
Busverkehr ist in der Tat „eines der letzten großen Abenteuer“, wie Dietmar Bartels (Grüne) flappsig sagte. Und deshalb sollte man bei diesem Abenteuer mit so vielen Stellschrauben und zu berücksichtigenden Komponenten vielleicht besser auf diejenigen hören, die sich damit auskennen. Die Stadt ist im Nahverkehr nur ein (ziemlich kleiner) Player im Zusammenspiel von Landkreis, Busunternehmen, Bahn AG und Zweckverbänden. Was völlig uncharmant ist und ein bisschen herausgeworfenes Planungsgeld, ist ein Konzept zu beauftragen und sich dann nicht an das Ergebnis halten zu wollen, sondern an diesem herumdoktern zu wollen – weil man meint, es besser zu können, nur weil man auch schonmal Bus gefahren ist. Besonders dreist war da die Forderung von Klaus-Reiner Schütte (SPD) an das Planungsbüro, die harten Kalkulationsdaten herauszugeben, damit man sich selbst ausrechnen kann, wieviele Linien in welcher Taktung sich die Stadt Einbeck leisten kann.
Das Mobilitätskonzept will Möglichkeiten für die künftige Planung und Verbesserung der Strukturen im öffentlichen Verkehr im Stadtgebiet Einbeck vorstellen; sie müssen ohnehin noch mit den anderen Aufgabenträgern abgestimmt werden. Es sieht vor, dass eine neue Stadtbuslinie 1 an allen Tagen umsteigefrei Greene und Kreiensen mit der Kernstadt (Innenstadt und Krankenhaus) verbindet. Zwei weitere Stadtbuslinien sollen West- und Südstadt sowie die Ost- und Nordstadt erschließen – immer mit dem Ziel im Hinterkopf, möglichst schnell und reibungslos den Bahnhof Einbeck-Mitte erreichen zu können, der zentrale Umsteigestelle werden soll (nicht zuletzt wegen der reaktivierten Bahnstrecke nach Salzderhelden). Die festen Linien sollen als Grundlage einen verlässlichen Taktfahrplan erhalten, ebenso einen einheitlichen Linienweg, bei dem Hin- und Rückweg identisch sind. Flexibel soll der Busverkehr mit Anruf-Linien-Taxi und Flexi-Bussen werden. Wichtiges Element des Mobilitätskonzepts ist der neue Flexbus. Im Unterschied zum Anruf-Linien-Taxi als flexibler Bedienungsform sind beim Flexbus keine festen Linienwege vorgegeben, sondern es werden so genannte Bedienungsgebiete und erreichbare Ziele definiert. Es besteht kein fester Fahrplan, der Linienweg ergibt sich aus eingehenden Fahrtwünschen. Diese müssen bis zu 30 Minuten im Voraus angemeldet werden. Mit Hilfe eines Navigationssystems wird aus den eingehenden Fahrtwünschen immer die schnellste Verbindung für das Fahrpersonal ermittelt. Vorgesehen ist das Flexbus-System in dem Konzept in den südlichen Dörfern (Edemissen, Sülbeck etc.) sowie im Nordbereich (Stroit, Naensen, Erzhausen etc.). Fast alle Ortschaften (außer Negenborn) sollen ein regelmäßiges Busangebot (auch am Wochenende) mit Anbindung an einen Nahversorgungsstandort und Bahnhof erhalten.
Was heißt das alles eigentlich jetzt für die bereits vorliegenden ZOB-Pläne? Die hatte der Ausschuss ja auf Eis gelegt, weil er auf das Mobilitätskonzept warten wollte. Kein Wort jetzt dazu, naja das stand ja auch nicht auf der Tagesordnung… Das Mobilitätskonzept immerhin hat der Fachausschuss als Ziel für die künftige Gestaltung zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs mehrheitlich beschlossen und will dabei die Haushaltslage beachten. Die Ziele sollen im Verbund mit dem ZVSN Göttingen, dem Landkreis Northeim und interessierten Verkehrsunternehmen vorangetrieben werden, lautet der knappe 7:6-Stimmen-Beschluss. Die SPD hätte es lieber gesehen, das Konzept nur zur Kenntnis zu nehmen und wollte es in den Fraktionen nochmal beraten und modifizieren. Alles andere sei „Augenwischerei“, meinte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki. Weil man ja wisse, dass kein Geld da sei. Mit Beschluss des Konzepts wecke man Erwartungen bei den Bürgern. Vielleicht sollte man dann darauf verzichten, überhaupt Konzeptionen und Planungen in Auftrag zu geben. Denn das allein weckt Erwartungen. Ich beauftrage ja auch keinen Architekten, wenn ich gar kein Haus bauen möchte.
Nachtrag 12.05.2017: Die SPD-Ratsfraktion hat zu viele Konzepte kritisiert, die mangels Geld nicht umgesetzt werden könnten. Selbst will man daraus lernen und in Zukunft differenziertere Planungsaufträge geben, sowohl inhaltlich wie auch finanziell, wie Fraktionschef Rolf Hojnatzki im Pressegespräch auf meine Frage sagte.