Wie entsteht ein kommunaler Haushalt? Keine Angst, hier kommt jetzt nicht zu viel Theorie. Nur ein bisschen: Damit der Stadtrat am Ende über den von der Verwaltung aufgestellten Etat für ein Haushaltsjahr beraten und beschließen kann, müssen viele Zahlen zusammen getragen werden, unter anderem die von Investitionen. Es gibt immer mehr Wünsche als Geld. Immer. Deshalb muss die Politik am Ende entscheiden, welche Projekte sie in einem Haushaltsjahr bezahlen kann und will – und welche nicht. Immer. Die Verwaltung jedoch muss vor dem Beschluss viel rechnen und möchte gerne rechtzeitig wissen, bei welchen Projekten sich intensives Rechnen lohnt, weil das Projekt Aussicht hat, im Haushalt zu bleiben und in absehbarer Zeit realisiert zu werden. Weil es dringlich ist, weil es notwendig ist, weil es finanzierbar ist. Unnützes Rechnen kostet nicht nur Zeit, sondern bindet in der Stadtverwaltung auch Personal, das in dieser Arbeitszeit auch das ausrechnen kann, das nicht für den Papierkorb ist.
Aus diesen Gründen führt das Rathaus eine Prioritätenliste. Im Finanzausschuss stand diese am Dienstag auf der Tagesordnung, damit der Haushalt 2019 rechtzeitig von Kämmerin Brigitte Hankel und ihrem Team ausgerechnet werden kann. Der Ausschuss erkannte nahezu unisono die Prioritätenliste aber nicht als Planungsinstrument, sondern empfand sie fast als Angriff auf ihre politische Entscheidungshoheit. Und das nicht zum ersten Mal. „Ich habe ein Déjà-vu“, sagte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Dieses Gefühl, eine Situation so schon einmal erlebt zu haben, hatte sie nicht exklusiv. Die Diskussion über die Liste habe man doch vergangenes Jahr schon einmal geführt, wunderte sich die Rathauschefin. Einzig der Finanzausschuss-Vorsitzende Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste/GfE), von Beruf Steuerberater, identifizierte die Prioritätenliste als „zusätzliche Information“, die nichts politisch festschreibe, sondern eine reine Beratungsvorlage sei. Ein „strategisches Instrument zur Haushaltsplanung“, wie es Kämmerin Brigitte Hankel formulierte. Die Ausschussmehrheit aber brauchte mehr Beratungszeit und hatte die Unterlagen vor der Sitzung offenkundig nicht gelesen und sich nicht ausreichend vorbereitet. Und vertagte den Beschluss der Liste kurzerhand auf eine Extra-Sitzung des Finanzausschusses am 5. Juni um 17 Uhr im Neuen Rathaus, rechtzeitig vor dem beschließenden Stadtrat, damit vor dem Sommer die Haushaltsplanung beginnen kann, die Kämmerei möglichst effizient nur für diejenigen Dinge rechnen muss, die auch politisch gewünscht sind, und schließlich die Bürgermeisterin im Herbst den Haushalt 2019 einbringen kann in die politische Beratung.
Für die Öffentlichkeit waren in der Tat einige Projekte in der Prioritätenliste neu (beispielsweise ein Wissensquartier aus Museum, Archiv, Kindergarten und Bibliothek). Dass sich jedoch Ausschussmitglieder ahnungslos gaben, wie hier insbesondere Ulrich Vollmer und Albert Eggers (beide CDU), obwohl erste Infos zu dem Projekt laut Bürgermeisterin den Fraktionsspitzen vorliegen, kann dann nur damit erklärt werden, dass offenbar die interne Kommunikation in manchen Fraktionen verbessert werden muss. Inhaltlich beschäftigt hat sich der Ausschuss mit der Projekte-Reihenfolge in der Liste am Dienstag noch nicht, sondern hat eher (wieder) die Systemfrage gestellt. Marcus Seidel (SPD), der noch nie ein Freund der zugegeben kompliziert erscheinenden Prioritätenmatrix war, reklamierte mehr Diskussionsbedarf. Und wünschte sich eine andere Reihenfolge der priorisierten Projekte. Und finanzielle Dimensionen bei den einzelnen Projekten angegeben, über die sage die Liste nämlich nichts aus. Die Kämmerin warb noch einmal dafür, es anders herum zu verstehen, mit der Liste Prioritäten zu setzen, nach denen die Verwaltung dann konkreter anfange zu rechnen. Ob sie überzeugend genug war, kann jeder im nächsten Finanzausschuss erleben. Ich freilich schließe ein erneutes Déjà-vu nicht aus.