
Schnell könnte es nach Einschätzung der SPD-Stadtratsfraktion gehen – und teuer müsste es auch nicht sein, wenn es um die Verbesserung der Situation am Neustädter Kirchplatz geht. Das schreiben die Sozialdemokraten in einer Presseinformation nach einem Besuch des Innenstadtplatzes gestern (SPD PM NeustädterKirchplatz 18-10-20) und reagieren damit auch auf einen jüngsten offenen Brief und eine Antwort von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Die SPD möchte einen aus dem Jahr 2011 stammenden Plan (SPD Neustädter Kirchplatz_Plan2011) für eine Umgestaltung des Neustädter Kirchplatzes umsetzen. „Wir können und wollen uns nur das leisten, was notwendig und finanzierbar ist“, erklärt SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Hojnatzki in der Pressemitteilung. Für die von den Sozialdemokraten favorisierte Lösung sollen in den Haushalten 2018 und 2019 rund 700.000 Euro veranschlagt werden, zwei Millionen Euro weniger als im Entwurf vorgesehen, rechnet die SPD vor. Steuererhöhungen und Neuverschuldung, wie sie der Haushaltsentwurf der Bürgermeisterin vorsieht, auch um den Entwurf für den Platz zu realisieren, lehnt die SPD ab. Bei ihrer Lösung sei auch eine Verlagerung der bisher maroden unterirdischen Toilettenanlage und der Trafostation in das bisherige Gemeindehaus vorgesehen; dieses gehört jetzt der Stadt. Sobald der Haushalt 2019 verabschiedet und genehmigt sei und es die Witterung zulasse, könne sofort mit der Sanierung des Platzes begonnen werden, schreibt die SPD nach einem Ortstermin auf dem zugewucherten „Schandfleck“.
Ich habe mir zu dieser neuesten Wendung in der nicht enden wollenden Geschichte des Neustädter Kirchplatzes folgende Anmerkungen und Fragen notiert:
- Das Zeitfenster, in dem eine Konsens-Lösung für die Zukunft des Neustädter Kirchplatzes möglich gewesen wäre, scheint geschlossen zu sein. Die SPD ist offenkundig auf der Suche nach einem kontroversen, bei den Bürgern kampagnetauglichen Thema für die nächste Bürgermeisterwahl 2021, bei der noch gar nicht alle Optionen bekannt sind. Der Platz polarisiert bei den Bürgern und Wählern, das ist klar. Um nicht missverstanden zu werden: Das alles ist völlig legitim und wäre das Salz in einer schmackhaften Politiksuppe, die keine Konsenssoße ist. Die SPD bringt sich in klare Opposition zur Bürgermeisterin, der man Jahre der unnützen Planungen und des Stillstandes in die politischen Schuhe schieben kann – wenn diese denn überhaupt noch einmal kandidiert. Die SPD jedenfalls bereitet schon mal, wenn sie Erfolg mit ihrem Vorstoß haben sollte und eine Mehrheit im Stadtrat dafür findet, ein Szenario vor, in dem sie sich als die Partei feiern lassen könnte, mit der sich endlich was bewegt auf dem Platz. Sie sollte dabei nicht vergessen, dass sie sowohl zur Ausschreibung eines Architektenwettbewerbes als auch zu seinem planerischen Ergebnis ebenfalls die Hand gehoben und mitgestimmt hat bei den einstimmigen Voten.
- Ich bin kein Stadtplaner, Ingenieur oder Experte, gehe aber mal davon aus, dass die SPD vor ihrem Vorstoß mit solchen gesprochen hat. Eine Summe von 700.000 Euro als auskömmlich aufzurufen, wo andere vier Millionen Euro ausgeben wollen, finde ich angesichts der mit dieser Summe umzusetzenden Aufgaben ambitioniert, zurückhaltend formuliert. Hat die SPD hier angesichts einer Hochkonjunktur in der Baubranche mit ihren explodierenden Kosten und implodierenden Zeitplänen seriös gerechnet und solche Dinge wie Auschreibungen der Gewerke berücksichtigt? Der von der SPD angekündigte Zeitplan klingt zu schön um wahr sein zu können.
- Einen fast acht (!) Jahre alten Plan jetzt aus dem Hut zu zaubern, erstaunt. Der nun wieder vorgelegte Plan sieht übrigens neue Spitzahorn-Bäume vor dem Amtgericht vor, nur eines von mehreren bemerkenswerten Details, wer sich den (damals übrigens aus dem Bauamt der Stadt stammenden) Plan mal ganz genau anschaut. 2011, die älteren von uns erinnern sich (es gab noch kein elektronisches Ratsinformationssystem, die gute alte Papierzeit), war mit Ulrich Minkner ein SPD-Mann Bürgermeister dieser Stadt, im Stadtrat gab es eine Jamaika-Mehrheit (CDU, FDP, Grüne), die gerne mal alles aus dem Rathaus torpedierte. Auch wegen dieser Blockade passierte lange nichts auf dem Neustädter Kirchplatz. Was passiert als Nächstes? Holt jetzt die CDU ihren Uralt-Plan aus dem Archiv, die ja mal für, wenn ich mich richtig erinnere, rund 300.000 Euro den Neustädter Kirchplatz als großen Parkplatz planieren und asphaltieren wollte? 2011 war, ich will auch das nur noch mal in Erinnerung bringen, weit vor dem Planungs-Intermezzo, das ja mal eine Bebauung des Platzes mit einem großen Geschäftshaus („Neustädter Palais“) vorsah, bis der potenzielle Investor die Segel strich.
Eines jedenfalls wird immer deutlicher: Es gibt (wieder) verschiedene Auffassungen über die Gestaltung des Neustädter Kirchplatzes. Mit dem Haushalt 2019 werden diese politisch aufeinander stoßen, spätestens im Finanzausschuss am 6. November. Jede Seite wird für ihre Meinung und ihren Standpunkt werben. Die Ideen und Planungen (davon gab es eine ganze Menge in den vergangenen Jahren) liegen offen auf dem Tisch. Das alles ist legitim und sogar gut so, nennt sich schließlich Demokratie. Was aber nun das Entscheidende sein wird: Am Ende steht eine Mehrheitsentscheidung, so oder so, und diese muss dann unverzüglich umgesetzt und akzeptiert werden von allen. Das absolut unwürdige Würgen um den Neustädter Kirchplatz muss ein Ende haben.