Sommerlich erschien die jüngste Sitzung des Stadtrates: Die Temperaturen in der Multifunktionshalle waren durchaus hoch, die Belüftung ausbaufähig, die Reihen bei den Ratsfrauen und Ratsherren gelichtet, sechs Ratsmitglieder fehlten entschuldigt, die Tagesordnung enthielt vor allem Formalien, die alle einstimmig abgesegnet wurden – ohne nennenswerte Diskussionen. Kein Einwohner ergriff in den Fragestunden das Wort. Und so plätscherte die Stunde so dahin, bis bei den Anfragen von Ratsmitgliedern dann doch noch das Thema zur Sprache kam, das nicht auf der Tagesordnung stand, aber zuletzt viele Schlagzeilen bestimmt hat.
Antje Sölter (CDU) nahm die Debatte über das Alte Rathaus und vor allem den geplanten Fahrstuhl in ihrer Anfrage zum Anlass, einmal grundsätzlich zu werden. Freie Meinungsäußerung sei ein hohes Gut, und Kritik müssten sich Kommunalpolitiker gefallen lassen, das sei man mittlerweile gewohnt, obgleich alle ehrenamtlich im Rat arbeiteten. Aber sich öffentlich als Mitläufer titulieren zu lassen, die zwei Herren hinterlaufen würden und Steuergeld verschwendeten, das sei dann jetzt doch zuviel. „Wir haben es ehrlich gesagt satt“, ärgerte sich Antje Sölter – und sie spreche da ausdrücklich auch für ihre Ratskollegen der SPD/CDU-Gruppe und sicherlich auch für viele weitere. Entscheidungen im Stadtrat würden nicht im Vorbeigehen getroffen. Glaube wirklich jemand, dass bei SPD und CDU alle immer die Meinung der beiden Fraktionsvorsitzenden vertreten würden? „Wir sind erwachsene, selbst denkende und im Beruf und Leben stehende Personen, die täglich ihre Frau bzw. ihren Mann stehen, Verantwortung tragen und Eigeninitative zeigen, die bereit sind, viel Freizeit zu erübrigen, um im Sinne der Stadt verantwortlich Entscheidungen zu treffen“, machte Sölter deutlich. Und die genau dafür demokratisch von einer Mehrheit der Bevölkerung gewählt worden seien, welche eben jenes den zur Wahl gestandenen Kandidaten zugetraut hatten.
Demokratisch getroffene Entscheidungen müssten auch alle Ratsmitglieder akzeptieren, sagte Sölter. Wenn sich eine Mehrzahl für bestimmte Entscheidungen ausgesprochen habe, dann habe diese zuvor Vorlagen gelesen, Sitzungen besucht, sich mit verschiedenen Blickwinkeln beschäftigt, das Gespräch mit Beteiligten verschiedener Meinung gesucht und die rechtlichen Vorgaben geprüft. Ob das bei allen immer auch so sei, die öffentlich ihre Meinung sagen, in Leserbriefen oder in Social Media Kommentaren?
Seit der jüngsten Kommunalwahl im vergangenen Herbst, nach der sich die Gruppe aus SPD und CDU im Stadtrat gebildet hat, müsse man lesen, dass man sich zusammengetan habe, um Einzelnen zu schaden oder willkürliche Entscheidungen zu treffen. „Darf man so schreiben, muss man aber nicht glauben“, verwies Sölter auch hier auf die Meinungsfreiheit. Denn Jahrzehnte habe man gelesen, dass SPD und CDU keine einheitlichen Entscheidungen treffen, nur Parteipolitik betreiben und Nein sagen würden, wenn der andere Ja sage.
Um der Stadt Bestes zu suchen, haben sich SPD und CDU zusammengetan, erläuterte Antje Sölter. „Glaubt irgendjemand wirklich, dass diese Entscheidung aus dem Bauch heraus getroffen wurde und dann auch noch gleich allen gefallen hat“, fragte die Christdemokratin. Es sei nicht nur nicht leicht gewesen, sondern es habe massiv Gegner der neuen Gruppe in den beiden Parteien gegeben. Sie selbst sei auch zunächst ablehnend gewesen. „Aber ich bin nicht gewählt, um persönliche Meinungen und persönliche Bedürfnisse durchzusetzen, sondern um das Wohl der gesamten Stadt zu sehen, Kernstadt wie Ortschaften“, erklärte Antje Sölter. Nach zehn Jahren in der Kommunalpolitik sei das zurückliegende halbe Jahr das entspannteste gewesen, bekannte sie. Und die Einigkeit falle auch vielen Einwohnern positiv auf, diese machten aber keinen großen Lärm. „Wir werden zu Punkten kommen, an denen unsere Fraktion in der Gruppe an Grenzen kommt, an denen wir vielleicht weit auseinander driften“, prophezeite sie. „Gut so, das zeichnet uns in unterschiedlichen Parteien ja schließlich aus. Aber dann werden wir einen Kompromiss finden, nachdem wir uns ausgetauscht haben, für das Wohl der gesamten Stadt und nicht gegen Einzelne.“ Ob die Verwaltung Möglichkeiten sehen würde, Ratsmitglieder vor dererlei Anwürfen zu schützen, fragte Sölter schließlich.
Das sei schwierig, es bleibe oftmals nur der Hinweis, dass der Stadtrat ein demokratisch legitimiertes Gremium sei, antwortete Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Sie schlug vor, ein stärkendes Demokratie-Projekt zu initiieren, bei dem deutlich gemacht werden solle, welchen Wert die Demokratie habe und durch welche Einflüsse diese und zivilgesellschaftliche Prozesse gestört oder bedroht werden.
Baudirektor Joachim Mertens antwortete auf eine Frage von Manfred Helmke (Grüne), wie teuer denn dieser Fahrstuhl eigentlich wirklich sei, die immer wieder durch Leserbriefe geisternde Million seien doch die Gesamtkosten für die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen. Ganz einfach sei das bei solchen Projekten nicht herauszurechnen, sagte Mertens, aber letztlich könne man mit rund 180.000 Euro für den Fahrstuhl rechnen, der Rest der Gesamtsumme 946.000 Euro setze sich aus den übrigen vorgesehenen Arbeiten zusammen.
Alexander Kloss (FDP/Kloss) fragte die Verwaltung, warum bei dem jüngsten Termin zweier Fachausschussvorsitzender mit dem Behindertenbeauftragten am und im Alten Rathaus denn nicht der komplette Rat eingeladen gewesen sei und ob die Denkmalpflege, wie zu lesen gewesen sei, tatsächlich keine Bedenken habe bei dem Projekt. Fachbereichsleiter Joachim Mertens verwies in seiner Antwort darauf, dass bei dem Ortstermin mit dem Behindertenbeauftragten und der Presse die Stadt nicht Einlader und er auch nur Gast gewesen sei, und ja, es sei richtig, dass sowohl die Untere Denkmalschutzbehörde (das ist die Stadt) als auch das Landesamt für Denkmalpflege den Planungen zugestimmt hätten.
Nach der beschlossenen geänderten Planung werde derzeit der erforderliche Nachtrag zum Bauantrag im Rathaus erarbeitet, hatte die Bürgermeisterin berichtet. Die Nachtragsgenehmigung werde Ende August erwartet, parallel würden die Ausschreibungen durchgeführt, so dass voraussichtlich Anfang September mit den Bauarbeiten begonnen werden könne, sagte Dr. Sabine Michalek.

Im Kern ging es bei dem teils politiktheoretischen Vortrag von Frau Sölter m.E. um die rhetorische Abschlussfrage an die Verwaltung, wie kann sie die Ratsmitglieder der Mehrheitsgruppe schützen, … vor Lesebriefen, mündigen Bürgern oder Ratsmitgliedern mit anderen Erkenntnissen, die sich öffentlich äußern (dürfen die das überhaupt?). Das alleinige Wirken soll nicht gestört werden, damit im Hinterzimmer, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne Transparenz, ohne breiten öffentlichen politischen Diskurs, der beste Kompromiss für unsere Stadt gefunden werden kann. Politische Kompromisse und Entscheidungen gab es früher auch schon, mal Gute, mal weniger Gute, nur halt mit einem Mindestmaß an öffentlichem Diskurs. Zum Besten einer Stadt gehört für mich der Umgang mit den Bürgern auf Augenhöhe, Transparenz, Öffentlichkeit, Informationsfreiheit und Bürgerbeteiligung. Ein von der Bürgermeisterin angeregtes Demokratie-Projekt könnte diese Demokratiegrundlagen wieder mehr ins Bewusstsein der Bürger und der von den Bürgern gewählten Akteure rücken.
Genau so ist es, Herr Rybarczyk! Es ist keine Majestätsbeleidigung, wenn einzelne sachkundige und sich an die Formen der Höflichkeit haltende Kritiker der gegenwärtigen Stadtregierung auf mehreren Gebieten und mit guten Argumenten widersprechen. Ich kann nicht beurteilen, ob das in allen Beiträgen in den sogenannten sozialen Medien auch so gehandhabt worden ist. Aber dann wäre es ihrer Sache dienlich gewesen, wenn Frau Sölter statt ihres undifferenzierten Rundumschlags gegen alle und jeden, der nicht auf der Linie der Großen Gruppe liegt, das auch für alle verständlich zum Ausdruck gebracht hätte. Es wäre aus ihrer Perspektive wahrscheinlich zu viel verlangt, wenn sie oder jemand anders sich bei den Kritikern dafür bedankt hätte, dass es nicht die Parteipolitiker im Stadtrat sondern aufgeweckte kritische Bürgerinnen und Bürger waren, die gleich mehrere unsinnige Projekte wie die Auflösung der Hospitalstiftungen, den ebenso unsinnigen und finanziell von Anfang an auf wackeligen Kalkulationen beruhenden Bau des „Wissensquartiers“ etc. und die im Moment gerade anstehende Verschandelung unseres Alten Rathauses. Wenn größere finanzielle Belastungen sich ankündigen wie etwa der Umbau der Goetheschule dann ist in diesem Falle zwar nicht die Stadt direkt in der finanziellen Pflicht, es müsste aber mit „Tod und Teufel zugehen“, wenn der Landkreis seine Schulumlage nicht drastisch erhöhen müsste.
Man möge es mir deshalb bitte nicht nachsehen, wenn ich mich – freundlich im Ton, aber hart in der Sache – dafür engagiere, dass unser Stadtrat möglichst schnell eine andere Mehrheit bekommt. Und das immer ohne prollige Pöbeleien unter der Gürtellinie.
Es geht nicht um das „Ob“, sondern das „Wie“! Mündige Bürgerinnen und Bürger sollten die Möglichkeit haben, sich an politischen Debatten zu beteiligen. Darüber herrscht hoffentlich Einigkeit! Leider beobachte ich seit Jahren einen sozialmedialen Sittenverfall mit unangemessen und unsachlichen Einlassungen und persönlichen Anfeindungen. Da ist die Tastatur leider häufig schneller als der Verstand. Ein pauschaler Rundumschlag gegen alle, die sich an öffentlichen Diskussionen beteiligen, halte ich allerdings für wenig hilfreich. Es entsteht der Eindruck, dass abweichende Meinungen generell nicht gerne gesehen sind. Das schadet dem Ansehen der Politik und beflügelt Verschwörungstheorien. Das von der Bürgermeisterin angeregte Demokratieprojekt ist ein Schritt in die richtige Richtung – wenn es denn ernsthaft umgesetzt werden soll.
Kritisieren ist so einfach. Vielleicht, weil es bei der Entwicklung unserer Stadt kein richtig und kein falsch gibt. Allerdings weiß irgendjemand (und das ist natürlich der, der immer Recht hat) ganz genau, was die richtige Lösung ist.
Zugegebener Weise ist Einbeck nicht Paris, aber ich erinnere mich noch, als jemand in Paris die großartige Kulisse des Louvre mit einer Glaspyramide völlig verschandelt hat. Inzwischen bin ich ein Fan von dieser architektonischen Meisterleistung und bekenne, dass ich für die Veränderung nicht reif gewesen bin. Unsere Stadt braucht neue Impulse – auch als historische Bier- und Hansestadt. Die (Weiter-) Entwicklung des alten Rathauses an der exponiertesten Stelle der Stadt ist langfristig gut angelegtes Geld. Ob der Fahrstuhl hinter das Rathaus, in die Stadtwaage, oder sonst wohin kommt, ist mit im Moment egal, da jede Lösung Pros und Contras hat. Wichtig ist, dass wir das Herz unserer Stadt auf Vordermann bringen. Wenn ich schon Kritik äußern möchte, dann an der Reihenfolge des Vorgehens. Erst ein Konzept für das alte Rathaus, dann die bauliche Planung, Aber, ich weiß auch, dass es da auch andere Meinungen geben kann – und das ist auch gut so.
Ich freue mich jedenfalls – und das stimme ich Antje Sölter uneingeschränkt zu – dass wir einen durchsetzungsfähigen Stadtrat haben, der Entscheidungen trifft. Gerade da ich weiß, dass alte Gräben nicht so schnell zugeschüttet werden, habe ich umso mehr Respekt vor dem gemeinsamen Agieren. Ich hoffe aber, dass bei aller notwendigen Bündnistreue der Ratsmehrheit, dass Zuhören guter Argumente nicht zu kurz kommt. Eines ist für mich jedenfalls sicher: die Ratsfrauen und Ratsherren handeln parteiübergreifend gemeinsam für Einbeck!