Eine Woche nach dem 11.11. sind die Karnevalsfreunde in Einbeck mit ihrem neuen Präsidenten Jan „herangestörmert“ und haben bei der närrischen Schlüsselübergabe auf dem Balkon des Historischen Rathaus am Marktplatz das Zepter in der Stadt übernommen. Von Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erhielt das Prinzenpaar der 76. Session, ihre Lieblichkeit Aneka I. und seine Tollität Sven II., mit großem Gefolge nicht nur den symbolischen Rathausschlüssel, sondern ganz smart auch eine digitale Zugangskarte zum Rathaus – frisch als Einzelstück in sichtbarer Größe von der „Zugangskontrollstelle“ ausgedruckt. Einen Türschlüssel, den nehme man doch heute nicht mehr, außerdem sei die Kasse der Stadt ohnehin komplett leer, sagte Michalek. „Ich hoffe nun sehr, dass es Euch wieder gelingt, zu regieren die Stadt mit närrischem Plan, damit ich am Aschermittwoch – ausgeruht und beschwingt – am Besten die randvoll mit Humor gefüllte Stadtkasse vorfinden kann“, reimte die Rathauschefin, vorübergehend außer Dienst. Sie freue sich darauf, von den Karnevalisten den Spiegel vorgehalten zu bekommen, sagte die Bürgermeisterin. „Liebes Narrenvolk , spart nicht mit Spott und schenkt uns Frohsinn und Heiterkeit, so vertreibt ihr uns die Sorgen in der dunklen Zeit.“ Bis Aschermittwoch sollte also niemand die Worte auf die Goldwage legen, sondern über Ironie und Satire lachen.

„Heute stehn wir bei den drei Türmen, um von der Stadt auch noch das Rathaus zu erstürmen“, sagte Prinzessin Aneka I., die zusammen mit ihrem Mann Prinz Sven II. Falke vor drei Jahren nach Einbeck gekommen ist, und als Gastronomin neben dem Brodhaus kürzlich auch noch zwei Hotels in der Innenstadt übernommen hat. Und so kündigte das närrische Prinzenpaar launig an, die Stadt frei zu machen von allen Sorgen. „Wir schicken Euch in Urlaub ab nach Haus, und stellen im Rathaus ein paar Betten auf. Sind die Hotels dann ausgebucht, dann wird das Rathaus von den Touristen besucht“, reimten Aneka I. und Sven II. in Richtung Bürgermeisterin und Rat. „Eine Übernachtung soll dann auch was kosten für all die Massen, dann kriegt Ihr das Rathaus zurück mit vollen Kassen“, lautete der närrische Plan des Prinzenpaars. „Die Spatzen rufen es schon von den Dachbalken, zum Glück haben wir in Einbeck den Falken.“
Und für den Neustädter Kirchplatz präsentierte das Prinzenpaar auch eine kluge Karnevalslösung: Die Baustelle dort mache schon lange keine gute Figur im Stadtbild. „Aber wir haben eine gute Idee, um das zu beenden, wir sind gespannt, wie Sie das so fänden. Mit zwei Baggern ist es schnell vollbracht, und der Platz wird einfach platt gemacht. Dann werden wir dort ein Karnevalsmuseum errichten, da erzählen wir dann noch in 20 Jahren von unseren Geschichten.“ Und auch für die Hallenplan-Baustelle hatten die Karnevalisten eine anpackende Lösung. „Die Ratsmitglieder selbst werden springen, Arm und Bein, und wir werden sehen, so schnell kann die Baustelle erledigt sein.“

Zum „EnKaPeee“ äußerte sich auch die Bürgermeisterin, bevor sie den Schlüssel abgab. „Ich glaub, der Anblick tut uns allen in der Seele weh“, sagte Michalek über die Dauerbaustelle Neustädter Kirchplatz. „Doch wer schon einmal musste sich streiten vor Gericht, der weiß, dass dort Geduld angesagt ist als oberste Pflicht. Der Gutachter hat endlich geschürft und wir harren nun, des Richters Urteilsspruch – etwas anderes ist zurzeit nicht opportun.“
Eine weitere Sache hatte die Bürgermeisterin auf dem Herzen. „Die Welt steckt einfach voller Krisen, das kann die Stimmung echt vermiesen. Überall auf der Erde werden Menschen malträtiert, warum hat die Menschheit das Frieden halten immer noch nicht kapiert?“, fragte Michalek und wandte sich dann an die Kommunalpolitik. „Frieden halten fängt im Kleinen an, das sollten wir immer beherzigen – nicht nur dann und wann. Ich meine damit nicht, Diskurs und Streit aus dem Wege zu geh’n, wichtig ist für mich, auch im Argument des andren den Sinn zu seh’n“, appellierte die Bürgermeisterin. „Wir sollten unsere Worte bedachtsam wählen, und uns nicht darin gefallen, auf Populismus zu zählen. Wenn wir der Red‘ des anderen entgegnen, ist es kein guter Stil, auf das Gegenüber nur Schmähungen herabzuregnen. Überdies wär’s gut, im öffentlichen Diskurs auch mal enthaltsam zu sein, verbaler Durchfall erschwert die Arbeit und das Miteinander ungemein.“

