Bundestagsabgeordnete Frauke Heiligenstadt unterwegs im Wahlkreis, das Ohr am Bürger

Was macht eigentlich eine Bundestagsabgeordnete? Wenn nicht gerade Sitzungswochen in Berlin die Anwesenheit in der Hauptstadt erfordern, weil Gesetze beraten und beschlossen werden müssen, sind die Parlamentarier in ihren Wahlkreisen unterwegs. Frauke Heiligenstadt, die seit gut 555 Tagen Bundestagsabgeordnete in der SPD-Regierungsfraktion ist, hat in dieser Woche die Gelegenheit zu mehreren Besuchen in der Region Einbeck genutzt, um das Ohr bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zu haben. Das reichte von der Kennenlernen-Visite bis zur Gesprächseinladung, thematisch von den Herausforderungen der energieintensiven Eisengießerei Gattermann in Dassel bis zum Standort-Marketing in Einbeck. Rats Apothekerin Dr. Elisabeth Quick hatte Frauke Heiligenstadt einen Brief geschrieben und sie nach Einbeck eingeladen, um die Auswirkungen der aktuellen Arzneimittel-Engpässe konkret vor Ort zu erläutern: im Offizin der Apotheke am Marktplatz, die seit 100 Jahren im Familienbesitz ist.

Apothekerin Dr. Elisabeth Quick schilderte der SPD-Bundestagsabgeordneten Frauke Heiligenstadt die aktuellen Herausforderung.

„Ich mache mir gerne selbst ein Bild“, sagt Frauke Heiligenstadt. Natürlich sei sie in Berlin im Austausch mit den entsprechenden Fachpolitikern ihrer Fraktion. Doch vor Ort in einer Apotheke erläutert zu bekommen, wie es ist, wenn die Mitarbeiter händeringend versuchen, nicht lieferbare Standard-Arzneimittel für ihre Kunden doch noch zugänglich zu machen, ist dann noch mal eindringlicher. Wobei die 57-jährige Bundestagsabgeordnete bereits einen familiären Einblick in die Branche hat, ihre Schwester ist Pharmazeutisch-Technische Assistentin.

Elisabeth Quick, die vor acht Jahren die traditionsreiche Rats Apotheke in Einbeck von ihrer Mutter übernommen hat und sie heute mit insgesamt elf Mitarbeitenden betreibt, zeigt Frauke Heiligenstadt direkt am Computer, wie die Liefersituation von Standard-Antibiotika oder Hustensäften zurzeit ist. Wie schlecht sie ist. Welche gängigen Wirkstoffe nicht zu beschaffen sind, wie Apotheker jeden Tag aufs Neue jonglieren müssen, um die von den Ärzten den Patienten verschriebenen Medikamente zugänglich zu machen und die Rezepte einzulösen – und dabei auch noch die komplexen Regelungen der Krankenkassen zu beachten. Zwar gelten zurzeit teilweise Sonderregeln, nach denen Medikamente in anderen Packungsgrößen als den verordneten abgegeben werden dürfen. Aber wenn Apotheker Rücksprache mit dem rezeptierenden Arzt halten müssen, weil sie den verordneten Wirkstoff aktuell in dieser Zusammensetzung nicht bekommen können, stoßen sie meist an andere ganz praktische Grenzen: Wie für Patienten sind auch für die Apotheker Hausarztpraxen telefonisch meist nur sehr schwer zu erreichen.

Bei alledem seien seit zehn Jahren die Vergütungen für Apotheken nicht angehoben worden, lasse auch die Wertschätzung für die Arbeit von Apotheken nach, die eben mehr als eine Ausgabestelle von Arznei sei, sagt Elisabeth Quick. Und so werde auch die flächendeckende Apothekenversorgung dünner. Als Eigentümerin der Rats Apotheke als stadtbildprägendes Gebäude am Marktplatz aus dem 16. Jahrhundert, das seit 1833 Apotheke ist, habe sie auch eine Verantwortung für die Stadt. „Aber ich weiß nicht, wie lange ich der noch gerecht werden kann“, macht die Apothekerin im Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten deutlich.

Frauke Heiligenstadt dankte nach dem gut einstündigen intensiven Austausch für die offenen Worte, die ihr in der politischen Arbeit sehr helfen würden. Da hatte sie bereits dem Apotheker-Ehepaar Quick berichtet, dass zurzeit ein Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen in der parlamentarischen Beratung ist, um auch in schwierigen Zeiten sicherzustellen, dass Medikamente in der Fläche verfügbar sind. Apotheken dürften dann leichter wirkstoffgleiche Arzneimittel an Patientinnen und Patienten abgeben, sollte es zu Engpässen kommen. Zudem werde ein Frühwarnsystem eingeführt, das rechtzeitiges Handeln bei befürchteten Engpässen ermögliche. Elisabeth Quick bat eindringlich darum, im direkten Kundenkontakt nicht noch in eine weitere Ausnahmeliste schauen zu müssen, welche Medikamente von welchem Hersteller von welcher Krankenkasse denn im Lieferengpass-Management ausgegeben werde könne, das dauere zu lange und sei zu bürokratisch. Heiligenstadt warb um Verständnis, dass es bei starken Eingriffen in den Markt zu Kontrollmechanismen kommen müsse.

Rats Apotheker Drs. Elisabeth und Matthias Quick mit dem Landtagsabgeordneten René Kopka (l.) und der Bundestagsabgeordneten Frauke Heiligenstadt (r.).

Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Gillersheim hat sich vor dem Gespräch in der Apotheke mit den beiden Geschäftsführern der Einbeck Marketing GmbH darüber ausgetauscht, wie der Standort Einbeck für Unternehmen wie Mitarbeiter attraktiv bleiben oder werden könnte. Welche Faktoren entscheidend sind dafür, dass Menschen aus Großstädten wieder in den ländlichen Raum rückkehren. Wie der Fachkräfte- oder Mitarbeiter-Mangel in verschiedenen Branchen bekämpft werden könnte. Die MdB sammelt dabei Informationen, vernetzt sich und kann dadurch zur Ansprechpartnerin für die Menschen in ihrem Wahlkreis werden. Das ist politisches Tagesgeschäft. Das jedoch meist nicht in der Öffentlichkeit sichtbar wird.

Dabei kommt Frauke Heiligenstadt ihre politische Erfahrung zugute, die sie als Landtagsabgeordnete in Hannover und Kultusministerin (2013 bis 2017) oder auch schon als Wirtschaftsförderin in Northeim gewinnen konnte. Zumal die SPD-Politikerin nach wie vor auch Mitglied des Kreistages ist und in einer Woche wahrscheinlich als Unterbezirksvorsitzende ihrer Partei wiedergewählt werden dürfte. Die örtliche Verwurzelung ist Frauke Heiligenstadt sehr wichtig, an ihr will sie auch nach eineinhalb Jahren im Bundestag nicht rütteln, wie sie sagt, selbst wenn es terminlich oftmals schwierig und herausfordernd ist. Die Kreistagsvorsitzende verzichtet deshalb auf die Mitgliedschaft in Fachausschüssen des Kreistages, das wäre zu oft mit notwendiger Anwesenheit in Berlin unvereinbar.

Im Bundestag hat die 57-Jährige inzwischen mehr als 100 Sitzungen in dieser Wahlperiode hinter sich gebracht, Frauke Heiligenstadt ist Mitglied des Finanzausschusses und in ihrer Fraktion Berichterstatterin für die Themen private Altersvorsorge (Riester) und finanzpolitischer Verbraucherschutz (wenn beispielsweise Banken ihre Gebühren erhöhen) sowie der Besteuerung dieser Sachverhalte. Im wichtigen Haushaltsausschuss ist die SPD-Frau stellvertretendes Mitglied, hat dort früh den Fuß in der Tür, wenn es um Förderprogramme geht, die für ihren Wahlkreis relevant sind. Und dass sie hier schon einiges habe bewegen können für die Region, ist der MdB nicht unwichtig zu erwähnen. Wobei Einbeck (bis auf 183.000 Euro für die Heldenburg-Sanierung) bislang noch keine so großen Summen auf sich vereinigen konnte. Anders als Goslar, St. Andreasberg oder Clausthal-Zellerfeld. Durch die KfW-Förderprogramme sind laut Heiligenstadt im Jahr 2022 in ihren Wahlkreis 52 geflossen: 216 Millionen Euro im Programm „Energieeffizienz und erneuerbare Energien“, 34,4 Millionen Euro im Bereich „Öffentliche Infrastruktur“, insgesamt 325,3 Millionen Euro Förderungen für insgesamt 2.191 Wohneinheiten in den Landkreisen Goslar, Northeim und Göttingen.

Einbeck-Marketing-Geschäftsführer Sven Schröder und Rebecca Siemoneit-Barum mit dem SPD-Landtagsabgeordneten René Kopka und der SPD-Bundestagsabgeordneten Frauke Heiligenstadt.