Weniger Parken, mehr Boulevard

Bauamtsleiter Frithjof Look erläuterte die Planungen.

Bauamtsleiter Frithjof Look (stehend) erläuterte am Dienstag Abend in der Einbecker Rathaushalle die Planungen.

Weniger Platz zum Parken, mehr Freiraum für Fußgänger und Fahrradfahrer auf dem Fachwerk-Boulevard – das ist aus der Sicht der beauftragten Stadtplaner von „Schöne Aussichten“ (Kassel/Hamburg) das Ziel für die Tiedexer Straße in Einbeck. Der Innenstadt-Straßenzug mit der Fachwerk-Häuserzeile aus dem 16. Jahrhundert soll als zentraler Teil einer sich durch die City ziehenden „Magistrale der Baukultur“ umgestaltet werden, seit Oktober läuft dazu bereits die Bürgerbeteiligung – mit durchaus großer Resonanz. Die Tiedexer Straße soll das Beispiel in Einbeck sein, wie in Zukunft Schritt für Schritt anhand von so genannten Leitlinien für den öffentlichen Raum das Erscheinungsbild der Altstadt attraktiver werden kann. Dabei geht es um Pflasterungen, Parkplätze und Papierkörbe ebenso wie um Beleuchtung, Bürgersteigbreiten und Barrierefreiheit.

Sehr gute Resonanz fand die Präsentation der Planungsempfehlungen im Alten Rathaus.

Sehr gute Resonanz fand die Präsentation der Planungsempfehlungen im Alten Rathaus.

Für die Tiedexer Straße präsentierten die Stadtplaner jetzt erste Vorentwürfe, wie die Straße so umgestaltet werden kann, dass sich dort mehr Menschen gerne aufhalten, der Verkehr beruhigt wird und Wohnen und Einzelhandel gestärkt werden können. Alle Nutzungswünsche werde man freilich nicht erfüllen können, räumte Landschaftsarchitekt Nikolai Soyka ein. Es gelte, den Spagat zu schaffen. In dem umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess der vergangenen Monate in Einbeck habe sich die Mehrheit der befragten Anlieger dafür ausgesprochen, die Variante „Freiraum“ weiter zu verfolgen. Sie bedeutet, dass es in der Tiedexer Straße keine quer zur Fahrbahn verlaufenden Parkplätze wie heute mehr geben wird, sondern nur noch parallele. Dadurch fallen von den aktuell 25 vorhandenen Parkplätzen je nach Straßenverlauf acht bis zehn Stellplätze weg. Die Haltung der Anlieger hat die Stadtplaner durchaus überrascht. Denn bis zu zehn Parkplätze weniger direkt vor Geschäften, Wohnungen und fußläufig zur Fußgängerzone sind schon eine Hausnummer, vielleicht lassen sich ja, so ein Vorschlag der Planer, in den Innenhöfen beispielsweise zwischen Tiedexer und Marktstraße weitere Parkplätze (zumindest für Anwohner) zum Ausgleich schaffen. Ziel der Variante „Freiraum“ ist, dass die Gehwege breiter werden und beispielsweise Gelegenheiten für Gastronomie und Ladengeschäft-Auslagen geschaffen werden können. Bei der „extremsten“ Variante „Freiraum“ gibt es nur noch eine sogenannte Mischverkehrsfläche mit durchgängigem Belag, auf dem die Parkplatzflächen eingepflastert sind. „Es gibt natürlich auch Stimmen, die den Wegfall von Parkplätzen kritisieren“, sagte Nikolai Soyka in der Rathaushalle. Und die meldeten sich natürlich in der anschließenden Debatte auch zu Wort. Anliegernutzung und Aufenthaltsangebot in der Tiedexer Straße müsse sich aber verbessern, erklärte der Stadtplaner. Während der Bürgerbeteiligung seien oft Meinungen zu hören gewesen, dass die Gehwege fast immer zu schmal seien, es zu viel Verkehr in der Tiedexer Straße gebe, die parkenden Autos die Fachwerkfassaden störten.

Leider konzentrierte sich die Diskussion in der sehr gut gefüllten Rathaushalle am Dienstag Abend zu sehr auf die Punkte Parkplätze und vor allem die Kosten für die Anlieger in der Tiedexer Straße. Ich kann selbstverständlich verstehen, dass Hauseigentümer wissen möchten, mit welchem finanziellen Beitrag sie für ihr denkmalgeschütztes Ensemble kalkulieren müssen. Investitionen müssen schließlich zuvor angespart oder Kredite aufgenommen werden, niemand hat eine Portokasse irgendwo im Gewölbekeller stehen, aus der er das bezahlen kann. Aber immer nur und als Erstes fragen: Was kostet mich das? Ist nicht die Frage „Was bringt mir persönlich, meiner Immobilie und uns in Einbeck das“ imgrunde viel hilfreicher? Dann klappt’s vielleicht auch mal wieder mit einem Mieter. Viele Anlieger sind mir da zu unduldig. Mir geht es ja auch oftmals nicht schnell genug, aber Planung benötigt Zeit, gute Planung vor allem, wie Bauamtsleiter Frithjof Look bei Amtsantritt sagte. Geduldig, aber am Ende der knapp zweistündigen Veranstaltung mit zunehmend leicht genervt wirkender Stimme erläuterte Look wieder und wieder, warum die Stadt und er heute keine seriöse absolute Zahl oder Prozentzahl nennen könne, mit wieviel Euro die Anlieger bei einer Umgestaltung der Tiedexer Straße dabei sein werden. Denn bei den Planungen sei man ja erst ganz am Anfang, ein erster Schritt sei getan, was konkret umgestaltet werden soll, muss erst noch entschieden werden, ob zum Beispiel komplett gepflastert wird oder nur ein Teil mit Pflaster, die Fahrspur in Asphaltbauweise. Und dann ist zudem noch nicht klar, ob und welche Zuschüsse und Fördergelder gegebenenfalls für das Projekt bereit stehen werden. Eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten derzeit also. Prognosen sind schwierig, weil sie die Zukunft betreffen. Das wäre in etwa so als würde ich (45) heute bereits meinen 50. Geburtstag planen wollen und ich würde meinen Gästen schon genau sagen, wie diese Feier ablaufen wird. Weder kann ich schließlich heute verlässlich sagen, ob ich im Fünf-Sterne-Hotel oder in der Currywurstbude feiere, wieviele Gäste ich dazu einladen werde – und ob ich überhaupt feiern werde.

Der Stadtentwicklungsausschuss wird in seiner nächsten Sitzung am 19. April darüber diskutieren und entscheiden, wie für die Tiedexer Straße und die „Magistrale der Baukultur“ weitergeplant werden und welche Varianten-Maßnahmen verfolgt werden sollen, aber auch dann steht man noch ganz am Anfang. Bis der erste Bagger rollen wird, werden noch Monate vergehen, werden aber auch die Bürger weiter bei den Detailplanungen weiterhin beteiligt, beispielsweise bei den Varianten des möglichen Pflasterbelags, bei der Art der Straßenbeleuchtung und -Möblierung mit Bänken und Mülleimern.

Im Fokus des Interesses: die ersten Vorplanungen für die Umgestaltung der Tiedexer Straße.

Im Fokus des Interesses: die ersten Vorplanungen für die Umgestaltung der Tiedexer Straße.

Die ausführliche, 68-seitige Analyse der Defizite und Potenziale für die öffentlichen Flächen zwischen PS-Speicher und Möncheplatz sowie die Empfehlungen der Stadtplaner von „Schöne Aussichten“ für die „Magistrale der Baukultur“ in Einbeck stehen hier als PDF-Datei zum Download bereit. Im Neuen Rathaus hängen die Pläne in Papierform aus (2. Obergeschoss, Altbau). In den nächsten zwei Wochen bis zum 29. Februar kann jeder seine Meinung sagen und Anregungen geben zu den Planungen: direkt persönlich in der Stadtverwaltung, telefonisch oder aber über E-Mail unter magistrale@einbeck.de Die Hinweise sollen für die Beschlussvorlage des Ausschusses noch eingearbeitet werden, so das Versprechen der Planer.

Parken vor Fachwerk-Fassade: So wie es jetzt ist, soll es nicht bleiben.

Quer parken vor der historischen Fachwerk-Fassade: So wie es jetzt ist, soll es nicht bleiben.

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