
Er wolle ja niemandem im Kreistags-Sitzungssaal zu nahe treten, sagte Landrat Michael Wickmann: „Aber es gibt keinen hier, der den Deal in allen Nuancen durchblicken kann.“ Man müsse sich auf die Expertise der Berater verlassen, auf die Informationen aus dem seit eineinhalb Jahren laufenden Kaufverfahren. Und: Ja, das Geschäft habe Risiken, wer die verschweige, der sage die Unwahrheit, so Wickmann. Doch die Chancen überwiegen nach Meinung des Landrats. Stromversorgung im ländlichen Raum mit eigener Hand beeinflussen zu können, bringen den Menschen etwas und schaffe zusätzlich Wertschöpfung vor Ort. Und daher könne er die Transaktion mit den „erschlagenden Zahlen“ dennoch empfehlen. Die Mehrheit überzeugte das, 36 Kreistagsabgeordnete stimmten mit Ja, zehn mit Nein. Enthalten hat sich niemand.
Der Deal, das ist der Kauf von Eon-Aktien durch zwölf Landkreise in Südniedersachsen, Nordhessen, Ostwestfalen und Nordthüringen sowie die Stadt Göttingen. Für insgesamt 618 Millionen Euro kaufen sie ihre Anteile zurück, Re-Kommunalisierung nennt sich das, weil die Aktien bis 2001/02 den Kreisen schon einmal gehört haben, dann aber zur kurzfristigen Haushaltskonsolidierung verkauft worden waren. Der Landkreis Northeim ist mit 89 Millionen Euro bei dem Geschäft dabei. Finanziert wird das Ganze über 20 Jahre laufende Kredite, der Schuldendienst soll mit den zu erwartenden Dividenden aus den Aktien bedient werden. Zinssatz 3 Prozent. Warum die Eon überhaupt verkaufen will? Ihr seien Renditen von 5 Prozent zu wenig, es sollten wie früher 20 Prozent sein, so der Landrat.
Der Landkreis will seine Städte und Gemeinden an dem Aktien-Rückkauf beteiligen, kündigte der Landrat an, dabei aber nichts verdienen, einige kommunale Energieversorger hätten auch schon angeklopft. Ob dazu auch die Stadtwerke Einbeck, eine hundertprozentige Tochter-GmbH der Stadt Einbeck, gehören, ist bislang nicht bekannt.
Für das komplexe Transaktionsgeschäft umfasst allein die Beschlussvorlage für den Kreistag acht DIN-A4-Seiten.
Irnfried Rabe (FDP), ein alter kommunalpolitischer Fahrensmann mit jahrzehntelanger Erfahrung, einst Kreisdirektor, Northeimer Bürgermeister und manches mehr, gab zu, nicht alles könne man als Kreistagsabgeordneter bei diesem Eon-Deal durchdringen. Und ein Geschäft in einer solchen Größenordnung habe selbst er bislang als Kommunalpolitiker noch nicht mitgemacht. Was ihn wundere und zur Rest-Unsicherheit und seinem Unbehagen beitrage, sei die Offenheit der Eon in diesem Verfahren, während auf der anderen Seite kommunale Stadtwerke die Eon verklagen müssten auf die Herausgabe der Netze.
Timo Dröge (CDU) kritisierte die ausschließliche Fremdfinanzierung des Deals, die noch dazu mit 80 Prozent durch eine Bürgschaft und mit 20 Prozent durch Verpfändung der Altaktien aus seiner Sicht überbesichert sei. Die Transaktion sei ein Spekulationsgeschäft mit hohem Risiko, zu hohem: „Uns schenkt doch niemand etwas.“

Marc Hainski (GfE) sprach sich verbal am Deutlichsten für den Kauf aus. „Politik machen heißt auch, ein bisschen Arsch in der Hose zu haben“, sagte der Einbecker. Auch er wisse selbstverständlich nicht, was in 20 Jahren sei und ob man dann rückblickend sagen müsse, es sei nicht alles richtig gewesen. Er sage aber lieber heute Ja als sich nicht zu trauen.
Christina Münder (SPD), die als einzige bei der rot-grünen Mehrheitsgruppe mit Nein stimmte, trieb es ans Mikrofon, weil ihr wichtig war zu betonen, warum sie den Deal ablehnte – aus Verantwortung vor künftigen Generationen und der Kreisfinanzen. Das, sagte sie in Richtung von Marc Hainski, bedeute genauso, Arsch in der Hose zu haben.
Bei der CDU stimmte allein Joachim Stünkel für den Aktien-Rückkauf, die meisten CDU-Abgeordneten waren gegen den Deal. FDP, Grüne und SPD votierten dafür.
Anmerkung: In einer ersten Version des Textes waren Fehler, die ich korrigiert habe.
Nachtrag 13.12.2013: Laut Mitteilung der Kreisverwaltung hat das niedersächsische Innenministerium die vom Landkreis zu übernehmende Bürgschaft genehmigt. Der Umsetzung der Transaktion stehe nichts mehr im Wege, ließ der Landrat mitteilen.
Nachtrag 23.12.2013: Laut Mitteilung der Eon, ist die Eon Mitte mit Abschluss der Transaktion am 19.12.2013 wieder zu 100 Prozent ein kommunales Unternehmen, das jetzt den traditionsreichen Namen EAM trägt.