Schnell und unbürokratisch

In vielen Orten engagieren sich seit vielen Wochen viele freiwillige Helfer, um geflüchtete Menschen bei ihrem Ankommen im Landkreis Northeim zu unterstützen. Im Kreishaus haben sich mittlerweile erstmals die Koordinatoren der lokalen Flüchtlingsinitiativen, Runden Tische, Netzwerke und Gesprächsrunden getroffen, eine weitere Zusammenkunft ist für Juni bereits vereinbart. Gut, wichtig und hilfreich ist es, bei solchen Vernetzungstreffen einen Austausch untereinander zu initiieren, denn die lokalen Initiativen haben zweifellos ähnliche Anliegen und Fragen. Das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden.

Mit Zsuzsanna Bényei-Büttner hat eine neue Mitarbeiterin der Diakonie-Stiftung ihre Koordinations- und Beratungsarbeit in Einbeck in den Räumen des EinKiFaBü am Hallenplan aufgenommen, gestern hat die aus Ungarn stammende, seit 31 Jahren in Deutschland lebende 54-Jährige sich und ihre Arbeit kurz und prägnant im Sozialausschuss vorgestellt. „Neue Nachbarn“ heißt das Projekt, das von der Diakonie-Stiftung finanziert wird, und das Hilfe suchende und Unterstützung anbietende Menschen zusammenführen will. Ihr Job sei es, Bedürnisse der Flüchtlinge zu erfahren und mit der Bereitschaft der Bürger und deren Hilfsangeboten in Einklang zu bringen, sagte sie. Bényei-Büttner berichtete beispielsweise von ganz konkretem Hilfsbedarf: Wenn Flüchtlingen eine Wohnung zugewiesen worden sei, fehlten oftmals so grundlegende Dinge wie Toilettenpapier oder Spülmittel in der neuen, leeren, nur mit Möbeln ausgestatteten Wohnung; auch Lebensmittel seien keine vorhanden (und oftmals kämen die Flüchtlinge abends in ihr neues Zuhause, wenn Geschäfte schon geschlossen seien und ihnen auch niemand mehr den Weg zum Supermarkt weisen könne). Hier könne ein kleines Willkommenspaket mit Toilettenpapier und mit anderen Grundausstattungs-Gegenständen effektiv wirkungsvoll sein. Bényei-Büttner freut sich auf ihre Aufgabe, sie erfordere viel Kommunikation.

Wer allein die Debatte gestern im Sozialausschuss des Einbecker Stadtrates verfolgt hat, fühlte sich nach so viel konkreter Information und anpackender Tätigkeit schnell wieder ernüchtert. Ich musste sofort an die erfrischende Aussage des Goslarer Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk (CDU) denken, der kürzlich bei einer Podiumsdiskussion ein wenig beschämt gesagt hatte, dass bei Hochwasser-Katastrophen an Elbe und Oder binnen kürzester Zeit enorme Finanzmittel bereit gestellt werden könnten, bei der Flüchtlingsproblematik aber leider alles sehr viel langsamer gehe, gefragt sei jedoch ein schnelles und unbürokratisches Handeln, um den Menschen zu helfen. Der Mann hat Recht. Von der quälend langsamen Diskussion, bis man den hilfsbereiten Bürgern endlich sagt, wie sie konkret helfen können, will ich heute gar nicht wieder reden, hier wird hoffentlich die neue Koordinierungsstelle der Diakonie schnell und unbürokratisch aktiv werden können. Dass seit Februar (!) immer noch kein Leitfaden für Helfer vorliegt (er wird jetzt vom Landkreis erarbeitet) und eine „digitale Willkommensplattform“ mit Basisinfos als Unterseite der städtischen Website noch nicht online ist, muss eigentlich nicht kommentiert werden, es spricht für sich.

Beim Thema Flüchtlinge, das drängt sich mir nach der gestrigen Ausschusssitzung auf, verlieren sich Politik und Verwaltung gerne mal im formalen Kleinklein des Verwaltungsalltags. Da wird der Zukunftsvertrag bemüht, der leider die finanziellen Fesseln anlegt und zusätzliche Ausgaben verbietet, da wird zwischen freiwilligen und Pflicht-Aufgaben unterschieden, ebenso zwischen gesetzlicher und moralischer Pflicht der Stadt Einbeck. Eigentlich, ja eigentlich sei ja der Landkreis zuständig. Wer erklärt einer Flüchtlingsfamilie, die in Einbeck ankommt, dass man leider leider nicht zuständig sei, dass man nicht genügend helfende Mitarbeiter habe. Zukunftsvertrag und so. Wollen wir wirklich, dass diese eine neue Zukunft suchenden Menschen als erstes Wort in deutscher Sprache dieses erlernen?

Und, mal ehrlich: Wem nützt eigentlich das Schwarze-Peter-Spiel, wessen Aufgabe es sei, zusätzlichen Personalbedarf im Rathaus festzustellen? Es ist ja verständlich (wenn auch leicht durchschaubar), dass die CDU sich verteidigend vor ihre Bürgermeisterin stellt. Die sagte gestern selbst, die Politik müsse sich entscheiden, ob andere Tätigkeiten bei den Rathaus-Mitarbeitern zurück gestellt werden sollten, weil die sich um Fragen der Flüchtlinge kümmern sollten, der Arbeitstag habe nur acht Stunden. Niemand macht den Rathaus-Mitarbeitern einen Vorwurf, dass sie nicht ihr Bestes geben und alles tun, um zu helfen. Was wäre freilich so falsch daran gewesen, dies alles als Rathauschefin selbst in eine Verwaltungsvorlage zu gießen und der Politik zur Abstimmung vorzulegen?

Letztlich einigte sich der Fachausschuss gestern einstimmig darauf, die Verwaltung möge den derzeit entstehenden zusätzlichen Zeit- und Personalbedarf ermitteln und Möglichkeiten prüfen, wie dies mit zusätzlichem Personal (beispielsweise durch einen Bundesfreiwilligendienstler) zu bewältigen wäre. Die Politik muss entscheiden, was vordringlich ist. Und ob sie es mit Hilfe für Flüchtlinge wirklich ernst meint.

die Koordinatorinnen und Koordinatoren der lokalen Flüchtlingsinitiativen mit v. l. n. r. : Katrin Bäumler - Koordinatorin Migration und Teilhabe beim Landkreis Northeim, Tsovinar Shaginian, Uwe Jahns, Karsten Haase - Fachdienstleiter - , Petra Kersten, Rudi Pfeiffer, Sabine Stahl, Yvonne Mascioni, Anke Braun-Müller, Bürgermeisterin Heike Müller-Otte, Roland Heimann, Zsuzsanna Bényei-Büttner, Kerstin Lüpkes, Doris Fricke, Christiane Eichmann, stellv. Superintendent Bernd Ranke, Hanna Langer und Sabine Nienhüser -Fachbereichsleiterin Soziales beim Landkreis Northeim Foto: Landkreis Northeim

Vernetzen die lokalen Flüchtlingsinitiativen (v.l.): Katrin Bäumler (Koordinatorin Migration und Teilhabe beim Landkreis Northeim), Tsovinar Shaginian, Uwe Jahns, Karsten Haase (Fachdienstleiter Landkreis), Petra Kersten, Rudi Pfeiffer, Sabine Stahl, Yvonne Mascioni, Anke Braun-Müller, Moringens Bürgermeisterin Heike Müller-Otte, Roland Heimann, Zsuzsanna Bényei-Büttner, Kerstin Lüpkes, Doris Fricke, Christiane Eichmann, Bernd Ranke (stellvertretender Superintendent), Hanna Langer und Sabine Nienhüser (Fachbereichsleiterin Soziales).  Foto: Landkreis Northeim

 

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