Was für ein Jahr! Durchaus ein Marathon für alle Beteiligten. Und vor allem einer mit Verlängerung. Und mit Hürden und Hindernissen, die niemand vor zwölf Monaten in diesem Rennen um den Chefsessel im Einbecker Rathaus geahnt hatte. Ein Wahlkampf, wie es keinen zuvor je gegeben hat: Mit desinfizierten Kugelschreibern am Wahlstand und Mund-Nase-Bedeckung auf dem Marktplatz. Ohne große Menschenansammlungen. Mit Abstand zum Wähler, wo eigentlich Nähe und Nahbarkeit gefragt sind. Und ein beinahe aseptischer Wahlabend: Ohne Partys. Ohne jubelnde und sich in den Armen liegenden siegreichen Wahlkämpfern (okay, mit einer Ausnahme jedenfalls). Impressionen nach der Wahl und eine Analyse der Ergebnisse.

Die Bürgermeisterwahl 2020 in Einbeck ist entschieden, in der Stichwahl hatte die Amtsinhaberin mit 1500 Stimmen die Nase vorn. Bis 2026 wird Dr. Sabine Michalek weiter Bürgermeisterin sein, die neue fünfjährige Amtszeit beginnt Ende Januar. Denn bis dahin ist die 53-Jährige ohnehin noch gewählt.
Vor auf den Tag genau fast einem Jahr hatte alles begonnen: Mitte November 2019 erklärte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek bei einer CDU-Veranstaltung erstmals öffentlich, dass sie noch einmal antritt. Lange hatte sie sich damit Zeit gelassen, mit Familie und Freunden sorgsam abgewogen. Mit diesem „Ja, ich will“ bekam das Rennen ersten Rückenwind. Denn es galt die Frage zu beantworten: Wer tritt gegen sie an? Lange Zeit galt der 13. September als Fixpunkt, der ursprüngliche Wahltermin. Darauf war alles ausgerichtet, unter anderem die Kandidatenkür der SPD. Drei Bewerber gab es bei den Sozialdemokraten, die schon auf Tour zu den Mitgliedern gingen. Kurz bevor im März geklärt werden konnte, wer denn nun der Herausforderer oder die Herausforderin sein würde, kam Corona. Und zunächst die Hoffnung, zwar mit Verzögerung, aber dennoch alles pünktlich klären zu können. Diese Hoffnung starb früh. Und so einigte sich der Stadtrat, den Wahltermin auf den 1. November zu verschieben. Dass es damit nicht einfacher in der sich wieder verschärfenden Pandemie würde, ahnte wohl niemand damals.
Gestern Abend dann ist nach dem Ergebnis der Stichwahl die monatelange Anspannung von den Protagonisten abgefallen. Die Ziellinie ist überschritten: Gut 1500 Stimmen sind ein satter Vorsprung bei rund 11.000 abgegebenen Stimmen. Aber es ist ebenso richtig, dass sich Dirk Heitmüller mit 43 Prozent nicht zu verstecken braucht. „Ich hatte gedacht, es würde knapper werden“, räumte dann auch die Siegerin ein. Ein Vergleich mit dem Wahlergebnis von 2013 ist natürlich schwierig, zu viele Faktoren waren damals anders. Und dennoch: Dr. Sabine Michalek schaffte auch damals knapp 56 Prozent der Stimmen und ließ den damaligen Bürgermeister Ulrich Minkner mit 44 Prozent hinter sich. Beide trennte 1946 Stimmen Unterschied.
Vor knapp acht Jahren gingen freilich deutlich mehr Wähler an die Urnen: Bei fast 63 Prozent lag die Wahlbeteiligung der Fusionswahl mit Kreiensen. Jetzt waren nur 45 Prozent interessiert, ihre Stimme abzugeben. „Mit der Wahlbeteiligung können wir nicht zufrieden sein. Das muss besser werden in den nächsten Jahren, daran müssen wir gemeinsam arbeiten“, sagte Michalek am Wahlabend. Die geringste Wahlbeteiligung zeigte sich im Wahlbezirk Berufsschule I (21,17 Prozent) und wie schon vor zwei Wochen im Wahlbezirk Stadtbibliothek (21,58 Prozent). Die höchste Beteiligung konnte erneut in Rengershausen verzeichnet werden, wo 84,85 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl gingen – noch einmal mehr als vor zwei Wochen.
Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek gewann am Sonntag in 47 von insgesamt 58 Wahlbezirken, Dirk Heitmüller hatte wieder in elf Wahlbezirken die Nase vorn, er holte sich den Wahlbezirk Kreiensen III (Hainberg), den noch vor zwei Wochen die Bürgermeisterin für sich entschied. Auch Dörrigsen und Erzhausen konnte Heitmüller für sich drehen. Dafür holte sich Michalek am Sonntag die Wahlbezirke Rheinischer Hof I, Benser Mauer und Stadtbibliothek, wo zuvor ihr Herausforderer vorn lag.
In Rengershausen hatte Dr. Sabine Michalek mit 84,85 Prozent ihr stärkstes Einzelergebnis. Dirk Heitmüller erzielte sein bestes prozentuales Einzelergebnis nicht in seinem Heimatort Salzderhelden, wo er als Ortsbürgermeister zuhause ist, sondern in Rotenkirchen (60,49 Prozent).
In jedem Fall gab es wieder zahlreiche Briefwähler, und dabei dürfte der Corona-Effekt seinen Anteil haben, möglichst kontaktlos zu wählen: insgesamt 2124 (knapp 100 weniger als vor zwei Wochen). Zum Vergleich: 2013 gab es 1219 Briefwahlstimmen. Die Briefwahl-Vorstände zählten am Sonntag Abend deutlich schneller als beim ersten Wahlgang. Das vorläufige Endergebnis stand am Sonntag bereits um 18.54 Uhr fest, was ein wenig die Zeitplanung der Bürgermeisterin durcheinander brachte, saß sie zu diesem Zeitpunkt doch mit ihrer Familie bei „Hähnchenbrüsten á la dad“ beim Essen und hatte erst gegen 20 Uhr mit einem Ergebnis gerechnet, wie sie einräumte. Nun stand sie schon um 19.30 Uhr im Rathausflur und nahm die ersten persönlichen Glückwünsche entgegen: Von der CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Beatrix Tappe-Rostalski sogar mit Umarmung…
„Danke für den fairen Wahlkampf“, sagte die wiedergewählte Bürgermeisterin zu ihrem Herausforderer Dirk Heitmüller. Das könne man nicht immer erwarten: „Wir fetzen uns im Rat ja auch manchmal ganz gehörig“. Dr. Sabine Michalek betonte ihr Angebot, mit allen Fraktionen und Ratsmitgliedern weiter zusammen arbeiten zu wollen. „Es ist Einbeck, das im Vordergrund steht, und nicht der und die hier den Posten des Bürgermeisters hat“, sagte Michalek. Der sei immer ein Amt auf Zeit und könne auch wechseln. „Diesmal ist er bei mir geblieben.“

Persönlich war die SPD-Spitze ins Rathaus gekommen, um der Siegerin zu gratulieren. „Glückwunsch zum Wahlerfolg“, sagte Fraktionschef Rolf Hojantzki mit kontaktloser Geste. „Ich freue mich über ihr Angebot, auf weitere gute Zusammenarbeit zum Wohle unserer Stadt.“ Ortsvereinsvorsitzender Marcus Seidel betonte die Symbolik, dass er und Hojnatzki am Wahlabend zum Gratulieren präsent seien, und möchte das auch als Angebot zur Zusammenarbeit verstanden wissen. „Ich sehe das als große Wertschätzung“, freute sich Michalek. Seidel: „So war’s gedacht.“ Wir erinnern uns: 2013 war kein hochrangiger Sozialdemokrat im Rathaus zum Glückwunsch, auch nicht der unterlegene damalige Amtsinhaber.
Rolf Hojnatzki nutzte die Gelegenheit, seinem SPD-Kandidaten öffentlich zu gratulieren: „Danke für einen unglaublichen Einsatz, den er geleistet hat, in dieser wirklich schwierigen Phase mit Corona und den Rahmenbedingungen, die dazu gehören.“ Dirk Heitmüller habe „ein anständiges Wahlergebnis erzielt, mit dem wir zufrieden sind, damit können wir leben“, sagte Hojnatzki. Marcus Seidel ergänzte: „Wir können mit erhobenen Kopf verlieren, das tun wir auch.“
SPD-Herausforderer Dirk Heitmüller hätte natürlich selbst gerne die Nase vorn gehabt, ist aber mit seinem erzielten Ergebnis sehr zufrieden, zumal dieses „nicht so eindeutig“ sei, sondern der Abstand zur Gewinnerin eher knapp. Er werte das als Vertrauensbeweis der Wähler. „Offenbar war noch nicht die Zeit für einen Wechsel“, sagte der 51-Jährige. Er hatte sich in den Ortschaften mehr versprochen, zumal er ja selbst aus Salzderhelden und damit nicht aus der Kernstadt komme, wie er sagte. „Ich bedanke mich für den fairen Wahlkampf, dieser war sehr interessant. Ich wünsche der Bürgermeisterin viel Erfolg bei ihren Aufgaben“, sagte Heitmüller. Der Ortsbürgermeister von Salzderhelden konzentriert sich jetzt neben seinem Job wieder auf seine ehrenamtliche kommunalpolitische Arbeit im Stadtrat, in dem er als Beigeordneter im wichtigen Verwaltungsausschuss sitzt. Die wiedergewählte Bürgermeisterin habe viel versprochen, jetzt werde sie zeigen müssen, dass sie es könne, sagte Heitmüller.
Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek freute sich über ihr Ergebnis: „Ich bedanke mich ganz herzlich für jede einzelne Stimme und für das Vertrauen, das mir die Wählerinnen und Wähler geschenkt haben. Ich werde in den nächsten Jahren bis 2026 meine ganze Kraft zum Wohle der Stadt Einbeck einbringen.“ Sie sehe das Bürgermeisterinamt unverändert als überparteilich. „Meine nächste Aufgabe ist, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen und im Dezember in den Stadtrat einzubringen“, sagte die Bürgermeisterin am Wahlabend, „daran arbeiten wir im Rathaus schon mit Hochdruck.“
