
Der Kommerzienrat war ein cleverer Mann. August Stukenbrok, als Fahrrad-Versandkönig der damals vermutlich vermögendste Einbecker, ließ einen Park unweit der Post im Stil der damaligen Zeit anlegen und überließ ihn 1913 per Schenkungsvertrag der Stadt. Die ebenso einfache wie schlaue, dahinter steckende Idee fiel jedem offenkundig ins Auge. Der später als Dichter bekannt werdende Hermann Löns hat während seiner Zeit als Journalist in Hannover nach einem Besuch in Einbeck im Jahr 1910 unter anderem geschrieben: „Die Bedeutung der Firma springt jedem Reisenden in die Augen, der vom Bahnhof Einbeck kommend der Stadt zugeht.“ Das war es, was Stukenbrok im Sinn hatte: Eine freie, unverbaubare Sicht auf sein Fahrrad-Versandhaus, das jetzige Neue Rathaus! Heute freilich ist die Sichtachse auf den Glockenturm des Neuen Rathauses durch Bäume und Büsche zugewuchert und nur noch an wenigen Stellen erkennbar. Die Stukenbrok’sche Schenkung ist mit der Bedingung verknüpft, dass das 6800 Quadratmeter große Areal nicht bebaut werden darf. Heute schmerzt das ein wenig, gehört die Fläche doch ganz zweifellos zu den Filetgrundstücken in der Stadt Einbeck. Zwischenzeitlich war die Verpflichtung, hier nicht groß bauen zu dürfen, während der quälend langen Suche nach einem neuen Jugendzentrum-Standort mal in Zweifel stehend, weshalb überhaupt erst die Idee hatte entstehen können, das Haus der Jugend an den zentralen Ort der Stadtbibliothek zu verlegen – und nicht an den Rand der Stadt, wie es aktuelle Beschlusslage ist.
Der Stukenbrokpark, seit gut 100 Jahren in Obhut der Stadt, ist zweifellos in die Jahre gekommen. Wenige Rosen ranken an einsamen Spalieren, Treppen führen ins Nichts, Schotterwege sind ausgewaschen. Die Anlage hat wichtige Funktionen, ist beispielsweise alltäglicher Fußweg vieler Schüler vom ZOB zur Goetheschule, wird von vielen Menschen genutzt, wenn sie zu Fuß die Post, die Stadtbücherei, das Neue Rathaus, die Volksbank oder den Bahnhof erreichen wollen. Der weithin einsehbare Stukenbrokpark wäre auch der bessere Standort für den „Garten der Generationen“ mit seinen Geräten und Boule- und Schachspielflächen, der seit Jahren im Stiftsgarten ein weitgehend unbekanntes und versteckt liegendes Dasein fristet. Der Stukenbrokpark ist es wert, als Veranstaltungsort mit seiner großen Rasenfläche für beispielsweise Konzerte oder andere Kulturevents endlich entdeckt zu werden.

Nun sind Vorschläge gefragt, der Fachbereich Bauen und Planen der Stadtverwaltung hat erste Ideen-Skizzen und weitere Planungsunterlagen vorbildlich auf der Website veröffentlicht und bittet um Mithilfe. Jeder kann sich ein Bild machen, die Grundrisse und Möglichkeiten ansehen, erste eigene Ideen entwickeln. Klar ist dabei, dass nicht viel öffentliches Geld vorhanden sein wird, um kostspielige Pläne umzusetzen. Da wird spannend zu beobachten sein, wie bürgerschaftliches Engagement (so es denn vorhanden ist) hier mit eingebaut werden kann. Besonders wichtig ist der Stadtverwaltung, den nun schon seit mehreren Jahren stillgelegten Springbrunnen durch ein zeitgemäßes Wasserspiel mit mehreren bis zu 1,20 Meter hohen Fontänen zu ersetzen. In der Tat wirkt das leere Becken des Springbrunnens seit Jahren schäbig. Verständlich ist, dass angesichts leerer öffentlicher Kassen eine wenig pflege- und damit kostenintensive Bepflanzung des gesamten Parks ein Ziel der Stadt ist. Das sollte aber bitte nicht zu der seit Jahren üblich gewordenen Alibibepflanzung der Blumenbeete führen. Entweder sollten dann die Beete komplett verschwinden, oder aber zugunsten anderer Dinge wenigstens flächenfüllend auch mit Blumen versehen werden können.
Die Bürgerinformation-Veranstaltung am 28. Mai (17 Uhr, Stadtbibliothek) ist übrigens gleichzeitig eine öffentliche Sitzung des Ausschusses für Kernstadtfragen, für mich ein weiterer Beleg für seine Überflüssigkeit. Warum muss man eine Bürgerinformation in das formale Korsett einer Ausschusssitzung pressen (oder tut man dies, bürgerfreundlich wie man ist, am Ende gar nicht? Dann wäre auch keine Ausschuss-Sitzung als Form notwendig)? Vielleicht geht es ja aber auch nur darum, wer die Bürgerinformation leitet, der Kernstadtausschuss-Vorsitzende Rolf Hojnatzki (SPD) oder die Bürgermeisterin mit ihrer Verwaltung? In dem, wie ich unverändert der Meinung bin und begründet habe, überflüssigsten Ausschuss des Einbecker Stadtrates war der Stukenbrokpark schon mehrfach Thema, auch erste Ideen sind hier bereits einmal vorgestellt worden. Hoffentlich verschätzt sich die Verwaltung mit der Wahl des Sitzungsortes nicht beim Interesse der Bürger – der Lesesaal hat nur eine begrenzte Größe. Inhaltlich Sinn macht der Ort Stadtbibliothek ohnehin eigentlich nur, wenn es zuvor einen Ortstermin im nahen Park gibt. Und den sieht die Tagesordnung der Ausschuss-Sitzung nicht vor, in der Ankündigung der Bürgerinfo-Veranstaltung auf der Stadtwebsite hingegen ist ein gemeinsamer Rundgang genannt…

Nachtrag 29.05.2015: Die Bürgerinfo-Veranstaltung war letztlich formal doch eine Kernstadtausschuss-Sitzung, aber dennoch ertragreich mit vielen Ideen und Anregungen und sehr gut durch die Fachleute der Stadtverwaltung vorbereitet. Nach einer kurzen Status-Analyse der Planung gab’s einen Rundgang durch den Stukenbrokpark. Ein paar Anlieger und interessierte Bürger waren dabei, es hätten freilich gerne noch ein paar mehr sein dürfen. Ein erstes Fazit habe ich in meiner Freitags-Kolumne heute gezogen. Und fairerweise muss gesagt werden, dass sich in der Tat schon ein bisschen was getan hat im Park, seitdem das Thema vor rund einem Jahr wieder ins Bewusstsein gerückt worden war.

Manche Ideen werden einfach und schnell zu realisieren sein, andere komplizierter und vielleicht auch niemals, aber als Auswahl von Ideen sei hier einmal festgehalten:
- Rückschnitt der Bepflanzung, zur Ball-Ricco-Straße hin, aber auch direkt vor der Stadtbibliothek. Zum Schallschutz vor der Straße ist eine andere Art der Bepflanzung möglich. Am Eingangsbereich des Parks vom Bürgermeisterwall ist zur Ball-Ricco-Straße dringendster Handlungsbedarf, dort ist der Weg selbst bei strahlendem Sonnenschein sehr dunkel vor allem durch zu dichte Bepflanzung.
- Flächen- bzw. bodendeckende Bepflanzung einsetzen, pflegeleichte Stauden.
- Das Brunnenbecken zuschütten oder die himmelblaue Bassinfarbe verändern. Später dann eine andere Form des Wasserspiels dort installieren, mit Bodendüsen auf einer eingefassten Fläche, oder von einem Quellhügel hinunterfließendes Wasser. Für Kinder könnten kleine Bassins geschaffen werden, um Boote fahren zu lassen.
- Ein Sonnensegel kann verschiedene Sitzgruppen (mit und ohne Lehne) vor Sonne und Regen schützen, trotzdem ist alles offen und einsehbar.
- Die Wege mit einem anderem Belag, einer wassergebundenen Decke, versehen, barrierefreie Wege und eine an die heutigen Bedürfnisse angepasste Struktur der Wege schaffen, keine „Treppe ins Nichts“.
- Ideen von anderen einholen, beispielsweise aus der Partnerstadt Thiais, die nicht nur gärtnerisch schon immer weit vorn ist. Im dortigen neuen „Parc de cluny“ könnten beispielgebende Versionen auch von Wasserspielen die Ideen in Einbeck anregen.
- Den Gedenkstein an August Stukenbrok sanieren, die verwitterte Schrift sichtbarer machen, den Stein prominenter erkennbarer im Park werden lassen, eventuell um ein Ergänzungsschild versehen, wer der Kommerzienrat eigentlich war.
- Lichtinstallationen und Kunst-Skulpturen könnten den Stukenbrokpark zu jeder Tageszeit attraktiver machen
- Die Bücherei zu ihrem „Vorgarten“ hin öffnen, direkter Durchgang in den Stukenbrokpark.
Und dann finde ich eine Idee so charmant, dass ich mich über eine Umsetzung noch in diesem Sommer sehr freuen würde: Lese-Liegestühle vor der Stadtbibliothek. Ich musste gestern immer direkt an den Hansetag in Lübeck vor einem Jahr denken, bei dem es neben der vielen in Erinnerung gebliebenen Beteiligung Einbecks (Mein Blog „Hansetagblogger“ dokumentiert das) auch vor dem Holstentor eine Wiese mit Liegestühlen, Sitzsäcken, Luftmatratzen und Hockern gab, gesponsert vom örtlichen Kreditinstitut und sehr gut angenommen. Auch, wenn man eine temporäre Veranstaltung nicht mit einem dauerhaften Angebot vergleichen kann: Ein Versuch wäre es wert!
