
Mit Jörg Richert aus dem Einbecker Ortsteil Salzderhelden gibt es seit heute einen zweiten Kandidaten für die Landratswahl am 28. Februar 2016. Die FDP im Landkreis Northeim unterstützt nach einem einstimmigen Kreisvorstand-Beschluss die Kandidatur des 48-Jährigen, der als parteiloser Einzelbewerber antreten will. Jörg Richert arbeitet seit 2001 beim Landkreis Northeim, der Volljurist ist dort aktuell Fachbereichsleiter Zentrale Dienste und Schulen. Richert und die FDP laden ausdrücklich andere politische Gruppierungen ein, die unabhängige Kandidatur zu unterstützen und sind optimistisch, dass das gelingt: „Wer sich noch einreihen will, werden wir sehen“, sagte heute FDP-Kreisvorsitzender Christian Grascha bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz im Salzderheldener Bahnhofsgebäude. Er geht von drei Kandidaten bei der Landratswahl aus.
„Ich möchte Allianzen für den Landkreis schmieden und diesen eigenständig voranbringen“, sagte Jörg Richert zur Motivation für seine Kandidatur. Er könne nahtlos mit der Sacharbeit starten, müsse sich nicht erst in die Materie einarbeiten. „Durch meine Tätigkeit im Kreishaus kann ich aus nächster Nähe einschätzen, an welchen Stellen Verbesserungsbedarf besteht.“ Um die Eigenständigkeit des Landkreises zu sichern, sei eine solide Finanz- und Haushaltspolitik, eine vielfältige und attraktive Schullandschaft sowie eine moderne Verwaltung erforderlich. Stichwort Haushaltskonsolidierung: Die kleinen Schrauben, an denen gedreht werde könne, erkenne jemand schneller, der aus der Verwaltung komme. Durch eine neue Telefonanlage im Kreishaus beispielsweise lasse sich einsparen, statt 6000 Euro Miete pro Monat schlage eine neue mit nur noch 500 Euro monatlich zu Buche, das sechsstellige Investment rechne sich schnell und spare im Haushalt Geld.
Jörg Richert setzt außerdem, gerade in der aktuellen Flüchtlingssituation, auf eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen im Landkreis. Der 48-Jährige hatte beruflich schon einmal in den 1990-er Jahren mit Flüchtlingen zu tun, damals noch als Stadtinspektor bei der Stadt Osnabrück und dort im Beratungsbüro für rückkehrwillige bosnische Flüchtlinge. In den nächsten Wochen will Richert ein detailliertes Wahlprogramm mit einer Stärken-Schwächen-Analyse vorlegen.
Der Landkreis Northeim kann sich nach Meinung von Christian Grascha nach einem Jahr Vakanz auf dieser Position keinen Landrat leisten, der eine lange Einarbeitungszeit benötigt. Jörg Richert erfülle die Kriterien der Freien Demokraten zu 100 Prozent, beispielsweise überparteiliches Agieren und Zusammenführen der Fraktionen bei schwierigen Fragen, eine klare Zukunftsvision für einen eigenständigen, starken Landkreis Northeim. „Wir freuen uns, dass ein Verwaltungsfachmann für die Verwaltungsspitze kandidiert“, erklärte der FDP-Kreisvorsitzende heute. Jörg Richert hat während seiner beruflichen Tätigkeit für den Landkreis Northeim unter anderem die Veräußerung der EAM-Aktien an die Eon im Jahre 2002 und die aus dem Erlös in Höhe von 54,2 Millionen Euro gespeisten neuen Stiftungen juristisch begleitet. Federführend hat sich Richert gemeinsam mit Fachbereichsleiter Harald Rode im Kreishaus in den Jahren 2012/13 auch um die Rekommunalisierung der Eon Mitte und den Aktien-Rückkauf gekümmert. Richert ist unter anderem Antikorruptionsbeauftragter des Landkreises Northeim, war bis Herbst 2014 Leiter des Katastrophenschutzstabes der Hauptverwaltungsbeamten im Landkreis.
Der gebürtige Osnabrücker Jörg Richert präsentierte sich heute bei der Pressekonferenz mit einer langen Vita, gab auch Privates von sich preis, beispielsweise dass er Fußballfan des VfL Osnabrück (3. Liga) ist. Jörg Richert geb. Beckmann ist verheiratet, hat bei der Hochzeit 1995 den Namen seiner Ehefrau Silke angenommen und Vater von zwei Söhnen (10,14 Jahre). In seiner Freizeit wandert der 48-Jährige gerne mit seiner Familie durch den Höhenzug Ahlsburg und dort vor allem rund um Wellersen, entspannt in der Sauna oder sucht im eigenen Garten (direkter Nachbar in Salzderhelden ist übrigens Christian Grascha) einen körperlichen Ausgleich zu seinem Bürojob – auch gerne mal beim Holz hacken für den heimischen Kamin.
Schon allein aus lokalpatriotischen Gründen gefällt es mir, dass ein Einbecker Chef im achten Stockwerk des Northeimer Kreishauses werden möchte. Noch einer sozusagen: neben dem Ersten Kreisrat Dr. Hartmut Heuer, der zurzeit mangels Landrat die Geschäfte der Kreisverwaltung souverän führt. Zusammen unter anderem mit Jörg Richert.

Ob die Einzelkandidatur Richerts aber erfolgversprechend eingefädelt worden ist, werden erst die nächsten Tage und Wochen zeigen. Denn er wirbt öffentlich um Unterstützung von anderen Parteien (gemeint sind vor allem SPD und GfE, die CDU hat ja ihren eigenen Kandidaten), Jörg Richert hat aber nach eigener Aussage mit keiner vorab gesprochen. Unter anderem, wie er sagt, weil er bis zur heutigen Kreistagssitzung noch Vize-Wahlleiter im Kreishaus und damit zur Neutralität angehalten war, von dem Posten hat ihn der Kreistag erst noch heute Nachmittag entpflichten müssen, um eine Kandidatur Richerts auch offiziell freizumachen. Ob sich da beispielsweise die SPD noch für Richert (aus fachlichen sachlichen Gründen) entscheidet, oder ob sie eher aus Prinzip einen eigenen Kandidaten aufstellt? FDP-Kreistagsfraktionschef Irnfried Rabe jedenfalls lud heute bei der Pressekonferenz die Sozialdemokraten ein, Jörg Richert zu unterstützen. Der 48-Jährige könne quasi ein „amerikanisches Modell“ in der Verwaltung hinlegen: vom Stadtinspektor zum Landrat. Richert kündigte heute an, ein Wahlkampfteam zu berufen, das neben Grascha und Rabe unter anderem aus Dr. Claudius Weisensee als Pressesprecher bestehen werde. Der gelernte Redakteur und Jurist ist aktuell Forschungsreferent an der TU Braunschweig, er war auch schon einmal FDP-Ortsvorsitzender in Einbeck.
Erste parteipolitische Spitzen zur Kandidatur Jörg Richerts gab es wenige Stunden nach der Pressekonferenz bei der Kreistagssitzung in Northeim. Beim Tagesordnungspunkt Anfragen wollte Dirk Ebrecht (CDU) von der Kreisverwaltungsspitze wissen, wie auf die Landratskandidatur Richerts arbeitsorganisatorisch reagiert werde. Der Erste Kreisrat Dr. Hartmut Heuer antwortete, dass dieser noch Resturlaub habe und die Kreisverwaltung im Übrigen so organisiert sei, dass die Qualität nicht unter der Kandidatur leiden werde. Richert hatte zuvor bereits gesagt, dass er für den Wahlkampf im Januar/Februar Urlaub nehmen werde.

Nachtrag 08.11.2015: Heute hat die SPD ihre Nominierungskonferenz für den 20. November angekündigt. Sie wird in Einbeck im Hotel „Panorama“ stattfinden. „Wir haben mit vielen herausragenden Persönlichkeiten in den vergangenen Wochen gesprochen“, wird SPD-Unterbezirk-Vorsitzender Uwe Schwarz in der Pressemitteilung zitiert. „Ich bin mir sicher, dass wir den Delegierten einen guten und interessanten Vorschlag vorstellen werden.“ Der SPD-Unterbezirksvorstand will im Vorfeld der Nominierungskonferenz den abschließenden Personalvorschlag für die Landratswahl erarbeiten. Namen wurden bislang nicht genannt.